Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei Vertriebsunternehmen
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. November 1995 – 16 (15) Sa 428/95 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 1. Februar 1995 – 3 Ca 2040/94 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der 1956 geborene Kläger war seit November 1977 bei der M.-Vertriebs GmbH & Co. KG (im folgenden: Firma M.) beschäftigt. Die Firma M. betätigte sich ursprünglich in den Geschäftsbereichen Autopflegemittel, Autozubehör und Fahrradzubehör. Im Jahr 1990 übernahm sie die Firma A., die in dem Geschäftsbereich Sport- und Freizeitartikel tätig war. Im Anschluß an diese Übernahme entfielen auf den Geschäftsbereich Autopflegemittel und Autozubehör etwa 65 % des Umsatzes und auf die Geschäftsbereiche Fahrradzubehör sowie Sport- und Freizeitartikel jeweils 17,5 % des Umsatzes. Der Vertrieb der Sport- und Freizeitartikel erfolgte von der Firma M. weiterhin unter dem Firmennamen „A.”.
Der Kläger war bei der Firma M. Leiter der Verpackungsabteilung. Diese Abteilung war am Firmensitz in S., K. Straße, eingerichtet. In ihr wurden die Waren für alle drei Geschäftsbereiche durch 18 Arbeitnehmer mit Hilfe von zehn Verpackungsmaschinen verpackt. Wegen der Unterschiedlichkeit der Waren gab es Verpackungsmaschinen für Autopflegemittel und Auto- und Fahrradzubehör einerseits und Sport- und Freizeitartikel andererseits. Weiterhin unterhielt die Firma M. ein Auslieferungslager in S., D., für den Auto- und Fahrradzubehörbereich.
Am 31. Januar 1994 schlossen die Firma M. und die ihr angeschlossenen Gesellschaften mit der Beklagten einen „Aktivitäten-Kaufvertrag”. Darin vereinbarten die Vertragsparteien die Übertragung der Vertriebsaktivitäten im Geschäftsbereich Autopflegemittel und Auto- und Fahrradzubehör mit Wirkung zum 1. Februar 1994 auf die Beklagte.
Ebenfalls am 31. Januar 1994 schloß die Firma M. mit der Firma I. U. GmbH (im folgenden: Firma I. U.), einer Tochtergesellschaft der Beklagten, einen „Geschäftsbesorgungsvertrag”. Darin verpflichtete sich die Firma M., bestimmte Dienstleistungen (u.a. Verpackung) für die Firma I.-U. zu erbringen, „um eine reibungslose Integration der übergehenden Vertriebsorganisation in die S.-Struktur zu gewährleisten”. Nach Ziff. 5 des Geschäftsbesorgungsvertrages sollte die Firma Monza uneingeschränkt berechtigt sein, die Aktivitäten in ihrem angestammten Geschäftsbereich Sport- und Freizeitartikel („A.”) weiterzubetreiben.
Im März 1994 veräußerte die Firma M. den Geschäftsbereich Sport- und Freizeitartikel an Dritte. Den im Januar 1994 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag hoben die Vertragsparteien einvernehmlich zum 31. März 1994 auf.
Bereits ab Mitte März 1994 wurde der Kläger zusammen mit drei weiteren Arbeitnehmern in dem von der Beklagten übernommenen Lager D. eingesetzt. Vorgesetzter des Klägers war nun ein Mitarbeiter der Firma I.-U. Weiterhin verbrachte man vier der insgesamt zehn Verpackungsmaschinen von der K. Straße in das Lager D. Die Beklagte benötigte diese Maschinen zur Verpackung der von der Firma M. übernommenen und der noch von dieser bestellten unverpackten Waren.
Am 30. März 1994 schlossen die Firma M. und der Kläger eine Vereinbarung, wonach „das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im Hinblick auf das neue Beschäftigungsverhältnis bei der Firma I.-U. am 31. März 1994 endet.”
Am 18. April 1994 schlossen die Beklagte, vertreten durch die Firma I.-U., und der Kläger einen Anstellungsvertrag, wonach der Kläger mit Wirkung vom 1. April 1994 im D. als Leiter der Verpackung eingestellt wurde. Die Parteien vereinbarten ein Monatsgehalt von 5.830,00 DM brutto sowie eine Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit am 30. Juni 1994 von einem Monat zum Monatsende.
Spätestens im Mai 1994 entschloß sich die Beklagte, das Lager D. zum 31. Dezember 1994 zu schließen und die Auslieferung auch für die ehemaligen Kunden der Firma M. ausschließlich von ihrem Zentrallager R. aus zu betreiben. Mit Schreiben vom 30. August 1994, dem Kläger am Folgetag zugegangen, kündigte die Beklagte, vertreten durch die Firma I. U., das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 1994. Sie begründete die Kündigung mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes wegen der geplanten Schließung des Lagers D. zum 31. Dezember 1994. Im April 1995 wurde das Lager D. geschlossen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar, weil seine Beschäftigungszeiten bei der Firma M. wegen Betriebsübergangs auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen seien. Die Beklagte habe die Verpackungsabteilung der Firma M. ab 1. Februar 1994 übernommen. Jedenfalls sei sein seit November 1977 bei der Firma M. bestehendes Arbeitsverhältnis ab seinem Einsatz in der von der Beklagten übernommenen Betriebsstätte D. im März 1994 auf die Beklagte übergegangen. Dort habe er, nachdem vier der vorhandenen zehn Verpackungsmaschinen zum D. verbracht und zusätzlich vier Arbeitnehmer aus der bisherigen Verpackungsabteilung der Firma M. übernommen worden seien, die gleichen Arbeiten als Leiter der Verpackung wie zuvor in der Betriebs Stätte der Firma M. in der K. Straße ausgeführt.
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. August 1994 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe gemäß § 613 a BGB lediglich einen Betriebsteil der Firma M. übernommen, nämlich den Handel mit Autopflegemitteln, Auto- und Fahrradzubehör. Diesem Betriebsteil sei der Kläger als Leiter der Verpackungsabteilung der Firma M. nicht zuzuordnen. Ein Betriebsübergang habe deshalb nicht vorgelegen, so daß der Kläger erst seit 1. April 1994 bei ihr Arbeitnehmer geworden sei. Das Kündigungsschutzgesetz finde daher keine Anwendung. Die Kündigung sei im übrigen aufgrund der Schließung des S. Lagers aus betriebsbedingten Gründen auch sozial gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 30. August 1994 mit Ablauf des 30. September 1994 aufgelöst worden.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt:
Die Kündigung der Beklagten sei sozial ungerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Das seit 1977 bestehende Arbeitsverhältnis mit der Firma M. sei am 1. Februar 1994 gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen. Bei der Verpackungsabteilung habe es sich um einen Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB gehandelt. Dieser Betriebsteil sei, jedenfalls soweit er die Geschäftsbereiche Autopflegemittel, Auto- und Fahrradzubehör betroffen habe, auf die Beklagte übergegangen.
Die Vereinbarung im Aktivitätenkaufvertrag stehe dem nicht entgegen. Die tatsächliche Organisations- und Leitungsmacht habe auch für den Verpackungsbetrieb, soweit sich dieser auf Autopflegemittel, Auto- und Fahrradzubehör bezogen habe, ab dem vereinbarten Stichtag (1. Februar 1994) bei der Beklagten gelegen. Auch die Regelungen im Geschäftsbesorgungsvertrag sprächen für die auf die Beklagte übergegangene Organisations- und Leitungsmacht. Der Kläger sei dem übergegangenen Geschäftsbereich „Auto- und Fahrradzubehör” zuzuordnen, weil der Bereich „A.” nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe.
Die Kündigung vom 30. August 1994 sei rechtsunwirksam, weil die Beklagte mit ihr nicht den Vorrang der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung beachtet habe. Es habe im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung die Möglichkeit gegeben, den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz als Leiter der Retourenabteilung in R. einzusetzen.
B. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Kündigung ist wirksam.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger der gesetzliche Kündigungsschutz nicht zu, weil er die Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt hat.
1. Es kann dahinstehen, ob die Parteien erst mit Wirkung vom 1. April 1994 einen Arbeitsvertrag schlossen oder ob ein Arbeitsvertrag bereits Mitte März 1994 im Zusammenhang mit dem Wechsel des Klägers in das Lager der Beklagten D. zustande kam. Auch bei Annahme eines Arbeitsverhältnisses ab Mitte März 1994 war der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 31. August 1994 noch nicht länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt.
2. Das seit 1977 zwischen dem Kläger und der Firma M. bestehende Arbeitsverhältnis ist nicht gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs gem. § 613 a BGB liegen nicht vor.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. März 1997 – RS C-13/95 – Ayse Süzen, DB 1997, 628 f.), der sich der Senat mit Urteil vom 22. Mai 1997 (– 8 AZR 101/96 – NJW 1997, 3188) angeschlossen hat, setzt ein Betriebsübergang die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff „Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Überganges maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 426/95 – ZIP 1997, 1975).
Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, daß die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. § 613 a BGB setzt für einen Teilbetriebsübergang voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Es reicht nicht aus, wenn der Erwerber mit einzelnen, bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln erst einen Betrieb oder Betriebsteil gründet (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 507/92 – AP Nr. 101 zu § 613 a BGB, zu C II 3 a der Gründe; zuletzt Urteil des Senats vom 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 –, n.v., zu II 2 b aa der Gründe).
b) Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat die Beklagte nicht den Teil des Betriebes der Firma M. übernommen, dem der Kläger angehörte.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unterhielt die Firma M. drei Geschäftsbereiche, die Gegenstand ihrer Betriebsaktivitäten waren, nämlich Automobil Zubehör und Autopflegemittel, Fahrradzubehör sowie Sport- und Freizeitartikel. Die gesamten Waren wurden in einer eigenen Abteilung verpackt, deren Leiter der Kläger war. Diese Verpackungsabteilung war ein Betriebsteil der Firma M., dem der Kläger als ihr Leiter angehörte.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte die Verpackungsabteilung der Firma M. als Betriebsteil nicht übernommen. Nach dem „Aktivitäten-Kaufvertrag” vom 31. Januar 1994 übernahm die Beklagte lediglich die Vertriebsaktivitäten in den Geschäftsbereichen Autopflegemittel sowie Auto- und Fahrradzubehör. Der Geschäftsbereich Sport- und Freizeitartikel („A.”) war von der Übertragung ausgenommen. Der Verpackungsbetrieb im Lager K. Straße blieb bei der Firma M.
Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Verpackungsabteilung sei, soweit sie die Geschäftsbereiche Autopflegemittel, Auto- und Fahrradzubehör betraf, als Betriebsteil auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger hat nicht dargelegt, die Firma M. habe bereits vor dem 1. Februar 1994 ihre Verpackungsabteilung umorganisiert und verkleinert, um nur noch Waren für die anderen beiden Geschäftsbereiche zu verpacken oder daß die Verpackungsabteilung in zwei organisatorisch getrennte und einzeln übertragbare Betriebsteile aufgeteilt worden sei. Der Kläger hat vielmehr vorgetragen, es sei gar nicht möglich gewesen, die Abteilung Verpackung in zwei Unterabteilungen aufzuteilen.
Auch der ebenfalls am 31. Januar 1994 zwischen der Firma M. und der Tochtergesellschaft der Beklagten, der Firma I. U., geschlossene „Geschäftsbesorgungsvertrag” begründete keinen Übergang des Teilbetriebs Verpackungsabteilung. Der Vertrag bezog sich nämlich ebenfalls nicht auf die Durchführung der Verpackung für den Geschäftsbereich Sport- und Freizeitartikel. Dieser Geschäftsbereich wurde erst später an Dritte veräußert.
Soweit die Beklagte ab Mitte März 1994 vier der zehn Verpackungsmaschinen und vier der 18 in der Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich des Klägers in das von der Firma M. erworbene Lager D. übernahm, liegt ebenfalls nicht der Übergang einer organisierten wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Diese Übertragung eines Teils der Maschinen und die Übernahme eines geringen Teils der Arbeitnehmer sowie der Führungskraft der ehemaligen Abteilung der Firma M. stellt deshalb keinen Teilbetriebsübergang dar, weil auch hier nichts dazu vorgetragen ist, daß die Firma M. bereits vor diesem Zeitpunkt ihre Verpackungsabteilung organisatorisch in zwei übertragbare wirtschaftliche Einheiten aufgeteilt oder ihre Verpackungsabteilung zu einer neuen und erheblich kleineren Abteilung umgebildet hatte. Nach dem Sachvortrag der Parteien übernahm die Beklagte lediglich einzelne Betriebsmittel und Arbeitnehmer der Firma M., um mit ihrer Hilfe im Lager D. eine eigene Verpackung zu organisieren. Entscheidend ist nicht, ob der Verpackung nach der Eingliederung in den Betrieb der Beklagten ein Betriebsteilcharakter zukam, sondern, ob dieser Betriebsteil bereits bei der Firma M. bestand und als solcher übertragen wurde.
II. Stand dem Kläger somit kein gesetzlicher Kündigungsschutz zu, so war die Kündigung der Beklagten vom 30. August 1994 innerhalb der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30. September 1994 wirksam. Sonstige Unwirksamkeitsgründe im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG sind nicht ersichtlich.
C. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Scholz, Hennecke
Fundstellen