Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Sonderschullehrers
Leitsatz (redaktionell)
Sonderschullehrer mit pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen und einem vierjährigen Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachrichtung der Pädagogik der schulbildungsfähigen Schwachsinnigen mit der Berufsbezeichnung „Diplomlehrer für Hilfsschulen”; Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats aus den Urteilen vom 8. August 1996 – 6 AZR 230/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und vom 21. November 1996 – 6 AZR 444/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Juli 1995 – 9 Sa 1253/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 1. September 1965 bis zum 1. Juli 1969 eine Fachschulausbildung am Institut für Lehrerbildung in Auerbach und erwarb damit die Lehrbefähigung für den Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule.
Aufgrund eines vierjährigen Fernstudiums in den Jahren 1979 bis 1983 an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachrichtung „Pädagogik der schulbildungsfähigen Schwachsinnigen” erwarb der Kläger die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Diplomlehrer für Hilfsschulen” zu führen. Der Kläger ist an einer Sonderschule tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 29. August 1991 gilt für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in ihrer jeweiligen Fassung. Danach wurde der Kläger in VergGr. IV a BAT-O eingruppiert.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O zu. Aufgrund der tariflichen Bestimmungen richte sich die Eingruppierung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991. Danach erfülle er die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12, die der VergGr. III BAT-O entspreche. Er erteile Unterricht an einer Sonderschule und verfüge über ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren.
Ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O ergebe sich zumindest seit dem 1. Januar 1994 auch nach den TdL-Richtlinien. Seit diesem Zeitpunkt sei Vergütung nach VergGr. III (Fallgruppe 4) auch für Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer vorgesehen, die ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren absolviert hätten und Unterricht an einer Sonderschule erteilten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ab 1. Juli 1991 die Vergütung nach VergGr. III BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen auf die rückständigen Nettodifferenzbeträge seit dem 1. Januar 1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein höherer Vergütungsanspruch nicht zu. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12, da sich die geforderte Mindeststudiendauer von vier Jahren auf ein Direktstudium und nicht auf ein Fernstudium beziehe.
Der Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen der VergGr. III (Fallgruppe 4) der TdL-Richtlinien in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung, da er nicht über eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung als Diplomlehrer verfüge.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Wobei er seinen Klageantrag mit Zustimmung des Beklagten auf die Zeit bis zum 30. Juni 1995 beschränkt, nachdem er seit dem 1. Juli 1995 Vergütung nach VergGr. III BAT-O erhält. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1995 kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O zu.
I. Der Kläger hat weder nach den aufgrund der tariflichen Bestimmungen anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV noch nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit gelten für die Eingruppierung des Klägers folgende Bestimmungen:
a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991
…
3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …
b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 1 I BAT-O)
Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen)
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3 a
Zu §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.
…
c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl. I S. 1345)
§ 7
Besoldungsordnungen
(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …
Anlage 1
Besoldungsgruppe A 12
…
Sonderschullehrer 2) 4)
– als Sonderschulpädagoge im Unterricht an einer Sonderschule –
…
2) Als Eingangsamt.
…
4) Mit einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren.
2. Der Kläger ist Lehrkraft i.S.d. tariflichen Bestimmungen, da er an einer Sonderschule des Beklagten Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für seine Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden.
a) Die Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 1 I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV. Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist zulässig (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O und – 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Nach den aufgrund der tariflichen Verweisung anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV steht dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 12 entspricht, nicht zu.
b) Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der Fußnote 4 für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12.
Zwar ist er Sonderschullehrer, erteilt als Sonderschulpädagoge Unterricht an einer Sonderschule und hat ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert. Das Hochschulstudium umfaßt jedoch nicht die geforderte Dauer von mindestens vier Studienjahren im Sinne dieser Fußnote.
Nach der Rechtsprechung des Senats, für deren Begründung im einzelnen auf die Urteile vom 8. August 1996 (– 6 AZR 230/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) und vom 21. November 1996 (– 6 AZR 444/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) Bezug genommen wird, kann ein vierjähriges Fernstudium die in der Fußnote 4 zur Besoldungsgruppe A 12 geforderte Mindeststudiendauer von vier Studienjahren nicht erfüllen. Dies beruht darauf, daß der Verordnungsgeber mit dem Erlaß der 2. BesÜV der Ausbildung der Lehrer und dem Schulsystem in der ehemaligen DDR Rechnung tragen wollte. Danach konnte der vom Kläger als Diplomlehrer für Hilfsschulen erworbene Hochschulabschluß auch durch ein zweijähriges Direktstudium erworben werden. Ein Hochschulabschluß, der auch durch ein zweijähriges Studium erworben werden konnte, kann deshalb nicht gemeint sein, wenn der Verordnungsgeber der 2. BesÜV ein wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren voraussetzt.
c) Soweit der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bedenken gegen die Rechtsprechung des Senats in bezug auf die Eingruppierung von Sonderschullehrern deshalb erhoben hat, weil sie dazu führe, daß nicht alle Studiengänge im Sonderschulbereich, wie z.B. der des Lehrers für intellektuell Geschädigte mit einem zweijährigen Fernstudium (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. November 1996 – 6 AZR 464/95 – nicht veröffentlicht), zu einer vergütungsmäßigen Besserstellung führten, vermag der Senat dem keine Rechnung zu tragen.
Zum einen gehört der Kläger nicht zu dieser Gruppe der Lehrkräfte an Sonderschulen. Zum anderen liegt die Bewertung der Ausbildungsgänge im Hinblick auf ihre vergütungsrechtlichen Auswirkungen im Regelungsbereich der Tarifvertragsparteien, der jedenfalls nicht dadurch in rechtserheblicher Weise überschritten ist, daß nicht alle Zusatzqualifikationen ihre gesonderte vergütungsrechtliche Berücksichtigung gefunden haben.
3. Dem Kläger steht auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O nach den TdL-Richtlinien zu.
a) In den TdL-Richtlinien wurde in der im Klagezeitraum geltenden Fassung der Fallgruppe 3 der VergGr. III BAT-O ebenfalls ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Jahren gefordert. Diese Anforderung erfüllt der Kläger, wie ausgeführt wurde, nicht.
b) Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der Fallgruppe 4 der VergGr. III BAT-O in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung der TdL-Richtlinien. Diese hatte folgenden Wortlaut:
„Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen”.
Fallgruppe 4 der VergGr. III BAT-O erfordert damit, neben einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, dem nach der Bewertung der Zeiten eines Fernstudiums in der ab 1. August 1993 geltenden Fassung der TdL-Richtlinien (Abschn. E, Einl. Satz 3) das vierjährige Fernstudium des Klägers gleichzusetzen ist, eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung als Diplomlehrer (vgl. BAG Urteil vom 21. November 1996 – 6 AZR 444/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Über eine solche verfügt der Kläger, der eine Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen absolviert hat, nicht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Dr. Pühler, D. Knauß
Fundstellen