Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung - Freundschaftspionierleiterin mit Diplomabschluß für sonderpädagogische Fachrichtung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Freundschaftspionierleiterin mit der Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch oder Mathematik und in einem Wahlfach, die einen zusätzlichen Diplomabschluß als Diplomlehrerin in der Studienrichtung Pädagogik für Hörgeschädigte (Lehrer) erst nach dem 3. Oktober 1990 erworben hat, hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr III BAT-O gemäß den Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der Fassung der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen (Arbeitgeber-Richtlinien).
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1999 - 9 Sa 955/98 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin erwarb nach einem Fachschulstudium am 1. Juli 1988 den Fachschulabschluß "Freundschaftspionierleiter" mit der Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Musikerziehung der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Seit dem Jahre 1988 unterrichtet sie an einer Förderschule für gehörlose und schwerhörige Schüler bis zur Klassenstufe 4, zuletzt in den Fächern Deutsch, Werken, Förderunterricht und Sport.
In der Zeit vom 1. Dezember 1990 bis zum 31. August 1992 absolvierte die Klägerin an der Humboldt-Universität zu Berlin ein Zusatzstudium im Studiengang Rehabilitationspädagogik in der Studienrichtung Pädagogik der Hörgeschädigten (Lehrer). Mit Urkunde vom 7. Juli 1992 wurde ihr der akademische Grad "Diplomlehrerin" verliehen. Der Beklagte hatte der Klägerin dieses Studium durch Freistellung von Unterrichtsverpflichtungen ermöglicht.
Der Abschluß als Diplomlehrer in der Studienrichtung "Pädagogik der Hörgeschädigten" konnte in der ehemaligen DDR auch bereits vor dem 3. Oktober 1990 erworben werden.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet auf Grund der Vereinbarungen im "Änderungsvertrag" vom 29. August 1991 der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung. Weiterhin enthält der "Änderungsvertrag" die Vereinbarung, daß für die Eingruppierung der Klägerin der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung gilt. Als für die Klägerin einschlägige Vergütungsgruppe ist in diesem "Änderungsvertrag" die VergGr. IV b BAT-O angegeben. In einem weiteren Änderungsvertrag vom 6. November 1992 wurde die VergGr. IV b durch die VergGr. IV a ersetzt.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1995 teilte das Oberschulamt L. der Klägerin mit, daß sie ab 1. Juli 1995 in die VergGr. III BAT-O eingruppiert sei. Mit Datum vom 13. Januar 1997 wurde der Klägerin vom Oberschulamt L. mitgeteilt, daß nur eine Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O möglich sei. Zugleich verlangte das Oberschulamt die Rückzahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der VergGr. III BAT-O und der VergGr. IV b BAT-O rückwirkend ab dem 1. August 1996.
Die Klägerin meint, sie sei zutreffend in die VergGr. III BAT-O eingruppiert worden. Die erfolgte Rückgruppierung sei daher fehlerhaft. Ihr Abschluß an der Humboldt-Universität zu Berlin erfülle das Tatbestandsmerkmal der Eingruppierungsrichtlinien des Freistaates Sachsen "Zusätzlicher Diplomabschluß als Diplomlehrer für eine sonderpädagogische Fachrichtung". Daß sie diesen Abschluß erst im Jahre 1992 erworben habe, sei unschädlich.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen, daß der Beklagte
verpflichtet ist, ihr über den 31. Juli 1996 hinaus Vergütung nach
der VergGr. III BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen aus den rückständigen
Nettodifferenzbeträgen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er meint, die Klägerin erfülle das Tatbestandsmerkmal des zusätzlichen Diplomabschlusses als Diplomlehrer für eine sonderpädagogische Fachrichtung nicht. Dem stehe die Vorbemerkung Nr. 3 zu den Eingruppierungsrichtlinien in der anzuwendenden Fassung der Veröffentlichung des Finanzministeriums vom 26. März 1996 entgegen. Danach beziehe sich die Eingruppierung grundsätzlich auf Lehrkräfte, die den Abschluß vor dem 3. Oktober 1990 erworben haben, sofern der Erwerb der in den Richtlinien genannten Abschlüsse vor dem 3. Oktober 1990 nach dem Recht der DDR möglich war.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht die begehrte Vergütung nach der VergGr. III BAT-O ab dem 31. Juli 1996 nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Klägerin habe weder nach dem BAT-O noch den TdL-Richtlinien, noch auf Grund der Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 idF der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung nach der VergGr. III BAT-O. Der vergütungsrechtlichen Berücksichtigung des Diplomabschlusses der Klägerin stehe die Stichtagsregelung in der Vormerkung Nr. 3 zu den Eingruppierungsrichtlinien des Freistaates Sachsen entgegen, da der Erwerb ihres Abschlusses als Diplomlehrerin vor dem 3. Oktober 1990 nach dem Recht der DDR möglich gewesen wäre, sie diesen aber erst im Jahre 1992 erworben habe. Diese Stichtagsregelung sei nicht zu beanstanden.
Es bestehe auch keine Veranlassung, im Falle der Klägerin von dieser Stichtagsregelung abzuweichen. So habe sich der Beklagte insbesondere nicht widersprüchlich verhalten, indem er der Klägerin das Studium an der Humboldt-Universität durch Freistellung von Unterrichtsverpflichtungen ermöglicht habe und nunmehr den erworbenen Abschluß nicht für die Eingruppierung anerkenne. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen können, daß der von ihr angestrebte Abschluß zu einer höheren Eingruppierung führe.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu folgen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden auf Grund der Vereinbarung im "Änderungsvertrag" vom 29. August 1991 der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung. Danach richtet sich die Eingruppierung der Klägerin nach folgenden Bestimmungen:
Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 8. Mai 1991 (im folgenden nur: ÄnderungsTV Nr. 1).
"§ 2
Übernahme der Vergütungsordnung des BAT
... 3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen
Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden,
die ...
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind - ggf. nach näherer
Maßgabe von Richtlinien - in der Vergütungsgruppe
eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe
entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn
er im Beamtenverhältnis stünde."
Sonderregelungen"Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 - Geltungsbereich -
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an
allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-,
Berufsfach- und Fachschulen).
Protokollnotiz
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei
denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen
eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3 a
Zu §§ 22 bis 25 - Eingruppierung -
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen
eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten
Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für
entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung
unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der
Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung
arbeitsvertraglich zu regeln."
Die Klägerin ist Lehrkraft im Sinne der tariflichen Bestimmungen, da sie an einer Sonderschule unterrichtet, die als allgemeinbildende Schule gilt (BAG 27. Januar 1999 - 10 AZR 37/98 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 75 mwN). Deshalb ist für die Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des ÄnderungsTV Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden. Die Eingruppierung der Klägerin erfolgt vielmehr gemäß § 2 Nr. 3 Satz 2 des ÄnderungsTV Nr. 1 in diejenige Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher sie eingruppiert wäre, wenn sie im Beamtenverhältnis stünde.
Zunächst war die Besoldung der Lehrer in der Anlage 1 zur Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 geregelt. Diese Verordnung galt gemäß Art. 3 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 nur bis zu einer entsprechenden Ergänzung des Landesrechts weiter, längstens jedoch bis zum 1. Juli 1995. Gleichzeitig wurde durch dieses Gesetz die Vorbemerkung Nr. 16 b zu den Besoldungsordnungen A und B eingefügt, die bestimmt, daß Lehrer mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR landesrechtlich eingestuft werden unter Berücksichtigung der Ämter für Lehrer, die in der Bundesbesoldungsordnung A und in den Landesbesoldungsordnungen A ausgewiesen sind.
Eine landesrechtliche Regelung über die Lehrerbesoldung ist beim Beklagten nicht erfolgt. Die 2. BesÜV trat damit im Bereich des Beklagten zum 1. Juli 1995 außer Kraft. Die für die Eingruppierung von Lehrkräften maßgebliche tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften geht seit diesem Zeitpunkt ins Leere. Da beim Beklagten seit dem 1. Juli 1995 keine beamtenrechtliche Regelung über die Einstufung von Lehrkräften besteht, sind diese entsprechend der tariflichen Regelung in § 2 Nr. 3 Satz 2 des ÄnderungsTV Nr. 1, die vom Außerkrafttreten der 2. BesÜV unberührt bleibt, nach näherer Maßgabe von Richtlinien einzugruppieren (BAG 7. August 1997 - 6 AZR 716/95 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 62).
Der Beklagte hat demgemäß mit Wirkung zum 1. Juli 1995 die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte durch die "Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 idF der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen (Arbeitgeber-Richtlinien)" neu geregelt. Die Anwendung dieser Richtlinien kommt aber nur in Betracht, wenn sie von den Arbeitsvertragsparteien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sind (BAG 25. November 1998 - 10 AZR 518/97 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74).
Die Parteien haben im "Änderungsvertrag" vom 29. August 1991 vereinbart, daß für die Eingruppierung der Klägerin der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT fallen, in der jeweiligen Fassung gilt. Die Anwendung der Arbeitgeber-Richtlinien war nicht ausdrücklich vereinbart worden. Jedoch ist die im "Änderungsvertrag" getroffene Vereinbarung dahingehend auszulegen, daß die Arbeitsvertragsparteien auch die Arbeitgeber-Richtlinien zum Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses machen wollten (BAG 25. November 1998 - 10 AZR 518/97 - aaO).
Maßgebend sind für das Arbeitsverhältnis der Parteien die Arbeitgeber-Richtlinien in der Fassung der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 27. März 1996 (Amtsblatt des SMF Nr. 5 vom 30. Mai 1996 S 142 ff.). Im Amtsblatt des Sächsischen Ministeriums für Kultus (SMK) vom 14. November 1995 waren die Arbeitgeber-Richtlinien ohne die spätere Vorbemerkung Nr. 3 als "Information des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte des Freistaates Sachsen vom 20. Oktober 1995" veröffentlicht worden. Diese Veröffentlichung des SMK enthält folgenden Einführungssatz: "Seit 1. Juli 1995 ist im Freistaat Sachsen die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte durch die "Richtlinien zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer" (Arbeitgeber-Richtlinien) sowie die "Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) vom 22. Juni 1995" neu geregelt.
Einen Teil der "Richtlinien zur Neuregelung der Eingruppierung der
angestellten Lehrer" hat die TdL von ihrer Zustimmung ausgenommen.
Zur Information aller Lehrkräfte des Freistaates Sachsen werden
die Richtlinien vorab veröffentlicht."
Das Sächsische Ministerium der Finanzen veröffentlichte dann mit "Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 26. März 1996" die "Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der Fassung der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen" im Amtsblatt des SMF vom 30. Mai 1996. Diese Richtlinien sollten am 1. Juli 1995 in Kraft treten.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Arbeitgeber-Richtlinien in der Fassung der Bekanntmachung durch das Sächsische Staatsministerium der Finanzen vom 27. März 1996 (Amtsblatt des SMF vom 30. Mai 1996) maßgebend (BAG 15. März 2000 - 10 AZR 119/99 - zVv.).
2. Soweit vorliegend von Interesse, enthalten diese einschlägigen Arbeitgeber-Richtlinien folgende Bestimmungen: "Vorbemerkungen
... 3. War der Erwerb der in den Richtlinien genannten Abschlüsse
vor dem 3. Oktober 1990 nach dem Recht der DDR möglich,
bezieht sich die Eingruppierung grundsätzlich auf die
Lehrkräfte, die den Abschluß vor dem 3. Oktober 1990 erworben
haben.
...
C. Förderschulen
...
Vergütungsgruppe III
Lehrer
...
- mit abgeschlossener Ausbildung als Freundschaftspionierleiter
oder Erzieher mit einer Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch oder
Mathematik und einem Wahlfach (Klassen 1 bis 4) mit zusätzlichem
Diplomabschluß als Diplomlehrer für eine sonderpädagogische
Fachrichtung."
3. Da der Erwerb eines Abschlusses als Diplomlehrer für eine sonderpädagogische Fachrichtung auch nach dem Recht der DDR vor dem 3. Oktober 1990 möglich gewesen wäre, kann sich die Klägerin für eine Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O gemäß den Arbeitgeber-Richtlinien wegen der Vorbemerkung 3 zu diesen Richtlinien auf ihren erst im Jahre 1992 erworbenen Abschluß als Diplomlehrerin in der Studienrichtung Pädagogik der Hörgeschädigten nicht berufen.
4. Es bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Stichtagsregelung in der Vorbemerkung Nr. 3. So verstößt sie insbesondere nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Als einseitige Leistungsbestimmungen des Arbeitgebers unterliegen die Eingruppierungsrichtlinien einer gerichtlichen Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB (BAG 28. März 1990 - 4 AZR 619/89 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 26). Diese Billigkeitskontrolle umfaßt auch die Prüfung, ob die Richtlinien dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, da dieser sicherstellen soll, daß alle Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gleichermaßen nach Recht und Billigkeit behandelt werden (vgl. BAG 27. Oktober 1998 - 9 AZR 299/97 - BAGE 90, 85 mwN).
Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, hat ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleichzubehandeln. Ihm ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern von begünstigenden Regelungen auszunehmen, soweit hierfür keine sachlichen Gründe vorliegen (st. Rspr.; vgl. BAG 7. Juli 1999 - 10 AZR 571/98 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 79 mwN).
Die vorliegende Differenzierung nach dem Datum des Ausbildungsabschlusses mit dem Stichtag 3. Oktober 1990 stellt einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Lehrer, je nach dem Zeitpunkt des Erwerbes ihres Diplomabschlusses als Diplomlehrer dar. Angesichts der Einführung einer Lehramtsausbildung ab September 1990 mit obligatorischem Ersten und Zweiten Staatsexamen bestehen zwischen Diplomlehrern mit vor der Herstellung der Einheit Deutschlands erworbenem Diplomabschluß und Diplomlehrern mit nach der Herstellung der Einheit Deutschlands erworbenem Diplomabschluß Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Dem steht Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Einigungsvertrag nicht entgegen. Dieser regelt lediglich die Weitergeltung von in der DDR erworbenen Abschlüssen, nicht jedoch regelt er, wie diese Abschlüsse vergütungsrechtlich zu bewerten sind. Die von der Revision herangezogene Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 11. Dezember 1997 - 6 AZR 285/96 - nv.) ist hier nicht einschlägig, weil im dort entschiedenen Streitfall eine einschränkende Regelung wie diejenige der Vorbemerkung Nr. 3 zu den Arbeitgeber-Richtlinien fehlte.
Der Stichtagsregelung begegnen auch ansonsten keine Bedenken. Die Wahl des 3. Oktober 1990 als Stichtag basiert auf sachlich einleuchtenden Gründen. Es ist das offizielle Datum der Wirkung des Beitritts gemäß Art. 1 Einigungsvertrag. Daß dieses Datum das Ergebnis eines Einigungs- und Abstimmungsprozesses der damaligen Volkskammer war (Stern/Schmidt-Bleibtreu Einigungsvertrag und Wahlvertrag Einführung S 21), steht der sachlichen Vertretbarkeit dieses Datums nicht entgegen. Mit dem 3. Oktober 1990 verband sich vor allem die Vorausschau, daß bis dahin die staats- und völkerrechtlichen Voraussetzungen des Einigungsprozesses mit hoher Wahrscheinlichkeit als geklärt betrachtet werden konnten (Stern/Schmidt-Bleibtreu aaO).
Auch das Urteil des Senats vom 27. Januar 1999 (- 10 AZR 37/98 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 75) steht nicht im Widerspruch zu dem hier gefundenen Ergebnis. Der Senat hat in dieser Entscheidung ebenfalls festgestellt, daß sich nach der Vorbemerkung 3 zu den Arbeitgeber-Richtlinien die Eingruppierung grundsätzlich auf diejenigen Lehrkräfte bezieht, welche ihren für die Eingruppierung maßgeblichen Abschluß vor dem 3. Oktober 1990 erworben haben, wenn ein solcher Abschluß nach dem Recht der ehemaligen DDR möglich war. Der Senat ist allerdings dann zu dem Ergebnis gelangt, daß der Richtliniengeber im konkret zu entscheidenden Fall von dieser in der Vorbemerkung 3 zu den Arbeitgeber-Richtlinien enthaltenen Grundsatzregelung eine Ausnahme gemacht hat und auch nach dem 3. Oktober 1990 erworbene Abschlüsse anerkennen wollte. Eine solche Ausnahme läßt sich vorliegend aus den Arbeitgeber-Richtlinien jedoch nicht entnehmen.
5. Die Klägerin erfüllt nach den Arbeitgeber-Richtlinien nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O.
Zwar besitzt sie eine abgeschlossene Ausbildung als Freundschaftspionierleiterin und hat gleichzeitig die Lehrbefähigung in dem Fach Deutsch und in einem Wahlfach, beides bezogen auf die unteren Klassen, damit auf die Klassen 1 bis 4, erworben. Jedoch verfügt sie nicht über einen zusätzlichen Diplomabschluß als Diplomlehrerin für eine sonderpädagogische Fachrichtung im Sinne der Arbeitgeber-Richtlinien. Dem steht - wie oben dargelegt - die Vorbemerkung Nr. 3 zu den Arbeitgeber-Richtlinien entgegen, da der Erwerb des genannten Abschlusses bereits vor dem 3. Oktober 1990 nach dem Recht der ehemaligen DDR möglich gewesen wäre, die Klägerin den Abschluß aber erst 1992 erworben hat.
6. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III BAT-O auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen.
In der Mitteilung des Oberschulamtes L. vom 19. Dezember 1995, in welchem der Klägerin die Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O mitgeteilt wurde, ist keine anspruchsbegründende Zusage des Beklagten zugunsten der Klägerin enthalten. Diese Mitteilung stellt nur eine deklaratorische Bezugnahme auf die Vergütungsgruppe dar und verweist im übrigen auf die Eingruppierungsrichtlinien. Grundsätzlich gilt im Bereich des öffentlichen Dienstes im Zweifel der sog. Normenvollzug. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes will grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das zahlen, wozu er tarifrechtlich verpflichtet ist (BAG 11. Juni 1997 - 10 AZR 724/95 - AP BMT-G II § 20 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 7). Vor diesem Hintergrund konnte die Klägerin das Schreiben nur als Information über die bestehende Rechtslage verstehen. Der Mitteilung mußte sie entnehmen, daß der Beklagte lediglich die durch Tarifvertrag und die Arbeitgeber-Richtlinien geschaffene Rechtslage wiedergeben, nicht jedoch losgelöst davon Leistungen nach dem BAT-O zusagen wollte (so auch: BAG 24. Juni 1999 - 6 AZR 639/97 - nv.).
7. Der geltend gemachte Eingruppierungsanspruch steht der Klägerin auch nicht auf Grund der vom Beklagten ebenfalls angewandten Lehrer-Richtlinien-O der TdL vom 22. Juni 1995 zu, da diese für Lehrer an Sonderschulen eine Eingruppierung in die VergGr. III BAT-O nicht vorsehen.
8. Der Beklagte verhält sich auch nicht widersprüchlich, indem er das Studium der Klägerin durch Freistellung von Unterrichtsverpflichtungen ermöglicht hat und den erworbenen Studienabschluß nunmehr vergütungsrechtlich nicht anerkennt. Angesichts vielfältiger Vorteile einer zusätzlichen Ausbildung/Weiterbildung für Arbeitnehmer kann es dem Beklagten nicht als widersprüchliches Verhalten entgegengehalten werden, wenn er der Klägerin solche Vorteile verschafft hat, sich andererseits aber auf die von ihm aufgestellten Richtlinien über die Eingruppierung von Lehrern beruft. Daß der Beklagte mit der Freistellung der Klägerin für ihr Zusatzstudium die ausdrückliche oder konkludente Zusage verbunden habe, einen durch dieses Studium erworbenen Abschluß vergütungsrechtlich im Sinne der Klägerin zu berücksichtigen, hat diese nicht vorgetragen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dr. Jobs
Böck Marquardt Staedtler
Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 610767 |
BB 2000, 2368 |
FA 2000, 360 |
AP, 0 |
NJ 2001, 220 |
RiA 2001, 69 |