Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendung. Kürzung für Mitarbeiter im kirchlichen Dienst
Leitsatz (amtlich)
Die Änderung der Kirchlichen Anstellungsordnung (KAO) durch die Paritätische Kommission nach dem ARRG unterliegt einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 317 BGB.
Die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV wird nicht “pro rata temporis” verdient. Ihre Anspruchsgrundlagen können noch kurz vor dem Fälligkeitstag mit Wirkung für den gesamten Bezugszeitraum geändert werden.
Normenkette
BGB §§ 611, 317; Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG) für die Evangelische Landeskirche in Württemberg vom 27. Juni 1980 §§ 2, 7, 11; Kirchliche Anstellungsordnung für die privatrechtlich angestellten Mitarbeiter im kirchlichen Dienst im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 27. April 1988 (KAO) §§ 2, 6-7; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 § 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sonderzuwendung für das Jahr 1994.
Der Kläger war vom 1. August 1982 bis zum 31. Dezember 1994 bei der Beklagten als kirchlicher Angestellter beschäftigt. Er wurde am 1. Januar 1995 als kirchlicher Studienrat in ein Kirchenbeamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen.
In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30. Juli 1982 hatten die Parteien vereinbart:
“Anstellungsgrundlagen
Zwischen den Vertragsschließenden wird vereinbart, daß für das Anstellungsverhältnis, soweit nicht durch diesen Vertrag etwas anderes bestimmt wird, die Bestimmungen der Kirchlichen Anstellungsordnung (KAO) in ihrer jeweiligen Fassung gelten; sie werden ausdrücklich als Bestandteil dieses Vertrags anerkannt.”
In § 6 der Kirchlichen Anstellungsordnung (im folgenden: KAO) vom 27. April 1988 ist – soweit hier von Interesse – folgendes geregelt:
“Anwendung tariflicher Bestimmungen
- Auf die Dienstverhältnisse der hauptberuflichen Mitarbeiter nach § 2 Abs. 2 dieser Ordnung finden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 in der für Bund und Länder jeweils geltenden Fassung, sowie die Vergütungstarifverträge zum BAT und die den BAT ergänzenden Tarifverträge entsprechend Anwendung. Dies gilt nicht, wenn in dieser Ordnung etwas anderes bestimmt ist oder im Falle künftiger Änderungen oder Ergänzungen der genannten Tarifverträge bestimmt wird.
- …
”
Die Beklagte zahlte an den Kläger bis zum Jahr 1993 nach § 6 KAO in Verbindung mit dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (im folgenden: Zuwendungs-TV) am 1. Dezember eines jeden Jahres eine Sonderzuwendung in Höhe von 100 v.H. der Urlaubsvergütung, die dem Kläger zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte.
Die Arbeitsrechtliche Kommission der Beklagten beschloß am 8. September 1994 mit Wirkung zum 1. Oktober 1994 u.a. folgende Änderung der KAO:
“…
2. In § 7 wird folgender neuer Absatz 2. a) eingefügt:
2.a) In Abweichung von § 2 Abs. 1 des Zuwendungstarifvertrages vom 12.10.1973 beträgt die Zuwendung im Jahr 1994 für Mitarbeiter der Vergütungsgruppen
X bis IVb bzw. Kr I bis VIII |
90 v.H. |
IVa bis I bzw. Kr IX bis Kr XIII |
80 v.H. |
der Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT, die dem Mitarbeiter zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte.”
Auf Grund dieser Änderung zahlte die Beklagte an den Kläger für 1994 eine entsprechend seiner Vergütungsgruppe um 20 % gekürzte Sonderzuwendung in Höhe von 5.449,99 DM.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Sonderzuwendung für 1994 einseitig herabzusetzen; dies entspreche nicht billigem Ermessen. Eine Verschlechterung materieller Arbeitsbedingungen sei durch eine Änderung der KAO überhaupt nicht zulässig. Auf jeden Fall müsse aber eine Überprüfung, ob eine Verschlechterung zulässig sei, anhand der allgemeinen staatlichen Gesetze möglich sein.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.341,20 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie ist der Ansicht, der Beschluß der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 8. September 1994 sei auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen einer Inhaltskontrolle durch staatliche Gerichte entzogen. Jedenfalls dürften aber bei der Überprüfung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen keine strengeren Maßstäbe angelegt werden als bei der Überprüfung von Tarifverträgen. Die Kürzung der Sonderzuwendung sei Teil eines Gesamtkonzepts zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die Kürzung der im Jahr 1994 an den Kläger gezahlten Zuwendung um 20 % durch die Beklagte war Rechtens.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner klagestattgebenden Entscheidung ausgeführt, die Kürzung der Sonderzuwendung gegenüber dem Kläger sei deshalb unwirksam, weil dieser ab Januar 1994 darauf habe vertrauen dürfen, daß ihm am 1. Dezember 1994 eine volle Sonderzuwendung gezahlt werde. Seine bereits zu 9/12 durch Leistungserbringung erworbene Rechtsposition habe ihm nicht nachträglich mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1994 entzogen werden dürfen.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben.
Arbeitnehmer, die Ansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis mit Kirchen oder deren Einrichtungen geltend machen, können Rechtsschutz im staatlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren beanspruchen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Soweit sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienen, findet auf diese Arbeitsverhältnisse das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Das ist schlichte Folge einer Rechtswahl (BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703/83, 1718/83 und 2 BvR 856/83 – AP Nr. 24 zu Art. 140 GG; BAGE 51, 239 = AP Nr. 25 zu Art. 140 GG).
3. Der Kläger hat auf Grund der durch § 2 des Arbeitsvertrages vom 30. Juli 1982 erfolgten einzelvertraglichen Bezugnahme auf die KAO in ihrer jeweiligen Fassung für das Jahr 1994 einen Anspruch auf eine Zuwendung gemäß dem Zuwendungs-TV in Höhe von 80 % der Urlaubsvergütung, die ihm nach § 47 Abs. 2 BAT zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September 1994 Erholungsurlaub gehabt hätte. Diesen Anspruch des Klägers in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 5.449,99 DM hat die Beklagte durch Zahlung erfüllt.
a) Die KAO findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Als kirchliche Arbeitsvertragsregelung stellt die KAO keinen Tarifvertrag im Sinne des § 1 TVG dar. Tarifverträge im Rechtssinne sind nur solche Vereinbarungen, die nach Maßgabe des Tarifvertragsgesetzes zustande gekommen sind und dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Tarifvertrages entsprechen. Es muß sich demnach um Vereinbarungen handeln, welche in Vollzug der durch Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden eingeräumten Rechtssetzungsautonomie von diesen nach den Grundsätzen des im Tarifvertragsgesetz näher geregelten staatlichen Tarifrechts auf Grund entsprechender Verhandlungen freier und voneinander unabhängiger Tarifvertragsparteien mit Normencharakter zustande gekommen sind (ständige Rechtsprechung des BAG; für alle: BAGE 60, 345 = AP Nr. 37 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Dies ist bei der KAO aber nicht der Fall. Diese beruht vielmehr auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen Vereinbarungen, die ohne Vereinbarung mit einer Gewerkschaft oder einem Zusammenschluß von Gewerkschaften als “Tarifvertragspartei” im Sinne des § 2 TVG zustande gekommen ist. Deshalb stellen Arbeitsvertrags- oder Anstellungsordnungen und Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen keine Tarifverträge dar (vgl. Richardi, ArbR in der Kirche, 2. Aufl., § 14 Rz 3).
Aus diesem Grunde können die Regelungen der KAO niemals ein Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend wie ein Tarifvertrag gestalten. Es bedarf vielmehr stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage oder Einheitsregelung, wenn die in der KAO enthaltenen Arbeitsvertragsregelungen in einem Arbeitsverhältnis gelten sollen (so zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR): BAGE 66, 314 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985).
Eine solche “Transformation” ist im vorliegenden Falle durch die Inbezugnahme der KAO für das Arbeitsverhältnis in ihrer jeweiligen Fassung durch § 2 des Arbeitsvertrages vom 30. Juli 1982 erfolgt.
b) Die KAO ihrerseits erklärt in § 6 die Bestimmungen des BAT in der jeweils geltenden Fassung sowie die Vergütungstarifverträge zum BAT und die den BAT ergänzenden Tarifverträge für entsprechend anwendbar. Damit findet auch der Zuwendungs-TV für die der KAO unterfallenden Arbeitsverhältnisse entsprechende Anwendung, weil es sich bei diesem um einen den BAT ergänzenden Tarifvertrag handelt (BAG Urteil vom 23. Juni 1993 – 10 AZR 567/92 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV). Auch aus § 7 KAO, der festlegt, daß unter öffentlicher Dienst im Sinne der Protokollnotiz Nr. 2 zu § 1 des Zuwendungs-TV auch der kirchliche Dienst im Sinne des § 4 KAO zu verstehen ist, folgt, daß die KAO den Zuwendungs-TV auf die ihr unterfallenden Arbeitsverhältnisse für anwendbar erklärt.
c) Die Inbezugnahme des Zuwendungs-TV gilt aber nicht uneingeschränkt.
§ 6 Abs. 1 Satz 2 KAO enthält eine Einschränkung dahingehend, daß die entsprechende Anwendung des BAT, der Vergütungstarifverträge zum BAT und der den BAT ergänzenden Tarifverträge dann nicht erfolgt, wenn in der KAO etwas anderes bestimmt ist oder im Falle künftiger Änderungen oder Ergänzungen dieser Tarifverträge bestimmt wird.
Damit behält sich die KAO die Befugnis vor, von den in Bezug genommenen Tarifverträgen abweichende Regelungen zu treffen. Daraus folgt, daß durch die KAO weder eine verbindliche statische noch eine verbindliche dynamische Verweisung auf die in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAO genannten Tarifverträge erfolgt, sondern daß § 6 KAO lediglich eine subsidiäre Inbezugnahme dieser Tarifverträge vorsieht, soweit die KAO selbst keine anderweitigen Regelungen enthält.
4. Da der einzelne Arbeitnehmer, der mit der Beklagten die Geltung der KAO in der jeweils geltenden Fassung für sein Arbeitsverhältnis einzelvertraglich vereinbart hat, keinen Einfluß auf den jeweiligen (künftigen) Inhalt der KAO hat, führt die Inbezugnahme der KAO dazu, daß bei Änderungen derselben letztlich die vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen nicht von beiden Vertragspartnern gemeinsam bestimmt werden, sondern von dem Organ, welches zur Änderung der KAO auf Grund kirchenrechtlicher Bestimmungen befugt ist.
a) Nach § 2 Abs. 2 des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG) vom 27. Juni 1980 für die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat die Arbeitsrechtliche Kommission die Aufgabe, im Rahmen der Ordnung der Landeskirche arbeitsrechtliche Regelungen zu beschließen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverträgen betreffen. In Ausübung dieser Befugnis hat die Arbeitsrechtliche Kommission die KAO beschlossen. Auch die jeweiligen Änderungen der KAO werden durch die Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt.
b) Der Kläger hat sich demnach durch die einzelvertragliche Inbezugnahme der KAO in ihrer jeweiligen Fassung einzelvertraglich diesem Bestimmungsrecht der Arbeitsrechtlichen Kommission über den jeweiligen Inhalt der KAO und damit auch über den Inhalt seines Arbeitsverhältnisses unterworfen. Dies entspricht dem in § 317 Abs. 1 BGB geregelten Fall, daß die Vertragsparteien die Leistungsbestimmung aus einem Vertrag einem Dritten überlassen haben. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen, zu denen auch das Arbeitsverhältnis zählt, können die Vertragsparteien vereinbaren, daß ein Dritter die Anpassung des Vertragsverhältnisses an veränderte Umstände vornehmen soll; es liegt dann ein sog. “Leistungsbestimmungsvorbehalt” vor (MünchKomm-Söllner, § 317 Rz 6). Dabei können auch paritätisch zusammengesetzte, unabhängige Kommissionen diese Anpassung vornehmen und damit “Dritter” im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB sein (vgl. MünchKomm-Söllner, § 317 Rz 9).
Bei der Arbeitsrechtlichen Kommission handelt es sich um eine solche unabhängige, paritätisch besetzte Kommission. Sie besteht nach § 7 ARRG nämlich aus jeweils sechs Mitarbeitern im kichlichen Dienst der Beklagten und im diakonischen Dienst sowie aus jeweils sechs Vertretern von Leitungsorganen kirchlicher Körperschaften der Beklagten und aus dem Bereich des Diakonischen Werkes. Die Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission sind auch unabhängig und an Weisungen nicht gebunden, § 11 Abs. 1 ARRG, so daß sie nicht als Beauftragte der Beklagten bzw. der Mitarbeiter handeln, was die Eigenschaft der Arbeitsrechtlichen Kommission als “Dritter” im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB ausschließen könnte.
Die Annahme, bei der Arbeitsrechtlichen Kommission handele es sich um einen “Dritten” im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB scheitert nicht daran, daß es sich bei ihr um eine kraft Kirchengesetzes durch die Beklagte eingesetzte Institution handelt, die durch ein entsprechendes Kirchengesetz auch wieder abgeschafft bzw. bezüglich ihrer paritätischen Besetzung oder Unabhängigkeit grundlegend verändert werden könnte. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme der Parteien auf die KAO in ihrer jeweiligen Fassung erfolgte nämlich unter beiderseitiger Zugrundelegung des jetzigen Rechtszustandes, das heißt, beide Parteien gingen davon aus, daß die KAO nur durch die paritätisch besetzte, an Weisungen nicht gebundene Arbeitsrechtliche Kommission geändert werden kann. Eine Änderung der KAO auf andere Weise wäre durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der KAO in ihrer jeweiligen Fassung nicht gedeckt, das heißt, eine solche Änderung würde nicht Vertragsbestandteil.
c) Mangels Anhaltspunkten für eine anderweitige Vereinbarung der Parteien ist nach § 317 Abs. 1 BGB davon auszugehen, daß die Arbeitsrechtliche Kommission ihre Leistungsbestimmung, das heißt die jeweiligen Änderungen der KAO nach billigem Ermessen zu treffen hat.
Die nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidungen der Arbeitsrechtlichen Kommission sind den Parteien gegenüber aber nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig sind, § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB.
d) Einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle steht das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV nicht entgegen.
Die Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers nach Art. 137 Abs. 3 WRV steht für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes (BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703/83 – u.a. AP Nr. 24 zu Art. 140 GG). Bei der Interpretation des Arbeitsrechts ist zwar dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht beizumessen. Ein Konflikt zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und staatlichem Arbeitsrecht besteht bei der Gewährung einer Sonderzuwendung an kirchliche Angestellte jedoch nicht. Durch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der Kürzung der Höhe einer Sonderzuwendung wird die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das spezifisch Kirchliche und das kirchliche Proprium nicht in Frage gestellt (ebenso: BAG Urteil vom 1. Dezember 1993 – 7 AZR 428/93 – AP Nr. 4 zu § 41 SGB VI, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
e) Der Beschluß der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 8. September 1994, daß die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV für das Jahr 1994 auf 80 % für die Vergütungsgruppe, welcher der Kläger angehört, gekürzt wird, stellt keine offenbar unbillige Entscheidung dar und ist deshalb für den Kläger verbindlich.
Offenbar unbillig im Sinne des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Leistungsbestimmung eines Dritten dann, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt (BGH Urteil vom 26. April 1991 – V ZR 61/90 – NJW 1991, 2761). Der Kläger, der sich auf die Unbilligkeit der Änderung der KAO beruft, wäre für die Umstände darlegungs- und beweispflichtig, aus denen sich die offenbare Unbilligkeit der Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 8. September 1994 ergeben soll (Staudinger-Mayer-Maly, BGB, 12. Aufl., § 319 Rz 31; MünchKomm-Söllner, § 319 Rz 2; Palandt-Heinrichs, BGB, 53. Aufl., § 319 Rz 7).
Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Kürzung der Zuwendung durch die Arbeitsrechtliche Kommission sei Teil eines Gesamtkonzeptes zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen.
Die Kürzung von Gratifikationen, um durch die dadurch freiwerdenden Finanzmittel ansonsten auf Grund fehlender Geldmittel erforderliche betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, stellt an sich eine zweckmäßige und damit keine offenbar unbillige Entscheidung dar. Es hätte dem Kläger daher oblegen, einen substantiierten und schlüssigen Tatsachenvortrag dafür zu erbringen, daß dennoch eine Unbilligkeit des Beschlusses der Arbeitsrechtlichen Kommission vorliegt (vgl. BGH NJW 1984, 43). Dafür hat der Kläger aber nichts vorgetragen.
f) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war die Arbeitsrechtliche Kommission auch berechtigt, durch den mit Wirkung ab 1. Oktober 1994 in Kraft getretenen Beschluß die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV für das laufende Jahr zu kürzen. Sie griff damit nicht rückwirkend in zugunsten des Klägers bereits entstandene Rechte ein.
Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kürzungsbeschlusses bereits einen – ggf. anteiligen – Anspruch auf die ungekürzte Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV erworben gehabt hätte.
aa) Ein solcher Anspruch des Klägers wäre nur entstanden, wenn es sich bei der Zuwendung um einen Vergütungsbestandteil handeln würde, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 Abs. 1 BGB) eingebunden wäre und mit dem kein weiterer Zweck verfolgt würde als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung. Solche “arbeitsleistungsbezogenen” Sonderzahlungen werden nämlich als Vergütungsbestandteile in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, jedoch aufgespart und dann am vereinbarten Fälligkeitstag ausbezahlt. In einem solchen Falle entstehen die Ansprüche auf die Sonderzahlung “pro rata temporis”, werden allerdings erst am vereinbarten Auszahlungstermin fällig (BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 – 10 AZR 984/94 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Um eine solche, in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehende Sonderzahlung handelt es sich bei der Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV aber nicht.
Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich alleine aus deren im Tarifvertrag normierten Voraussetzungen, Ausschluß- und Kürzungstatbeständen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 24. März 1993 (– 10 AZR 160/92 – AP Nr. 152 zu § 611 BGB Gratifikation) entschieden.
bb) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß Zweck der Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV nicht die Gewährung einer mit der Arbeitsleistung in einem Synallagma stehenden zusätzlichen Vergütung für jeden geleisteten Abrechnungszeitraum ist, die erst am tariflich vorgesehen Auszahlungstermin fällig wird.
Dies folgt zunächst daraus, daß Arbeitnehmer, die vor dem 1. Dezember eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, grundsätzlich keinen Anspruch auf eine anteilige Zuwendung haben, sondern nur dann, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Zuwendungs-TV vorliegt. Sollte mit der Zuwendung aber eine zusätzliche Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung gewährt werden, die aufgespart und erst am Auszahlungstag ausbezahlt werden soll, läge also eine “arbeitsleistungsbezogene” Sonderzahlung vor, so müßten alle Arbeitnehmer, die den Stichtag 1. Dezember, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Zuwendungs-TV, wegen ihres vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb nicht erreichen, ihre anteilig “verdiente” Zuwendung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt bekommen und nicht nur diejenigen Angestellten, die auf Grund der durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Zuwendungs-TV privilegierten Tatbestände aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.
Auch die tarifliche Regelung, daß Arbeitnehmer, die wegen der Ableistung von Grundwehrdienst und Zivildienst, wegen der Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG oder wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs im Kalenderjahr keine oder nur verminderte Bezüge erhalten haben, die Zuwendung dennoch ungekürzt erhalten, § 2 Abs. 2 Satz 2 Zuwendungs-TV, zeigt, daß die Zuwendung nicht als zusätzliche Arbeitsvergütung für in den einzelnen Abrechnungszeiträumen geleistete Arbeit zu betrachten ist. Die in dieser Tarifbestimmung genannten Arbeitnehmer erhalten nämlich eine ungekürzte Zuwendung, deren Höhe nicht vom Umfang der im Bezugszeitraum erbrachten Arbeitsleistung abhängig ist.
Daß Arbeitnehmer, die vor dem 31. März des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheiden, keinen Anspruch auf die Zuwendung haben und ggf. eine erhaltene Zuwendung zurückzahlen müssen, § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV, wenn nicht einer der Ausnahmefälle des § 1 Abs. 4 Zuwendungs-TV vorliegt, zeigt ebenfalls, daß die Zuwendung nicht eine reine, monatlich erdiente zusätzliche Vergütung darstellt, sondern auch dazu dient, den Angestellten zur Betriebstreue anzuhalten.
Daß die Zuwendung nicht alleine eine Gegenleistung für geleistete Dienste ist, sondern daß sie auch eine Belohnung für erwiesene Betriebstreue darstellt, folgt auch daraus, daß Angestellte, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Oktober eines Kalenderjahres begründet worden ist und die im laufenden Kalenderjahr nicht insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben oder stehen, für dieses Kalenderjahr keinen Anspruch auf eine Zuwendung erwerben, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Zuwendungs-TV.
Demnach ist der Anspruch des Klägers auf eine Zuwendung für das Jahr 1994 erstmals am Stichtag, dem 1. Dezember 1994, entstanden. Der Anspruch richtet sich bezüglich seinen Voraussetzungen und seiner Höhe nach den zu diesem Zeitpunkt in Kraft befindlichen Bestimmungen.
Da auf Grund des am 1. Oktober 1994 in Kraft getretenen Beschlusses der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 8. September 1994 am 1. Dezember 1994 die Höhe der Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV für den Kläger um 20 % gekürzt war, ist für ihn nur ein Anspruch auf diese verminderte Zuwendung entstanden.
Deshalb ist seine Klage auf Zahlung der Differenz zu einer vollen Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV unbegründet, so daß die entgegenstehende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen war.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Walther, Staedtler
Fundstellen
Haufe-Index 872456 |
NZA 1997, 55 |