Leitsatz (redaktionell)
Die Tätigkeit als Ärztin/Arzt im Praktikum ist auch dann keine ärztliche Tätigkeit im Sinne der VergGr. I b Fallgruppe 13 der Anlage 1 a zum BAT/BL, wenn die Ärztin/der Arzt im Praktikum als Stationsärztin/Stationsarzt eingesetzt wurde und regelmäßig am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilgenommen hat (Bestätigung und Fortführung des Urteils des Senats vom 25. September 1996 - 4 AZR 200/95 - AP Nr. 218 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Verfahrensgang
LAG Bremen (Entscheidung vom 10.01.1996; Aktenzeichen 2 Sa 140/95, 251/95) |
ArbG Bremen (Entscheidung vom 21.12.1994; Aktenzeichen 5 Ca 5347/94) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 16. Mai 1994 Vergütung nach der VergGr. I b BAT/BL zu zahlen. Dabei geht es darum, ob die Zeit der Tätigkeit der Klägerin als Ärztin im Praktikum vom 15. Mai 1989 bis zum 15. November 1990 "ärztliche Tätigkeit" i.S.d. Fallgruppe 13 der VergGr. I b der Anlage 1 a zum BAT/BL ist, die auf den am 1. Januar 1972 in kraft getretenen Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT (Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) vom 23. Februar 1972 zurückzuführen ist. Außerdem geht es um die Frage, ob die Klägerin die begehrte Vergütung deswegen mit Erfolg verlangen kann, weil ihre Tätigkeit während ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum etwa volle Arzttätigkeit, z.B. im Sinne einer Assistenzärztin, gewesen wäre und die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen könnte, die Klägerin sei als Ärztin im Praktikum eingestellt und beschäftigt worden. Darüber hinaus will die Klägerin die rückständigen Nettodifferenzbeträge mit 4 % verzinst wissen.
Die am 3. März 1962 geborene Klägerin war seit dem 15. Mai 1989 im Zentralkrankenhaus B in der Klinik für Psychiatrie - Medizinischer Bereich Psychiatrie I - auf der offenen Aufnahmestation 81 beschäftigt. In der Zeit vom 15. Mai 1989 bis 15. November 1990 war die Klägerin als Ärztin im Praktikum und danach als Assistenzärztin angestellt.
Mit Zwischenzeugnis vom 9. Juli 1991 wurde der Klägerin bescheinigt, daß sie "von Beginn an die Funktion einer Stationsärztin ausgeführt" hat. Weiter wurde ihr bestätigt, daß sie "regelmäßig am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilgenommen" hat.
Die Klägerin erhielt ihre volle Approbation am 22. November 1990. Am 1. Dezember 1990 erfolgte die Einstellung als Ärztin. Vom 1. September 1992 bis 31. August 1993 war sie in der Neurologischen Klinik der O Universität M tätig. Im März 1995 bestand die Klägerin die Facharztprüfung und ist seitdem "Fachärztin für Psychiatrie".
Mit Schreiben vom 30. Mai 1994 beantragte die Klägerin, nach VergGr. I b BAT ab dem 15. April 1994 bezahlt zu werden. Sie sei in VergGr. I b eingruppiert. Die Beklagte lehnte dies ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Zeit als Ärztin im Praktikum sei als Zeit ärztlicher Tätigkeit i.S.d. Fallgruppe 13 der VergGr. I b der Anlage 1 a zum BAT anzurechnen.
Die Klägerin habe im März 1995 die Facharztprüfung bestanden und sei seitdem Fachärztin für Psychiatrie. Diese relativ kurze Zeit bis zur Ablegung der Facharztprüfung korrespondiere mit dem Interesse der Klägerin an ständiger Fortbildung und mit ihrer Neigung, die nicht zuletzt auch darin ihren Ausdruck gefunden habe, daß die Klägerin bereits mit Aufnahme ihrer Tätigkeit als Ärztin im Praktikum bei der Beklagten als Stationsärztin tätig gewesen sei. Im Rahmen dieser Funktion als Stationsärztin habe sie die typischen Aufgaben eines Stationsarztes zu versehen gehabt. Stationsärzte befänden sich aber nicht mehr in der Ausbildung, sondern in der Weiterbildung. Aus dem Umstand, daß die Klägerin von Anfang an als Stationsärztin eingesetzt worden sei, folge auch, daß die Beklagte die Klägerin nicht als "Auszubildende" behandelt habe, sondern ihr von vornherein den Status einer Stationsärztin zugebilligt habe. Stationsärzte seien aber eindeutig ärztlich tätig. Die Klägerin sei vom ersten Tag ihrer Tätigkeit als Ärztin im Praktikum als Stationsärztin tätig gewesen und habe damit eine echte Assistenzarzttätigkeit mit einem entsprechenden Verantwortungsbereich unter Wissen des zuständigen Vorgesetzten erbracht. Die Klägerin habe selbstverständlich - wie jeder andere Stationsarzt auch - unter oberärztlicher Aufsicht gestanden. Diese Aufsicht sei nicht so zu verstehen, daß der Stationsarzt ständig vom Oberarzt begleitet werde. Der Stationsarzt arbeite selbständig, wenn auch weisungsgebunden - wie die Klägerin zur Zeit ihrer Tätigkeit als Ärztin im Praktikum, wo sie als Stationsärztin tätig gewesen sei. Die Klägerin sei während ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum eigenverantwortlich tätig gewesen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, daß die Klägerin Vergütung nach der VergGr. I b BAT seit 16. Mai 1994 zu beanspruchen hat,
2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12,5 % Zinsen auf die seit Mai 1994 fälligen Nettodifferenzbeträge zwischen den Zahlungen gemäß VergGr. II a und I b BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß nur die Zeiten ärztlicher Tätigkeit ab Erteilung der Approbation zu berücksichtigen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen sowie der Sache nach die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin, mit der sie ein Zinsmehrbegehren in der Berufungsinstanz verfolgt hatte, zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, allerdings ohne das in der Berufungsinstanz eingebrachte Zinsmehrbegehren. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich der Sache nach um eine der üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen im öffentlichen Dienst, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats Bedenken nicht bestehen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies gilt auch für den Klageantrag Ziff. 2 verstanden als Feststellungsantrag, soweit er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).
II. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr verlangte Vergütung nach VergGr. I b BAT/ BL bereits ab 16. Mai 1994. Sie erfüllt die Voraussetzungen der von ihr für sich in Anspruch genommenen VergGr. I b Fallgruppe 13 BAT/BL nicht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellung darüber getroffen, daß und warum der BAT/BL auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Das Arbeitsgericht hat festgestellt: "Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT Anwendung". Jedenfalls gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT und die diesen ergänzenden Tarifverträge in der Fassung für die Bereiche des Bundes und der Länder und damit auch die Anlage 1 a zum BAT Anwendung finden, deren hier einschlägige Fallgruppen auf den Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT (Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) vom 23. Februar 1972 zurückgehen.
2. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr beanspruchten VergGr. I b entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Bei diesem Begriff handelt es sich um einen tariflich vorgebenen Rechtsbegriff, so daß die Arbeitsvorgänge, die die Vorinstanzen nicht geprüft haben, nicht dahingestellt bleiben können. Werden jedoch nach der VergGr. II a Fallgruppe 4 "Ärzte" und nach der von der Klägerin für sich beanspruchten VergGr. I b Fallgruppe 13 BAT "Ärzte nach 5jähriger ärztlicher Tätigkeit" vergütet, dann stellen die Tarifvertragsparteien damit zugleich mit für die Gerichte bindender Wirkung dar, daß bei diesen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen alle ärztlichen Tätigkeiten insgesamt einheitlich tarifrechtlich bewertet werden sollen und deshalb auch kraft rechtlichen Zwanges als ein Arbeitsvorgang anzusehen sind. Derartige tarifliche Regelungen sind unbedenklich rechtlich möglich (vgl. Senatsurteil vom 20. April 1983 - 4 AZR 375/80 - AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und Senatsurteil vom 16. April 1975 - 4 AZR 294/74 - AP Nr. 86 zu §§ 22, 23 BAT). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es für bestimmte ärztliche Aufgaben spezielle tarifliche Tätigkeitsmerkmale gäbe oder auch nichtärztliche Dienstleistungen zu erbringen gewesen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.
3. Für die Eingruppierung der Klägerin sind, wie bereits ausgeführt, die Tätigkeitsmerkmale für Ärzte der Anlage 1 a zum BAT/BL maßgebend, die auf den Tarifvertrag vom 23. Februar 1972 zurückgehen.
Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:
"Vergütungsgruppe II a
...
4. Ärzte ...
...
Vergütungsgruppe I b
...
13. Ärzte nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit
...
Vergütungsgruppe I a
...
4. Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit nach achtjähriger ärztlicher Tätigkeit in VergGr. I b.
...
11. Fachtierärzte mit entsprechender Tätigkeit nach achtjähriger tierärztlicher Tätigkeit in VergGr. I b.
...
13. Fachzahnärzte mit entsprechender Tätigkeit nach achtjähriger zahnärztlicher Tätigkeit in VergGr. I b.
..."
4.a) Das Landesarbeitsgericht führt aus, der Klägerin stehe Vergütung nach VergGr. I b BAT noch nicht zu, da sie die in Fallgruppe 13 aufgestellte Bedingung "fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit" noch nicht erfüllt habe. Ärztliche Tätigkeit nach Fallgruppe 13 der VergGr. I b BAT sei eine Tätigkeit, die zu einer Vergütung nach VergGr. II a Fallgruppe 4 führen müsse. Die Tätigkeit der Klägerin als Ärztin im Praktikum entspreche aber nicht einer Tätigkeit nach VergGr. II a Fallgruppe 4 der Anlage 1 a zum BAT.
Angesichts der Änderung der Bundesärzteordnung vom 14. März 1985 (BGBl I S. 555 ff.) sei die tarifvertragliche Regelung auslegungsbedürftig geworden. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung der Bundesärzteordnung einerseits festgelegt, daß vor Approbation eine 18monatige Ausbildungszeit als Arzt/Ärztin im Praktikum zurückzulegen sei, andererseits habe er angeordnet, daß dem Arzt im Praktikum/der Ärztin im Praktikum eine auf die "Tätigkeit als Arzt im Praktikum" beschränkte Erlaubnis erteilt werde. Der Arzt im Praktikum/die Ärztin im Praktikum habe desweiteren "im übrigen die Rechte und Pflichten eines Arztes". Eine klare Grenzziehung zwischen Ausbildung und Berufsausübung sei daher nicht mehr möglich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei zunächst davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien des BAT den Begriff des Arztes i.S.d. inländischen Medizinalrechts verwendeten. Arzt im tariflichen Sinne sei derjenige, der entweder nach Maßgabe der Bundesärzteordnung approbierter Arzt sei oder über eine Erlaubnis nach § 10 BÄO verfüge.
Nicht jede beschränkte Erlaubnis nach § 10 BÄO sei mit dem tariflichen Begriff Arzt oder ärztliche Tätigkeit gleichzusetzen. Arzt i.S.d. § 10 Abs. 4 BÄO sei etwas anderes als der approbierte Arzt oder der Arzt mit einer beschränkten Erlaubnis nach § 10 Abs. 1, 2 und 3 BÄO. Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 5 BÄO gelte die Tätigkeit als Arzt im Praktikum als Teil der Ausbildung zum Arzt. Nach § 3 Ziff. f BAT - Allgemeiner Teil - gelte der BAT nicht für Personen, die für einen fest umgrenzten Zeitraum ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke ihrer Vor- oder Ausbildung beschäftigt würden, insbesondere Auszubildende, Volontäre und Praktikanten.
Die beschränkte Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 BÄO diene einem anderen Zweck als die nach § 10 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 BÄO. Sie sei ausdrücklich auf die Ausbildungssituation zugeschnitten. Der Arzt nach § 10 Abs. 4 BÄO sei also Arzt in Ausbildung. Trotz seines erweiterten berufsrechtlichen Status sei er ebenso wie der frühere Medizinalassistent vergleichbar mit dem Referendar in der Ausbildung zu Lehrern oder Juristen. Er habe die Rechte und Pflichten eines Arztes nach § 10 Abs. 6 BÄO nur "im übrigen". Das heiße, er sei nur insoweit Arzt, wie es dem Ausbildungscharakter seiner Tätigkeit nicht widerspreche. Daß der Gesetzgeber den Status des Arztes im Praktikum gegenüber dem früheren Medizinalassistenten erweitert habe, möge auf Bedürfnisse der Praxis zurückzuführen sein, heiße aber nicht, daß das Fehlen der Approbation rechtlich - auch tarifrechtlich - unbeachtlich sei. Die Merkmale der VergGr. I b Fallgruppe 13 seien vereinbart worden, als die Approbation Voraussetzung für die Berufsausübung als Arzt gewesen sei. Auch die beschränkte Erlaubnis nach § 10 BÄO habe nur erteilt werden können, wenn die Ausbildung zum Arzt abgeschlossen gewesen sei. Für die Tarifvertragsparteien seien zum damaligen Zeitpunkt die Begriffe Arzt und ärztliche Tätigkeit gleichbedeutend mit dem approbierten Arzt oder mit dem Arzt gewesen, der seine medizinische Ausbildung abgeschlossen habe. So verstanden habe die Vergütungsregelung für Ärzte der Struktur der Vergütungsordnung des BAT ganz allgemein entsprochen. Die Ausbildungszeiten, wenn sie beim öffentlichen Arbeitgeber zurückgelegt würden, würden ausschließlich bei den Dienstaltersstufen berücksichtigt, nicht aber bei der Eingruppierung in die Vergütungsgruppen. Dieser Gleichklang des tariflichen Vergütungsrechts und der Bundesärzteordnung sei durch deren Neufassung vom 14. März 1985 gestört worden. Die Tarifvertragsparteien hätten hierauf mit einem gesonderten Entgelttarifvertrag für die Ärzte in Ausbildung reagiert. Dadurch hätten die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, daß der Arzt im Praktikum kein Arzt i.S.d. VergGr. II a Fallgruppe 4 der Anlage 1 a zum BAT sei. Damit trete deutlich der Wille hervor, Ärzte nach und vor Approbation oder den gleichrangigen Genehmigungen nach § 10 Abs. 1 bis 3 BÄO anders zu behandeln. Vor diesem Hintergrund sei die ärztliche Tätigkeit in der VergGr. I b Fallgruppe 13 als Tätigkeit des Arztes nach abgeschlossener Ausbildung zu verstehen.
Das entspricht im Ergebnis der Auffassung des Senats in dem den Parteien bekannten Urteil vom 25. September 1996 (- 4 AZR 200/95 - AP Nr. 218 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m. zust. Anm. von Felme KH 1997, 201 f.), auf das verwiesen wird.
Der Senat hält trotz der Kritik der Klägerin daran fest, daß die Tätigkeit als Arzt/Ärztin im Praktikum keine ärztliche Tätigkeit i.S.d. VergGr. I b Fallgruppe 7 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT/VKA (Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte) vom 23. Februar 1972 oder i.S.d. VergGr. I b Fallgruppe 13 der Anlage 1 a zum BAT/BL ist.
Die Revision verkennt, daß die Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 BÄO den Arzt im Praktikum gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4, § 4 Abs. 1 BÄO i.V.m. § 34 b ÄAppO berechtigt, unter Aufsicht eines approbierten Arztes ärztliche Tätigkeiten zu verrichten und ärztliche Erfahrungen zu sammeln. Im übrigen hat er zwar gemäß § 10 Abs. 6 BÄO die Rechte und Pflichten eines Arztes und ist gemäß § 2 a i.V.m. § 2 Abs. 2, § 10 Abs. 4 Satz 1, § 3 Abs. 1, 5 BÄO Arzt und darf als solcher tätig werden. Eine Erlaubnis i.S.d. § 10 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 BÄO hat er nicht und die ist in VergGr. I b Fallgruppe 13 bzw. in VergGr. II a Fallgruppe 4 gemeint.
b) Nun hat die Klägerin nach dem Zwischenzeugnis vom 9. Juli 1991 "von Beginn an die Funktion einer Stationsärztin ausgeführt" und "regelmäßig am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilgenommen". Das kann Anhaltspunkt dafür sein, daß der Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. I b BAT nicht daran scheitert, daß sie in der Zeit, in der sie im Zentralkrankenhaus B in der Klinik für Psychiatrie als Ärztin im Praktikum tätig war, ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatte. Hierauf könnte sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) aufgrund ihres vorangegangenen widersprüchlichen Verhaltens wegen der möglicherweise ausbildungswidrigen Handhabung der AiPZeit der Klägerin nicht berufen. Sie müßte sich vielmehr so behandeln lassen, als ob die Klägerin die Ausbildung bereits abgeschlossen gehabt hätte.
In diese Richtung zielte auch das Berichterstatterschreiben vom 21. Oktober 1997.
Dabei ist aber folgendes nicht gesehen:
Der Begriff "Stationsarzt" besagt nur, daß es sich um einen "Arzt einer Station im Krankenhaus" handelt (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Neuausgabe 1997, S. 1171). Das wurde früher anders gesehen. So heißt es bei Meyer, Enzyklopädisches Lexikon, 1978, Bd. 22, S. 466 bei dem Stichwort "Stationsarzt": "Verantwortlicher ärztlicher Leiter (meist Assistenzarzt) einer Krankenhausstation", bei Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 5. Bd., 1983, S. 901 "leitender Arzt einer Station im Krankenhaus", bei Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., "Arzt, dem die Leitung und Beaufsichtigung einer Station anvertraut ist" (ebenso noch bei Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., Bd. 7, S. 3224). Demgegenüber ist bei Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1984, Rz 1718 (S. 783) bereits differenzierter ausgeführt:
"Stationsarzt
Man versteht darunter einen Assistenzarzt, dem die Leitung und Beaufsichtigung einer Station und die Erledigung der dort anfallenden Arbeiten obliegt. Er untersteht der Aufsicht des für die Station zuständigen Oberarztes, dessen Weisungen er zu befolgen hat."
Nach Hofstetter (Arztrecht, Erlangen 1991, S. 25 f.) wurden bislang in den Krankenhäusern Assistenzärzte als Stationsärzte eingesetzt, während jetzt Ärzte im Praktikum tätig werden, "die ... von den wenigen erfahrenen Ärzten ständig überwacht werden müssen".
Der heutige Sprachgebrauch geht also in der Tat dahin, daß es sich bei einem Stationsarzt um einen Arzt auf Station, "welcher Fortbildungsstufe auch immer" handelt. Oft sind es Fachärzte, die bereits jahrelang tätig sind, oder Ärzte in der Weiterbildung oder aber Assistenzärzte. Stationsarzt ist man in allen aufgeführten Beispielen. Daraus kann nichts, jedenfalls nichts Vergütungsrechtliches im Sinne der Klägerin abgeleitet werden. Auch ein Arzt im Praktikum kann "Stationsarzt" sein. Das soll er in der Regel jedenfalls in der Anfangsphase nicht in dem Sinne sein, daß ihm die Station eigenverantwortlich übertragen wird. Der Arzt im Praktikum soll aber nicht nur "mitlaufen", sondern eingewiesen werden. Der aufsichtsführende Arzt soll dem Arzt im Praktikum in immer größerem Umfang Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen, damit der Arzt im Praktikum so seine Selbständigkeit einüben und erlernen kann, praktisch zu arbeiten ohne ständige Anleitung. Es ist dann nichts gegen den eigenverantwortlichen Einsatz des Arztes im Praktikum als Stationsarzt einzuwenden, wenn die übergeordneten Ärzte der berechtigten Auffassung sind, der Arzt im Praktikum sei dazu in der Lage, also aufgrund seiner erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten imstande, z.B. die Grundversorgung zu übernehmen.
Es kommt also entscheidend auf den Ausbildungsstand an. Der Arzt im Praktikum darf selbständig eingesetzt werden. Sowohl § 4 Abs. 4 BÄO als auch § 34 b ÄAppO sprechen nur von der Aufsicht eines approbierten Arztes, unter der der Arzt im Praktikum stehen soll (Baur, MedR 1989, 111 [116]). Der Arzt im Praktikum darf alles dasjenige, aber nur dasjenige tun, was er kann. Dem Arzt im Praktikum dürfen - gegebenenfalls nach entsprechender Einarbeitung - Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden.
Nach dem Zwischenzeugnis vom 9. Juli 1991 war es in der Tat so, daß die Klägerin wegen ihrer guten fachlichen Kenntnisse und ihrer Vorerfahrungen und wegen ihres Einsatzes dazu in der Lage gesehen wurde, die Tätigkeit als Stationsärztin auf der offenen Standardaufnahmestation auszufüllen mit den in Abs. 3 des Zwischenzeugnisses im einzelnen geschilderten Aufgaben.
Daß die Klägerin ersichtlich sehr weit fortgeschritten war, ändert aber nichts daran, daß sie sich noch im Rahmen der Ausbildung bewegte. Sie verfügte noch nicht "über eine abgeschlossene Ausbildung für den ärztlichen Beruf" i.S.d. § 10 Abs. 1 BÄO.
Auch der weitere Sachvortrag der Klägerin gebietet nicht, etwa anzunehmen, die Klägerin sei wie eine Assistenzärztin tätig gewesen.
Es ist gerade nicht zutreffend, daß sich Stationsärzte nicht mehr in der Ausbildung, sondern in der Weiterbildung befinden. Dafür steht der Begriff "Stationsarzt" gerade nicht, wie ausgeführt. Die Klägerin mußte auch nicht als "Auszubildende" behandelt werden, deren Handgriffe ständig überwacht werden, sondern ihr durften entsprechend ihren Kenntnissen und Fähigkeiten Aufgaben "auf Station" zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen werden. Das gerade ist der Sinn der AiP-Zeit. Er/Sie soll in die selbständige ärztliche Tätigkeit hineinwachsen. Davon, daß die Klägerin "echte Assistenzarzttätigkeit mit einem entsprechenden Verantwortungsbereich unter Wissen des zuständigen Vorgesetzten erbracht hatte", wie die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Fünften Senats vom 27. Oktober 1960 (- 5 AZR 427/59 - AP Nr. 21 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche) meint, kann im Hinblick auf das Vorstehende nicht ausgegangen werden. Immerhin heißt es in dem Zwischenzeugnis vom 9. Juli 1991, daß die Station mit zwei Ärzten/Ärztinnen besetzt ist. Dabei ist mangels entgegenstehenden Sachvortrags der Klägerin in den Tatsacheninstanzen - soweit der Schriftsatz der Klägerin in der Revisionsinstanz vom 27. November 1997 neuen Tatsachenvortrag enthält, kann dieser nicht mehr berücksichtigt werden, § 561 ZPO - davon auszugehen, daß es sich bei dem zweiten Arzt/der zweiten Ärztin um eine(n) voll approbierte(n) Ärztin (Arzt) gehandelt hat, unter deren (dessen) Aufsicht die Klägerin tätig war. Außerdem ist im Zeugnis vom 9. Juli 1991 festgehalten, daß die Klägerin persönlich und fachlich die Anforderungen an eine Ärztin im Praktikum und an eine Assistenzärztin voll erfüllt hat. Der Leitende Arzt Dr. K , der das Zeugnis verfaßt hat, unterscheidet damit ausdrücklich zwischen der Zeit, in der der Klägerin eine spezielle Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 BÄO erteilt war, die sie aber auf eine Tätigkeit als Ärztin im Praktikum beschränkte, und der Zeit, in der sie als Assistenzärztin tätig war, also nachdem sie die Approbation erhalten hatte, für die die Ausbildung der AiP-Zeit ja gerade Voraussetzung war.
Während der AiP-Zeit hat der Arzt im Praktikum noch keine Approbation, sondern nur eine Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 BÄO. Der Arzt im Praktikum soll seinem Ausbildungsstand gemäß tätig werden (BT-Drucks. 10/1963 S. 8). Das kann auch eine Tätigkeit als Stationsarzt, als Arzt einer Station im Krankenhaus sein.
Die Klägerin trägt zwar vor, sie habe selbstverständlich unter oberärztlicher Aufsicht gestanden. Das schließt nicht aus, daß sie zugleich als Ärztin im Praktikum unter der Aufsicht i.S.d. § 4 Abs. 4 BÄO und des § 34 b ÄAppO gestanden hat.
Richtig ist, was die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 1995 ausführt. Dort heißt es, daß der Arzt im Praktikum gemäß § 4 Abs. 4 BÄO, § 34 b ÄAppO nur unter Aufsicht eines approbierten Arztes tätig werden dürfe, stehe der tatsächlich eigenverantwortlichen Tätigkeit der Klägerin auch während ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum nicht entgegen. Die Klägerin sei bereits während ihres sogenannten "praktischen Jahres" im Zentralkrankenhaus B , Abteilung Psychiatrie, unentgeltlich beschäftigt gewesen und habe während dieser Zeit ihr besonderes Interesse und ihre besondere Befähigung für oder zu diesem Beruf unter Beweis gestellt. Deswegen habe im unmittelbaren Anschluß an das praktische Jahr seitens der Klinikleitung verantwortet werden können, die Klägerin bereits als verantwortliche Stationsärztin einzusetzen. Eine Stationsärztin sei eigenverantwortlich tätig.
Das entspricht dem oben Gesagten. Das ändert aber nichts daran, daß die Klägerin als Ärztin im Praktikum gleichwohl im Rahmen ihrer Ausbildung tätig wurde und der Aufsicht i.S.d. § 4 Abs. 4 BÄO und des § 34 b ÄAppO unterstand und nicht nur der allgemeinen Aufsicht des für die Aufsicht für die Aufnahmestation 81 der psychiatrischen Klinik I zuständigen Oberarztes.
Wenngleich nicht ganz unumstritten (vgl. Baur, aaO, S. 116 f. einerseits und Opderbecke/Weißauer, MedR 1989, 307 f. andererseits), darf der Arzt im Praktikum, die Ärztin im Praktikum Bereitschaftsdienst leisten, wenn sie (er) gezeigt hat, daß sie (er) das kann und sofern Rufbereitschaft für einen approbierten Arzt besteht (Brauer/Stobrawa, Approbationsordnung für Ärzte, Bundesärzteordnung 1989, S. 41). Entsprechendes gilt für die Nachtdienste. Verfertigte Gutachten werden ohnehin von den Vorgesetzten überprüft.
Die Klägerin trägt weiter unter Bezugnahme auf das Deutsche Ärzteblatt 1992 (S. B-1221) vor, über 16.000 junge Ärzte und Ärztinnen würden als Leichtlohngruppe schlechter bezahlt als der Hol- und Bringedienst im Krankenhaus, seien aber oft so eingeplant und beschäftigt wie Assistenzärzte.
Selbst wenn es richtig ist, daß die Assistenzarztstellen in AiP-Stellen umgewandelt wurden und das zu einem Qualifikationsverlust der Ärzte "auf Station" geführt hat und wegen fehlender Assistenzarztstellen letztlich ein Mangel an Oberärzten und Fachärzten befürchtet wird (vgl. Hofstetter, aaO, S. 25 f.), so ändert das nichts daran, daß der Arzt im Praktikum, die Ärztin im Praktikum seine (ihre) Arbeit nicht als voll approbierter Arzt (approbierte Ärztin) leistet, mag er (sie) im übrigen wegen seiner (ihrer) Kenntnisse und Fähigkeiten auch als solcher (solche) eingesetzt werden. Die Voraussetzungen der geltend gemachten Vergütungsgruppe sind damit nicht erfüllt; es fehlte im Zeitpunkt 16. Mai 1994 noch an "fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit" im Tarifsinne, also an fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit als voll approbierter Arzt/Ärztin. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend herausgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich hervorgehoben, der Umstand, daß die Klägerin in ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum als Stationsärztin eingesetzt gewesen sei, zwinge nicht zu der Annahme, die Praxisphase der Ausbildung sei nach VergGr. I b Fallgruppe 13 anzurechnen. Die Bundesärzteordnung lasse den Einsatz nach Ausbildungs- und Wissensstand zu. Daß die Klägerin vom ausbildenden Krankenhaus unter Mißbrauch ihres Status als Auszubildende eingesetzt worden sei, könne hieraus nicht ohne weiteres abgeleitet werden.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf VergGr. I b bereits ab 16. Mai 1994.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 439286 |
BB 1998, 960 |
DB 1998, 1521 |
RdA 1998, 252 |
ZTR 1998, 271 |
ArbuR 1998, 250 |
PersR 1998, 213 |
RiA 1998, 277 |