Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Alterssicherung: Einbeziehung der Provision. Einbeziehung der Provision in die tarifliche Alterssicherung. Keine Unwirksamkeit unter dem Gesichtspunkt der Effektivklausel. Tarifrecht. Tarifauslegung. Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung der §§ 6, 15 Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV NW/NB), die die Provision in die Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer einbezieht, ist keine unzulässige Effektiv- oder Effektivgarantieklausel.
Orientierungssatz
Die Regelung der §§ 6, 15 Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV NW/NB), die die Provision in die Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer ein-bezieht, ist keine unzulässige Effektiv- oder Effektivgarantieklausel.
- Eine tarifliche Verdienst- oder Alterssicherung kann über- und außertarifliche Leistungen als Berechnungsgrundlage für die tarifliche Leistung einbeziehen.
- Dies ist keine unzulässige Effektivklausel, weil die über- und außertariflichen Leistungen nicht in tarifliche Ansprüche umgewandelt werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der über- und außertariflichen Leistungen bleiben erhalten; eine Änderung dieser Leistungen führt zu einer entsprechenden Änderung der tariflichen Alterssicherung.
- Danach ist auch die Einbeziehung der Provision in die Alterssicherung gem. §§ 6, 15 MTV NW/NB wirksam, weil die Regelung dahin auszulegen ist, dass sich allgemeine Änderungen der Provisionsregelungen auf die Alterssicherung auswirken.
- Die von der tariflichen Regelung alternativ zur einjährigen Betriebszugehörigkeit geforderte einjährige Unternehmenszugehörigkeit als Voraussetzung für die Alterssicherung (§ 6.1 MTV NW/NB) setzt nicht voraus, dass bereits in diesem Zeitraum der MTV NW/NB für das Arbeitsverhältnis gegolten hat.
- Dem Anspruch auf Alterssicherung steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer bei dem Beginn der Geltung des MTV NW/NB für das Arbeitsverhältnis bereits das 54. Lebensjahr, dh. die Altersgrenze für den Beginn der Alterssicherung, erreicht hat.
Normenkette
TVG §§ 1, 4
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 11.02.2003; Aktenzeichen 6 Sa 434/02) |
ArbG München (Urteil vom 02.05.2002; Aktenzeichen 23 Ca 1387/98) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Revision der Beklagten wird auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2003 – 6 Sa 434/02 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird auf die Berufung des Klägers unter deren Zurückweisung im Übrigen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München vom 2. Mai 2002 – 23 Ca 1387/98 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.706,36 Euro brutto zzgl. 4 % Zinsen vom 6. August 1998 bis zum 30. April 2000 sowie Zinsen von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 1. Mai 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ein Verdienstausgleich als tarifvertragliche Alterssicherung zusteht.
Der am 3. September 1942 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Bis zum 31. Dezember 1997 war er Systemvertriebsbeauftragter im Betrieb Vertriebsregion Süd mit Sitz in München. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste dabei im Wesentlichen die Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Bayern. Auf Grund einer Umorganisation des Vertriebs zum 1. August 1997 wurden der Kläger und sein Vertriebsbereich EVU seit dem 1. Januar 1998 dem Betriebsteil “Vertrieb neue Netzbetreiber” mit Sitz in Stuttgart zugeordnet.
Der letzte schriftliche Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 22. Januar 1992 enthält ua. die folgenden Bestimmungen:
“2. Bezüge
2.1 Sie erhalten ein monatliches Fixum sowie eine Provision entsprechend den Anlagen. …
…
5. Provisionsregelung
Die Provisionsregelung kann eine Einschränkung, Ausweitung oder Änderung erfahren. Diese werden jeweils durch die Marketing- und Personalleitung in Stuttgart bekanntgemacht und treten nach Ablauf eines vollen Monats nach Bekanntgabe in Kraft, sofern nicht im Einzelfall ausdrücklich ein anderer Termin benannt wird.
…
11.3 Ergänzend zu diesem Vertrag gelten zutreffende gesetzliche und tarifliche Bestimmungen sowie die SEL-Arbeitsordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung.
…”
Ab dem 1. Juli 1996 richtet sich die Vergütung des Klägers nach den Anlagen Nr. 1 bis 4 zu diesem Anstellungsvertrag. Darin ist als Mindesteinkommen ein monatliches Bruttogehalt entsprechend Tarifgruppe 7/4 festgelegt. Das vertragliche Bruttogehalt setzt sich ua. zusammen aus dem Fixum, dem Zusatzfixum und der Provision einschließlich der Zielerreichungsprämie.
Nach der Zuordnung des Klägers zu dem Betrieb in Stuttgart erhielt er von der Beklagten das Schreiben vom 25. März 1998 mit folgendem Inhalt:
“Im Zusammenhang mit Ihrem neuen Anstellungsvertrag bestätigen wir Ihnen, dass Ihr Arbeitsverhältnis in vollem Umfang dem tarifvertraglichen Kündigungsschutz für das Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden unterliegt.”
Mit Schreiben vom 21. April 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit:
“Im Zusammenhang mit der Übernahme in den neuen Bereich ZU/N, KE 05 zum 1. Januar 1998 gilt für alle arbeitsvertraglichen Angelegenheiten in vollem Umfang der Tarifvertrag für das Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden.”
Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 1998 den Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages (“Außertariflicher Anstellungsvertrag für Vertriebsmitarbeiter”) mit Wirkung ab 1. Januar 1998, den der Kläger nicht unterschrieb.
Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18. Dezember 1996/6. Oktober 1997, gültig ab 1. Januar 1997 (MTV NW/NB), enthält in § 6 “Alterssicherung” ua. folgende Regelungen:
“6.1 Beschäftigte, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens ein Jahr angehören, haben Anspruch auf Verdienstsicherung.
Die tarifliche Verdienstsicherung bezieht sich nicht auf den Tariflohn/das Tarifgehalt, sondern auf den Effektivlohn/das Effektivgehalt und wird wie folgt verwirklicht:
6.1.1 Der Alterssicherungsbetrag, der nach §§ 6.3 und 6.4 zu ermitteln ist, wird als Mindestverdienst garantiert.
6.1.2 Der laufende Verdienst innerhalb des nach § 6.9 zu regelnden Vergleichszeitraums wird mit dem Alterssicherungsbetrag verglichen.
6.1.3 Ist der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag, so ist ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen.
6.2 Beginn der Verdienstsicherung
Die Verdienstsicherung beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beschäftigte das 54. Lebensjahr vollendet. Erfüllt der Beschäftigte an seinem 54. Geburtstag die Voraussetzungen der Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit von einem Jahr nicht, so beginnt die Verdienstsicherung am Ersten des Monats, in welchem er diese Voraussetzungen erfüllt.”
§ 6.3 “Zusammensetzung und Errechnung des Alterssicherungsbetrages” enthält eine differenzierte Regelung über die Errechnung des Alterssicherungsbetrages bei Zeitlohn, Akkord- oder Prämienlohn und bei Angestellten, jeweils unter Einbeziehung übertariflicher Leistungen. Für Reisende ist in § 6.3.4 bestimmt:
“Bei Reisenden iSv. § 15, die eine Provision erhalten ist diese in den Alterssicherungsbetrag mit einzubeziehen, und zwar in der Höhe der monatlichen Durchschnittsprovision, errechnet aus der Provision der letzten 36 Kalendermonate vor Beginn der Verdienstsicherung.”
§ 6.4 enthält eine detaillierte Regelung über die Einbeziehung von tariflichen und übertariflichen Zuschlägen und Zulagen in den Alterssicherungsbetrag und § 6.5 eine Aufzählung der Vergütungsbestandteile, die nicht in den Alterssicherungsbetrag einzubeziehen sind.
§ 6.6 regelt, wie der Alterssicherungsbetrag bei Änderung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. bei Kurzarbeit zu errechnen ist. §§ 6.7 und 6.8 bestimmen, dass der Alterssicherungsbetrag mit den verschiedenen Lohnbestandteilen festzuschreiben und dem Betriebsrat sowie dem Beschäftigten mitzuteilen ist.
§ 6.9 “Durchführung der Verdienstsicherung” lautet:
“Der Verdienstausgleich gemäß § 6.1 ist monatlich (Vergleichsmonat) vorzunehmen. Dabei wird der Durchschnittsverdienst aus einem Vergleichszeitraum mit dem festgeschriebenen Alterssicherungsbetrag verglichen.
In den Durchschnittsverdienst des Vergleichszeitraumes können nur die Lohnbestandteile, insbesondere nur die Zuschläge bzw. Zulagen einbezogen werden, die im Alterssicherungsbetrag enthalten sind.
Der Vergleichszeitraum ist mit dem Betriebsrat festzulegen. Er darf einschließlich des Vergleichsmonats drei Monate nicht übersteigen. Abweichend hiervon kann bei Reisenden iSv. § 15, die eine Provision erhalten, der Vergleichszeitraum mit Zustimmung des Betriebsrats bis auf 12 Monate ausgedehnt werden. Wird mit Zustimmung des Betriebsrats ein längerer als einmonatiger Vergleichszeitraum festgelegt, so ist sicherzustellen, dass im jeweiligen Vergleichsmonat eine Aufzahlung in der Höhe erfolgt, dass im Vergleichszeitraum, jeweils im Durchschnitt, der Alterssicherungsbetrag erreicht wird.
Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung sind in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraumes einzubeziehen.”
§ 6.10 “Fortschreibung des Alterssicherungsbetrages” bestimmt ua. die Erhöhung des Alterssicherungsbetrages bei tarifbedingten Erhöhungen des Lohnes/Gehaltes nach Beginn der Verdienstsicherung, und zwar in Abgrenzung ua. zu leistungsbedingten Änderungen der tariflichen Leistungszulage und zu allgemeinen betrieblichen Lohn-/Gehaltserhöhungen, bei denen sich der Alterssicherungsbetrag nicht erhöhen soll. Ziff. 6.11 regelt, dass sich die Weitergabe einer tariflichen Lohn/Gehaltserhöhung auf den Effektivlohn/das Effektivgehalt ebenso wie die Anrechnung übertariflicher Lohn-/Gehaltsbestandteile auf tarifbedingte Erhöhungen des Lohnes/des Gehaltes auf den Alterssicherungsbetrag auswirkt.
§ 15.1 lautet:
“Die Bestimmungen des Tarifvertrages gelten für alle Reisenden von Betrieben, die ihren Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Vertrages haben, auch wenn die Reisenden ihren Wohnsitz außerhalb des Tarifgebietes haben.”
Durch die Betriebsvereinbarung vom 4. September 1975 ist hinsichtlich der tariflichen Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer der Vergleichszeitraum für Provisionsempfänger gem. § 6.9 Abs. 3 MTV auf 12 Monate festgelegt worden.
Der Kläger hat – unter Berücksichtigung des Teilurteils vom 28. Januar 1999 und des Teilvergleichs vom 7. Dezember 2000 – in den Jahren 1995 bis 1997 die folgenden Provisionen erhalten:
1995 |
95.799,47 DM |
1996 |
218.244,32 DM |
1997 |
175.693,68 DM. |
Die Parteien haben unstreitig gestellt, dass sich daraus, sofern dem Grunde nach ein Anspruch auf Alterssicherung besteht, ein Alterssicherungsbetrag in Höhe von 23.946,82 DM und nach der Tariferhöhung ab April 1998 in Höhe von 24.545,49 DM ergibt.
Der Kläger hat unter Einbeziehung des tariflichen und übertariflichen Gehaltes und der Provision im Jahre 1998 die folgende Vergütung erhalten:
Januar |
31.688,78 DM |
Februar |
10.343,00 DM |
März |
10.343,00 DM |
April |
10.511,00 DM |
Mai |
10.511,00 DM |
Juni |
24.224,28 DM |
Juli |
16.256,59 DM. |
Mit seiner Klage hat der Kläger außer den in der Revision streitgegenständlichen Ansprüchen auf Verdienstausgleich auch Provisionsansprüche und Zielerreichungsprämien in Höhe von 82.335,00 DM sowie Provisionen aus einem Rahmenvertrag mit der B… AG in Höhe von 78.068,20 DM geltend gemacht. Hinsichtlich der ersten Forderung ist ihm durch Teilurteil rechtskräftig ein Betrag von 16.326,00 DM zuerkannt worden. Die Parteien haben am 7. Dezember 2000 einen Teilvergleich geschlossen, wonach die Beklagte dem Kläger Provision und Prämie für das Jahr 1997 in Höhe von 66.009,00 DM und für das Jahr 1998 in Höhe von 33.991,00 DM zahlt. Weiterhin ist in dem Vergleich bestimmt:
“…
2. Die Parteien sind sich einig darüber, dass für eine eventuelle Alterssicherung des Klägers lediglich 33.000,00 DM aus den Zahlungen gemäß obiger Ziffer 1.a (dh die Zahlung von 66.009,00 DM für das Jahr 1997) Berücksichtigung finden.
3. Die Beklagte verzichtet bezüglich einer eventuellen Alterssicherung des Klägers auf die Einhaltung tariflicher Ausschlussfristen.”
Der Kläger verlangt nunmehr noch die Zahlung von Verdienstausgleich für den Zeitraum von Januar bis Juli 1998. Der MTV NW/NB sei auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 21. April 1998 auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Die Voraussetzungen für die Alterssicherung seien gegeben, weil er das 54. Lebensjahr vollendet habe und dem Unternehmen seit dem 1. Januar 1972 angehöre. Der Kläger hat den ihm für den streitgegenständlichen Zeitraum nach seiner Auffassung zustehenden Verdienstausgleich zunächst auf 63.886,73 DM (= 32.664,77 Euro) brutto berechnet, indem er aus den Monaten, in denen der tatsächliche Verdienst unterhalb des ihm zustehenden Alterssicherungsbetrages lag, die Differenzen addiert hat. Unter Zugrundelegung eines Vergleichszeitraums von einem Jahr hat er alternativ einen Verdienstausgleich in Höhe von 58.385,65 DM (= 29.852,11 Euro) errechnet, wobei er von einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 15.948,11 DM ausgegangen ist. In einer weiteren Berechnung legt er den Durchschnittsverdienst in dem streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 16.268,24 DM zugrunde und kommt zu einem Verdienstausgleich von 56.144,74 DM (= 28.706,35 Euro).
Der Kläger hat, soweit in der Revision von Interesse, zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29.852,11 Euro brutto nebst 4 % Zinsen hieraus ab 6. August 1998 bis 30. April 2000 sowie Zinsen von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 1. Mai 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der MTV NW/NB auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde. Der Kläger arbeite nicht im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages und § 15 MTV NW/NB weite den tariflichen Geltungsbereich insoweit nicht aus. Durch ihr – der Beklagten – Schreiben vom 21. April 1998 werde die Anwendbarkeit des MTV NW/NB nicht begründet. Weil der Kläger den ihm angebotenen neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben habe, habe sich auch das Schreiben vom 21. April 1998 erledigt. Ferner stehe dem Kläger die Alterssicherung frühestens ab 1. Januar 1999 zu, weil er dem Betrieb in Stuttgart erst seit dem 1. Januar 1998 angehöre. Bei der Berechnung eines etwaigen Verdienstausgleichs müsste im Übrigen gemäß § 6.9 MTV NW/NB bei dem Kläger als Reisenden ein Vergleichszeitraum von 12 Monaten zugrunde gelegt und Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraums einbezogen werden. Dann ergebe sich für den streitgegenständlichen Zeitraum nur ein Verdienstausgleich in Höhe von 31.078,15 DM (= 15.890,01 Euro).
Das Arbeitsgericht hat mit Schlussurteil die Beklagte verurteilt, dem Kläger entsprechend der Berechnung der Beklagten 15.890,01 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 18.369,29 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Revision zugelassen. Dagegen haben wiederum beide Parteien Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren unter Zugrundelegung der von ihm zuletzt vertretenen Berechnungsmethode begrenzt auf den Betrag von 56.144,77 DM (= 28.706,36 Euro) und die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Verdienstausgleich in Höhe von 28.706,36 Euro (= 56.144,77 DM) zu zahlen.
Der MTV NW/NB gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger hat ab dem 1. Januar 1998 Anspruch auf Verdienstsicherung gem. § 6 MTV NW/NB. Die Alterssicherung unter Einbeziehung der Provision ist wirksam und stellt keine unzulässige Effektiv- bzw. Effektivgarantieklausel dar. Nach den für den Kläger geltenden tariflichen Regelungen für die Berechnung der Verdienstsicherung bei Reisenden mit Provision ergibt sich für den streitgegenständlichen Zeitraum der von dem Kläger in der Revisionsinstanz verlangte Betrag von 28.706,36 Euro.
Dementsprechend ist die Revision der Beklagten unbegründet.
I. Der MTV NW/NB gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien, weil beide Parteien tarifgebunden sind und das Arbeitsverhältnis seit dem 1. Januar 1998 unter den Geltungsbereich des MTV NW/NB fällt.
1. Die beiderseitige Tarifgebundenheit in dem streitgegenständlichen Zeitraum haben die Parteien in der Revisionsverhandlung klargestellt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob sich die Anwendbarkeit des MTV NW/NB entsprechend der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch aus dem als Zusage gewerteten Schreiben der Beklagten vom 21. April 1998 ergibt oder ob die Bezugnahmeklausel in Ziff. 11.1 des Arbeitsvertrages vom 22. Januar 1992 als sogenannte “große dynamische Bezugnahme” auszulegen ist, wonach die jeweils nach ihrem Geltungsbereich einschlägige tarifliche Regelung Anwendung finden soll.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien fällt seit dem 1. Januar 1998 unter den Geltungsbereich des MTV NW/NB.
a) Die Voraussetzungen des fachlichen Geltungsbereichs (“alle Betriebe, die selbst oder deren Inhaber Mitglied des Verbandes der Metallindustrie BadenWürttemberg e.V., Stuttgart, sind”) und des persönlichen Geltungsbereichs (“alle in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten, die Mitglied der IG Metall sind”) sind gegeben.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger seit dem 1. Januar 1998 dem Betrieb in Stuttgart zugeordnet ist, der im räumlichen Geltungsbereich des MTV NW/NB, dh. in den Regierungsbezirken Nordwürttemberg und Nordbaden des Landes Baden-Württemberg, liegt. Deshalb ist es unerheblich, dass der Kläger – weiterhin – sein Einsatzgebiet in Bayern und seinen Dienstsitz in München hat. Daran ändert auch § 15 MTV NW/NB nichts, wonach der Tarifvertrag auch für alle Reisenden von Betrieben gilt, die ihren Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Vertrages haben, auch wenn die Reisenden ihren Wohnsitz außerhalb des Tarifgebietes haben. Der von der Beklagten vertretenen Auslegung, dass ein Reisender nicht unter den Geltungsbereich des MTV NW/NB falle, wenn nicht nur der Wohnsitz, sondern auch der Dienstsitz bzw. das Einsatzgebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs liege, ist nicht zu folgen. Entscheidend ist nach der tariflichen Regelung der Sitz des Betriebes, zu dem der Reisende gehört.
II. Der Kläger hat ab 1. Januar 1998 Anspruch auf Verdienstsicherung gem. § 6 MTV NW/NB.
1. Das Landesarbeitsgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt bereits 54 Jahre alt gewesen und habe dem Unternehmen mehr als ein Jahr angehört. Nach der tariflichen Regelung sei nicht erforderlich, dass er bereits mindestens ein Jahr unter dem Geltungsbereich des Tarifvertrages gearbeitet habe.
2. Die Beklagte macht in ihrer Revision weiterhin geltend, dass die Alterssicherung für den Kläger allenfalls ab 1. Januar 1999, das heißt erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum, Anwendung finde. § 6.1 MTV NW/NB stelle vorrangig auf die einjährige Zugehörigkeit zum Betrieb ab, die unstreitig nicht gegeben sei. Dem stehe nicht entgegen, dass auch die einjährige Unternehmenszugehörigkeit ausreiche. Damit sei nur der Fall einbezogen, dass ein Arbeitnehmer in verschiedenen Betrieben im Tarifgebiet eingesetzt worden sei. Der Sinn der Regelung über die Alterssicherung sei nicht die Absicherung von Vergütungen, die in einem anderen Tarifgebiet oder gar im Ausland und nicht nach den in Nordwürttemberg/Nordbaden geltenden tariflichen Regelungen erzielt worden seien.
3. Dem kann nicht gefolgt werden. Die tarifliche Voraussetzung der einjährigen Unternehmenszugehörigkeit gemäß § 6.1 MTV NW/NB setzt nicht voraus, dass bereits während dieses Zeitraums die Anwendbarkeit des MTV NW/NB gegeben war. Das ergibt die Auslegung dieser Regelung.
a) Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des BAG, zB Senat 29. August 2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24, 28 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 174 = EzA BGB § 622 Tarifvertrag Nr. 2 mwN).
b) Der Wortlaut stellt gleichwertig auf die Zugehörigkeit im Betrieb oder Unternehmen ab und enthält keine weitergehende Beschränkung für die Alternative der Unternehmenszugehörigkeit. Auch aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich die von der Beklagten vertretene beschränkende Auslegung nicht. Die erforderliche einjährige Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit will den Anspruch auf Alterssicherung erkennbar von einer vorangegangenen einjährigen Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen abhängig machen, um eine Legitimation ebenso wie eine tatsächliche Berechnungsgrundlage für die Alterssicherung zu haben. Das zeigt die Regelung in § 6.2 MTV NW/NB, wonach die Verdienstsicherung erst später beginnt, wenn der Beschäftigte an seinem 54. Geburtstag die Voraussetzungen der Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit noch nicht erfüllt. Die Regelung über die Berechnung des Alterssicherungsbetrages in § 6.3 MTV NW/NB stellt auf die Vergütung in einem einjährigen Bezugszeitraum vor Beginn der Verdienstsicherung ab. Es finden sich darin keine Anhaltspunkte dafür, dass es nur um die Vergütung nach den Tarifverträgen für Nordwürttemberg/Nordbaden geht. Nach Sinn und Zweck der Alterssicherung gibt es auch keinen Grund dafür, den Beginn der Alterssicherung nur deshalb über die Vollendung des 54. Lebensjahres hinaus zu verschieben, weil die bei der Berechnung des Alterssicherungsbetrages zugrunde zu legenden Vergütungen sich ganz oder zum Teil nach dem Vergütungsgefüge eines anderen Tarifgebietes gerichtet haben. Im Übrigen umfasst die Verdienstsicherung nicht nur tarifliche, sondern auch über- und außertarifliche Vergütungsbestandteile; auch die Provision als vorliegend maßgeblicher Teil der Verdienstsicherung ist nicht tariflich, sondern arbeitsvertraglich geregelt.
4. Dem Erwerb des Anspruchs auf Alterssicherung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt, als das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 1998 auf Grund seiner Zuordnung zu dem Betrieb in Stuttgart unter den Geltungsbereich des MTV NW/NB fiel, bereits 55 Jahre alt war, dh. die Altersgrenze für den Beginn der Alterssicherung bereits vorher erreicht hatte. Aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung ebenso wie aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen über die Alterssicherung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Beschäftigter den Anspruch auf Verdienstsicherung nach Vollendung des 54. Lebensjahres nicht mehr erwerben kann, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. In § 6.2 Satz 2 MTV NW/NB ist vielmehr ausdrücklich ein späterer Beginn der Verdienstsicherung vorgesehen für den Fall, dass der Beschäftigte an seinem 54. Geburtstag die Voraussetzung der Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit von einem Jahr nicht erfüllt hat; in diesem Fall soll die Verdienstsicherung am Ersten des Monats beginnen, in welchem der Beschäftigte diese Voraussetzung erfüllt. Im Übrigen hat die Beklagte in keiner Phase des Verfahrens geltend gemacht, dass nach ihrer Auffassung oder der Auffassung einer Tarifvertragspartei der Erwerb der Alterssicherung ausgeschlossen ist, wenn der Beschäftigte erst nach Vollendung des 54. Lebensjahres unter den Geltungsbereich des MTV fällt.
III. Die Alterssicherung gem. § 6 MTV NW/NB ist auch bezüglich auf die Einbeziehung der Provisionen wirksam und keine unzulässige Effektiv- oder Effektivgarantieklausel.
1. Die Frage der Wirksamkeit der Einbeziehung von Provisionen in die Alterssicherung ist von den Vorinstanzen nicht und von der Beklagten erstmals in der Revision thematisiert worden. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die Rechtsprechung zwar bisher die Einbeziehung von übertariflichen Lohnbestandteilen in die Alterssicherung nicht als Effektivklausel angesehen habe, weil es sich nur um eine Feststellung der Berechnungsgrundlage handele und nicht um die Absicherung der Zulage mit tarifrechtlicher Wirkung. Werde aber durch die tarifvertragliche Alterssicherung ein übertariflicher Lohnbestandteil zum tariflichen Mindestgehalt erklärt, liege darin auch nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben eine unzulässige Effektivklausel. Die Provision sei kein fixer Entgeltbestandteil, sondern eine erfolgsabhängige und variable Vergütung. Durch die Einbeziehung von Provisionen, die nicht nur von der Leistung des Arbeitnehmers, sondern von dem wirtschaftlichen Umfeld abhingen, in die Alterssicherung, verliere der Arbeitgeber die notwendigen Anpassungsmöglichkeiten. Dem folgt der Senat nicht.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend 14. Februar 1968 – 4 AZR 275/67 – BAGE 20, 308 = AP TVG § 4 Effektivklausel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Nr. 18) sind Tarifbestimmungen unwirksam, nach denen eine Tariflohnerhöhung auf die bisher effektiv gewährte Vergütung aufzustocken ist (sogenannte begrenzte Effektivklausel) oder nach denen ein bisher über- oder außertariflich gewährter Lohnbestandteil zum Tariflohn wird (sogenannte Effektivgarantieklausel). Solche Regelungen verstoßen gegen Grundprinzipien des Tarifrechts insbesondere dadurch, dass sie einzelvertraglich vereinbarte Lohnbestandteile der Verfügung der Arbeitsvertragsparteien entziehen und damit in unzulässiger Weise in deren Vertragsbeziehungen eingreifen. Das ändert aber nichts an der Befugnis der Tarifvertragsparteien, mit tarifrechtlicher Wirkung festzulegen, dass bei der Berechnung von tariflichen Leistungen von dem effektiven Verdienst des Arbeitnehmers ausgegangen werden soll und nicht von dem tariflichen Mindestverdienst (so schon Senat 31. Mai 1972 – 4 AZR 309/71 – BAGE 24, 279 = AP BGB § 611 Bergbau Nr. 16 = EzA TVG § 4 Bergbau Nr. 1).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt entschieden, dass eine tarifliche Verdienst- bzw. Alterssicherung zulässig ist, auch wenn sie über- und außertarifliche Leistungen einbezieht (16. April 1980 – 4 AZR 261/78 – BAGE 33, 83 = AP TVG § 4 Effektivklausel Nr. 9 = EzA TVG § 4 Effektivklausel Nr. 1; 28. Mai 1980 – 4 AZR 351/78 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 8 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 14; 7. Februar 1995 – 3 AZR 402/94 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 6 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 30; 16. Mai 1995 – 3 AZR 627/94 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 1; 15. Oktober 1997 – 3 AZR 443/96 – BAGE 87, 10 = AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 10 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 4; 11. November 1997 – 3 AZR 675/96 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 5; 28. Juli 1999 – 4 AZR 295/97 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 14 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 7). Durch die tarifliche Verdienst- bzw. Alterssicherung wird die Rechtsnatur der über- und außertariflichen Vergütungsbestandteile, die in die Verdienstsicherung eingehen, nicht geändert. Die Tarifvertragsparteien regeln nur, dass diese Vergütungsbestandteile in die Alterssicherung als Berechnungsgrundlage einbezogen werden. Die vertraglich begründeten über- und außertariflichen Vergütungsbestandteile werden nicht in tarifliche Ansprüche umgewandelt. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitsvertragsparteien über die über- und außertariflichen Leistungen bleiben unberührt. Eine wirksame Änderung dieser Leistungen führt zu einer entsprechenden Änderung der Alterssicherung.
4. Danach ist auch die Einbeziehung der außertariflich geregelten Provisionen in die Alterssicherung gemäß § 6.9 MTV NW/NB zulässig.
a) Dabei geht es um die Einbeziehung der Durchschnittsprovision vor Eintritt der Verdienstsicherung als Berechnungsgrundlage für die Alterssicherung als besondere tarifliche Vergütung. Die arbeitsvertragliche Provisionsregelung selbst wird nicht tarifiert und damit nicht der arbeitsvertraglichen Disposition entzogen. Dass im konkreten Fall die tarifliche Alterssicherung im streitgegenständlichen Zeitraum deutlich höher ist als die dem Kläger nach der vertraglichen Regelung zustehende Vergütung, liegt an der konkreten Ausgestaltung der tariflichen Alterssicherung, die die durchschnittliche Provision vor Eintritt der Verdienstsicherung im vollen Umfang in die Verdienstsicherung einbezieht, und an der tatsächlichen Höhe der vom Kläger verdienten Provision nach Beginn der Verdienstsicherung. Das betrifft aber nicht die Frage der unzulässigen – Tarifierung außertariflicher Provisionsregelungen, sondern die der angemessenen und sachgerechten Ausgestaltung der tariflichen Alterssicherung.
b) Die arbeitsvertragliche Regelung über die Grundlagen der Provision wird nicht iS einer Effektivgarantieklausel zur tariflichen Mindestregelung erklärt. Zwar steht es den Tarifvertragsparteien frei, eine Effektivklausel zu vereinbaren, um die Rechtsprechung zur Überprüfung ihres Standpunktes zu veranlassen. Davon ist aber bei der Alterssicherung gemäß § 6 MTV NW/NB nicht auszugehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht für die Alterssicherung in § 6 MTV NW/NB wiederholt entschieden (16. April 1980 – 4 AZR 261/78 – BAGE 33, 83 = AP TVG § 4 Effektivklausel Nr. 9 = EzA TVG § 4 Effektivklausel Nr. 1; 15. Oktober 1997 – 3 AZR 443/96 – BAGE 87, 10 = AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 10 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 4; 28. Juli 1999 – 4 AZR 295/97 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 14 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 7). Eine spätere Änderung einer außer- oder übertariflichen Leistung könne sich auf die Höhe der Verdienstsicherung auswirken. Die Regelungen über die Änderung einzelner Lohnbestandteile nach Beginn der Verdienstsicherung in §§ 6.10 und 6.11 MTV NW/NB gingen davon aus, dass die arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten nach Beginn der Verdienstsicherung fortbestünden. Das ergäbe sich auch ohne ausdrückliche Regelung für sonstige Änderungen der in der Alterssicherung einbezogenen Vergütungsbestandteile aus dem Zweck der Alterssicherung, der in der Überschrift der tariflichen Regelung zur “Alterssicherung” zum Ausdruck gekommen sei. Durch die Alterssicherung sollten die Arbeitnehmer vor altersbedingten Verdiensteinbußen geschützt werden, nicht aber bei allgemeinen Änderungen der Grundlagen für die in die Alterssicherung einbezogenen Leistungen besser gestellt bleiben.
Die Tarifvertragsparteien haben die tarifliche Regelung über die Alterssicherung in § 6 MTV NW/NB nicht nur in Kenntnis der Unzulässigkeit von Effektivklauseln beibehalten, sondern auch in Kenntnis der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Auswirkungen von allgemeinen Änderungen der arbeitsvertraglichen Grundlagen für eine über- und außertarifliche Leistung auf die Alterssicherung. Deshalb gibt es keine Grundlage dafür, von dieser Auslegung der tariflichen Alterssicherung in § 6 MTV NW/NB abzuweichen. Ob und ggf. wie sich eine konkrete Änderung der Provisionsregelung auf das Element der Provisionsansprüche in dem Alterssicherungsbetrag auswirkt, ist hier nicht zu entscheiden.
c) Auch die weiteren Einwände der Beklagten gegen die Zulässigkeit der Einbeziehung der Provision in die Verdienstsicherung für Reisende greifen nicht durch. Der Umstand, dass die Provision kein fixer, sondern variabler Entgeltbestandteil ist, ändert an der Zulässigkeit der Einbeziehung in die Alterssicherung nichts. Auch die ebenfalls in die Alterssicherung einbezogenen tariflichen und übertariflichen Akkord- und Prämienlöhne (§ 6.3.2 MTV NW/NB) sind variable Entgeltbestandteile. Dass die Provision nicht nur von der Leistung des Arbeitnehmers, die altersbedingt gemindert sein kann, sondern auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig ist, macht die Verdienstsicherung unter Einbeziehung der Provision nicht zu einer Effektivklausel. Wenn die tarifliche Verdienstsicherung diesen Umstand im Rahmen der typisierenden Regelung zur Berechnung des Alterssicherungsbetrages nicht berücksichtigt, ändert das nicht den rechtlichen Charakter der Regelung, sondern betrifft nur die – gerichtlich nicht überprüfbare – Angemessenheit der von den Tarifvertragsparteien getroffenen Regelung.
IV. Dem Kläger steht für den streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Juli 1998 eine Ausgleichszahlung in Höhe des von ihm in der Revisionsinstanz noch geltend gemachten Anspruchs von 28.706,36 Euro (= 56.144,77 DM) zu.
1. Zur Berechnung der Alterssicherung bei Reisenden mit Provision enthält der MTV NW/NB in § 6.3.4 die Regelung, dass sich der Alterssicherungsbetrag nach der monatlichen Durchschnittsprovision der letzten 36 Monate vor Beginn der Verdienstsicherung richtet. In § 6.9 Abs. 3 des MTV NW/NB ist bestimmt, dass der Vergleichszeitraum mit Zustimmung des Betriebsrats bis auf 12 Monate ausgedehnt werden kann, was vorliegend geschehen ist. Für diesen Fall soll nach § 6.9 Abs. 4 MTV NW/NB sichergestellt werden, dass im jeweiligen Vergleichsmonat eine Auszahlung in der Höhe erfolgt, dass im Vergleichszeitraum, jeweils im Durchschnitt, der Alterssicherungsbetrag erreicht wird. Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung sind gem. § 6.9 Abs. 5 in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraumes einzubeziehen.
2. Die Erweiterung des Vergleichszeitraumes auf 12 Monate für Reisende mit Provision ändert nichts daran, dass von Beginn der Verdienstsicherung an in jedem Monat berechnet werden muss, ob eine Ausgleichszahlung zu leisten ist. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 6.9 Abs. 4, wonach im jeweiligen Vergleichsmonat eine Aufzahlung in der Höhe erfolgen soll, dass im Vergleichszeitraum, jeweils im Durchschnitt, der Alterssicherungsbetrag errechnet wird. Dabei werden gemäß § 6.9 Abs. 5 MTV NW/NB die Ausgleichszahlungen der Vormonate einbezogen. In jedem Monat muss deshalb der etwaige Verdienstausgleich durch den Vergleich der kumulierten erhaltenen Leistungen einschließlich der Ausgleichszahlungen (Ist-Vergütung) und der kumulierten Alterssicherungsbeträge in dem bis dahin abgelaufenen Vergleichszeitraum seit Beginn der Alterssicherung (Soll-Vergütung) berechnet werden. Die Verdienstsicherung entsprechend dem Vergleichszeitraum von zwölf Monaten wird dadurch im Laufe des ersten Jahres nach Beginn der Alterssicherung erreicht.
3. Von den verschiedenen von den Parteien und von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Berechnungsmethoden zur Ermittlung des dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zustehenden Verdienstausgleichs entspricht die von dem Kläger zuletzt vertretene Berechnungsmethode, die er dem in der Revisionsinstanz gestellten Zahlungsantrag zugrunde gelegt hat, der tariflichen Regelung. Dabei ist er von den tatsächlichen Vergütungszahlungen an ihn in dem streitgegenständlichen Zeitraum und von einem Alterssicherungsbetrag von 23.946,82 DM ab 1. Januar 1998 und iHv. 24.545,49 DM ab 1. April 1998 ausgegangen; diese Beträge sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unstreitig. Diesen Bezugsgrößen hat er in jedem Monat seit Beginn der Alterssicherung die bis dahin erhaltene tatsächliche Vergütung einschließlich etwaiger ihm zustehender Ausgleichszahlungen (Ist-Vergütung) und die Summe der ihm auf Grund des Alterssicherungsbetrages zustehenden Vergütung (Soll-Vergütung) gegenübergestellt und die Differenz als jeweilige Ausgleichszahlung berechnet. Nach dieser Berechnungsmethode ergeben sich – rechnerisch unstreitig – in dem streitgegenständlichen Zeitraum Ausgleichszahlungen von insgesamt 56.144,77 DM (= 28.706,36 Euro).
Dieser Betrag ergibt sich auch aus einer Kontrollrechnung, bei der man, weil vorliegend tatsächlich in den einzelnen Monaten keine Ausgleichszahlungen geleistet worden sind, den zum Ende Juli 1998 geschuldeten Verdienstausgleich berechnet. Dabei wird der tatsächliche Verdienst in dem streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von insgesamt 113.877,65 DM dem Alterssicherungsbetrag in Höhe von 170.022,42 DM gegenübergestellt, was ebenfalls einen Differenzbetrag von 56.144,76 DM (= 28.706,37 Euro) ergibt.
4. Die vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte Berechnungsmethode entspricht dagegen nicht der tariflichen Regelung. Es hat eine Ausgleichszahlung von insgesamt 35.927,21 DM (= 18.369,29 Euro) zuerkannt. Dabei hat es in jedem Monat den jeweiligen Alterssicherungsbetrag dem tatsächlichen Verdienst zuzüglich des Verdienstausgleichs des Vormonats gegenübergestellt und die für die einzelnen Monate errechneten Ausgleichszahlungen addiert. Mit dieser Berechnungsmethode berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht den vorliegend maßgeblichen verlängerten Ausgleichszeitraum von zwölf Monaten, so dass ein den Alterssicherungsbetrag übersteigender Verdienst in einem Monat, hier zB im Januar 1998, unberücksichtigt bleibt. Andererseits ist die Einbeziehung der Ausgleichszahlung im Vormonat als Ist-Verdienst im Folgemonat nicht tarifgerecht, weil dadurch der Verdienstausgleich im Folgemonat ohne Berechtigung gemindert wird. Die tarifvertragliche Regelung fordert demgegenüber die Einbeziehung der “Ausgleichszahlungen” in den laufenden Verdienst des “Vergleichszeitraumes”.
5. Auch die von der Beklagten vertretene Berechnungsmethode, die ausgehend von den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Berechnungsgrundlagen zu einer Ausgleichszahlung von insgesamt 31.078,15 DM (= 15.890,00 Euro) kommt und der das Arbeitsgericht gefolgt ist, ist nicht tarifgerecht. Sie hat für die einzelnen Monate einen Durchschnittsverdienst der bis dahin abgelaufenen Monate im Vergleichszeitraum errechnet, und zwar unter Einbeziehung der für die Vormonate errechneten Ausgleichszahlungen, und hat diesen Durchschnittsverdienst dem jeweiligen Alterssicherungsbetrag gegenübergestellt. Die sich danach für die einzelnen Monate ergebenden Differenzbeträge hat sie addiert. Das von der Beklagten berechnete Durchschnittseinkommen unter Einbeziehung der dem Kläger zustehenden Ausgleichsbeträge in dem bisherigen Vergleichszeitraum und der jeweilige monatliche Alterssicherungsbetrag sind nicht die nach der tariflichen Regelung maßgeblichen Größen für die monatlich zu berechnende Ausgleichszahlung. Vielmehr muss – wie dargelegt – in jedem Monat die kumulierte Ist-Vergütung (unter Einbeziehung der Ausgleichszahlungen) in dem bis dahin abgelaufenen Vergleichszeitraum der kumulierten Soll-Vergütung auf der Grundlage der Alterssicherungsbeträge gegenübergestellt werden. Mit der von der Beklagten vertretenen Berechnungsmethode wird das mit der Alterssicherung beabsichtigte Ziel nicht erreicht, dass im Durchschnitt jeweils mindestens der Alterssicherungsbetrag gezahlt wird. So beträgt nach der Berechnungsmethode der Beklagten Ende Februar der Soll-Verdienst im Sinne der Verdienstsicherung 47.893,64 DM (= 2 × 23.946,82 DM), der Verdienst unter Einbeziehung der von der Beklagten berechneten Ausgleichszahlung aber nur 44.962,71 DM (= 31.688,78 + 10.343,00 + 2.930,93 DM). Auch am Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes ergibt sich die tariflich gewollte Verdienstsicherung nicht. Einem Soll-Verdienst in Höhe von 170.022,42 DM steht ein Verdienst einschließlich der von der Beklagten errechneten Ausgleichszahlungen in Höhe von 144.955,80 DM gegenüber.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Teilurteil ist im vollen Umfang zugunsten des Klägers ergangen. Hinsichtlich des Schlussurteils war seine Zuvielforderung in den Vorinstanzen nur geringfügig; in der Revisionsinstanz ist ihm der volle noch geltend gemachte Anspruch zuerkannt worden.
Unterschriften
Wolter, Bott, Jungermann, Görgens
Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann ist seit dem 8. Juli 2004 Justizminister des Freistaates Thüringen.
Bott
Fundstellen
BAGE 2006, 108 |
BB 2005, 836 |
ARST 2004, 239 |
FA 2004, 253 |
NZA 2005, 1420 |
SAE 2005, 140 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 15 |
EzA-SD 2004, 4 |
EzA |
AUR 2005, 39 |
ArbRB 2004, 198 |
SPA 2004, 3 |