Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit – Verletzung von Aufklärungspflichten
Leitsatz (amtlich)
Will eine Angestellte, deren Arbeitszeit zur Betreuung ihres Kindes wunschgemäß auf die Hälfte der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit verringert worden ist, ihre Arbeitszeit später wieder aufstocken, so bedarf es dazu einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber schuldet nicht schon deshalb die Zustimmung zur Aufstockung der Arbeitszeit, weil er vor der Verringerung der Arbeitszeit die Angestellte nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, die Herabsetzung der Wochenarbeitszeit zeitlich zu befristen.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit kann im Wege der Leistungsklage verfolgt werden. Ziel der Klage ist es, den Arbeitgeber zu verurteilen, das Angebot des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung anzunehmen.
2. Wünscht eine Angestellte zur Betreuung ihres Kindes die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu verringern, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, sie auf die Möglichkeit einer befristeten Herabsetzung der Arbeitszeit hinzuweisen.
3. Will eine Angestellte die durch Änderungsvereinbarung verringerte Arbeitszeit später wieder aufstocken, so bedarf sie dazu der Zustimmung des Arbeitgebers zur erneuten Vertragsänderung. Ein Anspruch auf Verlängerung der Wochenarbeitszeit kann sich unter Umständen aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur bevorzugten Berücksichtigung von Teilzeitarbeitnehmern bei der Besetzung frei werdender Vollarbeitsplätze nach § 15 b Abs. 3 BAT oder § 9 TzBfG ergeben. Aus dem Recht der Europäischen Union ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.
Normenkette
BAT § 15b Abs. 2-3; BGB § 249 ff.; EG Art. 141; EWGRL 207/76; TzBfG § 9; ZPO § 894
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 2000 – 16 (2) Sa 50/00 – aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 26. Oktober 1999 – 6 Ca 2886/99 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, mit der teilzeitbeschäftigten Klägerin eine Vereinbarung über die Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit zu treffen.
Die 1960 geborene Klägerin ist seit August 1979 Angestellte des beklagten Landes; sie ist bei dem Versorgungsamt W beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Vereinbarung der Parteien der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) anzuwenden. Die Parteien hatten zunächst eine Vollzeitbeschäftigung vereinbart. Die Klägerin bezieht derzeit Vergütung der Vergütungsgruppe VI b BAT. In Personalangelegenheiten von Angestellten der Vergütungsgruppe der Klägerin entscheiden die örtlichen Versorgungsämter in eigener Zuständigkeit.
Nach der Geburt ihrer Tochter am 30. März 1988 erhielt die Klägerin auf ihren Antrag Sonderurlaub aus familiären Gründen nach § 50 Abs. 2 BAT aF bis einschließlich 29. März 1992. Im August 1991 beantragte sie, ab dem 30. März 1992 wegen der Betreuung ihrer Tochter nur noch halbtags/vormittags beschäftigt zu werden. Im Oktober 1991 wies der Leiter des Versorgungsamtes schriftlich auf die Rechtsfolgen einer Teilzeitbeschäftigung hin und übersandte der Klägerin zur Erläuterung den Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1983 (B 4000-3.13-IV 1 idF 11. März 1988 MBl NW 1988 S 413). Am 10. März 1992 schlossen die Parteien einen Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrags, wonach die Klägerin mit Wirkung vom 30. März 1992 mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt wird. Eine Herabsetzung der regelmäßigen Arbeitszeit für einen vorübergehenden Zeitraum wurde von den Parteien nicht angesprochen.
Mit Verfügung vom 24. Juni 1985 hatte das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen den nachgeordneten Dienststellen, Kliniken und Forschungsinstituten ua. dem Versorgungsamt W mitgeteilt:
Betreff: Beurlaubung ohne Dienstbezüge und vorübergehende Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit von Beamten und Angestellten
In den einschlägigen Vorlageberichten wird überwiegend ein Befristungszeitpunkt für die Beurlaubung oder die Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht genannt. Dies beruht offensichtlich darauf, daß sich die Antragsteller insoweit nicht näher festlegen. Aus Rechtsgründen und insbesondere im Hinblick auf eine vorausschauende Personalplanung bin ich jedoch gehalten, die Beurlaubung oder Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit auf einen befristeten Zeitraum festzulegen.
Ich bitte daher, ab sofort die Antragsteller dazu zu veranlassen, einen genauen Zeitraum anzugeben, für den die Beurlaubung oder die Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit ausgesprochen werden soll.
In Ihrem Bericht ist ein entsprechender Hinweis aufzunehmen.
Im Bereich des Landesversorgungsamtes sind seit dem Haushaltsjahr 1993 eine größere Anzahl von Stellen als „kw” (künftig wegfallend) gekennzeichnet. Hiervon ist insbesondere auch der Beschäftigungsbereich der Klägerin betroffen.
Einen 1994 gestellten Antrag auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf ¾ der vollen tariflichen Wochenarbeitszeit zog die Klägerin aus familiären Gründen zurück (Absage der Tagesmutter). Im Juni 1997 beantragte sie erneut, ihre bisherige Teilzeitbeschäftigung auf ¾ der vollen Arbeitszeit aufzustocken. Das beklagte Land entsprach dem nur in befristetem Umfang, zuletzt bis zum 20. Juni 1999. Einen neuerlichen Antrag der Klägerin auf unbefristete Verlängerung der Arbeitszeit lehnte das beklagte Land wegen der verfügten Stellenbesetzungssperre im Juni 1999 ab. Die Klägerin ist inzwischen alleinerziehend.
Mit ihrer am 1. Juli 1999 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin im wesentlichen geltend gemacht, das beklagte Land habe seine Fürsorgepflicht verletzt, weil das Versorgungsamt W bei der Vertragsänderung vom 10. März 1992 sie entgegen der Verfügung vom 24. Juni 1985 nicht auf die Möglichkeit hingewiesen habe, die Teilzeitbeschäftigung nur befristet zu vereinbaren. Bei entsprechender Belehrung hätte sie einer Befristung der Teilzeitbeschäftigung zugestimmt. Sie habe schon damals vorgehabt, möglichst alsbald wieder in Vollzeit zu arbeiten. Die Weigerung des beklagten Landes zur Aufstockung der Arbeitszeit stelle zudem eine mittelbare Frauendiskriminierung dar.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verpflichten, mit ihr einen Arbeitsvertrag dahingehend abzuschließen, daß sie unbefristet die volle Arbeitszeit zu erbringen hat.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Ein Rechtsgrund, die Klägerin auf eine nur befristete Herabsetzung der regelmäßigen Arbeitszeit hinzuweisen, habe nicht bestanden. Die Verfügung vom 24. Juni 1985 sei nicht einschlägig. Sie habe nur verwaltungsinternen Charakter. Betroffen seien außerdem nur die Rechtsverhältnisse der Beamten. Der Leiter des Versorgungsamtes W habe zur Sicherstellung einer verläßlichen Personalplanung Teilzeitarbeitsplätze ausschließlich auf Dauer eingerichtet und die dadurch frei werdenden Stellenanteile durch unbefristete Neueinstellungen besetzt.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.
A. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ziel der Klage ist die Abgabe einer Willenserklärung, mit der das beklagte Land den Antrag der Klägerin auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf die „volle Arbeitszeit” annehmen soll. Gemeint ist damit die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit nach § 15 BAT; im übrigen soll sich das Arbeitsverhältnis unverändert nach dem für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifrecht bestimmen. Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils gilt die Willenserklärung als abgegeben (§ 894 ZPO).
B. Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
I. Arbeitsvertragliche Erfüllungsansprüche bestehen nicht.
1. Mit der Vereinbarung vom März 1992 haben die Parteien die regelmäßige Arbeitszeit auf die Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit festgesetzt. Dieser Änderungsvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er hat den ursprünglichen Vollarbeitsvertrag abgeändert und sieht keine Verpflichtung des beklagten Landes vor, auf Verlangen der Klägerin deren Arbeitszeit wieder aufzustocken.
2. Aus der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Anwendung des BAT kann die Klägerin keine Verpflichtung des beklagten Landes zur Verlängerung der Arbeitszeit herleiten. § 15 b Abs. 3 BAT verpflichtet das beklagte Land, Angestellte, mit denen eine zeitlich nicht befristete Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden ist, bei Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes bei gleicher Eignung und Befähigung im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten bevorzugt zu berücksichtigen. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO) hat die Klägerin keinen Sachverhalt vorgebracht, der auf eine Verletzung dieses Vorzugsrechts schließen läßt. Soweit die Revision vorbringt, das beklagte Land habe in der Versorgungsverwaltung für beamtete Nachwuchskräfte einen „Einstellungskorridor” frei gehalten und damit in das Recht der Klägerin aus § 15 b Abs. 3 BAT eingegriffen, ist das neuer Sachvortrag. Das Revisionsgericht kann diesen nicht berücksichtigen.
3. Ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit ergibt sich auch nicht aus § 9 TzBfG. Diese am 1. Januar 2001 in Kraft getretene neue gesetzliche Vorschrift ist im wesentlichen mit § 15 b Abs. 3 BAT inhaltsgleich. Sie enthält ebenfalls nur ein Vorzugsrecht bei der Besetzung freier Vollzeitarbeitsplätze.
II. Das beklagte Land schuldet der Klägerin nicht die Verschaffung einer Vollzeitbeschäftigung als Wiedergutmachung für eine ihr gegenüber begangene Pflichtverletzung.
1. Das beklagte Land hat bei Abschluß des Änderungsvertrages vom März 1992 gegenüber der Klägerin keine Hinweis- und Aufklärungspflicht verletzt.
a) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß der Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Nebenpflicht hat, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung seiner Belange, der des Betriebes und der Interessen der anderen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (vgl. BAG 21. November 2000 – 3 AZR 13/00 – EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 61 mwN). Danach kann im Einzelfall auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung die Rechtspflicht des Arbeitgebers bestehen, den Arbeitnehmer unaufgefordert über Tatsachen und rechtliche Zusammenhänge aufzuklären, die für seine Rechtsstellung von Bedeutung sind. Solche Aufklärungs- und Belehrungspflichten kommen insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund eines vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebungsvertrags in Betracht, soweit ein besonderer, dem Arbeitgeber erkennbarer Aufklärungsbedarf des Arbeitnehmers besteht (vgl. BAG 25. Januar 2000 – 9 AZR 144/99 – AP AFG § 128 Nr. 3 = EzA AFG § 128 Nr. 3). Sie sind auch bei lediglich inhaltlichen Änderungen des Arbeitsvertrags nicht ausgeschlossen. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft eine ihn danach treffende Hinweis- und Aufklärungspflicht, hat er den dadurch verursachten Schaden wegen positiver Verletzung des ursprünglichen Arbeitsvertrags nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB auszugleichen.
b) Das beklagte Land hat kein ihm erkennbares Informationsbedürfnis der Klägerin mißachtet.
aa) Über die Rechtsfolgen, die sich aus der Herabsetzung ihrer Arbeitszeit für ihr Arbeitsverhältnis ergeben, ist die Klägerin durch den zur Zeit der Vertragsänderung im März 1992 gültigen Erlaß des Finanzministeriums „Teilzeitbeschäftigung” informiert worden. Einer weiteren Aufklärung bedurfte es nicht, auch wenn der Antrag der Klägerin deutlich machte, daß sie die Arbeitszeit verringern wollte, um sich der Betreuung ihrer Tochter zu widmen und der Betreuungsbedarf mit steigendem Alter des Kindes abnimmt. Die Folgen, die sich aus einer auf unbestimmte Zeit vereinbarten Verringerung der Arbeitszeit ergeben, sind überschaubar. Soweit kein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit aus anderen Gründen besteht, ist der Arbeitnehmer auf das Einvernehmen des Arbeitgebers angewiesen. Auch die Klägerin macht nicht geltend, sie sei sich über den Inhalt der Vertragsänderung im Unklaren gewesen. Fehlgeschlagen ist nach eigenem Vorbringen vielmehr ihre Erwartung, Stellenplan und Stellenbesetzung des Versorgungsamtes W ließen eine spätere – einvernehmliche und auf ihre familiären Bedürfnisse abgestimmte – Erhöhung der Arbeitszeit ohne weiteres zu. Eine solche Erwartung ist ohne nähere Vereinbarung rechtlich indessen nicht geschützt.
bb) Eine Hinweispflicht wird nicht durch das zur Zeit der Vertragsänderung im März 1992 geltende Tarifrecht begründet. Ob sich aus § 15 b Abs. 2 BAT eine solche herleiten läßt, ist offen zu lassen. Diese Vorschrift, wonach unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen auf Antrag mit vollbeschäftigten Arbeitnehmern zur Kindesbetreuung befristet eine geringere Arbeitszeit vereinbart werden soll, ist erst durch den 69. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 25. April 1994 zum 1. Mai 1994 eingeführt worden.
2. Ein Schadenersatzsanspruch ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit der Verfügung des Landesversorgungsamtes vom 24. Juni 1985.
a) Das Landesarbeitsgericht ist der Argumentation der Klägerin gefolgt. Es hat der Verfügung eine allgemeine Weisung an die Versorgungsämter entnommen, die regelmäßige Arbeitszeit von Angestellten künftig nur noch befristet zu ermäßigen. Hierauf könne sich die Klägerin berufen. Die Weisung, Antragsteller ab sofort dazu zu veranlassen, einen genauen Zeitraum anzugeben, für den die Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit (befristet) ausgesprochen werden solle, begründe Außenwirkung gegenüber den davon betroffenen Beschäftigten.
b) Dem stimmt der Senat nicht zu. Der Wortlaut des vom Senat revisionsrechtlich uneingeschränkt überprüfbaren Schreibens trägt das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts nicht.
aa) Der Senat kann bereits nicht feststellen, daß die Verfügung Personalangelegenheiten von Bediensteten wie die Klägerin betrifft, die von den Versorgungsämtern in eigener Zuständigkeit entschieden werden. Die von der Klägerin angenommene Weisung hätte in diese Personalverantwortung eingegriffen. Ein solches Vorgehen wäre zumindest ungewöhnlich. Zuständigkeiten werden regelmäßig in Organisationserlassen bestimmt und nicht in einer Verfügung. Näheren Aufschluß hätten möglicherweise die „einschlägigen Vorlageberichte” gegeben, die das Landesversorgungsamt zum Einschreiten veranlaßt haben. Deren Inhalt hat das Landesarbeitsgericht indessen nicht festgestellt.
bb) Von einer Aufklärung der äußeren Begleitumstände konnte nicht mit Rücksicht auf einen „eindeutigen” Inhalt der Verfügung abgesehen werden. Eine derartige klare und ausdrückliche Weisung, die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Angestellter vertraglich künftig nur befristet zu ermäßigen, enthält sie nicht. Im Gegenteil lassen die erteilte Weisung und deren Begründung erkennen, daß die Verfügung sich auf die dem Landesversorgungsamt vorbehaltenen Personalangelegenheiten bezieht. Denn in den Berichten soll ein Hinweis auf den Zeitraum aufgenommen werden, für den die Beurlaubung oder die vorübergehende Ermäßigung der Arbeitszeit ausgesprochen werden soll. Erfaßt wird damit nicht eine vom Versorgungsamt bereits vereinbarte Arbeitszeitverringerung, sondern eine erst noch „auszusprechende”. Diesem Bezug auf die vom Landesversorgungsamt noch umzusetzende Beurlaubung/Ermäßigung der Arbeitszeit entspricht die Formulierung, mit der die Anordnung begründet wird. „Ich” – also das Landesversorgungsamt – sei aus Rechtsgründen und im Interesse einer zuverlässigen Personalplanung auf die Kenntnis des Befristungszeitraums angewiesen. Rechtsgründe standen und stehen im übrigen einer auf Dauer vereinbarten Teilzeitbeschäftigung eines bisher vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers nicht entgegen. Die „Personalplanung” ist auch dann gesichert, wenn mit den Angestellten eine unbefristete Teilzeitbeschäftigung vereinbart wird. Die Arbeitszeit des Angestellten ist dann nicht vorübergehend, sondern auf Dauer herabgesetzt.
cc) Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, die Verfügung habe ihr Anstellungsverhältnis betroffen, rechtfertigt das kein anderes Ergebnis.
(1) Erlasse, Verfügungen und Verwaltungsvorschriften haben regelmäßig nur verwaltungsinterne Bedeutung. Mit ihnen richtet sich der Dienstherr an nachgeordnete weisungsabhängige Organe, Ämter oder Dienststellen. Sie sollen ein einheitliches und den rechtlichen Anforderungen entsprechendes Verwaltungshandeln sichern. Ihnen fehlt der normative Charakter. Sie sind daher grundsätzlich nicht geeignet, Ansprüche Dritter zu begründen (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16; 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87 – BAGE 58, 283). Allerdings kann die Verwaltung auch an die von ihr erlassenen Vorschriften im Verhältnis zu Dritten – dazu gehören auch Arbeitnehmer – gebunden sein. Eine derartige Bindungswirkung setzt voraus, daß die Verwaltungsvorschriften sich ihrem Inhalt nach auch an die Arbeitnehmer wenden (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO) und für diese Personen Rechte, Handlungspflichten oder Obliegenheiten begründet werden sollen (vgl. auch Senat 8. Mai 2001 – 9 AZR 208/00 – EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 60).
(2) Eine solche Außenwirkung hat die Verfügung nicht. Der Umstand, daß die „Antragsteller” zur Angabe eines Endtermins „veranlaßt” werden sollen, genügt nicht. Den Arbeitnehmern werden keine Handlungspflichten oder Obliegenheiten auferlegt noch werden Rechte begründet. Die Verfügung wendet sich ausschließlich an die nachgeordneten Behörden. Den dort tätigen Personalsachbearbeitern wird aufgegeben dafür zu sorgen, daß der Angestellte, wenn er eine nur vorübergehende Ermäßigung wünscht, dann sein Angebot auf Vertragsänderung in der gebotenen Weise konkretisiert. Sie enthält keine Weisung zum „Ob” einer vorübergehenden Herabsetzung der Arbeitszeit, sondern zum „Wie”, nämlich der dann rechtlich gebotenen Festlegung eines Endtermins, zu dem das ursprünglich Vollzeitarbeitsverhältnis wieder wirksam werden soll.
3. Soweit die Klägerin geltend macht, das beklagte Land schulde die Aufstockung der Arbeitszeit deshalb, weil zwar nicht ihre Beschäftigungsbehörde die „Weisung” des Landesversorgungsamtes beachtet habe, wohl aber andere Versorgungsämter, hat das Landesarbeitsgericht ein derartiges gleichförmiges Verhalten der Versorgungsämter nicht festgestellt. Ebensowenig verhilft es der Klägerin, daß das beklagte Land die regelmäßige Arbeitszeit der in der Versorgungsverwaltung tätigen Beamten lediglich befristet herabgesetzt hat. Die Rechtsverhältnisse der Beamten und der Angestellten sind insoweit nicht vergleichbar.
III. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Recht der Europäischen Union.
1. Art. 141 EG (ex-Art. 119 EG-Vertrag) und die Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen vom 10. Februar 1975 (Richtlinien 75/117/EWG) sind nicht einschlägig. Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, bezieht sich nur auf geldwerte Leistungen des Arbeitgebers (ständige Rechtsprechung des EuGH vgl. 2. Oktober 1997 – RS C 1/95 – „Gerster” AP Artikel 119 EG-Vertrag Nr. 5).
2. Ein Anspruch nach Maßgabe der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird sie nicht mittelbar diskriminiert. Das kann der Senat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH selbst beurteilen (vgl. EuGH 2. Oktober 1997 aaO mwN).
Nach der Legaldefinition in Art. 2 der Richtlinie 97/80 EG des Rates über die Beweislast bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechts liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen und notwendig und sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Weigerung des beklagten Landes, die mit der Klägerin arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit auf unbestimmte Zeit zu erhöhen, beruht auf der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers über den Wegfall von Stellen in der Landesversorgung. Sie betrifft ohne Rücksicht auf das Geschlecht alle Bediensteten, die im kw-Bereich mit verkürzter Arbeitszeit beschäftigt werden.
C. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Breinlinger, Reinecke, H. Kranzusch, Benz
Fundstellen
Haufe-Index 738278 |
NWB 2001, 4072 |
BuW 2003, 132 |
ARST 2002, 209 |
ARST 2002, 46 |
FA 2002, 218 |
FA 2002, 240 |
FA 2002, 27 |
NZA 2002, 1047 |
SAE 2002, 249 |
ZTR 2002, 378 |
AP, 0 |
AuA 2002, 39 |
EzA-SD 2002, 5 |
PersR 2002, 273 |
PersV 2002, 555 |
ZMV 2002, 34 |
ZfPR 2002, 275 |
AUR 2002, 235 |
BAGReport 2003, 128 |
PP 2002, 27 |
b&b 2002, 52 |