Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit und Vergütung der Rettungssanitäter
Orientierungssatz
1. Auslegung der §§ 14, 18, 21, 31, 47 und 65 des Tarifvertrages für die Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31.1.1984.
2. Der Senat folgt insoweit der Beurteilung des 7. Senats im Urteil vom 12. Februar 1986 - 7 AZR 358/84 = BAGE 51, 131, 138 = AP Nr 7 zu § 15 BAT, wonach nach diesen Maßstäben Wartezeiten von Rettungssanitätern zwischen ihren Einsätzen als Arbeitsbereitschaft zu werten sind, auch wenn dabei keine völlige Entspannung eintritt, weil mit der jederzeitigen Notwendigkeit der Arbeitsaufnahme gerechnet werden muß und nur "Splitterzeiten" von wenigen Minuten, die keine ins Gewicht fallende Entspannung ermöglichen und deshalb gegenüber der Vollarbeit keine mindere Leistung darstellen, außer Betracht zu bleiben haben.
3. Für die Annahme von Arbeitsbereitschaft ist lediglich erforderlich, daß der Arbeitnehmer aus seiner eigenen Betriebserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf seiner Tätigkeit erkennen könne, daß von ihm in bestimmten Tagesabständen, die nach ihrer zeitlichen Ausdehnung grundsätzlich zum Erreichen einer Entspannung geeignet seien, im allgemeinen keine Dienstverrichtungen zu leisten seien.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 03.09.1987; Aktenzeichen 13 (7) Sa 57/86) |
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 26.02.1986; Aktenzeichen 4 Ca 298/85) |
Tatbestand
Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ist, ist seit dem 1. Januar 1982 bei dem beklagten Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes als Rettungssanitäter in der Rettungswache W beschäftigt. Aufgrund des am 20. November 1981 geschlossenen Arbeitsvertrages erhielt er eine Gesamtvergütung, mit der alle Arbeitsleistungen abgegolten wurden. Diese Regelung galt bis zum Abschluß eines Tarifvertrages. Zum 1. Februar 1985 trat der Beklagte der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes bei. Seit diesem Zeitpunkt findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31. Januar 1984 (DRK-TV) Anwendung. Nach § 14 Abs. 1 DRK-TV beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich bzw. 174 Stunden monatlich. Sie kann nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängert werden, wenn regelmäßig Arbeitsbereitschaft anfällt. Aufgrund dieser tariflichen Bestimmung verlängerte der Beklagte die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers auf 217 Stunden monatlich, gemessen am Jahresdurchschnitt. In der Rettungswache W beträgt die durchschnittliche Einsatzfrequenz in einer Schicht von 12 Stunden am Tage 1,74 Einsätze und in der Nacht 0,99 Einsätze. Unter Berücksichtigung der außerhalb der Einsätze zu erledigenden Arbeiten entfallen bei einer Schichtdauer von 10 Stunden 8,3 Stunden auf Zeiten, in denen der Kläger auf den nächsten Einsatz wartet. Über die auf 217 Stunden verlängerte regelmäßige Arbeitszeit hinaus leistet der Kläger Bereitschaftsdienst, den der Beklagte nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen vergütet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er nicht tarifgerecht vergütet werde. Zunächst hat er geltend gemacht, daß ihm für die Monate Februar bis Mai 1985 eine tariflich vorgesehene Ausgleichszulage zustehe, da seine tarifliche Vergütung niedriger sei als die arbeitsvertraglich vereinbarte Gesamtvergütung. Darüber hinaus hat der Kläger für die über 174 Stunden bis auf 217 Stunden hinaus verlängerte Arbeitszeit Bereitschaftsdienstvergütung begehrt. In der zweiten Instanz hat der Kläger die Auffassung vertreten, daß ihm für diese Zeit Überstundenvergütung zustehe, und seinen Anspruch auf die tarifliche Ausgleichszulage nicht mehr verfolgt. Für die von dem Beklagten über 217 Stunden hinaus angeordneten Bereitschaftsdienste hat er ebenfalls Überstundenvergütung beansprucht und diese mit Schriftsatz vom 11. Juni 1986 für die Monate Februar bis Mai 1985 in Höhe von 3.384,53 DM brutto geltend gemacht.
Der Kläger meint, daß der Beklagte die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV über 174 Stunden hinaus verlängerte Arbeitszeit als Überstunden vergüten müsse, da die verlängerte Arbeitszeit nicht durch die Grundvergütung abgegolten sei. Den dadurch entstehenden Freizeitverlust brauche er nicht ohne gesonderte Vergütung hinzunehmen. Außerdem hätten die tariflichen Voraussetzungen für die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht vorgelegen. § 4 Abs. 3 der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und im Krankentransport gestatte eine Abweichung von der regelmäßigen Arbeitszeit nur bei Sondereinsätzen und in ungewöhnlichen Fällen. Sie komme damit nur in Ausnahmefällen in Betracht und dürfe im Rettungsdienst nicht die Regel sein. Außerdem könne die Zeit zwischen den Einsätzen nicht als Arbeitsbereitschaft im Tarifsinne angesehen werden, da während dieser Zeit auch andere Arbeiten zu erledigen seien und außerdem die durch einen Einsatz hervorgerufene psychische Belastung kompensiert werden müsse. Eine Entspannung während dieser Zeit sei mithin nicht möglich. Hinzu komme, daß der Zeitpunkt des nächsten Einsatzes und damit auch die Dauer der Entspannungszeit nicht voraussehbar sei. Diese Umstände bedingten außerdem, daß die über 217 Stunden hinaus geleisteten und entsprechend vergüteten Bereitschaftsdienstzeiten als Überstunden zu vergüten seien.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.298,31 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet worden sei. Nach § 21 Abs. 3 DRK-TV sei mit der Vergütung die regelmäßige Arbeitszeit abgegolten. Regelmäßige Arbeitszeit in diesem Sinne sei auch die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit. Dies gelte auch für die tarifliche Bestimmung des § 4 Abs. 3 der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport, in der nur geregelt sei, in welchen Fällen eine Inanspruchnahme auch über die verlängerte regelmäßige Zeit hinaus im Rettungsdienst zulässig sei. Die tariflichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Arbeitszeit des Klägers auf jahresdurchschnittlich 217 Stunden pro Monat seien erfüllt, da in die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers nach den ermittelten Einsatzfrequenzen und unter Berücksichtigung der übrigen Arbeiten noch in erheblichem Umfange Arbeitsbereitschaft falle. In der einsatzlosen und nicht mit sonstigen Arbeiten ausgefüllten Zeit müsse der Kläger nur in der Rettungswache anwesend sein. Er könne schlafen, fernsehen, lesen oder Karten spielen. Daß die Lage dieser Zeiten nicht voraussehbar sei, sei für den Beruf des Rettungssanitäters typisch und hindere ihre Beurteilung als Arbeitsbereitschaft im Tarifsinne nicht.
Weiter erwidert der Beklagte, soweit der Kläger Ansprüche auf Überstundenvergütung für die über 217 Stunden hinaus geleisteten Bereitschaftsdienste beanspruche, seien seine Ansprüche nach § 65 DRK-TV verfallen, da sie nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist geltend gemacht worden seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in dem in der zweiten Instanz zur Entscheidung gestellten Umfange weiter. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum Teil unzulässig, im übrigen ist sie unbegründet. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger den Betrag von 3.384,53 DM brutto nebst Zinsen als Überstundenvergütung für die über 217 Stunden monatlich hinaus angeordneten Bereitschaftsdienstzeiten geltend macht. Im übrigen ist die Revision unbegründet. Der Kläger kann für die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV von 174 auf 217 Stunden monatlich verlängerte Arbeitszeit keine Überstundenvergütung beanspruchen. Die wegen der anfallenden Bereitschaftsdienstzeiten zulässigerweise verlängerte Arbeitszeit gehört zur regelmäßigen Arbeitszeit, die nach § 21 Abs. 3 DRK-TV mit der Vergütung abgegolten ist.
Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung von 3.384,53 DM brutto nebst Zinsen als Differenzbetrag zwischen der ihm gezahlten Bereitschaftsdienstvergütung und der Überstundenvergütung für Bereitschaftsdienstzeiten begehrt, die der Beklagte über die auf 217 Stunden verlängerte Arbeitszeit hinaus angeordnet hat. Es handelt sich hierbei um einen selbständigen Anspruch des Klägers, der auf einem von der übrigen Klageforderung unabhängigen Sachverhalt beruht. Der Kläger begehrt nämlich insoweit eine höhere Vergütung für geleisteten Bereitschaftsdienst, während er im übrigen Überstundenvergütung für die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit beansprucht. Demgemäß hat sich das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auch gesondert mit beiden Ansprüchen befaßt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß in der Revisionsbegründung in einem solchen Falle zu jedem einzelnen Anspruch dargelegt werden, aus welchen Gründen die Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig gehalten werde. Wird zu einem Anspruch nichts vorgetragen, so ist die Revision insoweit unzulässig (BAGE 2, 58, 59 = AP Nr. 2 zu § 554 ZPO; Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 1/75 - AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision). Dies trifft vorliegend hinsichtlich der vom Kläger in Höhe von 3.384,53 DM brutto nebst Zinsen geltend gemachten Überstundenvergütung für die in den Monaten Februar 1985 bis Mai 1985 über 217 Stunden monatlich hinaus geleisteten Bereitschaftsdienste zu. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insoweit mit der Begründung abgewiesen, daß der Anspruch nach § 65 DRK-TV verfallen sei, weil er erst mit Schriftsatz vom 11. Juni 1986 und damit nach Ablauf der sechsmonatigen Ausschlußfrist geltend gemacht worden sei. Dazu enthält die Revisionsbegründung keine Ausführungen, so daß die Revision insoweit unzulässig ist.
Soweit der Kläger im übrigen Überstundenvergütung für die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV von 174 auf 217 Stunden monatlich verlängerte Arbeitszeit begehrt, ist die Revision unbegründet.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für die Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31. Januar 1984 (DRK-TV) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Beurteilung der Frage, ob die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit mit der Vergütung abgegolten wird oder einen Anspruch auf Überstundenvergütung begründet, sind folgende tariflichen Bestimmungen heranzuziehen:
§ 21
Vergütungen und Löhne
......
(3) Mit der Vergütung ist die regelmäßige Arbeits-
zeit für die Angestellten nach § 14 abgegolten.
§ 14
Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich
der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich
bzw. 174 Stunden monatlich. ........
(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden
bis zu 10 Stunden täglich (durchschnittlich 50 Stun-
den wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine
Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens
zwei Stunden täglich fällt,
bis zu 11 Stunden täglich (durchschnittlich 55
Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig
eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich
mindestens drei Stunden täglich fällt,
........
§ 18
Überstunden
......
(2) Überstunden sind die auf Anordnung geleisteten
Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regel-
mäßigen Arbeitszeit für die Woche dienstplanmäßig
bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden
hinausgehen.
Nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen des § 21 Abs. 3 DRK-TV ist mit der Vergütung die regelmäßige Arbeitszeit nach § 14 DRK-TV abgegolten. § 21 Abs. 3 DRK-TV verweist somit auf die gesamte Vorschrift des § 14 DRK-TV. Daraus folgt, daß mit der Vergütung nicht nur die regelmäßige Arbeitszeit von 174 Stunden monatlich nach § 14 Abs. 1 DRK-TV, sondern auch die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit abgegolten wird. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, daß § 21 Abs. 3 nur auf die regelmäßige Arbeitszeit nach § 14 Abs. 1 DRK-TV Bezug nehme, ist dies in der tariflichen Bestimmung nicht zum Ausdruck gekommen.
Daß die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit im Tarifsinne gehört, folgt auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, der bei der Tarifauslegung neben dem Tarifwortlaut gleichermaßen zu berücksichtigen ist (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Nach § 14 Abs. 2 DRK-TV kann die regelmäßige Arbeitszeit nach näherer tariflicher Maßgabe verlängert werden. Auch die verlängerte Arbeitszeit wird somit von den Tarifvertragsparteien als regelmäßige Arbeitszeit bezeichnet. Gleiches folgt aus den tariflichen Bestimmungen der §§ 31 Abs. 1 und 47 Abs. 6 DRK-TV, in denen die Tarifvertragsparteien den Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit in einem Klammerzusatz jeweils unter Einbeziehung der nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerten Arbeitszeit erläutern. Dem Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit kommt auch in § 18 Abs. 2 DRK-TV keine andere Bedeutung zu. Wenn die Tarifvertragsparteien in dieser tariflichen Bestimmung Überstunden als diejenigen Arbeitsstunden bezeichnen, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen, so kann es sich insoweit auch nur um Arbeitsstunden handeln, die über die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit hinausgehen. Zutreffend verweist das Landesarbeitsgericht zur Auslegung des Begriffes der regelmäßigen Arbeitszeit in § 18 Abs. 2 Unterabs. 1 DRK-TV nämlich auf die Regelung in § 18 Abs. 2 Unterabs. 3 DRK-TV. Diese fingiert allein die zur Ableistung von Vor- und Nacharbeiten nach § 14 Abs. 3 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit für die Vergütungsberechnung als Überstunden. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß auch die zur Ableistung von Vor- und Nacharbeiten verlängerte Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit gehört, jedoch in diesen Fällen als Ausnahmeregelung eine Überstundenvergütung gezahlt werden soll, weil insoweit in vollem Umfange Arbeitsleistungen erbracht werden. In den Fällen der Verlängerung der Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verbleibt es demgegenüber bei der Regelung des § 21 Abs. 3 DRK-TV, wonach auch die verlängerte Arbeitszeit mit der Vergütung abgegolten ist und keinen Anspruch auf Überstundenvergütung begründet.
Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht auch an, daß der Verlängerung der Arbeitszeit für den Kläger nach § 14 Abs. 2 DRK-TV von 174 auf 217 Stunden monatlich nicht die tarifliche Bestimmung des § 4 Abs. 3 der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport (SR 2) entgegenstand. § 4 Abs. 3 SR 2 hat folgenden Wortlaut:
§ 4
Besondere Pflichten
(1) ....
(2) ....
(3) Von der regelmäßigen Arbeitszeit kann abgewichen
werden bei Sondereinsätzen und in außergewöhn-
lichen Fällen, in denen ein über die regelmäßige
Arbeitszeit hinausgehender Einsatz angeordnet ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers wird durch diese Regelung die Befugnis des Beklagten, eine Verlängerung der Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV anzuordnen, nicht eingeschränkt. In § 4 Abs. 3 SR 2 kommt nicht zum Ausdruck, daß hier die Tarifvertragsparteien dem Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit eine andere Bedeutung als in den sonstigen tariflichen Bestimmungen beimessen wollen. Demgemäß umfaßt die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Abs. 3 SR 2 auch die nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerte Arbeitszeit. Nur soweit der Beklagte darüber hinaus Personal im Rettungsdienst und im Krankentransport einsetzen will, ist er an die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 SR 2 gebunden. § 4 Abs. 3 SR 2 begründet damit, wie auch die Überschrift dieser tariflichen Bestimmung ausdrücklich ausweist, eine besondere Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport in Konkretisierung der allgemeinen Regelung des § 18 Abs. 1 DRK-TV, die die Anordnung von Überstunden nur im Notfall und bei dringenden betrieblichen Gründen zuläßt. Die tarifliche Bestimmung des § 4 Abs. 3 SR 2 enthält demgegenüber keine Einschränkung der Befugnis des Beklagten, bei anfallender Arbeitsbereitschaft die Arbeitszeit nach näherer tariflicher Maßgabe des § 14 Abs. 2 DRK-TV zu verlängern. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, würde eine solche Auslegung auch zu keiner vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führen (BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), da gerade für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport Arbeitsbereitschaftszeiten typisch und unumgänglich sind. Im übrigen haben die Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom 1. Januar 1988 in der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport eine Verpflegungsmehraufwandsentschädigung bei nach § 14 Abs. 2 DRK-TV verlängerter Arbeitszeit vorgesehen. Dies macht deutlich, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß auch bei Rettungssanitätern die Arbeitszeit zulässigerweise nach § 14 Abs. 2 DRK-TV und nicht nur in den Fällen des § 4 Abs. 3 SR 2 (jetzt § 5 Abs. 3 SR 2) verlängert werden kann.
Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lagen die tariflichen Voraussetzungen zur Verlängerung der Arbeitszeit des Klägers als Rettungssanitäter in der Rettungswache W in den Monaten Februar 1985 bis Mai 1985 nach § 14 Abs. 2 DRK-TV von 174 auf 217 Stunden vor. Mit der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit von 174 auf 217 Stunden monatlich hat der Beklagte von der Möglichkeit nach § 14 Abs. 2 Unterabs. 1 DRK-TV Gebrauch gemacht, wonach die Arbeitszeit bis zu 10 Stunden täglich (durchschnittlich 50 Stunden wöchentlich) verlängert werden kann, wenn regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens 2 Stunden täglich anfällt. Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht vorliegend festgestellt. Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit auf die Darlegung der Beklagten im Berufungsrechtszug Bezug, die vom Kläger substantiiert nicht bestritten worden ist. Danach fielen, wie durch ein Gutachten ermittelt worden war, in der Rettungswache W bei einer Schicht von 10 Stunden durchschnittlich 8,3 Stunden und damit weit mehr als tariflich gefordert an, in denen der Kläger weder im Einsatz war noch sonstige Arbeiten zu verrichten hatte. Entgegen seiner Auffassung sind in den von dem Beklagten angeführten Arbeitsbereitschaftszeiten nämlich bereits Zeiten, die der Kläger zum Reinigen der Fahrzeuge und Gerätschaften, zur Überprüfung der Medikamente und für Verwaltungsarbeiten benötigt, berücksichtigt.
Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht auch aus, daß es sich bei den Zeiten, in denen der Kläger auf den nächsten Einsatz wartet, ohne sonstige Arbeiten zu verrichten, um Arbeitsbereitschaft im Tarifsinne handelt. Mit dem Begriff der Arbeitsbereitschaft verwenden die Tarifvertragsparteien einen Begriff, der in der Rechtsterminologie einen festbestimmten Inhalt hat. Demgemäß ist davon auszugehen, daß er von ihnen in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung angewendet werden sollte (BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB). Danach handelt es sich bei Arbeitsbereitschaft um "Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustande der Entspannung" (vgl. BAG Urteil vom 10. Juni 1959 - 4 AZR 567/56 - AP Nr. 5 zu § 7 AZO; BAGE 18, 273, 276 = AP Nr. 1 zu § 15 BAT; BAGE 18, 256, 266 = AP Nr. 3 zu § 13 AZO; BAG Urteil vom 28. Januar 1981 - 4 AZR 892/78 - AP Nr. 1 zu § 18 MTL II; BAG Urteil vom 30. Januar 1985 - 7 AZR 446/82 - AP Nr. 2 zu § 35 BAT; BAGE 51, 131, 138 = AP Nr. 7 zu § 15 BAT; Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 7 Rz 24; Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl., § 2 Anm. 24 ff.; Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 31). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von der jeweils vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung her zu bestimmen; ihr gegenüber stellt die Arbeitsbereitschaft eine mindere Leistung dar, die den Arbeitnehmer erheblich weniger als die volle Arbeit beansprucht und damit einen Entspannungszustand ermöglicht. Andererseits ist die Arbeitsbereitschaft von der Pause zu unterscheiden, in der sich der Arbeitnehmer nicht "in wacher Achtsamkeit" zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereitzuhalten braucht.
Der Senat folgt insoweit der Beurteilung des 7. Senats im Urteil vom 12. Februar 1986 - 7 AZR 358/84 - (BAGE 51, 131, 138 = AP Nr. 7 zu § 15 BAT), wonach nach diesen Maßstäben Wartezeiten von Rettungssanitätern zwischen ihren Einsätzen als Arbeitsbereitschaft zu werten sind, auch wenn dabei keine völlige Entspannung eintritt, weil mit der jederzeitigen Notwendigkeit der Arbeitsaufnahme gerechnet werden muß und nur "Splitterzeiten" von wenigen Minuten, die keine ins Gewicht fallende Entspannung ermöglichen und deshalb gegenüber der Vollarbeit keine mindere Leistung darstellen, außer Betracht zu bleiben haben. Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht auch vorliegend bei der Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter in der Rettungswache Wildbad festgestellt. Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über die Warte- und Einsatzzeiten des Klägers und die Zeiten seiner sonstigen dienstlichen Beanspruchung sind von der Revision nicht angegriffen worden, so daß der Senat daran gebunden ist (§ 561 Abs. 2 ZPO).
Der Kläger sieht die rechtlichen Voraussetzungen zur Beurteilung der Wartezeiten als Arbeitsbereitschaft im Tarifsinne unter Bezugnahme auf ein Urteil des 2. Senats vom 14. April 1966 - 2 AZR 216/64 - (BAGE 18, 256 = AP Nr. 3 zu § 13 AZO) nicht als erfüllt an, weil für ihn nicht voraussehbar sei, wielange die Wartezeit jeweils dauere. Daß die Tarifvertragsparteien die Voraussehbarkeit der Dauer der Wartezeit als besondere Voraussetzung für die Annahme von Arbeitsbereitschaft im Sinne von § 14 Abs. 2 DRK-TV gefordert hätten, hat im Tarifvertrag keinen Ausdruck gefunden. Demgemäß hat auch der 7. Senat in dem angeführten Urteil ausgeführt, daß die Ungewißheit bei Beginn der jeweiligen Wartezeit über ihre Dauer in der Natur der Tätigkeit eines Rettungssanitäters liege und das Eintreten einer Entspannung nicht hindere, wenn der Rettungssanitäter aufgrund der für seine Dienststelle vorliegenden Erfahrungswerte davon ausgehen könne, daß bis zum nächsten Einsatz in der Regel nicht lediglich eine "Verschnaufpause" von weniger als 10 Minuten eintreten werde. Für die Annahme von Arbeitsbereitschaft sei lediglich erforderlich, daß der Arbeitnehmer aus seiner eigenen Betriebserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf seiner Tätigkeit erkennen könne, daß von ihm in bestimmten Tagesabständen, die nach ihrer zeitlichen Ausdehnung grundsätzlich zum Erreichen einer Entspannung geeignet seien, im allgemeinen keine Dienstverrichtungen zu leisten seien. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lagen die genannten Voraussetzungen bei der Tätigkeit des Klägers auch vor, da er bei Wartezeiten von durchschnittlich 8,3 Stunden innerhalb einer 10-Stunden-Schicht sicher damit rechnen konnte, daß er insgesamt mindestens zwei Stunden pro Tag und jeweils mehr als nur eine kurze Zeitspanne von wenigen Minuten nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werden würde, so daß ihm eine Entspannung während dieser Zeit möglich sein werde.
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag
H. Pallas Brocksiepe
Fundstellen