Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung, Lohnabrechnung als Anerkenntnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilt der Arbeitgeber in einer Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer die Zahl der noch nicht gewährten Urlaubstage mit, so kann darin ein bestätigendes Schuldanerkenntnis liegen, durch das ihm verwehrt ist einzuwenden, er schulde den Urlaub in dieser Höhe nicht.
2. Der Arbeitgeber ist hierdurch in der Regel nicht gehindert, sich nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw des Übertragungszeitraums auf das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen.
Orientierungssatz
Auslegung des Rahmentarifvertrages für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk vom 5.12.1980, gültig ab 1.1.1981 - Tarifgebiet Bayern.
Normenkette
BGB §§ 781-782, 126; BUrlG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 24.10.1984; Aktenzeichen 3 Sa 140/83) |
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 02.02.1982; Aktenzeichen 1 Ca 439/81) |
Tatbestand
Der im Jahre 1982 verstorbene Ehemann der Klägerin (im folgenden: Erblasser) war seit 1974 bei der Beklagten als Leiter der Zweigniederlassung W beschäftigt. Am 3. August 1981 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Durch rechtskräftiges Urteil vom 3. Februar 1983 stellte das Arbeitsgericht fest, daß die fristlose Kündigung rechtsunwirksam war und das Arbeitsverhältnis am 31. August 1981 geendet hat. In den Jahren 1974 bis 1980 hatte der Erblasser 61 Tage seines Erholungsurlaubs nicht genommen. Auch der Urlaub für 1981 in Höhe von 25 Tagen war ihm nicht gewährt worden. Die Beklagte gewährte Urlaubsabgeltung für 15 Urlaubstage des Jahres 1981. Die durch elektronische Datenverarbeitung erstellten Gehaltsabrechnungen für Juni und Juli 1981 wiesen als Urlaubsanspruch des Erblassers jeweils 86 Tage aus.
Der Erblasser hat die Abgeltung restlicher 71 Urlaubstage in unstreitiger Höhe von 237,24 DM pro Tag begehrt. Die Klägerin hat vorgetragen, der Erblasser habe den rückständigen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht nehmen können. Mit der Übertragung des Urlaubs sei die Beklagte einverstanden gewesen, denn der Erblasser habe sie immer wieder darauf hingewiesen, daß er den Urlaub nicht nehmen könne. Außerdem habe die Beklagte das Urlaubsguthaben in den monatlichen Gehaltsabrechnungen anerkannt. Die Klägerin hat u.a. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
16.844,04 DM nebst 4 % Zinsen seit
12. Oktober 1981 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaub sei verfallen. Mit der Urlaubsübertragung sei sie nicht einverstanden gewesen. Die Gehaltsabrechnungen enthielten keine Anerkenntnisse. Für 1981 hätten dem Erblasser nur die abgegoltenen 15 Urlaubstage zugestanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insoweit abgewiesen, als die Klägerin mit ihr mehr als die Abgeltung weiterer zwei dem Erblasser für die Zeit vom 3. bis 31. August 1981 zustehender Urlaubstage gefordert hat. Mit ihrer Revision bittet die Klägerin um Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nachdem das Landesarbeitsgericht der Klägerin über die 15 dem Erblasser ausbezahlten Urlaubstage hinaus Abgeltung für zwei weitere Urlaubstage des Jahres 1981 zugesprochen hat, begehrt die Klägerin noch Urlaubsabgeltung für die Jahre 1974 bis 1980 in Höhe von 61 Tagen und für das Jahr 1981 in Höhe weiterer acht Tage. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insoweit zu Recht als unbegründet abgewiesen.
I. Der Anspruch des Erblassers auf Gewährung des restlichen Urlaubs für die Jahre 1974 bis 1980 war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 1981 erloschen.
1. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurden dem Erblasser in diesen Jahren 61 Urlaubstage nicht gewährt. Im einzelnen ergibt sich aus der von der Beklagten in der Berufungsbegründung mitgeteilten und von der Klägerin nicht bestrittenen Aufstellung, daß sich die Zahl der nicht genommenen Urlaubstage auf 15 im Jahr 1974, fünf im Jahr 1975, zwölf im Jahr 1977, neun im Jahr 1978, einen im Jahr 1979 und 24 im Jahr 1980 beläuft. Die Zahl 61 ergibt sich, wenn man mit der Beklagten von diesen insgesamt 66 Urlaubstagen fünf Tage abzieht, die der Erblasser im Jahr 1976 erhalten hatte, obwohl sie ihm nicht zustanden.
2. Wie das Landesarbeitsgericht richtig angenommen hat, ist dieser Urlaub verfallen.
Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muß der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Urlaub für die Jahre 1974 bis 1980 nach dieser Regelung jeweils mit Ablauf des Urlaubsjahres, spätestens mit Ablauf des 31. März des jeweils folgenden Kalenderjahres, hätte gewährt und genommen werden müssen. Dies würde auch bei Anwendung des mit § 7 Abs. 3 BUrlG übereinstimmenden § 11 Nr. 8 des Rahmentarifvertrags für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk vom 5. Dezember 1980, gültig ab 1. Januar 1981 - Tarifgebiet Bayern - (RTV), gelten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Arbeitsvertragsparteien diesen Tarifvertrag nicht ausdrücklich vereinbart. Sie wendeten ihn aber für "Berechnung und Gewährung" des Urlaubs an. Ob darunter auch die Bestimmung über das Erlöschen des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf fiel, kann dahinstehen, da die Tarifnorm mit dem Gesetz übereinstimmt.
3. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, der Erblasser habe aus betrieblichen Gründen den Urlaub nicht nehmen können. Betriebliche Gründe berechtigen den Arbeitgeber nur bis zum Ende des Urlaubsjahres, hier also bis 31. Dezember, den Urlaub zu verweigern (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, § 12 Nr. 1 Satz 2 RTV). Während des Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, § 11 Nr. 8 RTV) hat der Arbeitgeber kein Recht, den Urlaub aus diesen Gründen abzulehnen (BAGE 39, 54, 56 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung, zu II 4 b der Gründe). Der Erblasser war somit, wenn der Urlaubserteilung während des Urlaubsjahres tatsächlich betriebliche Gründe entgegenstanden, nicht gehindert, den Urlaub jeweils in dem auf das Urlaubsjahr folgenden Übertragungszeitraum zu nehmen. Unterließ er dies, so wurde dadurch der Verfall des Urlaubs jeweils zum 31. März des Folgejahres nicht aufgehalten. Auf einen späteren Zeitraum konnte der Urlaub nach dem Gesetz und der mit ihm übereinstimmenden Tarifregelung nicht übergehen (BAG, aaO). Die Rüge der Verletzung des § 139 ZPO, mit der die Klägerin geltend macht, das Berufungsgericht habe sie durch einen Hinweis auffordern müssen, die betrieblichen Gründe unter Beweis zu stellen, die der Urlaubsgewährung entgegenstanden, ist somit unbegründet.
4. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Beklagte den restlichen Urlaubsanspruch des Erblassers für die Jahre 1974 bis 1980 nicht in den Gehaltsabrechnungen anerkannt hat.
a) Ein abstraktes Schuldanerkenntnis scheidet schon deshalb aus, weil die gesetzliche Schriftform (§§ 781, 126 BGB) nicht eingehalten wurde. Die Gehaltsabrechnungen enthielten nicht die Unterschrift der Beklagten. Eine Ausnahme von der Formvorschrift nach § 782 BGB kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Betracht. Die Gehaltsabrechnungen sind keine Abrechnungen oder Vergleiche im Sinne des § 782 BGB, da der Erblasser an ihnen nicht mitgewirkt hatte.
b) Die Gehaltsabrechnungen waren auch nicht als formlos wirksame deklaratorische Schuldanerkenntnisse anzusehen, in denen die Beklagte darauf verzichtete, sich auf den Verfall des Urlaubs für die Jahre 1974 bis 1980 zu berufen.
aa) Ein bestätigender Schuldanerkenntnisvertrag liegt vor, wenn die vereinbarte Regelung zum Ziel hat, ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen. Mit ihm wird bezweckt, für die Zukunft die Vertragsbeziehungen auf eine verläßliche Basis zu stellen. Er setzt übereinstimmende Willenserklärungen voraus (vgl. BAG Urteil vom 8. November 1983 - 3 AZR 511/81 - AP Nr. 3 zu § 2 BetrAVG). Inwieweit durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis Einwendungen des Schuldners gegen den Anspruch ausgeschlossen sind, ist eine Frage der Auslegung (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 46. Aufl., § 781 Anm. 2 a).
bb) Grundsätzlich enthält eine Gehaltsabrechnung kein Schuldanerkenntnis.
In aller Regel teilt der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung, zu der er nach §§ 133 h, 134 Abs. 2 GewO, § 82 Abs. 2 BetrVG, tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich (Nebenpflicht) verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer nur die Höhe des Lohns und sonstiger Ansprüche, wie hier des Urlaubsanspruchs, mit. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Bei Irrtum kann grundsätzlich keine Seite die andere am Inhalt der Mitteilung festhalten. Der Lohnabrechnung kann somit regelmäßig nicht entnommen werden, daß der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet. Erst recht ergibt sich aus ihr nicht, daß der Arbeitgeber auf die künftige Einwendung des Erlöschens des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf verzichten will. Will der Arbeitgeber mit der Abrechnung eine derartige Erklärung abgeben, so müssen dafür besondere Anhaltspunkte vorliegen.
cc) Hier fehlt es an den Voraussetzungen eines Schuldanerkenntnisses.
Wie sich aus dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Vortrag der Klägerin ergibt, war in den monatlichen Gehaltsabrechnungen des Erblassers in den Jahren 1979 und 1980 zunächst jeweils nur der Urlaubsanspruch des betreffenden Urlaubsjahres ausgewiesen. Im Juli 1979, so hat die Klägerin behauptet, sei die Gehaltsabrechnung von der Angestellten der Beklagten S "berichtigt" worden. Ebenso sei im Juni 1980 verfahren worden, so daß ab diesem Monat der "richtige Urlaubsanspruch" von 61 Tagen eingetragen gewesen sei. Dadurch hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die für ein bestätigendes Schuldanerkenntnis sprechen.
Die Behauptung der Klägerin, die Gehaltsabrechnungen des Jahres 1979 seien teilweise berichtigt worden, trifft nicht zu. In den bei den Akten befindlichen und von der Klägerin inhaltlich nicht bestrittenen Gehaltsabrechnungen für 1979 ist nur der Jahresurlaub mitgeteilt, der dem Erblasser für dieses Urlaubsjahr zustand. Die Abrechnungen für Januar bis Juni weisen je 20 Tage, die für Juli und August je 16 Tage und die für September bis Dezember je einen Tag aus. Der restliche Urlaub aus 1974 bis 1978 - er hätte nach der Aufstellung auf Seite 5 der Berufungsbegründung weitere 36 Tage betragen - ist in den Gehaltsabrechnungen für 1979 nicht ausgewiesen. Er kann also auch nicht anerkannt worden sein.
Aber auch die später erfolgte Aufnahme der 61 Resturlaubstage in die Gehaltsabrechnungen kann nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis angesehen werden, das es der Beklagten verbot, sich künftig auf den Verfall des Urlaubsanspruchs zu berufen. Unstreitig hatte die Beklagte bis Juni 1979 immer nur die Höhe des noch nicht gewährten Urlaubs des laufenden Urlaubsjahres in die Abrechnungen aufgenommen. Die Abrechnungen dienten also insoweit nur der Unterrichtung des Arbeitnehmers. Es mag dahinstehen, ob die Behauptung der Klägerin, diese Mitteilungen seien ab Juni 1980 "berichtigt" worden, zu dem Schluß berechtigt, die Beklagte habe im Juni 1980 dem Erblasser gegenüber die 61 verfallenen Urlaubstage anerkannt und damit Urlaub zugesagt, den sie nicht mehr schuldete. Jedenfalls war der Erklärung der Angestellten S nicht zu entnehmen, die Beklagte verzichte auch darauf, sich in Zukunft, also nach dem 31. März 1981, auf den Verfall des Urlaubs zu berufen. Dazu hätte es im Hinblick darauf, daß für die Gewährung des Urlaubs bis zum Ende des Übertragungszeitraums noch mehr als neun Monate zur Verfügung standen, weiterer Anhaltspunkte bedurft. Auch wenn die Behauptung der Klägerin zutreffen sollte, hinderte dies somit nicht, daß der Anspruch des Erblassers auf den Urlaub aus den Jahren 1974 bis 1980 am 31. März 1981 erlosch (§ 7 Abs. 3 BUrlG, § 11 Nr. 8 RTV).
Auf die Frage, ob die Berichtigung der Lohnabrechnungen mit Genehmigung der Geschäftsführung der Beklagten erfolgte, kommt es somit nicht an. Ohne Verstoß gegen § 286 ZPO hat das Landesarbeitsgericht den dahingehenden Beweisantrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen.
II. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß dem Erblasser für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 1981 nur 15 Urlaubstage zustanden, welche die Beklagte beim Ausscheiden des Erblassers abgegolten hat, und zwei weitere Urlaubstage, zu deren Abgeltung das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat. Nach der Kürzungsregelung des § 11 Nr. 3 und Nr. 4 RTV, die das Landesarbeitsgericht als zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart festgestellt hat, beträgt der Urlaubsanspruch 1/12 für jeden vollen Beschäftigungsmonat, wenn das Beschäftigungsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres beginnt oder endet, und sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden. Dem Erblasser standen somit von dem Gesamtjahresurlaub von 25 Tagen für 1981 nur 17 Tage zu. Da es sich hierbei um Arbeitstage handelte (§ 11 Nr. 11 RTV), lag der dem Erblasser verbleibende Urlaub über dem gesetzlichen Mindesturlaub von jährlich 15 Arbeitstagen. Rechtliche Bedenken gegen die Kürzung bestehen somit nicht (vgl. BAGE 45, 199 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG).
Dr. Leinemann Dr. Peifer Griebeling
Harnack Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 441694 |
BAGE 54, 242-248 (LT1-2) |
BAGE, 242 |
BB 1987, 1814 |
BB 1987, 1814-1815 (LT1-2) |
DB 1987, 1694-1695 (LT1-2) |
NZA 1987, 557-558 (LT1-2) |
RdA 1987, 255 |
AP § 7 BUrlG Abgeltung (LT1-2), Nr 34 |
AR-Blattei, ES 1640 Nr 294 (LT1-2) |
AR-Blattei, Urlaub Entsch 294 (LT1-2) |
EzA § 7 BUrlG, Nr 55 (LT1-2) |
MDR 1987, 873-873 (LT1-2) |