Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlicher Betriebsteil
Leitsatz (redaktionell)
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß im Regelfall ein Betriebsteil nur dann als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden kann, wenn in ihm auch eine erhebliche Zahl (im Sinne von § 17 Abs 1 KSchG) der Arbeitnehmer des Betriebes beschäftigt wird.
Ein Betriebsteil ist nicht allein deswegen ein wesentlicher Betriebsteil, weil in ihm ein notwendiges Vorprodukt gefertigt wird.
Die Aufgabe der Eigenfertigung eines notwendigen Vorproduktes kann eine grundlegende Änderung des Arbeitsverfahrens im Sinne von § 111 Satz 2 Nr 5 BetrVG sein.
Orientierungssatz
Festhaltung an BAG Urteil vom 21.10.1980 1 AZR 145/79 = AP Nr 8 zu § 111 BetrVG 1972 und Beschluß vom 6.12.1988 1 ABR 47/87 = BAGE 60, 237 = AP Nr 26 zu § 111 BetrVG 1972.
Normenkette
BetrVG § 111; KSchG § 17 Abs. 1; BetrVG § 113 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.07.1989; Aktenzeichen 16 Sa 400/89) |
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 28.02.1989; Aktenzeichen 4 Ca 86/89) |
Tatbestand
Die Beklagte betreibt eine Samt- und Plüschweberei und beschäftigte zuletzt 27 Arbeitnehmer. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Zum Jahresende 1988 entschloß sich die Beklagte, die Schärerei stillzulegen, da nach ihrem Vorbringen die Aufrechterhaltung einer eigenen Schärerei wirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigen war.
In einer Schärerei werden die Kettfäden für das Webstück auf einen Schärbaum gewickelt, von dem dann die Kettfäden während des Webvorganges langsam abgezogen werden. Der Durchmesser des Schärbaums bestimmt die mögliche Länge der Kettfäden. Ist ein Schärbaum abgewebt, muß der Webstuhl erneut eingerichtet werden, d.h. die Kettfäden müssen von einem neuen Schärbaum eingezogen werden. Das Schären der Kettfäden auf den Schärbaum geschieht auf einem Schärstuhl. Die Beklagte hatte bis zu ihrem Entschluß einen einzigen Schärstuhl. Auf diesem konnten Schärbäume bis zu einem Durchmesser von 80 cm gewickelt werden. In der Schärerei beschäftigte die Beklagte drei Schärerinnen und einen Vorarbeiter.
Das Schären der Kettfäden will die Beklagte in Lohnarbeit durch darauf spezialisierte Firmen durchführen lassen. Schon vor der Stillegung der eigenen Schärerei hatte sie in geringerem Umfang Schärarbeiten in Lohnarbeit ausführen lassen.
Die Vergabe der Schärarbeit in Lohnarbeit ist nach dem Vorbringen der Beklagten deswegen sinnvoller, weil die Fertigstellung der Schärbäume als Voraussetzung für das anschließende Weben nicht durch Ausfall der Schärerin oder des einzigen Schärstuhls unterbrochen wird. Außerdem könnten durch die beauftragte Lohnschärerei Schärbäume mit größerem Durchmesser und damit mit längeren Kettfäden erstellt werden, so daß weniger häufig die Neueinrüstung des Webstuhls erforderlich werde.
Die Beklagte kündigte im Dezember 1988 den drei bei ihr beschäftigten Schärerinnen, darunter der Klägerin, zum 31. März 1989 und legte die Schärerei im März 1989 endgültig still. Die 51jährige Klägerin war seit Oktober 1968 bei der Beklagten beschäftigt und verdiente zuletzt im Monat durchschnittlich 2.215,-- DM.
Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich fanden nicht statt. Der Betriebsrat wurde lediglich zu den Kündigungen gehört und hat diesen nicht widersprochen.
Die Klägerin sieht in der Stillegung der Schärerei die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils. Vor deren Durchführung hätte die Beklagte daher einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versuchen müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe sie Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Diese Abfindung müsse mit Rücksicht auf ihr Alter und ihre lange Betriebszugehörigkeit mindestens 27.000,-- DM (das sind rd. zwölf Monatseinkommen) betragen. Die Klägerin hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine
Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Er-
messen des Gerichts gestellt wird, jedoch
27.000,-- DM nicht unterschreiten sollte.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, daß die Stillegung der Schärerei keine Betriebsänderung darstelle, so daß sie zum Versuch eines Interessenausgleichs nicht verpflichtet gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen einer Betriebsänderung, die die Beklagte zum Versuch eines Interessenausgleichs verpflichtet hätte, verneint.
I.1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis dahingestellt sein lassen, ob es sich bei der Stillegung der Schärerei um die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils gehandelt hat. Selbst wenn die Schärerei ein wesentlicher Betriebsteil gewesen sein sollte und die Stillegung der Schärerei sich als Betriebsänderung nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG darstelle, sei die weitere Voraussetzung nach § 111 Satz 1 BetrVG nicht erfüllt, daß diese Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben könne. § 111 Satz 2 BetrVG fingiere lediglich, daß die hier genannten Betriebsänderungen wesentliche Nachteile für davon betroffene Arbeitnehmer haben könnten, nicht aber, daß solche Nachteile für die Belegschaft insgesamt oder zumindest für erhebliche Teile der Belegschaft entstünden. Da lediglich drei Arbeitnehmerinnen entlassen worden seien, seien von der Stillegung der Schärerei nicht erhebliche Teile der Belegschaft betroffen worden.
Damit hat das Landesarbeitsgericht die Bedeutung der in § 111 Satz 2 BetrVG enthaltenen Fiktion: "Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten .." verkannt. Dieser Rechtsfehler nötigt jedoch nicht zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, da sich diese aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZP0).
2. Der Senat hat schon zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 72 BetrVG 1952 ausgesprochen, daß die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils stets eine Betriebsänderung ist, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder wesentliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann (Urteil vom 10. Juni 1969, BAGE 22, 73 = AP Nr. 6 zu § 72 BetrVG). Er hat in seiner Entscheidung vom 17. August 1982 (BAGE 40, 36 = AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972) entschieden und im einzelnen begründet, daß § 111 Satz 2 BetrVG für die hier genannten Betriebsänderungen fingiere, daß diese wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können. Er hat diese Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 16. Juni 1987 (BAGE 55, 356 = AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972) bestätigt. Daran hält der Senat auch weiterhin fest. Die Entscheidung hat im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (Richardi, Anm. zu AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 111 Rz 7; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 111 Rz 11; Fabricius, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 111 Rz 96 ff. mit eingehender Begründung; anderer Ansicht lediglich Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 111 Rz 18, die in Satz 2 lediglich eine Vermutung sehen und Mayer-Maly, SAE 1984, 236 mit lediglich allgemeinen Überlegungen zur Annahme einer Fiktion, die Fabricius, aa0, Rz 97, bereits widerlegt hat).
Dem widerspricht es, wenn das Landesarbeitsgericht in der Stillegung der Schärerei zwar die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils sieht, gleichwohl aber noch prüft, ob infolge dieser Stillegung wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft eintreten können. Ist die Schärerei ein wesentlicher Betriebsteil, dann ist mit ihrer Stillegung ein wesentlicher Betriebsteil stillgelegt worden. Es lag dann eine Betriebsänderung vor, die nach § 112 Abs. 2 und 3 BetrVG die Beklagte verpflichtete, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat über die Stillegung der Schärerei zu versuchen. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Schärerei ein wesentlicher Betriebsteil der Samt- und Plüschweberei der Beklagten war. Das durfte das Landesarbeitsgericht nicht dahingestellt sein lassen.
II. Auf die Entscheidung der Frage käme es nur dann nicht an, wenn in der Entlassung der drei Schärerinnen eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG in Form einer erheblichen Personalreduzierung gesehen werden könnte.
Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 22. Mai 1979 (- 1 AZR 848/76 - AP Nr. 3 zu § 111 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß eine Betriebsänderung in der Form der Betriebseinschränkung nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG auch ein bloßer Personalabbau unter Beibehaltung der sächlichen Betriebsmittel sein kann, wenn es sich um einen erheblichen Personalabbau handele. Er hat daran in späteren Entscheidungen festgehalten und zuletzt in seiner Entscheidung vom 2. August 1983 (BAGE 43, 222 = AP Nr. 12 zu § 111 BetrVG 1972) ausgesprochen, bei der Frage, ob ein Personalabbau so erheblich ist, daß er eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG darstelle, könne auf die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG n.F. als Richtschnur abgestellt werden, jedoch mit der Maßgabe, daß von dem Personalabbau mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes betroffen sein müßten. Er hat dabei eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG definiert als eine erhebliche, ungewöhnliche und nicht nur vorübergehende Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, gleichgültig, ob die Verminderung der Leistungsfähigkeit durch Außerbetriebsetzung von Betriebsanlagen oder durch Personalreduzierung erfolgt.
Im vorliegenden Fall stellt die Entlassung der drei Schärerinnen keine Betriebseinschränkung im dargelegten Sinne dar. Von dem Personalabbau ist nicht ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen worden. Das wäre bei einer Belegschaft von 27 Arbeitnehmern vor der Stillegung der Schärerei nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nur dann der Fall, wenn mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen worden wären. Auch wenn diese Zahlen nur als Richtschnur dienen und damit möglicherweise geringfügig auch unterschritten werden können, liegt in der Entlassung von nur drei Arbeitnehmern keine geringwertige Unterschreitung der Richtzahl sechs, sondern eine solche von 50 %.
III. Die Schärerei ist kein wesentlicher Betriebsteil.
1. Der Senat hat das Vorliegen eines wesentlichen Betriebsteils in seiner Rechtsprechung bislang nur dann bejaht, wenn in dem fraglichen Betriebsteil ein erheblicher Teil der Gesamtbelegschaft beschäftigt ist. Auch dabei hat er auf die Zahlenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG abgestellt (Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972; Beschluß vom 6. Dezember 1988, BAGE 60, 237 = AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972). Er hat in den genannten Entscheidungen ausdrücklich offengelassen, ob ein Betriebsteil unabhängig von der Zahl der in diesem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer auch aufgrund anderer Umstände, insbesondere seiner Bedeutung für den Gesamtbetrieb als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden kann.
An dieser Sicht hält der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität für den Regelfall fest.
Geht man allein von der Zahl der in der Schärerei beschäftigten Arbeitnehmer aus, so kann die Schärerei nicht als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden. Bei 27 Arbeitnehmern insgesamt hätten dann wenigstens sechs Arbeitnehmer in der Schärerei beschäftigt sein müssen. Diese Zahl wird auch dann nicht erreicht, wenn man den von der Klägerin in den Vorinstanzen erwähnten Vorarbeiter - der an anderer Stelle weiterbeschäftigt worden ist - mit zur Belegschaft des Betriebsteils Schärerei zählt.
2. Der Senat hat in seinen bisherigen Entscheidungen gleichwohl nicht ausgeschlossen, daß die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung eines Betriebsteils mit in die Prüfung einbezogen werden könne, ob ein wesentlicher Betriebsteil vorliegt.
So heißt es in der Entscheidung vom 10. Juni 1969 (BAGE 22, 73 = AP Nr. 6 zu § 72 BetrVG), mit der Stillegung der Maschinenbauabteilung sei ein nach Aufgabe und Größe wesentlicher Betriebsteil stillgelegt worden. In der Entscheidung vom 6. Juni 1978 (- 1 AZR 495/75 - AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972) hat er ausgeführt, daß nicht ersichtlich sei, daß die Lackiererei - aus der heraus Arbeitnehmer entlassen worden waren - für die betriebliche Gesamtorganisation von wesentlicher Bedeutung sei, da dort im wesentlichen nur Lohnaufträge ausgeführt würden, die das Geschehen im sonstigen Betrieb unberührt ließen, so daß die Einschränkung der Lackiererei keine Auswirkungen auf die übrige Belegschaft habe. In der Entscheidung vom 6. Dezember 1988 (BAGE 60, 237 = AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972) hat er geprüft, ob durch die Auflösung der Reinigungsabteilung andere Arbeitnehmer des Betriebes nachteilig betroffen werden können.
Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann die von der Beklagten stillgelegte Schärerei nicht als ein wesentlicher Betriebsteil angesehen werden.
In der Schärerei wurde ein dem eigentlichen Webvorgang vorgelagerter Arbeitsgang erledigt, der Kettbaum geschärt. Es wurde gewissermaßen ein Vorprodukt gefertigt. Die Eigenfertigung dieses Vorproduktes wurde aufgegeben. Das Vorprodukt wird nunmehr angekauft.
Sicher trifft es zu, daß ohne dieses Vorprodukt der eigentliche Webvorgang nicht ausgeführt werden, der Betriebszweck, Weben von Plüsch und Samt, nicht erreicht werden kann. Das ist aber für jedes Vorprodukt eines Endproduktes der Fall. Allein die Fertigung eines Vorproduktes in einem Betriebsteil kann daher diesen Betriebsteil noch nicht zu einem wesentlichen Betriebsteil machen, anderenfalls könnte in einem wirtschaftlich arbeitenden Betrieb für jede Tätigkeit die Qualifikation als ein wesentlicher Betriebsteil angenommen werden. Das bislang selbst gefertigte Vorprodukt kann ohne Schwierigkeiten auch auswärts gefertigt und angekauft werden. Ob ein Vorprodukt selbst gefertigt oder angekauft wird, ist eine Frage, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist. Für die Erreichung des Betriebszweckes ist es ohne Bedeutung, für welche Alternative sich der Arbeitgeber entscheidet. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, welche Auswirkungen von Gewicht die Aufgabe der Eigenfertigung und der Ankauf des Vorproduktes für die übrigen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer haben kann.
Die Schärerei ist daher auf keinen Fall ein wesentlicher Betriebsteil, der stillgelegt worden ist.
3. Macht damit die Einstellung der Fertigung eines Vorproduktes den Betriebsteil, in dem dieses Vorprodukt gefertigt wurde, regelmäßig noch nicht zum wesentlichen Betriebsteil, so ist damit doch nicht gesagt, daß dieser Vorgang nicht gleichwohl eine Betriebsänderung darstellen kann. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie sich aus wirtschaftlichen Gründen zu diesem Schritt entschlossen hat. Das ist einleuchtend. Die Beklagte hat damit ihren Betrieb rationalisiert.
Werden infolge einer Rationalisierungsmaßnahme Arbeitnehmer des Betriebes entlassen, so kann darin eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszweckes oder der Betriebsanlagen oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 und 5 BetrVG liegen.
Im vorliegenden Falle scheidet eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszweckes aus. Der Betriebszweck, Herstellung von Plüsch- und Samtstoffen, ist unverändert geblieben. Der Wegfall von drei Arbeitsplätzen an einem Schärstuhl macht bei der Kleinheit des Betriebes jedenfalls keine grundlegenden Änderungen der Arbeitsorganisation erforderlich.
Eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen kann zwar auch darin liegen, daß Betriebsanlagen in Wegfall kommen. Der einzige Schärstuhl, der hier stillgelegt wurde, ist aber noch keine Betriebsanlage im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG. Von Betriebsanlagen im Sinne dieser Vorschrift kann, wenn nur eine einzige Maschine in Rede steht, nur dann gesprochen werden, wenn durch den Wegfall dieser Maschine eine erhebliche Zahl von Arbeitnehmern betroffen wird (Beschluß des Senats vom 26. Oktober 1982, BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972). Das ist hier bei drei Arbeitnehmern nicht der Fall.
In der Aufgabe der Eigenfertigung eines notwendigen Vorproduktes kann die Einführung einer grundlegend neuen Arbeitsmethode oder eines grundlegend neuen Fertigungsverfahrens liegen. Die damit verbundene Änderung des Fertigungsverfahrens ist ebenso wie eine Änderung der Betriebsanlagen jedoch nur dann grundlegend, wenn von dieser Änderung ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer des Betriebes nachteilig betroffen werden kann. Auch das ist vorliegend bei nur drei Arbeitnehmern nicht der Fall.
Die Stillegung der Schärerei stellt damit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Betriebsänderung dar. Die Beklagte war daher nicht gehalten, vor der Durchführung dieser Maßnahme mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu versuchen. Damit fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG.
Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Klägerin zu tragen (§ 97 ZP0).
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Gnade Dr. Giese
Fundstellen
Haufe-Index 437306 |
DB 1991, 760-761 (LT1) |
BetrVG, (4) (LT1) |
EWiR 1990, 1169 (S1-3) |
NZA 1991, 113-115 (LT1) |
RdA 1990, 383 |
ZIP 1990, 1426 |
ZIP 1990, 1426-1429 (LT1) |
AP § 111 BetrVG 1972 (demnächst), Nr 30 |
EzA § 111 BetrVG 1972, Nr 27 (LT1) |