Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die für einen Wochentag (zB Freitag) normalerweise anfallende Arbeit durch Betriebsvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrages in zulässiger Weise anderweitig verteilt, so hat der Arbeiter, der an dem arbeitsfreien Tag (noch) arbeitsunfähig krank ist, für diesen Tag keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2. Die Tarifvertragsparteien können das gesetzliche Lohnausfallprinzip des § 2 Abs 1 LFZG durch eine andere Berechnungsmethode ersetzen, die auf den täglichen Durchschnittslohn abstellt (Bestätigung von BAG 6.10.1976 5 AZR 503/75 = AP Nr 6 zu § 2 LohnFG).
Orientierungssatz
Auslegung des Manteltarifvertrages für die Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz vom 29.10.1984.
Normenkette
TVG § 1; LFZG §§ 9, 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.11.1987; Aktenzeichen 8 Sa 791/86) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 30.05.1986; Aktenzeichen 6 Ca 1086/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle.
Der am 4. Februar 1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten in deren Möbelfabrik seit dem 6. September 1972 als Facharbeiter beschäftigt. Beide Seiten sind kraft Verbandszugehörigkeit an den Manteltarifvertrag für die Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz (MRP) vom 29. Oktober 1984, in Kraft getreten am 1. November 1984 (künftig kurz: MRP), gebunden.
Der Kläger war in der Zeit vom 7. bis zum 11. Oktober 1985 (Montag bis Freitag, 41. Kalenderwoche) arbeitsunfähig krank. In dieser Woche war die Arbeitszeit bei der Beklagten aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 25. März 1985 auf 4 Tage zu je 9 Stunden, und zwar auf die Tage Montag bis Donnerstag, verteilt. Freitag, der 11. Oktober 1985, war arbeitsfrei.
Die Beklagte gewährte dem Kläger für die Tage vom 7. bis zum 10. Oktober 1985 Lohnfortzahlung in Höhe von 4 x 7,7 Stunden, insgesamt für 30,8 Stunden. Für Freitag, den 11. Oktober 1985, zahlte sie ihm nichts. Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte für diesen Tag auf Lohnfortzahlung für 7,7 Stunden in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 140,80 DM brutto in Anspruch.
Nach Ziffer 11. (2) MRP beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. April 1985 38,5 Stunden, solange keine andere Regelung durch Betriebsvereinbarung erfolgt. Durch Betriebsvereinbarung sind abweichende Regelungen in folgender Weise zulässig: a) Planwochenarbeitszeiten zwischen 36 und 41 Stunden, wenn im Kalenderjahr durchschnittlich 38,5 Stunden in der Woche erreicht werden; b) Beibehaltung der 40-Stunden-Woche; in diesem Fall werden 38,5 Stunden bezahlt und 69 Stunden im Kalenderjahr durch bezahlte Freistellung in Form von halben bzw. ganzen Freischichten vergütet; dabei können pro Woche eine und pro Monat zwei ganze Freischichten vereinbart werden; ganze Freischichten werden mit 7,7 Stunden bezahlt und bezüglich ihrer Gewährung wie gesetzliche Feiertage behandelt; c) Kombinationen von Ziffer 11. (2) und Ziffer 11. (3) a) und b). Soweit die wöchentlichen Arbeitszeiten gemäß Ziffer 11. (3) durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden, geschieht dies auf der Grundlage einer Jahresplanung, die rechtzeitig für das Folgejahr vorzunehmen ist (Ziffer 11. (4) a).
Nach Ziffer 12. (1) werden die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Tage sowie die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Ruhepausen durch Betriebsvereinbarung geregelt. Die Wochenarbeitszeit soll gleichmäßig auf 5 Tage (Montag bis Freitag) verteilt werden. Solange keine Regelung getroffen wird, beträgt die tägliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (Ziffer 12. (1). Zu bezahlende freie Tage, an denen keine Arbeitsleistung erbracht wird, werden mit jeweils 7,7 Stunden angesetzt (Ziffer 12. (3). Diese Regelung gilt nicht für Urlaubstage. Entfallen auf eine Woche 36 Stunden oder weniger, so ist nach Ziffer 12. (4) eine Verteilung auf 4 Tage ohne Mehrarbeitszuschläge zulässig.
Nach Ziffer 43. wird Entgelt grundsätzlich nur für die Zeit gezahlt, in der Arbeit geleistet wird, sowie für die Zeit der Arbeitsbereitschaft, es sei denn, daß gesetzliche oder tarifliche Vorschriften etwas anderes bestimmen. Nach Ziffer 49. gelten für die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsversäumnis infolge Krankheit die gesetzlichen Bestimmungen. Ab 1. April 1985 gilt weiter folgende Regelung: In Fällen der Ziffer 12. (3) werden 7,7 Stunden mit dem persönlichen tatsächlichen Stundenverdienst ohne Zuschläge Ziffer 34. a) bis c) vergütet. Werden Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 11. (3) abgeschlossen, ist ein verstetigtes Monatsentgelt auf der Basis von 166,5 Stunden und dem persönlichen tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen. Zwischenabrechnungen sind in der Regel gleichzeitig mit der Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes oder der tariflichen Sonderzahlung vorzunehmen (Ziffer 55. (6).
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte schulde ihm auch für Freitag, den 11. Oktober 1985, Lohnfortzahlung für 7,7 Stunden. Bei diesem Tag handele es sich um einen "zu bezahlenden freien Tag" im Sinne der Ziffer 12. (3) MRP. Eine Lohnfortzahlung lediglich für 4 Tage zu je 7,7 Stunden verstoße gegen den Grundsatz des vollen Ausgleichs nach § 1 LFZG. Die Lohnfortzahlung habe nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unabhängig von der arbeitszeitlichen Flexibilisierung geregelt und der Lohn auch für den Fall der Krankheit verstetigt werden sollen. So brauche die Beklagte bei einer 41-Stunden-Woche Lohnfortzahlung bei Erkrankung eines Arbeitnehmers lediglich für 38,5 Stunden zu gewähren. Umgekehrt müsse diese Stundenzahl aber auch dann vergütet werden, wenn in einer Woche nur 36 Stunden gearbeitet würden. Die gegenteilige Auffassung würde zu einer Schlechterstellung der Arbeitnehmer im Vergleich zu dem alten Tarifvertrag führen. Gerade dies habe aber ausgeschlossen werden sollen, wie sich aus dem Anhang A zum MRP ergebe. Dort haben die Tarifvertragsparteien in Form einer Protokollnotiz ihre Einigkeit darüber niedergelegt, daß durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden keine Seite zusätzliche Vor- oder Nachteile erlangen soll.
Der Kläger hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 140,80 DM
brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, für die Klageforderung bestehe keine Anspruchsgrundlage. Freitag, der 11. Oktober 1985, sei kein "zu bezahlender freier Tag" im Sinne der Ziffer 12. (3) MRP gewesen. Wäre der Kläger an diesem Tage arbeitsfähig gewesen, hätte er mangels Verpflichtung zur Arbeitsleistung keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Gemäß dem in der Betriebsvereinbarung vom 25. März 1985 aufgestellten Jahresarbeitsplan handele es sich bei der 41. Kalenderwoche um eine von 9 Kalenderwochen, in denen nur 4 Arbeitstage mit zusammen 36 Arbeitsstunden ausgewiesen seien; dabei sei der Freitag der 41. Kalenderwoche ausdrücklich als geplanter arbeitsfreier Tag bezeichnet worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann Lohnfortzahlung für Freitag, den 11. Oktober 1985, weder nach dem Lohnfortzahlungsgesetz noch nach dem für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgeblichen Manteltarifvertrag vom 29. Oktober 1984 verlangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers nach Ziffer 49. in Verbindung mit Ziffer 12. (3) MRP als begründet angesehen und ausgeführt, der streitige Tag, für den der Kläger tarifliche Lohnfortzahlung begehre, sei ein zu bezahlender freier Tag im Sinne der Ziffer 12. (3) MRP. Krankheitstage seien zu bezahlende freie Tage, da der Arbeitnehmer infolge der Erkrankung von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit sei und keine Arbeitsleistung erbringe. Auch Freitag, der 11. Oktober 1985, sei ein zu bezahlender freier Tag im tariflichen Sinne und daher mit 7,7 Stunden in Ansatz zu bringen. Die Tarifvertragsparteien hätten die Verstetigung des Monatsentgelts des Arbeiters für den Krankheitsfall dadurch erreicht, daß sie im Manteltarifvertrag von der Befugnis des § 2 Abs. 3 LFZG Gebrauch gemacht und das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Lohnausfallprinzip durch eine Pauschalierung auf 7,7 Stunden ohne Rücksicht auf die tatsächlich ausgefallene Arbeitszeit ersetzt hätten. Verstetigung des Lohnes bedeute für die Krankenvergütung, daß diese für jeden Tag der Woche (Montag bis Freitag) geschuldet werde mit der Folge, daß dem Arbeitnehmer auch im Falle der Erkrankung ein verstetigter Lohn auf der Monatsbasis von 166,5 Stunden bzw. 38,5 Stunden pro Woche zufließe.
Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
II. Der Kläger hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung für Freitag, den 11. Oktober 1985.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG behält ein Arbeiter, der nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Dieser Lohnfortzahlungsanspruch besteht jedoch nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Lohnverlust ist (vgl. BAG Urteil vom 20. März 1985 - 5 AZR 229/83 - AP Nr. 64 zu § 1 LohnFG, zu II 1 der Gründe; BAGE 46, 1, 3 = AP Nr. 58 zu § 1 LohnFG, zu 2 der Gründe); Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., I § 1 Rz 90; Schmatz/Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., Stand Mai 1988, LZFG § 1 Rz 60; Kehrmann/Pelikan, Lohnfortzahlungsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 38; Marienhagen, Lohnfortzahlungsgesetz, Neubearbeitung August 1987, § 1 Rz 19; Brecht, Lohnfortzahlung für Arbeiter, 3. Aufl., § 1 Rz 20; Feichtinger, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 1981, S. 36 f.; ders., Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, AR-Blattei, C I 1 a aa).
Im Streitfall war die Krankheit des Klägers nicht die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall vom 11. Oktober 1985. Ursache hierfür war vielmehr der Umstand, daß dieser Tag aufgrund der anderweitigen Verteilung der Arbeitszeit durch die Betriebsvereinbarung vom 25. März 1985 arbeitsfrei war. Wird ein Arbeiter an einem durch die Verlegung der Arbeitszeit freigestellten Tag arbeitsunfähig krank, hat er jedoch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn an diesem Tag von vornherein nicht gearbeitet worden wäre. Dieses Ergebnis, das vom Bundesarbeitsgericht bereits zu dem Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall vom 26. Juni 1957 (BGBl. I S. 649 ff.) vertreten worden ist (BAGE 20, 41 = AP Nr. 42 zu § 1 ArbKrankhG, mit zust. Anm. von Trieschmann, zust. auch Meisel in SAE 1968, 117, 119), entspricht der herrschenden Meinung (vgl. Kaiser/Dunkl, aaO, § 1 Rz 97; Schmatz/Fischwasser, aaO, § 1 Rz 77; Kehrmann/Pelikan, aaO, § 1 Rz 41; Marienhagen, aaO, § 1 Rz 23; Feichtinger, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 40).
III. Dem Kläger steht aber auch kein tariflicher Anspruch auf Lohnfortzahlung für den 11. Oktober 1985 zu.
1. Der für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebliche MRP regelt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle in der Ziffer 49. Deren Absatz 1 verweist zunächst auf die gesetzlichen Bestimmungen. Für die Zeit ab 1. April 1985 bestimmt Abs. 2 weiter, daß in Fällen der Ziffer 12. (3) 7,7 Stunden mit dem persönlichen tatsächlichen Stundenverdienst ohne Zuschläge vergütet werden. Fälle der Ziffer 12. (3) sind "zu bezahlende freie Tage, an denen keine Arbeitsleistung erbracht wird". Hierbei handelt es sich um gesetzliche Feiertage und Krankheitstage. An diesen Tagen braucht keine Arbeitsleistung erbracht zu werden, insoweit stellen sie freie Tage dar. Andererseits sind sie "zu bezahlen", d. h. aufgrund besonderer rechtlicher Regelung (Feiertagslohnzahlungsgesetz, Lohnfortzahlungsgesetz) ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Lohn auch ohne Arbeitsleistung zu gewähren. An sich gehört der Urlaub ebenfalls hierher, für ihn gelten aber besondere Bestimmungen (Ziffer 12. (3), Ziffer 88.).
Ziffer 12. (3) MRP stellt, wie die Parteien zutreffend ausführen, die tarifvertragliche Ablösung des gesetzlichen Lohnausfallprinzips des § 2 Abs. 1 LFZG dar. Wie aus § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 LFZG hervorgeht, kann durch Tarifvertrag von dem Lohnausfallprinzip abgewichen werden. So kann eine andere Berechnungsmethode (z. B. das Referenzprinzip) als maßgeblich vereinbart und es können weiter auch Vereinbarungen über die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts (unter Berücksichtigung der Grundregel des § 1 Abs. 1 LFZG) getroffen werden (vgl. BAG Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 555/73 - AP Nr. 5 zu § 2 LohnFG, zu II 1; Urteil vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 911/78 - AP Nr. 11 zu § 2 LohnFG, zu II 4 der Gründe; BAGE 43, 95, 98 = AP Nr. 13 zu § 2 LohnFG, zu 1 der Gründe). Das ist hier geschehen. Die Tarifvertragsparteien haben das Lohnausfallprinzip durch das Referenzprinzip ersetzt. Da die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden beträgt und die Arbeitszeit gleichmäßig auf 5 Tage in der Woche verteilt werden soll, ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man einen größeren Referenzzeitraum zugrunde legt. Die durchschnittliche Größe der täglichen Arbeitszeit bleibt stets 7,7 Stunden. Genau diese Größe ist in Ziffer 49. Satz 2 als Höhe der täglichen Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, (bei "zu bezahlenden freien Tagen, an denen keine Arbeitsleistung erbracht wird") festgelegt, wobei zusätzlich bestimmt ist, daß Zuschläge entfallen sollen. Gegen eine derartige tarifvertragliche Regelung bestehen keine Bedenken (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1976 - 5 AZR 503/75 - AP Nr. 6 zu § 2 LohnFG, zu 2 a der Gründe).
Das auf den Durchschnittslohn abstellende Vorverdienstprinzip kann im Vergleich zum Lohnausfallprinzip zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen. Das ist dann der Fall, wenn die tatsächliche, ausgefallene tägliche Arbeitszeit länger ist als die durchschnittliche Arbeitszeit. Andererseits kann sich für den Arbeitnehmer ein Vorteil dann ergeben, wenn die tatsächliche, durch Krankheit ausgefallene tägliche Arbeitszeit kürzer als die durchschnittliche ist. Gemeinsam ist den für den Krankheitsfall möglichen Lohnfortzahlungsregelungen jedoch - unabhängig davon, ob sie das Lohnausfallprinzip oder ein Referenzprinzip zugrunde legen -, daß der Lohn nicht für solche Tage weitergezahlt wird, an denen wegen anderweitiger Verteilung der Arbeitszeit ohnehin nicht gearbeitet wird.
2. Der im Streitfall anzuwendende Tarifvertrag sieht keinen Ausgleich für die Nachteile vor, die das Referenzprinzip im Einzelfall für einen betreffenden Arbeiter im Gefolge haben kann. So ist vorliegend der 11. Oktober 1985 auch nicht aufgrund der Ziffer 55. (6) MRP zu bezahlen. Nach dieser Tarifvorschrift ist ein "verstetigtes Monatsentgelt auf der Basis von 166,5 Stunden und dem persönlichen tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen", wenn Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 11. (3) MRP abgeschlossen sind, wie es hier der Fall ist.
Die Zahlung eines verstetigten Monatsentgelts hängt zusammen mit der ab 1. April 1985 eingeführten Flexibilisierung der Arbeitszeit. Hierdurch können für bestimmte Wochen geringere Verdienste erzielt werden als für andere Wochen, weil die Zeitspanne der wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 36 und 41 Wochenstunden liegt. Schwankende Arbeitszeiten führen zu schwankenden Löhnen. Wer sich auf ein bestimmtes regelmäßiges Arbeitsentgelt eingestellt hat, kann in Schwierigkeiten kommen, wenn er für bestimmte Zeiten weniger an Entgelt ausgezahlt erhält. Diesem Umstand sollte Rechnung getragen werden durch die "Verstetigung" der Lohnzahlung. Sie stellt eine Vorschuß- bzw. eine Zurückhaltungsregelung dar. "Stetig" wird im Wörterbuch von Brockhaus/Wahrig (1984, Band 6, S. 58) erklärt als: beständig, andauernd, gleichmäßig, nicht schwankend, nicht unterbrochen. Ähnlich heißt es im Duden (Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache, 1981, Band 6, S. 2496 f.): über eine relativ lange Zeit gleichmäßig, ohne Unterbrechung sich fortsetzend, beständig, kontinuierlich. Verstetigung der Lohnzahlung bedeutet also Lohnauszahlung in gleichmäßiger Höhe über einen längeren Zeitraum mit Ausgleichsmöglichkeiten.
Dagegen ist die Verstetigung der Lohnzahlung nach Ziffer 55. (6) MRP keine materielle Anspruchsgrundlage (zutreffend Brötzmann, NZA 1986, 593, 595). Sie bedeutet daher auch keine materielle Anspruchsgrundlage für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Aus der Ziffer 55. (6) MRP läßt sich folglich keine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers herleiten, für den 11. Oktober 1985 Arbeitsentgelt in Höhe von 7,7 Stunden als Lohnfortzahlung zu erhalten.
Ebensowenig kann aus der allgemeinen Absichtsklausel der Anlage A zum MRP, wonach keine Seite durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden zusätzliche Vorteile oder Nachteile erlangen soll, eine Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren hergeleitet werden. Denn nicht die Verkürzung der Wochenarbeitszeit ist der Grund für das Prozeßergebnis, sondern die im Einzelfall nachteilige Folge der Ablösung des Lohnausfallprinzips durch eine andere Berechnungsmethode.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Florack Nitsche
Fundstellen
Haufe-Index 439744 |
DB 1989, 1777-1778 (LT1-2) |
DOK 1990, 339 (L1-3) |
EEK, I/973 (ST1-2) |
NZA 1989, 688-690 (LT1-2) |
RdA 1989, 199 |
USK, 8906 (ST1-3) |
WzS 1990, 180 (K) |
ZAP, EN-Nr 161/89 (S) |
AP § 2 LohnFG (LT1-2), Nr 17 |
AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 146 (LT1-2) |
AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 146 (LT1-2) |
EzA § 1 LohnFG, Nr 103 (LT1-2) |