Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von pädagogischen Unterrichtshilfen (Berlin). Eingruppierung von pädagogischen Unterrichtshilfen als Lehrkräfte im Land Berlin. Abgrenzung zur Rechtsprechung zu den pädagogischen Unterrichtshilfen in Sachsen und Brandenburg (BAG 27. Januar 1999 – 4 AZR 88/98 – BAGE 91, 8 ff. = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 262 und 24. November 1999 – 4 AZR 717/98 – nv.). Eingruppierung Lehrer
Leitsatz (amtlich)
Pädagogische Unterrichtshilfen im Land Berlin können Lehrkräfte iSd. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O und der Berliner Lehrerrichtlinien sein.
Orientierungssatz
- Pädagogische Unterrichtshilfen im Land Berlin sind Lehrkräfte iSd. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O und der Berliner Lehrerrichtlinien, wenn sie zu mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit selbständig Unterricht erteilen.
- Sind in einem Arbeitsvertrag einer angestellten Lehrkraft im Land Berlin die Anwendung der Berliner Lehrerrichtlinien nicht ausdrücklich, sondern lediglich der BAT-O und die ihn ergänzenden Tarifverträge vereinbart, so ergibt sich aus § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O (“gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien”) die Anwendung der Berliner Lehrerrichtlinien für die Eingruppierung der Lehrkraft.
- Seit dem Außerkrafttreten der 2. BesÜV hat ein angestellter Lehrer, dessen Arbeitsverhältnis sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden Tarifverträgen richtet, keinen Anspruch auf Abgabe eines Angebotes zum Abschluß eines Arbeitsvertrages unter Einbeziehung der jeweils gültigen Lehrereingruppierungsrichtlinien. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O regelt keinen dahingehenden Kontrahierungszwang.
Normenkette
BAT-O §§ 22, 23 Lehrer, § 36 Abs. 1, § 70; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 § 2, Nr. 10 vom 30. Juni 2000; Lehrerrichtlinien vom 20. September 1996; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. August 2000 – 10 Sa 732/00 und 733/00 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Januar 2000 – 19 Ca 26791/99 – teilweise abgeändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 5.429,90 DM brutto und an die Klägerin zu 2) 9.167,88 DM brutto nebst jeweils 4 % Zinsen ab dem 13. Juni 1998 zu zahlen.
Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die weitergehende Berufung und die weitergehende Revision werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen das beklagte Land zu 2/3, die Klägerin zu 1) zu 1/9 und die Klägerin zu 2) zu 2/9. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) trägt das beklagte Land 2/3 und die Klägerin zu 1) 1/3; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) trägt das beklagte Land 2/3 und die Klägerin zu 2) 1/3.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land den als pädagogischen Unterrichtshilfen tätigen Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 Vergütungsdifferenzen zwischen den Vergütungsgruppen IVb und Vb (Klägerin zu 1)) bzw. IVb und Vc (Klägerin zu 2)) BAT-O zu zahlen hat.
Die Klägerin zu 1) schloß 1964 eine Fachschulausbildung als Kindergärtnerin ab. Die Klägerin zu 2) absolvierte im Jahr 1979 eine Fachschulausbildung als Erzieherin für Jugendheime. Seit dem 1. August 1991 wurden die Klägerin zu 1) und seit dem 1. Januar 1991 die Klägerin zu 2) auf der Grundlage der am 15. Juni 1992 bzw. am 8. April 1992 geschlossenen Arbeitsverträge als pädagogische Unterrichtshilfen an einer Sonderschule in F… in Klassen für geistig Behinderte beschäftigt. Nach § 3 der Arbeitsverträge der Klägerinnen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.
Grundprinzip des Unterrichts an Schulen für geistig Behinderte in Berlin ist die lebenspraktische Erziehung. Den Schülern sollen Fertigkeiten vermittelt werden, die sie zur Selbständigkeit und zur sozialen Integration führen. Der Unterricht findet von montags bis freitags statt und umfaßt 35 Zeitstunden. Bestandteil des Unterrichts ist ua. die Vorbereitung, Einnahme und Nachbereitung von Mahlzeiten. Neben den pädagogischen Unterrichtshilfen sind an der Sonderschule Sonderschullehrer und Betreuerinnen tätig. Der Sonderschullehrer erteilt im Jahresdurchschnitt 24,5 Stunden/Woche Unterricht. Ihm steht zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ein Kontingent von 15 Stunden/Woche zur Verfügung. Den pädagogischen Unterrichtshilfen werden für die Vor- und Nachbereitung ihrer Tätigkeit insgesamt 7,5 Stunden/Woche zugebilligt.
Im Kalenderjahr 1996 erfolgte rückwirkend zum 1. Juli 1995 eine Neuregelung der Vergütung ua. für pädagogische Unterrichtshilfen und für Lehrer an Sonderschulen. Die im Rundschreiben II Nr. 65/1996 vom 20. September 1996 in Bezug genommenen und dem Rundschreiben beigefügten Lehrerrichtlinien enthalten ua. folgende Eingruppierungsregelung:
“…
8. Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung, Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung (34))
…
in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen oder als pädagogische Unterrichtshilfen |
IVb |
nach mindestens achtjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe (22)) |
IVa. |
”
Wieder eingefügt wurde eine Fußnote 34, die nunmehr lautet:
“Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder mit staatlicher Prüfung als Kindergärtnerin/Hortnerin sowie Angestellte in der Tätigkeit von Erziehern mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung, werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppierungsmäßig behandelt, wenn sie am 1. August 1971 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausübten oder ihnen bis zum 31. Oktober 1992 diese Tätigkeit übertragen wurde.”
Bei einigen Vergütungsgruppen, die Merkmale für pädagogische Unterrichtshilfen enthalten, ist in den Lehrerrichtlinien zusätzlich eine Fußnote 23 angefügt worden. Sie lautet:
“Pädagogische Unterrichtshilfen sind Lehrkräfte, die zeitlich mindestens zur Hälfte der mit ihnen vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Unterricht erteilen und unter Umständen auch eine Klasse leiten, aber stets unter der übergreifenden Verantwortung einer für das Lehramt an Sonderschulen ausgebildeten Lehrkraft.”
Auf die Einfügung der Fußnote 34 wurde in dem Rundschreiben nicht durch einen senkrechten Strich erläuternd hingewiesen, obwohl die einführenden Bemerkungen auf S 2 des Rundschreibens folgende Ankündigung enthalten:
“Wir haben deshalb die LehrerRL diesem Rundschreiben nochmals in einer vollständigen Neufassung beigefügt, in der wir die Änderungen durch Randstriche kenntlich gemacht haben.
…”
Nachdem das Rundschreiben am 19. November 1996 bei der Schule einging, lag es ungefähr vier Wochen im hausinternen Ordner “Mitteilungen” aus. Dieser Ordner befindet sich im Lehrerzimmer. Die Schule erwartet, daß die Lehrkräfte hiervon Kenntnis nehmen. Mit Rundschreiben II Nr. 92/1996 vom 18. Dezember 1996, das an der Schule der Klägerinnen nicht einging, wurde erstmals darauf hingewiesen, daß in dem vorangegangenen Rundschreiben versehentlich auf die Wiedereinführung der Fußnote 34 nicht aufmerksam gemacht worden ist.
Spätestens durch eine Anfang September 1997 stattfindende Versammlung für pädagogische Unterrichtshilfen erfuhren die Klägerinnen, daß die Möglichkeit einer Höhergruppierung in die VergGr. IVb BAT-O bestand. Mit Schreiben vom 7. September 1997 machte die Klägerin zu 1) und mit Schreiben vom 8. September 1997 die Klägerin zu 2) die Höhergruppierung in die VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 schriftlich geltend.
Das beklagte Land antwortete der Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 26. November 1997:
“Sehr geehrte Frau D…,
entsprechend den LehrerRL vom 20.09.1996 in der Fassung gemäß Rundschreiben II Nr. 92/1996 vom 18. Dezember 1996 werden pädagogische Unterrichtshilfen nach Teil B Abschnitt C Nr. 8 Unterfallgruppe 1 nach Vergütungsgruppe IVb BAT-O eingruppierungsmäßig behandelt, wenn Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder mit staatlicher Prüfung als Kindergärtnerin/Hortnerin sowie Angestellte in der Tätigkeit von Erziehern mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachschulausbildung am 01. August 1971 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausübten oder die Tätigkeit bis zum 31. Oktober 1992 übertragen wurde.
Sie sind seit dem 01.08.1991 als pädagogische Unterrichtshilfe eingesetzt.
Zur Zeit sind Sie in die Vergütungsgruppe Vb BAT-O eingruppiert.
Mit Datum vom 07.09.1997 beantragten Sie die Überprüfung Ihrer derzeitigen Eingruppierung.
Im Hinblick auf die vorstehenden Tätigkeitsmerkmale stellen wir hiermit fest, daß Sie rückwirkend ab 01.07.1995 nach Vergütungsgruppe IVb BAT-O eingruppiert sind.
Im Rahmen der Ausschlußfrist des § 70 BAT-O erhalten Sie die Vergütung nach Vergütungsgruppe IVb BAT-O ab dem 01.03.1997 nachgezahlt.”
In der Zeit vor dem 1. März 1997 wurde die Klägerin zu 1) nach VergGr. Vb BAT-O und die Klägerin zu 2) nach VergGr. Vc BAT-O entlohnt. Mit ihren bei Gericht am 29. Mai 1998 eingegangenen Klagen begehren die Klägerinnen die Vergütungsdifferenzen zur VergGr. IVb BAT-O für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis zum 28. Februar 1997.
Die Klägerinnen haben die Rechtsansicht vertreten, sie seien Lehrkräfte im Sinne der Lehrerrichtlinien des Landes Berlin und hätten zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit Unterricht erteilt. Im Gegensatz zu den pädagogischen Unterrichtshilfen in Sachsen und Brandenburg seien sie einer Klasse fest zugeteilt und nähmen auch die selbständige Durchführung von Unterricht mit Teilgruppen oder einzelnen Schülern nach Absprache mit dem Lehrer vor. Eigenverantwortlicher Unterricht könne von einer pädagogischen Unterrichtshilfe auch unter der übergreifenden Verantwortung eines Lehrers erteilt werden. Im übrigen seien die pädagogischen Unterrichtshilfen vom beklagten Land eingruppierungsmäßig stets als Lehrkräfte behandelt worden. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben vom 21. April 1998.
Die Ansprüche seien nicht verjährt, da diese erst durch die Mitteilung im Jahr 1997 fällig geworden seien. Die Verjährung ende mithin am 31. Dezember 1999. Die Ansprüche seien auch nicht nach § 70 BAT-O verfallen. Die maßgebliche Fälligkeit könne nur dann eintreten, wenn es dem Gläubiger praktisch möglich sei, seinen Anspruch geltend zu machen. Das beklagte Land habe den von einer Änderung der Lehrerrichtlinien betroffenen Arbeitnehmern den Inhalt der geänderten Richtlinien zur Kenntnis bringen müssen. Das bloße Auslegen eines Rundschreibens in einem Ordner sei hierfür nicht ausreichend. Außerdem habe das Rundschreiben vom 20. September 1996 hierzu auch keine Klarheit bringen können, da es nicht auf die neu eingeführte Fußnote 34 hingewiesen habe.
Die Klägerinnen haben beantragt
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin zu 1) den Nettodifferenzbetrag zwischen der VergGr. IVb und Vb BAT-O für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 und an die Klägerin zu 2) den Nettodifferenzbetrag zwischen der VergGr. IVb und Vc BAT-O für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 zu zahlen;
hilfsweise,
das beklagte Land zu verurteilen, ihnen ein Angebot auf Regelung der Vergütung nach der VergGr. IVb BAT-O für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 zu unterbreiten und den aufgelaufenen Nettodifferenzbetrag zwischen der VergGr. IVb und der VergGr. Vb an die Klägerin zu 1) und den aufgelaufenen Nettodifferenzbetrag zwischen der VergGr. IVb und der VergGr. Vc an die Klägerin zu 2) nachzuzahlen;
- höchst hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 7.664,46 DM brutto und an die Klägerin zu 2) 14.235,68 DM brutto nebst jeweils 4 % Zinsen ab dem 13. Juni 1998 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, pädagogische Unterrichtshilfen seien nicht als Lehrkräfte zu qualifizieren. Die pädagogische Unterrichtshilfe betreue die Kinder, erteile aber nicht eigenständigen, eigenverantwortlichen Unterricht. Verantwortung und Konzeption des Unterrichts liege bei den Sonderschullehrern. Von diesen werde die pädagogische Verantwortung getragen. Die pädagogischen Unterrichtshilfen würden nur nach Absprache mit den Lehrern tätig. Etwaige Unterrichtstätigkeiten gäben der Arbeit der pädagogischen Unterrichtshilfen nicht das Gepräge. Im übrigen sei von den Klägerinnen nicht zu mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit eigenverantwortlicher Unterricht erteilt worden.
Da es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage handele – so die Rechtsansicht des beklagten Landes weiter –, hätten die Klägerinnen darlegen und unter Beweis stellen müssen, daß sie Lehrkräfte im Sinne des § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 seien. Die Darlegungs- und Beweislast verbleibe auch dann bei den Klägerinnen, wenn der Arbeitgeber zuvor in Anwendung früherer Tarifvorschriften das qualifizierende Merkmal anerkannt habe. Auch wenn man von den Grundsätzen einer korrigierenden Rückgruppierung ausgehe, verbleibe die Darlegungs- und Beweislast bei den Klägerinnen. Der Arbeitgeber habe sich nämlich in einem Rechtsirrtum befunden. Der Irrtum habe sich auf die Anwendung der Lehrerrichtlinien auf die pädagogischen Unterrichtshilfen bezogen und sei mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Einordnung der pädagogischen Unterrichtshilfen in Sachsen und Brandenburg erkennbar geworden.
Im übrigen seien etwaige Ansprüche der Klägerinnen verjährt. Zudem seien die Ansprüche gem. § 70 BAT-O verfallen. Die Klägerinnen hätten seit dem Eingang des Rundschreibens II Nr. 65/1996 in der Schule am 19. November 1996 die Möglichkeit gehabt, von den geänderten Richtlinien Kenntnis zu nehmen. Insofern hätten sie den im Lehrerzimmer ausliegenden Ordner nur zu lesen brauchen. Die Berufung des beklagten Landes auf die Verfallsfrist sei nicht treuwidrig, denn es sei nicht verpflichtet gewesen, jedem Lehrer eine Änderung der Lehrerrichtlinien bekanntzumachen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprechend dem Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes im übrigen teilweise abgeändert und das beklagte Land entsprechend dem ersten Hilfsantrag verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zu Unrecht entsprechend dem ersten Hilfsantrag verurteilt, den Klägerinnen das beantragte Angebot zu unterbreiten. Die Klägerinnen sind aber ab 1. Juli 1995 unmittelbar in VergGr. IVb eingruppiert. Auf den zweiten Hilfsantrag war das beklagte Land deshalb zur Zahlung von Vergütungsdifferenzen an die Klägerinnen für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 28. Februar 1997 zu verurteilen. Den Zahlungsansprüchen für das Jahr 1995 steht die Einrede der Verjährung entgegen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Hauptantrag unbegründet, der erste Hilfsantrag jedoch begründet sei. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerinnen erfüllten die Voraussetzungen für eine Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O iVm. Teil B Abschn. c Nr. 8 sowie Fußnote 34 der Lehrerrichtlinien. Insbesondere seien die Klägerinnen Lehrkräfte iSv. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O, der Sonderregelung SR 2 l I und der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen des BAT. Maßgeblich für den Begriff der “Lehrkraft” sei die Frage, ob die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten der Tätigkeit der Angestellten das Gepräge gäbe. Dies sei dann der Fall, wenn sie für die Tätigkeit maßgeblich seien und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Angestellten in Anspruch nähme. Nach § 3 des Schulverfassungsgesetzes des Landes Berlin sowie Fußnote 23 zum Teil B Abschn. c der Berliner Lehrerrichtlinien seien die Klägerinnen als Lehrkräfte zu qualifizieren. Die Bundesländer seien bezüglich der rechtlichen Regelung der Verhältnisse an ihren Schulen autonom. Sie könnten dabei unter Beachtung der sonstigen maßgeblichen Vorschriften Regeln aufstellen über die Rechtsverhältnisse der bei ihnen tätigen Lehrkräfte, und zwar in Abgrenzung zu anderen an der Schule tätigen Beschäftigten, wie etwa Betreuern. Die diesbezüglichen landesrechtlichen Regelungen in Sachsen und Brandenburg, unterschieden sich von den Vorschriften im Lande Berlin.
Allerdings stehe den Klägerinnen der Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IVb BAT-O nicht unmittelbar zu. Nach dem Außerkrafttreten der Zweiten BesÜV habe sich ergeben, daß eine Eingruppierung nur durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung unter entsprechender Heranziehung der Richtlinien erfolgen könne. Da Vergütungserlaß und Rundschreiben alleine verwaltungsinterne Bedeutung besäßen, seien sie im Einzelfall nur dann relevant, wenn sie Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden seien. Dies erfordere eine eindeutige, den Erfordernissen des bürgerlichen Rechts entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts treffe das beklagte Land eine tarifvertragliche Verpflichtung auf Abgabe eines eindeutigen Angebots. Das Schreiben des beklagten Landes vom 26. November 1997 sei indessen nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern als bloße Wissenserklärung zu qualifizieren. Die für einen Erfolg im Hauptantrag notwendige Änderung der vertraglichen Beziehungen der Parteien sei nicht erfolgt. Den Klägerinnen stehe aber ein Anspruch auf Vereinbarung der Vergütung nach der VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 zu.
Die Ansprüche der Klägerinnen seien auch nicht gem. § 70 Abs. 1 BAT-O verfallen. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung seien die Ansprüche noch nicht länger als sechs Monate fällig gewesen. Für den Eintritt der Fälligkeit könne es nicht als ausreichend angesehen werden, wenn sich der Arbeitgeber darauf beschränke, die Richtlinien in der Dienststelle auszulegen, ohne die Adressaten darauf mittels eines Umlaufs oder zumindest mündlich hinzuweisen. Dementsprechend genüge die erfolgte Auslage der Lehrerrichtlinien im Lehrerzimmer im Jahr 1996 nicht den Anforderungen an die Verschaffung der Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
Gegenstände der revisionsrechtlichen Nachprüfung sind lediglich die Verurteilung des beklagten Landes nach dem Hilfsantrag sowie der weitere – bislang nicht geprüfte – zweite Hilfsantrag, nicht aber der vom Landesarbeitsgericht abgewiesene Hauptantrag.
Grundsätzlich richtet sich der Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung nach dem Anfall des Streitgegenstandes in der Revisionsinstanz. Der Umfang der Anfallwirkung ist nicht anders zu bestimmen als im Berufungsverfahren (so BGH 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518, zu I 2a der Gründe; Stein/Jonas/ Grunsky ZPO 21. Aufl. § 559 Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 559 Rn. 2). Dementsprechend fällt ein Hauptantrag beim Revisionsgericht nicht an, wenn der Beklagte gegen ein Urteil, durch das unter Abweisung des Hauptantrages nach dem Hilfsantrag erkannt ist, Revision einlegt. Das Revisionsgericht kann über den Hauptantrag nur dann entscheiden, wenn der Kläger – zulässigerweise – die Revision oder Anschlußrevision verfolgt. Wird der Hauptantrag abgewiesen und nach dem Hilfsantrag erkannt, liegt eine Entscheidung über beide Anträge vor. Der Kläger ist durch die Abweisung seines Hauptantrages, der Beklagte durch seine Verurteilung nach dem Hilfsantrag beschwert. Jede Partei kann dann im Rahmen der Zulassung Revision einlegen. Ist die Revision nicht zugelassen oder macht die Partei hiervon keinen Gebrauch, so wird die Entscheidung in diesem Umfang rechtskräftig (vgl. für die gleichgelagerte Problematik der Berufung BGH 29. Januar 1964 – V ZR 23/63 – BGHZ 41, 38, 41). Diejenige Partei des Rechtsstreits, für die die Revision nicht zugelassen wurde, kann weder durch Revision noch durch eine Anschlußrevision die gerichtliche Entscheidung insoweit anfechten (zB Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 72 Rn. 37). Danach ist im Streitfall auf den Hauptantrag nicht einzugehen, denn das Landesarbeitsgericht hat die Revision nur für das beklagte Land zugelassen.
Demgegenüber findet eine revisionsrechtliche Prüfung des noch nicht beschiedenen zweiten Hilfsantrages statt. Im Verhältnis zu ihm stellt sich der “erste” Hilfsantrag nunmehr als Hauptantrag dar. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß der wegen der Zuerkennung des Hauptantrages nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers der höheren Instanz allein durch die Rechtsmitteleinlegung seitens des Beklagten anfällt (BGH 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518 ff., zu I 2a der Gründe mwN) und zwar jedenfalls dann, wenn zwischen Haupt- und Hilfsantrag ein enger Zusammenhang besteht (BAG 18. Dezember 1980 – 2 AZR 1006/78 – BAGE 34, 309 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 22, zu B III 1 der Gründe; auch Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge aaO § 74 Rn. 26). In dem Stattgeben des Hauptantrages liegt keine Aberkennung des Hilfsantrages. Vielmehr liegt eine Entscheidung über den Hilfsantrag nicht vor. Seine Rechtshängigkeit erlischt erst rückwirkend mit der Rechtskraft des Urteils, das nach dem Hauptantrag erkannt hat (BAG 18. Dezember 1980 – 2 AZR 1006/78 – aaO, zu B III 1 der Gründe). Die “Erledigung” des Hilfsanspruchs – in der Berufungsinstanz –, die sich aus der Zuerkennung des Hauptanspruchs ergibt, wird durch die Einlegung der Revision wieder in Frage gestellt, so daß nunmehr mit dem ganzen Rechtsstreit auch der unerledigt gebliebene Teil ohne weiteres beim Revisionsgericht anfällt (BGH 29. Januar 1964 – V ZR 23/63 – BGHZ 41, 38, 41).
Der erste Hilfsantrag und nunmehrige Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Abgabe eines Angebots, eine Vergütungsvereinbarung gemäß den Eingruppierungsrichtlinien des Landes Berlin auf der Grundlage der VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 abzuschließen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage für ein solches Klagebegehren.
Nach § 3 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag in der Fassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Es gilt mithin auch der Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000 (insoweit ständig gleichlautend seit 1991). Damit sind für die Eingruppierung der Klägerinnen ua. folgende Bestimmungen einschlägig:
“Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT – O) vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000
…
§ 2
Übernahme der Vergütungsordnung des BAT
…
3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden,
die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …
Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT-O)
Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
…
Nr. 3a
(Zu §§ 22 bis 25 – Eingruppierung –)
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben. …”
Das Landesarbeitsgericht stützt sich zu Unrecht auf eine Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 8. August 1996 (– 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46). Dort wird ua. folgendes ausgeführt:
“Nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 ist die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte ‘gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien’ vorzunehmen, während nach Nr. 3a Unterabs. 2 SR 2 l I BAT-O die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der 2. BesÜV arbeitsvertraglich zu regeln ist, soweit in der 2. BesÜV Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind.
Nach der Auslegung dieser tariflichen Bestimmungen durch den Vierten Senat, der sich der Senat angeschlossen hat, (vgl. Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – und – 6 AZR 972/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) regeln beide tariflichen Bestimmungen im Ergebnis nichts unterschiedliches. Für die Eingruppierung ist in erster Linie die 2. BesÜV maßgebend. Ist danach eine Eingruppierung nicht möglich, weil ein Amt i. S. d. 2. BesÜV für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht ist, bedarf es einer arbeitsvertraglichen Regelung die unter Heranziehung der entsprechenden Richtlinien zu treffen ist (BAG Urteil vom 26. April 1995 – 4 AZR 97/95 – AP Nr. 7 zu § 11 BAT-O auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ist die ergänzende Geltung der Richtlinien bereits arbeitsvertraglich vereinbart, so ergibt sich daraus ein entsprechender arbeitsvertraglicher Vergütungsanspruch. Liegt eine solche arbeitsvertragliche Vereinbarung, wie vorliegend, nicht vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine den Richtlinien entsprechende Vergütungsvereinbarung anzubieten.”
Danach hat der Sechste Senat die Anspruchsgrundlage für einen Kontrahierungszwang aus § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 iVm. Nr. 3a Unterabs. 2 SR 2 l I BAT-O iVm. der Zweiten BesÜV iVm. den TdL-Richtlinien hergeleitet. Darauf kann indessen seit dem 1. Juli 1995 – und damit im Klagezeitraum – zur Begründung einer Anspruchsgrundlage nicht mehr abgestellt werden. An diesem Tag ist die Zweite BesÜV außer Kraft getreten und wurde durch das Berliner Besoldungsgesetz abgelöst. Damit ist die tarifvertragliche Forderung einer arbeitsvertraglichen Regelung – SR 2 l I BAT-O iVm. der Zweiten BesÜV – ersatzlos entfallen. Die Vorschrift der SR 2 l I Nr. 3a Unterabs. 1 BAT-O ist mittlerweile gem. § 1 Nr. 13 des Änderungstarifvertrages Nr. 9 vom 5. Mai 1998 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 ebenfalls gestrichen worden.
Aus § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O allein ergibt sich kein Kontrahierungszwang. Nach dieser Norm richtet sich die Eingruppierung der angestellten Lehrer unter ergänzender Geltung von Richtlinien nach der Besoldung der Beamten. Weder aus dem Wortsinne noch aus dem systematischen Zusammenhang der Eingruppierungsnormen ist zu schließen, daß nach § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O der Arbeitnehmer auf eine vertragliche Vereinbarung von Eingruppierungsrichtlinien einen tarifvertraglichen Anspruch hat.
Der zweite Hilfsantrag ist teilweise begründet. Die Klägerinnen sind ab 1. Juli 1995 in VergGr. IVb BAT-O eingruppiert und können für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 28. Februar 1997 die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen verlangen.
- Die Klägerinnen haben allerdings keine einzelvertraglichen Ansprüche auf die begehrten Zahlungen. Insbesondere ist das Schreiben des beklagten Landes vom 26. November 1997 an die Klägerin zu 1) nicht als einzelvertragliche Zusage zu bewerten. Das Landesarbeitsgericht hat das zitierte Schreiben nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern als bloße Wissenserklärung qualifiziert. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen, also solchen die nicht in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend verwendet werden, ist Sache der Tatsachengerichte und in der Revision nur in Grenzen nachprüfbar. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt allein, ob bei der Auslegung der Willenserklärung die Rechtsvorschriften über die Auslegung, §§ 133, 157 BGB, richtig angewandt worden sind, ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge aaO § 73 Rn. 16 mwN). Gemessen daran ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Klägerin zu 1) nicht in Zweifel gezogen. Im öffentlichen Dienst muß ein Arbeitnehmer regelmäßig davon ausgehen, sein Arbeitgeber wolle nur die Leistungen gewähren, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Im Zweifel gilt Normenvollzug. Dementsprechend handelt es sich bei dem Schreiben vom 26. November 1997 lediglich um eine Auskunft über die Rechtslage wie sie das beklagte Land sieht.
Die Klägerinnen haben aber tarifvertragliche Zahlungsansprüche.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Klägerinnen als Lehrkräfte im Sinne der tariflichen Bestimmungen (§ 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 BAT-O, der SR 2 l I BAT-O, Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen BAT-O) angesehen.
Lehrkräfte im Sinne der genannten Tarifnormen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt (Protokollnotiz zu Nr. 1 der SR 2 l I BAT-O). Diese Protokollnotiz kann auch zur Bestimmung des durch die Vorbemerkung Nr. 5 geregelten Adressatenkreises herangezogen werden, allerdings ohne ausschließliche Beschränkung auf den durch die SR 2 l I BAT-O erfaßten Personenkreis. Dabei sind “Kenntnisse” als theoretisches Wissen und “Fertigkeiten” als praktische Handhabung des Erlernten zu verstehen. Die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten gibt einer Tätigkeit das Gepräge, wenn sie für die Tätigkeit maßgeblich ist und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Angestellten einnimmt. Zu den klassischen Aufgaben des Lehrers im öffentlichen Schuldienst gehört die Erteilung des Unterrichts. Dann ist das von den Tarifvertragsparteien vorgegebene Tätigkeitsmerkmal “Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten” gegeben. Auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten bei der Durchführung von praktischen Übungen ist Unterricht. Ein Unterricht im Sinne der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten setzt aber einen eigenverantwortlichen Unterricht voraus und nicht nur unterrichtsbegleitende Unterstützung.
Die Begriffe “Kenntnisse und Fertigkeiten” und “Gepräge” sind unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Interpretation im einzelnen dem Landesarbeitsgericht ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob das Landesarbeitsgericht dabei von dem zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm dabei Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob alle erheblichen Tatumstände Berücksichtigung gefunden haben (BAG 27. Januar 1999 – 4 AZR 88/98 – BAGE 91, 8 ff. = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 262, zu I 2a der Gründe; 24. November 1999 – 4 AZR 717/98 – nv., zu 1a und b der Gründe).
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Lehrereigenschaft der Klägerinnen halten diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab stand.
Das Landesarbeitsgericht ist vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen. Es hat erkannt, daß die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten einer Tätigkeit das Gepräge gibt, wenn sie für die Tätigkeit maßgebend ist und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit einnimmt. Das Landesarbeitsgericht hält sich auch im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, wenn es die selbständige Unterrichtstätigkeit als eigenverantwortlichen Unterricht einstuft. Eine derartige Annahme ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Schulgesetz des jeweiligen Landes die selbständige Unterrichtserteilung gleichwertig neben der verantwortlichen Unterrichtserteilung als entscheidendes Merkmal für die Bestimmung des Status als Lehrkraft vorsieht. Dies ist – worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hinweist – im Land Berlin geschehen. Nach § 3 des Schulverfassungsgesetzes sind Lehrer im Sinne dieses Gesetzes alle Personen, die eigenverantwortlich oder selbständig Unterricht erteilen. Inwieweit pädagogische Unterrichtshilfen als Lehrer einzustufen sind, läßt sich dem Schulverfassungsgesetz ausdrücklich allerdings nicht entnehmen. In dessen § 10 werden die Aufgaben des Lehrers beschrieben, ohne eine Abgrenzung gegenüber den pädagogischen Unterrichtshilfen vorzunehmen. Aus § 37 der Ausführungsvorschriften über Sonderschulen und Sonderschuleinrichtungen (Sonderschulordnung) vom 28. August 1984, zuletzt geändert am 1. August 1994, ergibt sich aber ua., daß pädagogische Unterrichtshilfen Unterricht selbständig durchführen. In der zitierten Vorschrift heißt es:
“§ 37 Unterricht, Pädagogische Unterrichtshilfen
…
(4) Neben dem Sonderschullehrer betreuen Pädagogische Unterrichtshilfen die Schüler.
(5) Der Sonderschullehrer leitet die Unterrichtsgruppe. Er ist verantwortlich für die Unterrichtsplanung und arbeitet hierbei eng mit den Pädagogischen Unterrichtshilfen zusammen. Soweit die Pädagogische Unterrichtshilfe Unterricht selbständig durchführt, nimmt sie entsprechende Eintragungen im Klassenbuch vor.
(6) Die Arbeitszeit der Pädagogischen Unterrichtshilfen richtet sich nach den tariflich festgelegten Bestimmungen. Dabei ist die Zeit für die Teilnahme an Konferenzen, Elternabenden, Arbeits- und Fallbesprechungen sowie die Zeit für die Arbeitsvorbereitungen und Hausbesuche zu berücksichtigen.”
Sonach können pädagogische Unterrichtshilfen im Land Berlin als Lehrkräfte im tariflichen Sinne einzustufen sein. Eine Bestätigung findet dies in den Lehrerrichtlinien – Ost der TdL. Dort werden unter B III Ziff. 11 und Ziff. 12 pädagogische Unterrichtshilfen ausdrücklich aufgeführt und damit als Lehrkräfte qualifiziert. Da ein und derselbe Arbeitgeberverband die Tarifverträge und die TdL-Richtlinien abgeschlossen hat, kann und muß davon ausgegangen werden, daß dem Begriff der Lehrkraft in den genannten Regelungen inhaltlich jeweils die gleiche Bedeutung beizumessen ist. Wesentlich für die Einstufung ist nach den tarifvertraglichen Vorgaben der arbeitszeitliche Umfang der selbständigen Unterrichtserteilung. Er muß mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch genommen haben.
- Danach sind die Klägerinnen Lehrkräfte im tariflichen Sinne. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerinnen zu mehr als die Hälfte ihrer Gesamtzeit Unterricht erteilen. Ihre selbständigen Unterrichtstätigkeiten nehmen mehr als die Hälfte ihrer Wochenarbeitszeit in Anspruch. An diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht gem. § 561 Abs. 2 ZPO aF gebunden. Rechtserhebliche Revisionsrügen hat die Revision gegen diese Tatsachenfeststellungen nicht erhoben.
Die Eingruppierung der Klägerinnen in VergGr. IVb BAT-O ab 1. Juli 1995 ergibt sich aus den Lehrerrichtlinien des Landes Berlin.
Der Anwendung der Lehrerrichtlinien steht nicht entgegen, daß sie nicht ausdrücklich in den Arbeitsverträgen der Klägerinnen vereinbart wurden. Die Anwendung von Richtlinien im Arbeitsverhältnis kommt ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber insoweit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zuerkannt haben (BAG 28. September 1994 – 4 AZR 717/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 2, zu II 3a der Gründe; 30. November 1994 – 4 AZR 899/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 3, zu II 1b bb der Gründe).
Nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts billigten die Tarifvertragsparteien mit § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O mit der Formulierung “nach näherer Maßgabe von Richtlinien” dem öffentlichen Arbeitgeber für den Fall, daß die bis zum 30. Juni 1995 geltende Zweite BesÜV keine abschließenden Regelungen enthielt, das Recht zu, einseitig gesetzte generelle Regelwerke auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden (24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP BAT-O § 2 Nr. 1; 28. September 1994 – 4 AZR 717/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 2; 30. November 1994 – 4 AZR 899/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 3; 26. April 1995 – 4 AZR 97/95 – BAGE 80, 61 = AP BAT-O § 11 Nr. 7). Danach sollten die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auch dann anwendbar sein, wenn ihre Geltung nicht arbeitsvertraglich vereinbart war. Der Zehnte und Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts haben dagegen trotz der Formulierung des § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O eine Anwendung einseitiger Lehrereingruppierungsrichtlinien nur dann in Betracht gezogen, wenn eine ausdrückliche Prüfung ergab, daß sie von den Arbeitsvertragsparteien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sind (13. Dezember 2000 – 10 AZR 635/99 – nv.; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 643/99 – AP BAT-O § 11 Nr. 24; 15. März 2000 – 10 AZR 119/99 – BAGE 94, 87 = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 81; 7. Juni 2000 – 10 AZR 254/99 – AP BAT-O §§ 22, 23 Lehrer Nr. 82; 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74; 20. November 1997 – 6 AZR 216/96 – nv.; 16. Oktober 1997 – 6 AZR 141/96 – nv.; 8. August 1996 – 6 AZR 1000/94 – nv.; 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – BAGE 83, 201 = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 45).
Im Streitfall gelten für die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen als Lehrkräfte die Lehrerrichtlinien des Landes Berlin. Wenn es in § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O heißt “gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien” bedeutet dies für Lehrkräfte die Anwendung der Lehrerrichtlinien des Arbeitgebers durch zulässige einseitige Leistungsbestimmung. Dies ergibt die Auslegung. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Ist der Tarifwortlaut nicht eindeutig, so ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Bei Zweifeln können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 mwN).
Auszugehen ist somit zunächst vom Wortlaut. Durch den wörtlichen Einschub “nach näherer Maßgabe von Richtlinien” wird deutlich, daß die Tarifvertragsparteien eine Geltung von das Beamtenrecht ergänzenden Eingruppierungsrichtlinien regeln wollten, ohne daß dies einer weiteren Legitimation, zB einer vertraglichen Regelung bedarf. Die Regelung hat somit selbst konstitutive Bedeutung. Wäre dies nicht so, hätte es der Erwähnung der Richtlinien im Tarifvertrag nicht bedurft, denn eine vertragliche Vereinbarung ergänzender Rechtsquellen wäre auch ohne deren Erwähnung im Tarifvertrag möglich.
Überdies ist eine tarifliche Inbezugnahme von ergänzenden Rechtsquellen, seien es Gesetze, Rechtsverordnungen, Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften in Bereichen, in denen neben Arbeitnehmern auch Beamte tätig sind, nicht unüblich (vgl. zB § 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 44 Abs. 1, § 49 Abs. 1 BAT). Auch in diesen Fällen bedarf es neben der tariflichen Geltungsanordnung keiner vertraglichen Inbezugnahme.
Weiter spricht für eine tarifliche Geltungsanordnung im Bereich des BAT-O auch die Tatsache, daß im Geltungsbereich des BAT (West) die Geltung von Eingruppierungsrichtlinien für Lehrer bekanntermaßen der Vereinbarung bedarf. Der BAT enthält für Lehrer keine Verweisung auf Richtlinien.
Schließlich hat die Tarifnorm in dieser Auslegung auch ein vernünftiges Ergebnis, denn die in ihr in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Besoldungsvorschriften decken die in der ehemaligen DDR vorhandene Vielzahl von Lehrerausbildungsabschlüssen nicht ab. Die Tarifvertragsparteien mußten daher davon ausgehen, daß für eine Reihe von Fällen die Eingruppierung nicht unmittelbar durch Rückgriff auf Vorschriften des Besoldungsrechts möglich sein, sondern – im Rahmen der im Besoldungsrecht zum Ausdruck kommenden Wertungen – noch ergänzende und präzisierende Vorgaben durch Richtlinien voraussetzen werde (BAG 28. September 1994 – 4 AZR 717/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 2).
Die Verweisung auf das Beamtenrecht und die diese ergänzenden Eingruppierungsrichtlinien ist auch wirksam. Sie stellt insbesondere keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien dar. Diesen bleibt es nämlich unbenommen, die Verweisung jederzeit aufzuheben. Ebensowenig spricht gegen die rechtliche Zulässigkeit der Verweisung, daß Richtlinien einseitige, vom Arbeitgeber geschaffene Verwaltungsvorschriften sind. Auch insoweit hängt nämlich ihre Rechtsgeltung als Tarifnorm ebenfalls allein von dem Willen der Tarifvertragsparteien ab (vgl. BAG 20. Oktober 1993 – 4 AZR 26/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 10 = EzA TVG § 4 Bundesbahn Nr. 4 mwN; vgl. auch 18. April 2002 – 8 AZR 615/01 – nv., zu II 2 der Gründe).
Überdies ist der Inhalt der Richtlinien begrenzt. Die Tarifbestimmung läßt nämlich nur eine spezifizierende Regelung durch Richtlinien im Rahmen der aus der Heranziehung beamtenrechtlicher Besoldungsvorschriften gewonnenen Regelung zu (vgl. BAG 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP BAT-O § 2 Nr. 1; 28. September 1994 – 4 AZR 717/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 2, zu II 3b bb der Gründe).
Die Tarifnorm erfaßt nach ihrem Wortlaut auch Lehrereingruppierungsrichtlinien der Länder und nicht nur die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Eine Begrenzung auf letztere läßt sich dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht entnehmen. Hätten die Tarifvertragsparteien eine derartige Beschränkung auf bestimmte Richtlinien gewollt, so hätten sie dies festlegen müssen. Trotz inzwischen zahlreich erlassener Arbeitgeberrichtlinien der Länder haben die Tarifvertragsparteien am weiten Wortlaut des § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O aber festgehalten. Bei den Richtlinien muß es sich deshalb lediglich um abstrakt-generelle Eingruppierungsregelungen handeln, die im Rahmen und unter Berücksichtigung des entsprechenden Beamtenbesoldungsrechts erlassen wurden.
- Die Klägerinnen erfüllen seit 1. August 1995 unstreitig die übrigen Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach VergGr. IVb BAT-O iVm. Teil B Abschn. c Nr. 8 sowie der Fußnote 34 der Lehrerrichtlinien. Die Klägerin zu 1) ist ausgebildete Kindergärtnerin, die Klägerin zu 2) ausgebildete Erzieherin, die nach Fußnote 34 gleichgestellt sind.
Die Klägerinnen können die Vergütungsdifferenzen zu der VergGr. IVb allerdings nur für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 28. Februar 1997 verlangen. Für Vergütungsansprüche aus dem Jahr 1995 greift die Einrede der Verjährung durch.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind die Zahlungsansprüche der Klägerinnen nicht verwirkt.
Die Ausschlußfrist nach § 70 BAT-O greift nicht ein. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob für die Fälligkeit im Sinne von § 70 Abs. 1 BAT-O die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Lehrerrichtlinien ausreichend ist oder ob die tatsächliche Kenntnisnahme der Richtlinien vorliegen muß. Grundsätzlich beginnt die Fälligkeit der tariflichen Ausschlußfrist nicht ohne weiteres mit der Entstehung des Anspruchs. Dem Gläubiger muß vielmehr praktisch möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen (BAG 16. November 1989 – 6 AZR 114/88 – BAGE 63, 246 = AP BAT § 29 Nr. 8; 22. Januar 1997 – 10 AZR 459/96 – AP BAT § 70 Nr. 27 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 125).
In jedem Fall verstößt die Berufung des beklagten Landes auf den Verfall der Ansprüche gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlußfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich der gem. § 70 BAT-O erforderlichen schriftlichen Geltendmachung bzw. Einhaltung der Verfallfrist durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlaßt worden ist. Der Arbeitgeber muß also den Arbeitnehmer von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, daß der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlußfrist erfüllt werde. In diesen Fällen setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er zunächst den Arbeitnehmer zur Untätigkeit veranlaßt, und dann, indem er den Verfall geltend macht, aus dieser Untätigkeit einen Vorteil für sich ableiten will (BAG 22. Januar 1997 – 10 AZR 459/96 – aaO, zu II 1 der Gründe). Im Streitfall hat das beklagte Land den Klägerinnen die Einhaltung der Frist erschwert. Es hat nämlich entgegen der Ankündigung auf Seite 2 des Rundschreibens vom 20. September 1996 die Fußnote 34 nicht durch einen senkrechten Strich als Änderung gekennzeichnet. Damit war für Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen wie die Klägerinnen die Möglichkeit einer höheren Eingruppierung nur erkennbar, wenn sie der Ankündigung mißtraut haben und trotz der unterbliebenen Kennzeichnung das Rundschreiben durchgelesen haben.
Die Gehaltsforderungen für die Zeit von Juli 1995 bis Dezember 1995 sind aber verjährt, so daß das beklagte Land die Leistung gem. § 222 Abs. 1 BGB aF verweigern durfte.
Das beklagte Land hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die zweijährige Verjährungsfrist nach § 196 Nr. 8 BGB aF, die trotz des Wortes “Privatdienste” auch für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gilt (zB Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 196 Rn. 23 mwN), war bereits verstrichen, als die die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage (§ 209 Abs. 1 BGB) im Mai 1998 bei Gericht eingegangen und dem beklagten Land zugestellt wurde. Für den Monat Dezember 1995 war Fristablauf der 31. Dezember 1997 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB), weil die zwei Jahre betragende Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1995 nach § 201 BGB aF in Lauf gesetzt wurde. Gemäß § 198 BGB aF beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Das ist der Fall, sobald der Anspruch klageweise geltend gemacht werden kann (zB BGH 18. Dezember 1980 – VII ZR 41/80 – BGHZ 79, 176, 177 f.), was wiederum den Eintritt der Fälligkeit voraussetzt. Dabei ist der allgemeine zivilrechtliche Fälligkeitsbegriff maßgeblich, dh. es muß objektiv die Möglichkeit bestehen, den Anspruch geltend zu machen. Der Verjährungsbeginn hängt nicht davon ab, daß der Berechtigte vom Bestehen des Anspruchs Kenntnis hat oder haben konnte (BGH 22. Februar 1979 – VII ZR 256/77 – BGHZ 73, 363, 365). Demgemäß ist das Gehalt für Dezember 1995 gemäß § 36 Abs. 1 BAT-O am 15. Dezember fällig geworden und mit Ablauf des 31. Dezember 1997 verjährt.
- Dies ergibt die zuerkannten Zahlungsbeträge, die rechnerisch unstreitig sind.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Morsch, R. Iskra
Fundstellen
Haufe-Index 880012 |
BB 2003, 428 |
NZA 2003, 935 |
ZTR 2003, 185 |
AP, 0 |
NJ 2003, 223 |
NZA-RR 2003, 386 |
PersV 2003, 275 |
Tarif aktuell 2003, 9 |