Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalratstätigkeit-Entgelt
Leitsatz (redaktionell)
Eine im Sinne von § 42 Abs 2 S 1 PersVG Rheinland-Pfalz erforderliche Arbeitsversäumnis eines Personalratsmitglieds bedarf nicht der Einwilligung des Dienststellenleiters. Ein Personalratsmitglied kann nicht allgemein darauf verwiesen werden, die von ihm ausgeübte Tätigkeit habe auch von einem freigestellten Mitglied verrichtet werden können. Maßgeblich ist jeweils, ob im Einzelfall das Personalratsmitglied die von ihm wahrgenommene Tätigkeit für erforderlich halten konnte.
Normenkette
PersVG RP §§ 68, 32, 48 Abs. 1; BPersVG § 46 Abs. 2 S. 1; PersVG RP § 42 Abs. 2 S. 1, § 72 Abs. 2 S. 6
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 24.06.1983; Aktenzeichen 6 (3) Sa 337/83) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 02.03.1983; Aktenzeichen 4 Ca 2312/82) |
Tatbestand
Die der Gewerkschaft ÖTV angehörige, bei dem Beklagten angestellte Klägerin wird auf dem Campus der J - Universität M als Chemielaborantin beschäftigt. Sie verlangt die ungekürzte Auszahlung ihres August-Gehalts für 1982, von dem der Beklagte einen anteiligen Betrag für insgesamt 17 Fehlstunden in der Zeit vom 16. Februar 1982 bis 20. April 1982 einbehalten hat. Die Klägerin macht geltend, zu den fraglichen Zeiten jeweils die Arbeitszeit wegen erforderlicher Personalratstätigkeit versäumt zu haben.
Die Klägerin war im Jahre 1975 gewähltes Mitglied der Jugendvertretung, seit 1976 Ersatzmitglied des Personalrats und seit 1978 ordentliches Personalratsmitglied des für die Teildienststelle Campus der J-Universität M gewählten Personalrats. Bei der Neuwahl des Personalrats im Jahre 1980 waren ca. 3.200 Verwaltungsangehörige wahlberechtigt. Es waren 17 Personalratsmitglieder zu wählen. Die Klägerin wurde wiedergewählt. Neben diesem Personalrat für den Campus bestand ein weiterer Personalrat für den Bereich des Klinikums der Universität und ein aus neun Mitgliedern gebildeter Gesamtpersonalrat. Zwischen dem für den Bereich des Campus gewählten Personalrat und dem Präsidenten der Universität bestanden von Anfang an Meinungsverschiedenheiten wegen des Umfangs der Freistellung von Personalratsmitgliedern, die sich auch auf eine vom Personalrat begehrte Freistellung der Klägerin bezogen. Die Amtszeit des Personalrats endete im Oktober 1982. Vorausgegangen war ein Antrag des Dienststellenleiters auf Auflösung des Personalrats beim Verwaltungsgericht Mainz. Bereits im Sommer 1982 waren vier Personalratsmitglieder von ihrem Amt zurückgetreten.
Von den Personalratsmitgliedern waren im Rahmen der vom Universitätspräsidenten als Dienststellenleiter eingeräumten Freistellungsquote von 250 % bis zum Sommer 1982 alle Vorstandsmitglieder zwischen 25 v.H. und 75 v.H. ihrer Arbeitszeit von der Arbeit freigestellt.
Der Klägerin waren nach der Geschäftsverteilung im Personalrat als Aufgaben übertragen: Personalangelegenheiten (einschl. der jeweiligen Tarifgebiete), Sozialangelegenheiten, Kindergartenausschuß, Arbeitssicherheit, allgemeine Fragen der Gesundheit und Betreuung der Jugendvertretung.
Die Klägerin versäumte am 16. Februar 1982 vier Stunden, am 23. März 1982 eine Stunde, am 7. April 1982 vier Stunden, am 15. April 1982 vier Stunden und am 20. April 1982 vier Stunden Arbeitszeit. Vorausgegangen war jeweils eine Abmeldung der Klägerin mit einem Formularschreiben des Personalrats, in dem auf einen Beschluß des Personalrats verwiesen und die wahrzunehmende Aufgabe mit einer Vorschrift des LPersVG bezeichnet worden ist. Lediglich für den 20. April 1982 ist die Aufgabe mit "Nachbereitung von Beschlüssen zu § 80 LPersVG einschl. Auswertung prozeßverwertbarer Fälle" konkret angegeben worden.
Mit Schreiben vom 14. Mai 1982 behielt der Präsident sich vor, den auf die entsprechenden Fehlzeiten entfallenden Anteil der Dienstbezüge im Wege der Aufrechnung durchzusetzen. Mit der Gehaltsabrechnung vom 3. August 1982 wurden 220,85 DM mit dem Hinweis "Rückforderung von Fehlzeiten" vom Gehalt abgezogen. Die Klägerin hat am 3. Januar 1983 in diesem Rechtsstreit erstmals die Notwendigkeit der Arbeitsversäumnis näher erläutert: Am 16. Februar 1982 habe sie entsprechend den Beschlüssen des Personalrats B 21/90 und B 23/90 die Beschwerde- und Eingruppierungskartei bearbeitet und zugleich noch ein von ihr auf der kurz danach stattgefundenen Personalversammlung zu haltendes "Referat" vorbereitet. Der zeitliche Anteil der für die Kartei aufgewandten Zeit könne nicht mehr aufgeschlüsselt werden. Sie habe die neu eingegangenen schriftlichen Beschwerden und Anregungen der Beschäftigten für eine höhere Eingruppierung überprüft, karteimäßig aufgenommen und für die weitere Sachbehandlung vorbereitet. Die in der Kartei bereits gespeicherten Informationen habe sie sich für die Ausarbeitung einer mündlichen Stellungnahme auf der Personalversammlung nutzbar gemacht. Der Personalrat habe auf der Versammlung über die von dem Dienststellenleiter gegen den Personalrat erhobenen Vorwürfe, die zur Einleitung des Auflösungsverfahrens beim Verwaltungsgericht geführt haben, berichten müssen. Diese Vorwürfe seien wegen eines vom Personalrat an die Verwaltungsangehörigen verteilten Flugblattes, in dem die Eingruppierungspraxis beanstandet worden sei, erhoben worden. Am 23. März 1982 habe sie im Auftrage des Personalrats an einer Besprechung der Personalabteilung mit der Jugendvertretung zur Frage der für die Jugendversammlung interessierenden Situation der Ausbildungsplätze teilgenommen. Am 7. April 1982 habe sie entsprechend einem weiteren Personalratsbeschluß 20 Verwaltungsangehörige durch das handschriftliche Ausfüllen eines für diesen Zweck entwickelten Vordrucks über den Sachstand der sie betreffenden personalvertretungsrechtlichen Angelegenheit unterrichtet und Hinweise zur weiteren Orientierung gegeben. Im Fall der Ablehnung einer gewünschten Maßnahme, z. B. einer Höhergruppierung, sei auch die Begründung der Beschlußfassung des Personalrats dem Betreffenden mitgeteilt worden. Am 15. April 1982 habe sie Unterlagen anhand der Beschwerde- und Eingruppierungskartei zur Rechtfertigung der im Flugblatt des Personalrats enthaltenen Beanstandungen der Verwaltungspraxis gesucht, um für den im Beschlußverfahren am 22. April 1982 stattfindenden Anhörungstermin über die Auflösung des Personalrats Beweismaterial vorlegen zu können. Am 20. April 1982 habe sie drei Stunden aufgewandt, um an der Jugendversammlung als beauftragtes Personalratsmitglied teilzunehmen. Anschließend habe sie dann noch eine Stunde benötigt, um die weitere Vorbereitung des gerichtlichen Anhörungstermins durch die Zusammenstellung von Unterlagen vorzunehmen.
Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, sie habe sich verpflichtet gefühlt, die ihr vom Personalrat aufgetragenen Aufgaben auszuführen, weil sie von den teilweise freigestellten Vorstandsmitgliedern erfahren habe, daß diese aus zeitlichen Gründen nicht zur Erledigung der laufenden Geschäfte in der Lage seien. Die außerhalb der Personalratssitzungen vom Vorstand wahrzunehmenden Geschäfte seien ohne Berücksichtigung der Verhinderungsfälle wie Krankheit, Urlaub etc. wöchentlich bereits auf 159,5 Stunden zu veranschlagen. Bei der teilweisen Freistellung von sechs Vorstandsmitgliedern für insgesamt 100 Stunden sei es einsichtig, daß der Personalrat auch andere Mitglieder habe heranziehen müssen, wenn er seine Aufgaben nicht habe vernachlässigen wollen.
Die Klägerin hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen an sie 220,85 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab Klagezustellung zu bezahlen. Der Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klägerin habe erkennen müssen, daß der Personalrat durch seine Arbeitsverteilung die Freistellungsquote des 2,5-fachen der regelmäßigen Arbeitszeit einer Verwaltungsangehörigen unterlaufen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat lediglich die 4-stündige Arbeitsversäumnis der Klägerin am 7. April 1982 zur Unterrichtung von Betroffenen als ein von freigestellten Vorstandsmitgliedern wahrzunehmendes Amtsgeschäft angesehen, dessen Übernahme die Klägerin hätte ablehnen müssen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und der Berufung der Klägerin stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 611 BGB in Verb. mit § 26 BAT einen Anspruch auf Zahlung des vom Gehalt für August 1982 einbehaltenen Betrags von 220,85 DM. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit angeblichen Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe dieses Betrags für 14 überzahlte Stunden in den Monaten Februar bis April 1982 hat nicht das Erlöschen des Restgehaltsanspruchs i.S. des § 389 BGB bewirkt. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß dem Beklagten die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nicht zustanden.
a) Zwar besteht nach der zwischen den tarifgebundenen Parteien anzuwendenden Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 3 BAT kein Anspruch der Klägerin auf Vergütung der 17 Stunden am 16. Februar, 23. März, 7. April, 15. April und 20. April 1982, die sie ohne Genehmigung ihres Arbeitgebers der Arbeit ferngeblieben ist. Dies berechtigt den Beklagten jedoch nicht, die jeweilige monatliche Vergütung anteilig gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BAT zu vermindern; denn der unverminderte arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch bleibt der Klägerin trotz dieser ungenehmigten Arbeitsversäumnis nach § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG Rheinland-Pfalz (LPersVG) erhalten. Die i.S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG erforderliche Arbeitsversäumnis bedarf nämlich nicht der Einwilligung des Dienststellenleiters. Die gesetzliche Vorschrift läßt vielmehr bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen die Arbeitspflicht entfallen (vgl. Ruppert, Personalvertretungsrecht Rheinland- Pfalz, 4. Aufl., § 42 Rz 6; für den vergleichbaren § 37 Abs. 2 BetrVG: BAG 4, 75, 79 = AP Nr. 4 zu § 37 BetrVG; BAG Urteil vom 19. Juni 1979 - 6 AZR 638/77 - AP Nr. 36 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 37 Rz 28 mit weiteren Nachweisen; für den inhaltsgleichen § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG: Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, BPersVG, 5. Aufl., § 46 Rz 9; a.A. Dietz/ Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 21).
Für die Auffassung von Dietz/Richardi (aaO), nach der die Arbeitsbefreiung noch eines einseitigen Gestaltungsaktes bedarf, findet sich keine Grundlage im Gesetz. Das Bundes-Personalvertretungsgesetz und das Landes-Personalvertretungsgesetz sind vergleichbar aufgebaut: In § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG und in § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG wird die Entgeltfortzahlung für notwendige Arbeitsversäumnis bei der Durchführung von Personalratsaufgaben und im jeweiligen Abs. 3 eine Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit geregelt. Daraus ergibt sich, daß nicht immer dann, wenn eine Verpflichtung zur Fortzahlung des Entgelts bei erforderlicher Arbeitsversäumnis besteht, eine Freistellung im Sinne des Abs. 3 vorausgehen muß (vgl. insoweit schon zum BetrVG 1952 BAG 4, 75, 78).
b) Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin habe für die Arbeitsversäumnis von 17 Stunden ihren Vergütungsanspruch verloren, weil sie ihren Arbeitgeber nicht ausführlich genug über den jeweiligen Anlaß der Arbeitsversäumnis unterrichtet habe, verkennt sie die rechtliche Bedeutung der Abmeldepflicht. Das Personalratsmitglied ist gesetzlich unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG von der Arbeitspflicht befreit, muß sich aber beim Verlassen des Arbeitsplatzes abmelden. Diese Abmeldepflicht ist auf eine stichwortartige Beschreibung des Gegenstands der Personalratsarbeit nach Art, Ort und Zeit beschränkt (vgl. BAG, aaO, AP Nr. 36, 39 zu § 37 BetrVG 1972 und BAG 43, 109, 112 = AP Nr. 45 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe). Verletzt der Arbeitnehmer durch eine nicht ordnungsgemäße Abmeldung seine Pflicht, hat dies auf den Vergütungsanspruch keine Auswirkung. Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen, den Arbeitnehmer deshalb abzumahnen (vgl. BAG, aaO, AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG) oder ihn zum Ersatz eines etwa dadurch schuldhaft verursachten Schadens heranzuziehen (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 37 Rz 28). Ein derartiger Schadensersatzanspruch ist aber weder geltend gemacht, noch der Eintritt eines Schadens überhaupt vorgetragen worden.
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch keine Verwirkung der anteiligen Gehaltsansprüche für Februar, März und April 1982 dadurch eingetreten, daß die Klägerin erst vor dem Arbeitsgericht die Art der während der Arbeitsversäumnis ausgeübten Tätigkeit für den Personalrat eingehend beschrieben hat. Die Ansprüche der Klägerin waren bereits durch die Gehaltszahlungen jeweils noch im laufenden Monat erfüllt. Es bedurfte daher nicht mehr einer Geltendmachung dieser Ansprüche durch die Klägerin. Die Revision verkennt, daß hier nicht die Klägerin die Erfüllung dieser Ansprüche begehrt, sondern der Beklagte die Rechtsgrundlosigkeit seiner Zahlungen geltend macht. Schon aus diesem Grund kann die erneute Berufung der Klägerin auf den Rechtsgrund der bereits erfüllten Vergütungsansprüche, nämlich § 611 BGB in Verb. mit § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG, nicht illoyal verspätet sein. Im übrigen kann dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit der Rechtsverteidigung in einem Rechtsstreit als "verspätet" verwehrt werden, der drei Monate nach der Einbehaltung - also lange vor Ablauf der Ausschlußfrist des § 70 BAT - anhängig gemacht worden ist.
2. Die Klägerin hat die volle Vergütung in den Monaten Februar, März und April 1982 mit rechtlichem Grund erlangt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzung für die Erhaltung des Vergütungsanspruchs auch für die 17 Stunden Arbeitsversäumnis nach § 611 BGB in Verb. mit § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG als erfüllt angesehen, da die Versäumnis der Arbeitszeit durch die Klägerin zur ordnungsgemäßen Durchführung der Personalratsaufgaben jeweils erforderlich war. Mit dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß das Versäumen der Arbeit am 16. Februar, 23. März, 7. April, 15. April und 20. April 1982 jeweils objektiv der Durchführung der dem Personalrat obliegenden Aufgaben diente.
a) Bezüglich der vierstündigen Fehlzeit am 16. Februar 1982 für das Ausarbeiten einer mündlichen Stellungnahme im Namen des Personalrats in dem akuten Fall der Auseinandersetzung mit dem Dienststellenleiter und der damit verbundenen Aufbereitung der Beschwerde- und Eingruppierungskartei ergibt sich die Zugehörigkeit zur Aufgabenstellung des Personalrats aus der Berichtspflicht des Personalrats an die Personalversammlung nach § 48 Abs. 1 LPersVG.
b) Die einstündige Fehlzeit vom 23. März 1982 zur Teilnahme an einem Gespräch zwischen Jugendvertretung und Personalvertretung über die Situation der Ausbildungsplätze dient der von § 68 Abs. 1 g LPersVG geforderten engen Zusammenarbeit zwischen Personalrat und Jugendvertretung zur Förderung der Belange der jugendlichen Mitarbeiter.
c) Die vierstündige Arbeitsversäumnis am 7. April 1982, in der die Klägerin 20 Verwaltungsangehörige entsprechend einem Beschluß des Personalrats von den sie betreffenden personellen Maßnahmen auf für diesen Zweck vom Personalrat entwickelten Vordrucken handschriftlich unterrichtet hat, stellt entgegen der Auffassung der Revision eine in die Zuständigkeit des Personalrats fallende Tätigkeit dar. Zwar besteht bei einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nach § 72 Abs. 2 Satz 6 LPersVG eine Pflicht zur Anhörung des betroffenen Mitarbeiters nur, soweit Dienststellenleiter oder Personalrat Umstände geltend gemacht haben, die sich möglicherweise nachteilig für den Verwaltungsangehörigen auswirken. Daraus kann aber nicht umgekehrt - wie die Revision meint - abgeleitet werden, daß es dem Personalrat verwehrt wäre, Mitarbeiter anzuhören und anschließend über die Auffassung des Personalrats zu unterrichten. Diese § 90 Satz 2 BBG, § 56 BRRG nachgebildete Anhörungspflicht soll den Verwaltungsangehörigen davor schützen, daß von Dienststellenleiter oder von Personalrat geltendgemachte Umstände sich zu seinem Nachteil auswirken, ohne daß er Gelegenheit hatte, zuvor dazu Stellung zu beziehen. Die Befugnis des Personalrats, den Verwaltungsangehörigen anzuhören und ihn zu unterrichten, ergibt sich demgegenüber aus der allgemeinen Aufgabenstellung des Personalrats als eines von der Belegschaft zu ihrem Schutz gewählten Organs. In § 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist folgerichtig eine Verpflichtung des Betriebsrats aufgenommen worden, die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen der von ihnen angeregten Maßnahmen zu unterrichten. Darin wird eine über die bloße Unterrichtung hinausgehende Verpflichtung gesehen, gegebenenfalls auf eine Inanspruchnahme der Arbeitsgerichte oder eines anderen geeigneten Rechtsbehelfs hinzuweisen (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 80 Rz 11). Eine derartige ausdrückliche Verpflichtung ist im vergleichbaren § 68 LPersVG nicht enthalten. Damit entfällt zwar möglicherweise eine Rechtspflicht des Personalrats zur Unterrichtung, nicht jedoch seine Befugnis dazu.
Der Personalrat greift durch diese Art der Benachrichtigung entgegen der Ansicht der Revision auch nicht einseitig in den Dienstbetrieb ein. Eine derartige Unterrichtung ist nämlich keine durch § 76 LPersVG ausgeschlossene Anmaßung einer Direktionsbefugnis.
d) Die am 15. April 1982 für vier Stunden und am 20. April 1982 für eine Stunde zum Heraussuchen und Zusammenstellen von beweiskräftigen Unterlagen für den verwaltungsgerichtlichen Anhörungstermin zum Auflösungsantrag des Dienststellenleiters verwandte Arbeitszeit diente der Erfüllung der Aufgaben des Personalrats, nämlich seiner Rechtsverteidigung.
e) Schließlich ist auch die dreistündige Teilnahme der Klägerin an der jährlichen Jugendversammlung am 20. April 1982 während der Arbeitszeit gemäß § 65 Satz 4 LPersVG als ordnungsgemäße Wahrnehmung einer Aufgabe des Personalrats anzusehen.
3. Die Arbeitsversäumnis der Klägerin war auch erforderlich.
Das Revisionsgericht kann die von der Revision angegriffene Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Versäumnis der Arbeitszeit durch die Klägerin sei erforderlich gewesen, nur in beschränktem Umfang nachprüfen. Mit der Verwendung dieses Begriffs hat der Gesetzgeber die Würdigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles den Tatsachengerichten überlassen und diesen damit einen gewissen Beurteilungsspielraum gewährt, dessen richtige Anwendung in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur darauf überprüfbar ist, ob das Tatsachengericht ihn frei von Rechtsirrtum angewandt hat und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalles vollständig, ohne inneren Widerspruch und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erfolgt ist (BAG 14, 117, 120 = AP Nr. 8 zu § 37 BetrVG; BAG 25, 348 = AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972).
Die Ausführungen des angefochtenen Urteils sind bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs nicht zu beanstanden. Im einzelnen gilt dazu folgendes:
a) Das Landesarbeitsgericht hat den unbestimmten Rechtsbegriff Erforderlichkeit entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 37 Abs. 2 BetrVG zugrunde gelegt. Danach kommt es darauf an, ob die Klägerin bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs ihre Verhaltensweise in dieser Situation für notwendig halten konnte, um den dem Personalrat gestellten Aufgaben gerecht zu werden (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1982 - 6 ABR 86/79 - AP Nr. 42 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 1086/79 - AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972; Urteil vom 6. August 1981 = AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972). Nichts anderes gilt für den vergleichbaren § 42 Abs. 2 Satz 1 LPersVG (Ruppert, aaO, § 42 Rz 7; und zum wortgleichen § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG: Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 20; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, aaO, § 46 Rz 45).
b) Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision diesen Begriff jedenfalls im Ergebnis richtig angewandt.
Wie es sinngemäß ausgeführt hat, ist der die Erledigung der jeweiligen Aufgaben übertragende Beschluß des Personalrats notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Arbeitsbefreiung. Das Personalratsmitglied muß, wie man es von einem mit dem Personalvertretungsrecht vertrauten, durchschnittlichen Personalratsmitglied erwarten kann, selbst prüfen, ob der Personalrat ihm die Aufgaben übertragen darf. Nach dieser Prüfung mußte die Klägerin nicht davon ausgehen, daß es dem Personalrat gesetzlich verwehrt ist, ihr die wahrgenommenen Aufgaben zu übertragen.
Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 6. August 1981 (- 6 AZR 1086/79 - AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972) dargelegt, daß für die Erforderlichkeit der konkreten Betriebsratstätigkeit nicht auf eine durch die Anzahl der Freistellungen vorgegebene Obergrenze der Arbeitsversäumnis für die Wahrnehmung von laufenden Betriebsratsgeschäften abgestellt werden kann. Es ist daher unzulässig, ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied generell darauf zu verweisen, die Tätigkeit habe auch von einem freigestellten Mitglied verrichtet werden können. Diese Erwägung ist auch für das LPersVG maßgeblich. Wie in § 37 Abs. 2, § 38 BetrVG wird in § 42 Abs. 2 Satz 1 und § 42 Abs. 3 LPersVG zwischen der bei jedem Fall der Erforderlichkeit gesetzlich eintretenden Arbeitsbefreiung und der in einem besonderen, rechtsbegründenden Verfahren vorzunehmenden generellen Freistellung unterschieden. Wenn § 42 Abs. 3 LPersVG auch keine Freistellungsstaffel nach der Anzahl der Beschäftigten wie das Betriebsverfassungsgesetz enthält, sondern die Entscheidung über das ob und wieviel der Freistellung der Dienststelle bzw. im Streitfall dem Verwaltungsgericht nach den durch den Umfang und die Art der Dienststelle bedingten Erfordernissen vorbehält, so handelt es sich gleichfalls bei einer derartigen generellen Freistellung nicht um eine Obergrenze. Dies wird schon deshalb deutlich, weil der Umfang der erforderlichen Freistellung nur prognostisch durch Hochrechnung gewisser regelmäßig wiederkehrender Tätigkeit für die Zukunft ermittelt werden kann (vgl. LAG Frankfurt, Beschluß vom 28. Februar 1966 - 1 Ta BV 5/65 - AP Nr. 5 zu § 42 PersVG; Schelter, Personalvertretungsrecht, 1984, 13.4, S. 105). Davon unberührt muß die in einer konkreten Situation erforderliche Wahrnehmung von Betriebsrats- und Personalratsaufgaben bleiben, sei es, daß von dem einzelnen Personalratsmitglied eigenverantwortlich Aufgaben wahrzunehmen sind oder außergewöhnliche Aufgaben anfallen oder durch den ursprünglich zu gering geschätzten Anfall von Geschäftstätigkeiten die ordnungsgemäße Wahrnehmung der laufenden Aufgaben durch die freigestellten Betriebs- oder Personalratsmitglieder nicht mehr sichergestellt werden kann.
c) Die Übertragung der Aufgaben auf die Klägerin wird auch nicht durch die in § 32 LPersVG getroffene Regelung, daß der Vorstand die laufenden Geschäfte führt, ausgeschlossen. Es ist möglich, daß auch nicht den dem Vorstand angehörenden Personalratsmitgliedern abgegrenzte Arbeitsbereiche, in denen sie dem Personalrat zuarbeiten, im Rahmen einer vom Personalrat nach § 41 LPersVG mit 2/3-Mehrheit zu beschließenden Geschäftsordnung übertragen werden können. Eine Schranke für eine derartige Arbeitsverteilung ist, daß dadurch keine Behinderung oder Ausschaltung des Vorstands eintritt (Ruppert, aaO, § 32 Rz 6; OVG Lüneburg, Beschluß vom 2. Oktober 1957 - P OVG 8/57 - ZBR 1957, 413, 414). Dies ist angesichts des Umfangs und der Bedeutung der den teilweise freigestellten Vorstandsmitgliedern vorbehaltenen Arbeitsgebiete und der Tatsache, daß die Klägerin in den ihr zugeteilten Bereichen Personalangelegenheiten, Sozialangelegenheiten/Kindergartenausschuß, Arbeitssicherheit/allgemeine Fragen der Gesundheit jeweils nur Zweit- oder Drittbenannte neben einem oder zum Teil zwei freigestellten Vorstandsmitgliedern war, erkennbar nicht der Fall. Soweit der Klägerin ausschließlich die Betreuung der Jugendvertretung übertragen worden ist, spricht, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht herausgestellt hat, ihre besondere Erfahrung als ehemalige Jugendvertreterin und die damit gegenüber den anderen Personalratsmitgliedern hervorgehobene Sachkunde für ihre Beauftragung. Daß hier nicht unbedingt Vorstandsmitglieder die Zusammenarbeit zwischen Personalrat und Jugendvertretung pflegen müssen, zeigt die Vorschrift des § 65 Satz 4 LPersVG. Danach kann auch ein vom Personalrat beauftragtes "anderes Mitglied" an der Jugendversammlung für den Personalrat teilnehmen.
d) Die Klägerin konnte auch die Erledigung der Aufgaben als erforderlich ansehen.
Soweit die Klägerin an der jährlichen Jugendversammlung als Beauftragte des Personalrats teilgenommen hat, handelt es sich um die Wahrnehmung einer Pflichtaufgabe. Das grundlose Fernbleiben des Beauftragten des Personalrats wird als grobe Pflichtverletzung angesehen (vgl. Ruppert, aaO, § 65 Rz 3). Die Teilnahme an einer einstündigen Besprechung der Jugendvertretung mit der Personalverwaltung über die Situation der Ausbildungsplätze kann angesichts ihrer besonderen, für die Zusammenarbeit zwischen Jugendvertretung und Personalrat gewinnbringenden Erfahrung und Sachkunde und unter Berücksichtigung der zeitlichen und thematischen Nähe zur unmittelbar bevorstehenden Jugendversammlung, an der die Klägerin teilnehmen sollte, als unumgänglich angesehen werden. Die Beauftragung der Klägerin entspricht einer rationellen Vorgehensweise. Ein mit Jugendlichen nicht so vertrautes Vorstandsmitglied dürfte für die Vorbereitung dieser Angelegenheit erheblich mehr Zeit benötigt haben.
Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 26. Februar 1982 anhand der gespeicherten Informationen der Beschwerde- und Eingruppierungskartei ein "Referat" zu dem vom Dienststellenleiter beanstandeten Flugblatt des Personalrats, mit dem dieser über die nach seiner Ansicht fehlerhafte Eingruppierungspraxis informiert hat, vorbereitet und bei dieser Tätigkeit zugleich die Kartei vervollständigt. Soweit die Revision die Berechtigung der Klägerin verneint, an der Vorbereitung der Berichterstattung des Personalrats mitwirken zu dürfen, verkennt sie § 48 Abs. 1 LPersVG ("Der Personalrat muß"). Danach obliegt die Berichtspflicht nicht dem Personalratsvorsitzenden, sondern dem Personalrat insgesamt (Ruppert, aaO, § 48 Rz 1). Es kann daher angesichts der Bedeutung des Berichts des Personalrats an die Personalversammlung nicht beanstandet werden, wenn die Klägerin schon unter dem Gesichtspunkt der Rechenschaft über die eigene Amtsführung eine Stellungnahme ausarbeitet. Die mit der Vorbereitung verbundene Aufarbeitung der Kartei hat demgegenüber keine eigenständige Bedeutung.
Die Revision kann auch nicht mit Erfolg einwenden, das Landesarbeitsgericht habe den Vortrag des Beklagten unberücksichtigt gelassen, die formularmäßige Benachrichtigung der Beschäftigten sei ohne Arbeitsversäumnis durch die freigestellten Personalratsmitglieder durchführbar gewesen. Den knappen, aber nicht zu beanstandenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zu entnehmen, daß es davon ausgegangen ist, daß die Klägerin angesichts der von den freigestellten Mitgliedern geltend gemachten Überlastung keinen Anlaß hatte, zu argwöhnen, es sei mit der Übertragung dieser Aufgaben auf sie ein Unterlaufen der Freistellungsquote verbunden. Diese Erwägung ist widerspruchsfrei, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin die von ihr in beiden Tatsacheninstanzen substantiiert bestrittene Möglichkeit der Wahrnehmung der von ihr verrichteten Tätigkeiten durch die teilfreigestellten Vorstandsmitglieder hätte erkennen können, sind von der Revision nicht vorgebracht worden.
Soweit die Revision die insgesamt fünfstündige Suche und Zusammenstellung von Unterlagen zur Rechtsverteidigung in den vom Dienststellenleiter gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 LPersVG eingeleiteten Verfahren zur Auflösung des Personalrats als nicht erforderlich angreift, verkennt sie, daß der Personalrat als Ganzes von dem Verfahren betroffen ist. Zwar wird der Personalrat durch seinen Vorsitzenden in diesem Verfahren vertreten, aber die Möglichkeit der Rechtfertigung kann dem für seine eigene Amtsführung verantwortliche Personalratsmitglied - ebenso wie bei der Berichterstattung in der Personalversammlung - nicht abgeschnitten werden, auch wenn bei der beantragten Auflösung des Personalrats die Amtsführung des Personalrats als Kollektiv geprüft wird. Im übrigen ist auch die vom Landesarbeitsgericht angestellte Erwägung, daß die Klägerin von einer sachlichen Rechtfertigung der ihr übertragenen Aufgabenstellung ausgehen durfte, nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich schon aus der einige Wochen zuvor von der Klägerin für die Vorbereitung des Berichts für die Personalversammlung erworbenen speziellen Sachkenntnis von dem dem Auflösungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Linde Rose
Fundstellen
Haufe-Index 440795 |
BAGE 49, 378-390 (LT) |
BAGE, 378 |
AP § 42 LPVG Rheinland-Pfalz (LT), Nr 1 |
AR-Blattei, Personalvertretung VI Entsch 6 (LT) |
PersR 1986, 159-160 (ST1-4) |
PersV 1988, 190-194 (LT1) |
RiA 1986, 182-182 (T) |