Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme an geeigneter Schulungsveranstaltung
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Betriebsratsmitglied unmittelbar vor dem Ende seiner Amtszeit an einer gemäß § 37 Abs. 7 BetrVG als geeignet anerkannten Schulungsveranstaltung teil, so muß es darlegen, aufgrund welcher besonderen Umstände des Einzelfalles eine solche Festlegung des Zeitpunkts der Schulungsteilnahme durch den Betriebsrat noch pflichtgemäßem Ermessen entsprochen habe (im Anschluß an BAG Beschluß vom 7. Juni 1989, BAGE 62, 74 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 98).
Normenkette
BetrVG 1972 § 37 Abs. 7
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 08.10.1991; Aktenzeichen 13 Sa 1450/90) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 19.09.1991; Aktenzeichen 3 Ca 1302/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. Oktober 1991 – 13 Sa 1450/90 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 22. August 1977 bei der Beklagten, einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie mit etwa 90 Arbeitnehmern, als Arbeiter beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten wurde erstmalig am 11. März 1987 ein Betriebsrat gewählt; der Kläger wurde Ersatzmitglied. Am 15. März 1988 rückte er in den Betriebsrat nach. Am 9. März 1990 fand die Neuwahl des Betriebsrats statt, bei der der Kläger ebenfalls kandidierte und wiederum Ersatzmitglied wurde.
Am 15. November 1989 beschloß der Betriebsrat, daß u. a. der Kläger gemäß § 37 Abs. 7 BetrVG in der Zeit vom 25. Februar bis zum 9. März 1990 an der von der Industriegewerkschaft Metall durchgeführten Schulungsveranstaltung “Funktionsträger II” teilnehmen solle. Mit Schreiben vom 12. Februar 1990 widersprach die Beklagte unter Hinweis auf die bereits am 9. März 1990 stattfindende Betriebsratswahl. Mit Schreiben vom 15. Februar 1990 erwiderte der Betriebsrat, daß er auf seinem Beschluß vom 15. November 1989 bestehe.
Vom 26. Februar bis einschließlich 9. März 1990 nahm der Kläger an dem von der IG Metall veranstalteten Seminar “Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft II” teil, das vom Hessischen Sozialministerium als geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG anerkannt war. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger für diesen Zeitraum seinen Lohn.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.135,41 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, der Kläger könne seinen Anspruch nicht auf § 37 Abs. 7 BetrVG stützen, weil er seine auf der Schulungsveranstaltung erworbenen Kenntnisse nicht mehr für seine Betriebsratstätigkeit habe nutzen können. Der Kläger hat im wesentlichen erwidert, § 37 Abs. 7 BetrVG stelle dieses Erfordernis nicht auf, sondern verlange lediglich, daß die Schulungsveranstaltung in die Amtszeit des Betriebsratsmitglieds falle. Bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an der Schulung sei der Betriebsrat frei, die gesamte Amtszeit des Mitglieds auszuschöpfen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Ersturteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision mußte erfolglos bleiben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Würdigung, der Klageanspruch sei unbegründet, im wesentlichen wie folgt begründet: Im Gegensatz zu einem Anspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG müsse zwar bei einem Anspruch nach § 37 Abs. 7 BetrVG nicht geprüft werden, ob die Veranstaltung Kenntnisse vermittelt habe, die für die konkrete Arbeit des einzelnen Betriebsratsmitglieds erforderlich seien. Dennoch werde nicht jede von der Betriebsratsarbeit völlig losgelöste allgemeine Bildungsmaßnahme von § 37 Abs. 7 BetrVG erfaßt. Vielmehr müßten die vermittelten Kenntnisse im Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit stehen und dieser dienlich und förderlich sein. Das Landesarbeitsgericht könne der Ansicht des Klägers nicht zustimmen, daß der Gesetzgeber grundsätzlich von mehreren Betriebsratsamtszeiten der einzelnen Mitglieder, d. h. von einem kontinuierlichen Ehrenamt ausgehe. Daher sei unbeachtlich, daß der Kläger auch für den neuen Betriebsrat kandidiert habe und wiederum zum Ersatzmitglied gewählt worden sei. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, daß er die erworbenen Kenntnisse auch am letzten Tag seiner laufenden Amtsperiode, dem 12. März 1990, habe verwerten können.
2. Diese Begründung ist rechtsfehlerfrei. Das Landesarbeitsgericht geht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. Beschluß vom 30. August 1989, BAGE 63, 35 = AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972, m.w.N.) aus, wenn es verlangt, daß auf einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 7 BetrVG Kenntnisse vermittelt werden, die in einem Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit stehen und dieser im weiten Sinne dienlich und förderlich sind. Es kann rechtlich nicht beanstandet werden, daß das Landesarbeitsgericht das Vorliegen dieser Voraussetzung bei der gegebenen Sachlage verneint, weil auf der Grundlage des Sachvortrags des Klägers nicht ersichtlich sei, wie er am letzten Tag seiner Amtszeit die auf der Schulungsveranstaltung erworbenen Kenntnisse noch habe nutzen können.
Gemäß § 37 Abs. 7 Satz 3 BetrVG finden auf die Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer als geeignet anerkannten Schulungs- bzw. Bildungsveranstaltung die Sätze 2 bis 5 des § 37 Abs. 6 BetrVG Anwendung. Diese Entscheidung ist mithin auch hier vom Betriebsrat (allg. Meinung; vgl. z.B. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 37 Rz 133) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei § 37 Abs. 6 BetrVG vgl. Senatsbeschluß vom 7. Juni 1989, BAGE 62,74 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 98). Aus dem Sachvortrag des Klägers ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Entscheidung des Betriebsrats, der Kläger solle noch in den letzten beiden Wochen seiner Amtszeit an einer Schulungsveranstaltung teilnehmen, pflichtgemäßem Ermessen entsprochen habe.
Auch Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 7 BetrVG dienen nach der gesetzlichen Wertung erkennbar dem Zweck, das Betriebsratsmitglied in die Lage zu versetzen, seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben besser erfüllen zu können. Nur deshalb ist es auch gerechtfertigt, den Arbeitgeber mit der Lohnfortzahlung für die Zeit der Schulungsteilnahme zu belasten. Eine Schulungsteilnahme, die für die Betriebsratstätigkeit nicht mehr nützlich sein kann, fällt daher nicht mehr unter § 37 Abs. 7 BetrVG.
Im Entscheidungsfall hat der Kläger seine erworbenen Kenntnisse praktisch nicht mehr nutzen können. Dem Landesarbeitsgericht ist in seiner Würdigung zu folgen, daß dann kein Anspruch aus § 37 Abs. 7 BetrVG mehr besteht, wenn das Betriebsratsmitglied seine Kenntnisse überhaupt nicht mehr nutzen kann, weil seine Amtszeit am letzten Tag der Schulung endet. Das Landesarbeitsgericht hat aber auch richtig gesehen, daß es keinen Unterschied machen kann, wenn bei vernünftiger sachlicher Betrachtung praktisch eine Nutzung der Kenntnisse in nennenswertem Umfang nicht mehr möglich ist, wenn also nur noch ganz wenige Tage der Betriebsratstätigkeit nach Abschluß der Schulung verbleiben und das Betriebsratsmitglied nicht substantiiert darlegt, warum es ausnahmsweise gerade die speziellen erworbenen Kenntnisse doch noch in der kurzen verbleibenden Zeit nutzen konnte.
3. Gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hat auch die Revision nichts Durchgreifendes vorbringen können. Insbesondere kann es nicht darauf ankommen, daß der Kläger wieder zum Betriebsrat kandidiert hat und seine auf der Schulungsveranstaltung erworbenen Kenntnisse eventuell in der nächsten Wahlperiode nutzen kann. Eine solche Betrachtung würde das Betriebsratsmitglied gegenüber sonstigen Wahlbewerbern, die noch nicht dem Betriebsrat angehörten, unzulässig begünstigen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß Schulungsveranstaltungen gemäß § 37 Abs. 7 BetrVG auch im Hinblick auf eine Verwertung der erworbenen Kenntnisse in einer kommenden Wahlperiode besucht werden können, so hätte er einen derartigen Anspruch auch den anderen Wahlbewerbern einräumen müssen. Daß er dies nicht getan hat, läßt den Schluß zu, daß der Gesetzgeber von einer Verwertung der Kenntnisse während der laufenden Amtszeit ausgeht. Damit aber war die Schulungsteilnahme des Klägers schon nach Maßgabe seines eigenen Sachvortrags vom Zweck des § 37 Abs. 7 BetrVG nicht mehr gedeckt. Es fehlt jegliche Darlegung, weshalb der Betriebsrat aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, insbesondere aktuell anstehender betrieblicher Probleme, davon hätte ausgehen dürfen, der Kläger werde die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse noch während seiner restlichen Amtszeit in irgendeiner Weise nutzen können.
Unterschriften
Schliemann, Kremhelmer, Dr. Steckhan, Kordus, Dr. Gentz
Fundstellen
Haufe-Index 846774 |
NZA 1993, 468 |