Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit nach BG-AT

 

Leitsatz (redaktionell)

Anrechnung der Beschäftigungszeit bei Übernahme des Aufgabenbereichs einer Teileinrichtung; Beschäftigungszeit einer Ärztin, die seit dem 1. Januar 1978 als Leiterin der Abteilung Arbeitshygiene, später der Arbeitshygienischen Beratungsstelle, im Betriebsambulatorium der Bauschaffenden in Rostock beschäftigt war und nach Auflösung des Bauambulatoriums seit dem 1. Januar 1991 als Leiterin des Arbeitsmedizinischen Zentrums einer Berufsgenossenschaft tätig ist.

 

Normenkette

Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag vom 25. November 1961 (BG-AT) in der Fassung des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen für Angestellte im Beitrittsgebiet (BG-AT/O) vom 1. Oktober 1991 und des Ergänzungstarifvertrags Nr. 93 zum BG-AT vom 4. November 1992 § 19, § 72 Abschn. A I Ziff. 1, §§ 39, 70; Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. Januar 1978 (GBl. DDR 1978, S. 61) § 3; Dritte Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion – Arbeitshygienische Zentren und Arbeitshygienische Beratungsstellen – vom 7. Januar 1980 (GBl. DDR 1980, S. 41) §§ 1 u. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Teilurteil vom 28.11.1995; Aktenzeichen 2 Sa 48/95)

ArbG Hamburg (Urteil vom 08.05.1995; Aktenzeichen 21 Ca 52/95)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. November 1995 – 2 Sa 48/95 – werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die am 21. September 1941 geborene Klägerin ist Fachärztin für Arbeitsmedizin. Sie war seit dem 1. November 1968 im Betriebsambulatorium der Bauschaffenden in Rostock beschäftigt, seit dem 1. Januar 1978 als Leiterin der Abteilung Arbeitshygiene. Diese Abteilung wurde aufgrund der Dritten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion – Arbeitshygienische Zentren und Arbeitshygienische Beratungsstellen – vom 7. Januar 1980 (GBl. DDR 1980, S. 41) mit den Aufgaben einer Arbeitshygienischen Beratungsstelle beauftragt. Die Beratungsstelle war örtlich zuständig für den Bezirk Rostock und den Küstenbereich von Mecklenburg-Vorpommern und hatte die Aufgabe, Belastungen und Gefährdungen der in der Bauwirtschaft arbeitenden Menschen zu erfassen, zu analysieren und bewerten sowie entsprechenden Einfluß auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen zu nehmen. Im Rahmen der Umstrukturierung des Gesundheitswesens der DDR wurde das Betriebsambulatorium zum 31. Dezember 1990 aufgelöst.

Die Klägerin war ab dem 1. Oktober 1990 bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 21. September 1990 zunächst teilzeitbeschäftigt mit 4/5 der tariflich festgelegten Arbeitszeit. Seit dem 1. Januar 1991 ist sie bei der Beklagten vollbeschäftigt als Leiterin des Arbeitsmedizinischen Zentrums Mecklenburg-Vorpommern. Die Aufgaben der Arbeitshygienischen Beratungsstelle und des Arbeitsmedizinischen Zentrums stimmen weitestgehend überein.

Nach § 2 des Arbeitsvertrags findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag vom 25. November 1961 (BG-AT) Anwendung, der durch den Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen für Angestellte im Beitrittsgebiet (BG-AT/O) vom 1. Oktober 1991 ergänzt wird.

Bei der Berechnung der Vergütung der Klägerin ging die Beklagte davon aus, daß die Klägerin ihre Tätigkeit bei ihr am 1. Oktober 1990 aufgenommen habe und frühere anrechnungsfähige Beschäftigungszeiten nicht bestünden. Mit Schreiben vom 8. März 1993 verlangte die Klägerin von der Beklagten erfolglos die Anerkennung ihrer Beschäftigungszeit für den Zeitraum vom 1. November 1968 bis zum 30. September 1990.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe ab dem 1. Oktober 1990 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung nach der Lebensaltersstufe 47 (der letzten), da ihre frühere Beschäftigungszeit seit dem 1. November 1968 anzurechnen sei. Dies folge aus § 19 i.V.m. § 72 Abschn. A I BG-AT i.d.F. des Ergänzungstarifvertrages Nr. 93 zum BG-AT, da die Arbeitshygienische Beratungsstelle eine Einrichtung gewesen sei, deren Aufgabenbereiche die Beklagte i.S. der Tarifbestimmungen übernommen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin gemäß Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT), Tarifvertrag der Arbeitsbedingungen für Angestellte im Beitrittsgebiet (BG-AT/O) und Vergütungstarifvertag für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 30. September 1991 nach der Vergütungsgruppe I b, Endgrundvergütung (letzte Lebensaltersstufe 47) und ab 1. Oktober 1991 nach der Vergütungsgruppe I, Endgrundvergütung (Vergütung der letzten Lebensaltersstufe nach vollendetem 47. Lebensjahr, Anlage 1 zum Vergütungstarifvertrag Nr. 27), zu vergüten,
  2. die Beklagte weiterhin zu verpflichten, die Vergütung rückwirkend ab 1. Oktober 1990 gemäß Antrag zu 1 abzurechnen unter Abführung der gesetzlichen Abzüge und an die Klägerin die sich daraus ergebenden Nettobeträge auszuzahlen abzüglich der bereits an die Klägerin gezahlten Nettovergütungen nach der bisherigen Eingruppierung in Altersstufen unterhalb der Endaltersstufe, insbesondere der Klägerin die Jubiläums Zuwendung (1 Monatsvergütung für das 25. Dienst Jubiläum) gemäß § 39 BG-AT zu vergüten, an die Klägerin also insgesamt 30.154,– DM netto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe nach § 19 i.V.m. § 72 BG-AT keinen Anspruch auf Anrechnung ihrer Beschäftigungszeit vor dem 1. Oktober 1990. Die Beklagte habe keine Aufgaben einer Einrichtung des Betriebsgesundheitswesens der ehemaligen DDR übernommen.

Die Arbeitshygienische Beratungsstelle sei nur ein unselbständiger Teil des Betriebsambulatoriums gewesen. Ausdruck dieser Unselbständigkeit sei die Tatsache, daß die Arbeitsverträge der Klägerin stets mit dem Betriebsambulatorium zustande gekommen seien. Dessen Aufgabe habe die Beklagte aber weder ganz noch überwiegend übernommen. Darüber hinaus seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach § 70 BG-AT verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf Hinweis des Gerichts hat die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Antrag umgestellt und beantragt

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vergütung entsprechend dem BG-AT/O nach der Lebensaltersstufe 47 ab 1. Oktober 1990 zu zahlen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.154,– DM zu zahlen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten durch Teilurteil das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und insgesamt neu gefaßt:

  1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vergütung entsprechend dem BG-AT/O nach der Lebensaltersstufe 47 ab 1. Januar 1992 zu zahlen.
  2. Im übrigen wird die Klage zu Ziffer 1. abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten gegen Ziffer 1. des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Mai 1995 – 21 Ca 52/95 – wird zurückgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Beklagte vollständige Abweisung des von der Klägerin zuletzt gestellten Feststellungsantrags. Die Anschlußrevision der Klägerin wendet sich gegen die Teilabweisung des Feststellungsantrags.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin haben keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berechnung der Grundvergütung nach der Lebensaltersstufe 47, aber erst ab dem 1. Januar 1992. Die früheren Beschäftigungszeiten der Klägerin seit dem 1. Januar 1978 seien zu berücksichtigen. Die Arbeitshygienische Beratungsstelle sei eine abgrenzbare Organisationseinheit innerhalb der Einrichtung Betriebsambulatorium gewesen. Da die Beklagte die Aufgaben dieser Organisationseinheit übernommen habe, seien die dort verbrachten Zeiten der Klägerin nach § 19 i.V.m. § 72 Abschn. A I BG-AT anzurechnen. Nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck der Tarifbestimmung beziehe sich der tarifliche Begriff „ganz oder überwiegend” nicht auf die Gesamtheit der Aufgaben der Einrichtung, sondern auf einzelne Aufgaben und Aufgabenbereiche. Der Anspruch der Klägerin bestehe aber erst seit dem Inkrafttreten des Ergänzungstarifvertrags Nr. 93 zum BG-AT, dem 1. Januar 1992. Durch ihren Antrag vom 8. März 1993 habe die Klägerin die sechsmonatige Ausschlußfrist nach § 70 BG-AT gewahrt.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berechnung der Grundvergütung nach der Lebensaltersstufe 47 ab dem 1. Januar 1992.

1. Nach § 27 Abschn. A Abs. 1 BG-AT ist die Grundvergütung in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen zu bemessen. Nach dieser Tarifvorschrift erhält der Angestellte der VergGr. I bis II b, somit auch der von der Klägerin begehrten VergGr. I b bzw. I, wenn er spätestens am Ende des Monats eingestellt wird, in dem er das 35. Lebensjahr vollendet, die Grundvergütung seiner Lebensaltersstufe. Wird er zu einem späteren Zeitpunkt eingestellt, erhält er die Grundvergütung der Lebensaltersstufe, die sich ergibt, wenn das bei der Einstellung vollendete Lebensjahr um die Hälfte der Lebensjahre vermindert wird, die der Angestellte seit Vollendung des 35. Lebensjahres zurückgelegt hat. Jeweils mit Beginn des Monats, in dem der Angestellte ein Lebensjahr mit ungerader Zahl vollendet, erhält er bis zum Erreichen der Endgrundvergütung die Grundvergütung der folgenden Lebensaltersstufe.

2. Damit hängt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I b bzw. I BG-AT davon ab, ob die Zeit ihrer Beschäftigung vor dem 1. Oktober 1990 als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 und 2 BG-AT und den Übergangsregelungen in § 72 Abschn. A I BG-AT i.d.F. des Ergänzungstarifvertrags Nr. 93 zum BG-AT anzurechnen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dies bejaht und angenommen, daß der Klägerin seit dem 1. Januar 1992 die beantragte Grundvergütung zusteht.

a) Die für die Anrechnung als Beschäftigungszeit maßgebenden Tarifbestimmungen haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

㤠19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag oder dem BG-AT/O erfaßt wird oder einen dieser Tarifverträge oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe der vorstehenden Sätze als Beschäftigungszeit angerechnet.

§ 72

Übergangsregelungen

A. Für die Zeiten, die vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, gilt folgendes:

I. Zu § 19:

1. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 Zeiten der Tätigkeit bei zentralen Staatsorgangen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit die gewerblichen Berufsgenossenschaften deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen haben.

…”

b) Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. Januar 1992 ist nicht nach § 19 Abs. 1 BG-AT als Beschäftigungszeit anzuerkennen, da die Beklagte, die Bau-Berufsgenossenschaft H., nicht mit der früheren Arbeitgeberin der Klägerin, dem Betriebsambulatorium der Bauschaffenden der ehemaligen DDR in Rostock, identisch ist. Damit ist die dort zurückgelegte Zeit der Klägerin keine Beschäftigungszeit bei „demselben Arbeitgeber” i.S.v. § 19 Abs. 1 BG-AT. Eine Anrechnung der Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BG-AT kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die frühere Arbeitgeberin nicht den BG-AT oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat.

c) Die Tätigkeit der Klägerin bei dem Betriebsambulatorium der Bauschaffenden in Rostock ist jedoch nach § 19 in Verbindung mit § 72 Abschn. A I Ziff. 1, BG-AT als Beschäftigungszeit anzurechnen.

Infolge des Beitritts der DDR und der damit verbundenen Umstrukturierung des Gesundheitswesens der DDR wurde das Betriebsambulatorium der Bauschaffenden in Rostock zum 31. Dezember 1990 aufgelöst. Damit ist die frühere Arbeitgeberin der Klägerin weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Art. 13 Einigungsvertrag erfolgt ist. Da die Beklagte jedoch den Aufgabenbereich Arbeitshygiene im Betriebsambulatorium übernommen hat, ist die dort verbrachte Zeit der Tätigkeit der Klägerin anzurechnen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach den insoweit inhaltsgleichen Vorschriften in Nr. 2 Buchst. b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O darauf an, ob eine Aufgabe bzw. ein Aufgabenbereich der Einrichtung ganz oder überwiegend übernommen worden ist. Dabei beurteilt sich die Aufgabe der Einrichtung nach den für ihre Tätigkeit maßgebenden Rechtsgrundlagen (vgl. BAG Urteile vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – AP Nr. 10 zu § 19 BAT-O, vom 28. März 1996 – 6 AZR 561/95 – AP Nr. 5 zu § 19 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 673/95 – AP Nr. 11 zu § 19 BAT-O) und den tatsächlichen Umständen (Urteil vom 30. Mai 1996 – 6 AZR 638/95 – AP Nr. 8 zu § 19 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Ist eine Aufgabe nicht in vollem Umfang übernommen worden, so kommt die Übernahme eines Aufgabenbereichs als einer kleineren organisatorischen Einheit in Betracht. Ein Aufgabenbereich erfordert damit einen im Rahmen der Einrichtung organisatorisch eigenständigen Teilbereich.

Eine solche organisatorische Eigenständigkeit bedingt nicht die Fähigkeit zur aufgabenbezogenen Eigensteuerung, wie sie für eine Teileinrichtung kennzeichnend ist. Nach dem tariflichen Gesamt Zusammenhang, der neben dem Tarifwortlaut für die Tarifauslegung maßgebend ist (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) kommt eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach der inhaltsgleichen Nr. 2 Buchst. b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O auch dann in Betracht, wenn Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche einer Teileinrichtung übernommen worden sind. Die Tarifvertragsparteien gehen, wie der Bezug auf Art. 13 Einigungsvertrag ausweist, davon aus, daß nicht nur eine Einrichtung als Ganzes, sondern auch eine Teileinrichtung überführt werden kann. Für den Fall, daß eine Überführung nicht erfolgt ist, ist deshalb sowohl bei einer Einrichtung als auch bei der Teileinrichtung die Übernahme von Aufgaben bzw. Aufgabenbereichen für die Anerkennung der Beschäftigungszeit maßgebend.

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Arbeitshygienische Beratungsstelle eine (Teil-)Einrichtung war, deren Aufgabenbereich die Beklagte übernommen hat.

Die Arbeitshygienische Beratungsstelle im Betriebsambulatorium der Bauschaffenden in Rostock war eine sonstige Einrichtung i.S.v. § 72 Abschnitt A I Ziff. 1 BG-AT. Nach § 3 Abs. 2 der Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. Januar 1978 (GBl. DDR 1978, S. 61) waren Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens der DDR neben Betriebspolikliniken, Betriebssanitätsstellen, Betriebskrankenhäusern auch Betriebsambulatorien. Nach § 1 Abs. 2 der Dritten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 7. Januar 1980 wurde die Funktion einer Arbeitshygienischen Beratungsstelle grundsätzlich von einer Betriebspoliklinik oder einem Betriebsambulatorium – im Klammerzusatz der Dritten Durchführungsbestimmung „nachstehend Einrichtung genannt” – wahrgenommen. Auch in § 2 Abs. 2 Spiegelstrich 2 der Dritten Durchführungsbestimmung wird die Arbeitshygienische Beratungsstelle als Einrichtung bezeichnet. Damit war auch unter Zugrundelegung der Terminologie der ehemaligen DDR die Aufgabe der Arbeitshygienischen Beratungsstelle zumindest eine Teileinrichtung der Einrichtung Betriebsambulatorium, weil die Arbeitshygienische Beratungsstelle als eine abgrenzbare Organisationseinheit einen Aufgabenbereich des Betriebsambulatoriums wahrnahm. Die Abgrenzbarkeit der Organisationseinheit und eine gewisse organisatorische Selbständigkeit ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 der Dritten Durchführungsbestimmung.

Der Aufgabenbereich, der der Arbeitshygienischen Beratungsstelle innerhalb der Einrichtung Betriebsambulatorium zugefallen war, wurde von der Beklagten übernommen. Dies folgt daraus, daß nach den von Revision und Anschlußrevision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Aufgabenbereiche der Arbeitshygienischen Beratungsstelle und des Arbeitsmedizinischen Zentrums, in dem die Klägerin aufgrund Arbeitsvertrags mit der Beklagten vom 21. September 1990 arbeitet, weitestgehend übereinstimmen.

Damit ergibt sich, daß nach § 27 Abschn. A BG-AT bei dem vom Landesarbeitsgericht zutreffend angenommenen Einstellungsdatum (1. Januar 1978) für die Grundvergütung der Klägerin die Lebensaltersstufe von 47 zugrundezulegen ist.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Grundvergütung der Klägerin nach der Lebensaltersstufe 47 erst ab dem 1. Januar 1992 zu berechnen ist.

Die in § 72 Abschn. A I Ziff. 1 enthaltenen Übergangsregelungen zu § 19 BG-AT, die die Anrechnung der Beschäftigungszeit der Klägerin vor dem 1. Oktober 1990 bestimmen, wurden durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 93 in den BG-AT eingefügt. Dieser trat mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in Kraft (§ 3 Ergänzungstarifvertrag Nr. 93). Erst ab diesem Zeitpunkt waren somit die Beschäftigungszeiten der Klägerin vor dem 1. Oktober 1990 anspruchsbegründend. Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision sieht der Tarifvertrag eine weitergehende Rückwirkung nicht vor.

4. Nachdem der Ergänzungstarifvertrag Nr. 93 erst am 4. November 1992 abgeschlossen wurde, hat die Klägerin mit ihrem Antrag vom 8. März 1993 auch die sechsmonatige Ausschlußfrist nach § 70 BG-AT zur Geltendmachung von Ansprüchen gewahrt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1100140

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