Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsrechtliche Behandlung von Wendezeiten in Nahverkehrs-Tarifvertrag. Vergütungspflichtige Arbeitszeit und Wendezeiten im Personennahverkehr. Gleichbehandlungspflichten der Tarifvertragsparteien. Arbeitsschutz und tarifliche Vergütungsregelungen
Orientierungssatz
- § 9 Sparten-TV behandelt die fahrplanmäßigen Wendezeiten im öffentlichen Personennahverkehr nur insoweit als uneingeschränkt vergütungspflichtige Arbeitszeit, wie sie eine Zeitstunde pro Schicht nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Wendezeiten werden nur mit der Hälfte als vergütungspflichtige Arbeitszeit behandelt.
- Es kann dahinstehen, ob es sich bei fahrplanmäßigen Wendezeiten ähnlich wie bei Bereitschaftsdienstzeiten um Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG oder Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG handelt. Auch wenn dies der Fall wäre, würde sich daraus keine Pflicht ergeben, diese Zeiten über die tarifliche Regelung hinaus in vollem Umfang als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln.
Normenkette
Sparten-TV §§ 9, 23; ArbZG § 2; RL 2003/88/EG Art. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Nahverkehrsunternehmen verpflichtet ist, auch nach dem 18. April 2003 Wendezeiten an der Endhaltestelle in vollem Umfang als Arbeitszeit zu vergüten.
Der Kläger ist Straßenbahnfahrer im Linienverkehr bei der Beklagten, deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt C zu 97 % ist. Sein monatliches Bruttogehalt beträgt etwa 2.000,00 Euro bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden und einer Fünf-Tage-Woche. § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien in der Fassung vom 21. November 1994 lautet:
“Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BMT-G-O/BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.”
Zunächst hatte die Beklagte dem Kläger die Zeiten, die fahrplanmäßig zwischen der Ankunft an einer Endhaltestelle und der Abfahrt von dieser lagen (Wendezeiten), uneingeschränkt als Arbeitszeit vergütet. Dabei belaufen sich die im Fahrplan vorgesehenen Wendezeiten in der Regel auf drei bis zwanzig Minuten. Sie verkürzen sich in der Praxis jedoch oft auf Grund verkehrsbedingter Verspätungen um einige Minuten. Für die Wendezeiten enthält die “Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Straßenbahnen” der Beklagten eine Reihe von Aufgaben, die der Straßenbahnfahrer zu erledigen hat. Eine Pflicht, sich während der Wendezeiten in der Straßenbahn aufzuhalten, besteht nicht.
Die Beklagte ist zum 31. Dezember 2001 aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ausgeschieden, wurde aber zum 1. Oktober 2002 erneut dessen Mitglied. Zwischenzeitlich war am 1. Januar 2002 der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Brandenburg (Sparten-TV) vom 27. Juni 2001 in Kraft getreten, den der KAV mit der Gewerkschaft ver.di vereinbart hatte. Dieser sieht in § 1 Abs. 1 vor, dass er für Arbeitnehmer gilt, die bei Verkehrsunternehmen im Land Brandenburg abhängig beschäftigt sind. In Unternehmen, die im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens bereits Mitglied des KAV waren, soll der Sparten-TV allerdings erst nach Abschluss einer gesonderten Anwendungsvereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien und dem einzelnen Unternehmen in Kraft treten. Unter Beteiligung der Beklagten ist eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen worden.
Der Sparten-TV enthält in § 9 ua. die folgenden Bestimmungen:
“(2) Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. Sie soll innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Stunden liegen. In betriebsnotwendigen Fällen kann der Zeitraum auf bis zu 14 Stunden ausgedehnt werden.
…
(7) Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie – bei Abrechnung und Einzahlung – für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Soweit die planmäßigen Wendezeiten innerhalb der Dienstschicht insgesamt eine Stunde überschreiten, wird die darüber hinausgehende Zeit mit der Hälfte als Arbeitszeit bewertet. Die als pausenfähig angerechneten Wendezeiten werden hiervon nicht berührt. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden.
(8) Die nach dem ArbZG oder nach der Fahrpersonalverordnung zu gewährende Pause kann durch Arbeitsunterbrechungen (z.B. Wendezeiten) abgegolten werden, wenn deren Gesamtdauer mindestens ein Sechstel der durchschnittlich im Dienst- und Fahrplan vorgesehenen reinen Fahrzeit (Lenkungs- oder Kurbelzeit) beträgt. Arbeitsunterbrechungen unter acht Minuten werden bei der Ermittlung der Pausen nicht berücksichtigt.
…”
§ 23 des Tarifvertrages (“Begriffsbestimmungen”) lautet in seiner Nr. 3:
“Bereitschaftsdienst leistet der Arbeitnehmer, der sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Arbeitszeit und Zeiten des Bereitschaftsdienstes dürfen in der Regel 48 Stunden in der Woche nicht überschreiten.”
Die Beklagte setzte seit 1. Oktober 2002 die Regelung des Sparten-TV um, wobei sie jedoch unter anderem die Neuregelung bezüglich der Wendezeiten vorerst nicht anwandte. Seit dem 18. April 2003 berücksichtigt die Beklagte entsprechend einer vorangegangenen Ankündigung die fahrplanmäßigen Wendezeiten nur noch zur Hälfte als vergütungspflichtige Arbeitszeit, soweit sie pro Dienstschicht eine Stunde überschreiten.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Standpunkt eingenommen, die Beklagte sei verpflichtet, auch nach dem 18. April 2003 die Wendezeiten in vollem Umfang in die Arbeitszeit einzurechnen und entsprechend zu vergüten. Es sei Sache der Beklagten, die Fahrpläne so zu gestalten, dass keine hohen Standzeiten entstünden. Auf Grund der zu bewältigenden Tätigkeiten sei es zudem nicht möglich, die Wendezeiten zu privaten Zwecken oder zur Erholung zu nutzen. Man könne auch die Straßenbahn nicht verlassen. Die Wendezeiten seien deshalb Zeiten der Arbeitszeit gleichzusetzen. Es sei auch nicht gerechtfertigt, die Wendezeiten nur auf der Grundlage der Dienst- und Fahrpläne zu berücksichtigen. Auf Grund verkehrbedingter Verspätungen seien die tatsächlichen Wendezeiten in der Regel kürzer. Durch das Verhalten der Beklagten werde er, der Kläger, benachteiligt, weil er auf Grund nicht bezahlter Standzeiten in einem größeren Umfang als bisher Anwesenheitszeiten erbringen müsse, um die geschuldete Arbeitszeit von 40 Stunden zu erfüllen. So seien im Juni 2003 etwa zehn Anwesenheitsstunden hinzugekommen. Die Regelung verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung, da bei einigen Schichten auf Grund langer Wendezeiten die Ein-Sechstel-Regelung des § 9 Abs. 8 Sparten-TV Anwendung finde, in Schichten mit kürzeren Wendezeiten diese jedoch nicht als Pausen angerechnet würden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch nach dem 18. April 2003 Wendezeiten in vollem Umfang in die Arbeitszeit einzurechnen und entsprechend zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung kann dahinstehen, ob Wendezeiten iSd. Arbeitsschutzes Arbeitszeit seien. Die Tarifvertragsparteien hätten hinsichtlich der Vergütung dieser Zeiten die genannten Regelungen treffen dürfen, die auch im Arbeitsverhältnis mit dem KIäger Anwendung fänden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben seine Klage zu Recht abgewiesen. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die von ihm zurückgelegten Wendezeiten in vollem Umfang als tarifliche Arbeitszeit bezahlt werden.
I. Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig.
1. Wie er in der Revisionsinstanz ausdrücklich klargestellt hat, ist Klageziel des Klägers die Feststellung, dass die von ihm zurückgelegten Wendezeiten in vollem Umfang als Arbeitszeit zu vergüten sind. Die rechtliche Bewertung dieser Zeiten als Arbeitszeit hat der Kläger in seinem Antrag nur als Vorfrage für die von ihm geltend gemachte Vergütungspflicht angesprochen. Es soll sich hierbei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln unabhängig vom Bestehen einer Vergütungspflicht der Beklagten.
2. Mit diesem Inhalt ist der Feststellungsantrag zulässig. Der Kläger hat für die Feststellung des von ihm geltend gemachten Rechtsanspruchs, also eines Rechtsverhältnisses, auch das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse. Sein Antrag ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden rechtlichen Konflikt um die volle Vergütungspflichtigkeit der Wendezeiten für die Zukunft abschließend zu klären.
II. Der Feststellungsantrag ist aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Wendezeiten vollständig als vergütungspflichtige Arbeitszeiten behandelt werden. Hierfür gibt es keine rechtliche Grundlage.
1. Zwischen den Parteien, die, was die Berücksichtigung der Wendezeiten angeht, keine speziellere einzelvertragliche Vereinbarung getroffen haben, ist der Sparten-TV anwendbar. Das folgt aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien in der Fassung vom 21. November 1994. Der Sparten-TV gehört zu den für die Beklagte “geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträgen”.
a) Dieser Tarifvertrag gilt jedenfalls im Streitzeitraum, seit dem 18. April 2003, für die Beklagte, weil es sich bei ihr um ein Verkehrsunternehmen im Land Brandenburg handelt, sie also in dessen räumlichen und fachlichen Geltungsbereich (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Sparten-TV) fällt, und sie seit dem 1. Oktober 2002 wieder Mitglied des am Tarifabschluss beteiligten Kommunalen Arbeitgeberverbandes ist (§ 3 Abs. 1 TVG).
b) Dass es keine die Beklagte betreffende gesonderte Anwendungsvereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Sparten-TV gibt, steht der Geltung des Sparten-TV im Betrieb der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Sparten-TV am 1. Januar 2002 nicht Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes, so dass es bei ihr einer gesonderten Anwendungsvereinbarung nicht bedarf.
2. Die Behandlung der fahrplanmäßigen Wendezeiten ab dem 18. April 2003 durch die Beklagte als nur teilweise vergütungspflichtige Arbeitszeit entspricht der tariflichen Regelung in § 9 Abs. 7 Sparten-TV. Danach sind die planmäßigen, also fahrplanmäßigen, Wendezeiten – nicht die tatsächlichen Wendezeiten im Einzelfall – in vollem Umfang als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten, soweit sie eine Stunde pro Schicht nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Wendezeiten sind zur Hälfte als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu berücksichtigen.
3. § 9 Sparten-TV steht, soweit hiernach Wendezeiten nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln sind, nicht im Widerspruch zum Arbeitszeitgesetz oder zu den Bestimmungen der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 in der Fassung der RL 2000/34/EG vom 22. Juni 2000; aufgehoben und mit Wirkung vom 2. August 2004 durch RL 2003/88/EG vom 4. November 2003, Abl. EG Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9 ersetzt). Er verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht.
a) Es kann unentschieden bleiben, ob es sich bei den fahrplanmäßigen Wendezeiten ähnlich wie bei Bereitschaftsdienstzeiten um Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG oder Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeitrichtlinie handelt. Auch wenn man hiervon ausginge, führte dies nicht zu einer Pflicht der Beklagten, diese Zeiten über § 9 Abs. 7 Sparten-TV hinausgehend in vollem Umfang als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln. Die genannten Bestimmungen gehören zum Arbeitsschutz. Sie treffen keine Aussage zu Vergütungspflichten. Sie beinhalten insbesondere nicht die Pflicht, alle Zeiträume, die im arbeitsschutzrechtlichen Sinne als Arbeitszeit anzusehen sind, in der gleichen Höhe zu vergüten. Die Tarifvertragsparteien können Zeiten der Vollarbeit und Zeiten, in denen typischerweise in geringerem Umfang Arbeit anfällt, so unterschiedlich bewerten, wie sie dies in § 9 Abs. 7 Sparten-TV getan haben (vgl. BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – BAGE 106, 252, 267; 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – BAGE 109, 254).
Nur ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht mit entsprechendem Tatsachenvortrag unterlegt geltend gemacht hat, durch die von § 9 Sparten-TV vorgesehene Behandlung der fahrplanmäßigen Wendezeiten würden die von den Arbeitsschutzbestimmungen vorgegebenen Grenzen der zeitlichen Arbeitsbelastung regelmäßig oder auch nur typischerweise überschritten. Der Kläger beansprucht nicht, dass bestimmte Wendezeiten in bestimmten Arbeitswochen oder -monaten als – vergütungspflichtige – Arbeitszeiten behandelt werden sollen, sondern fordert mit seiner Klage eine dahin gehende allgemeine Handhabung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls.
b) § 9 Abs. 7 Sparten-TV verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
aa) Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Gleichheitssatz die Tarifvertragsparteien in gleicher Weise wie den Gesetzgeber bindet. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mehrfach entschieden, dass die Tarifvertragsparteien bei ihrer Rechtssetzung an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden seien (4. April 2000 – 3 AZR 729/98 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19; zuletzt 19. März 2002 – 3 AZR 121/01 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 53 = EzA GG Art. 3 Nr. 96, zu B I 4a der Gründe). Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG die Normsetzungsautonomie der Koalitionen begrenzt (27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 = EzA GG Art. 3 Nr. 101, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Vierte Senat hat sich demgegenüber mehrfach gegen eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz und für deren Gestaltungsfreiheit bis zur Grenze der Willkür ausgesprochen (so schon 24. April 1985 – 4 AZR 457/83 – BAGE 48, 307; 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277; 4. April 2001 – 4 AZR 232/00 – BAGE 97, 251; 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – BAGE 99, 31).
bb) Auf den Meinungsstreit kommt es nicht an. Der Kläger hat nicht dargetan, dass die tarifliche Regelung einzelne Gruppen von Arbeitnehmern sachlich unbegründet ungleich behandelte. Die Regelung in § 9 Abs. 7 Sparten-TV über die hälftige Vergütung der Wendezeiten, die innerhalb einer Dienstschicht eine Stunde überschreiten, ebenso wie die Regelung in § 9 Abs. 8 Sparten-TV über die Anrechenbarkeit der Wendezeit auf die zu gewährende Pause findet grundsätzlich auf alle Fahrer Anwendung.
cc) Auch die unterschiedliche Bewertung der Wendezeiten im Verhältnis zur Vollarbeit ist unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden. Arbeit in ihren unterschiedlichen Ausgestaltungsformen wie Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Dienstreisen, Wegezeiten und eben Wende- und/oder Steh- oder Standzeiten kann von den Tarifvertragsparteien unterschiedlich bewertet werden. Gemeinsam ist den Gestaltungsformen die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich mehr oder weniger intensiv für den jeweiligen Arbeitseinsatz zur Verfügung zu stellen. Die Tarifvertragsparteien können die unterschiedlichen Arten der Verfügbarkeit ganz oder teilweise als vergütungspflichtige Arbeitszeit behandeln. Davon haben die Tarifvertragsparteien des Sparten-TV vorliegend in der Weise Gebrauch gemacht, dass planmäßige Wendezeiten bis zu einer Stunde uneingeschränkt, soweit sie darüber hinausgehen zur Hälfte als vergütungspflichtige Arbeitszeit bewertet werden. Das hält der Rechtskontrolle stand.
Der Kläger beanstandet zu Unrecht, dass die Dauer der jeweiligen Wendezeit nicht konkret erfasst, sondern gemäß § 9 Abs. 7 Sparten-TV auf der Grundlage der Dienst- und Fahrpläne bestimmt wird, und nicht registriert werden soll, inwieweit die Wendezeit wegen Verkehrsstaus, Ein- und Aussteigens behinderter Personen und/oder von Fahrgästen mit Kinderwagen, schlechten Wetters nicht oder nur sehr verkürzt anfällt, der Fahrer also innerhalb der fahrplanmäßigen Wendezeiten in Wahrheit Fahrzeiten hat.
Die Tarifvertragsparteien haben einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum, was sie als Differenzierungsgrund ansehen. Sie können in pauschalierter Betrachtungsweise davon ausgehen, dass den Straßenbahnfahrern jedenfalls in der Regel echte Standzeiten bleiben, weil Verspätungen außer in den Hauptverkehrszeiten nicht regelmäßig auftreten. Sie können deshalb auch ohne Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung für die Frage nach der Anrechnung der Wendezeit als Arbeitszeit die Dienst- und Fahrpläne zugrunde legen. Dies gilt umso mehr, wenn, wie die Revision vorträgt, die technischen Voraussetzungen dafür fehlen, die konkreten Standzeiten am Wendepunkt einer Fahrstrecke zu registrieren, und die Tarifvertragsparteien zudem die Hälfte der gesamten fahrplanmäßigen Wendezeiten nur insoweit nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit behandeln, wie die Wendezeiten über eine Zeitstunde pro Schicht hinausgehen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die gerechteste, zweckmäßigste Regelung zu wählen, sie dürfen sich vielmehr an der Praktikabilität orientieren, also letztlich an den vorhandenen Gegebenheiten und technischen Möglichkeiten (vgl. zB BAG 18. März 2004 – 6 AZR 199/03 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 41, zu II 4a der Gründe).
4. Der Senat hat die gerügten Verfahrensmängel geprüft und sie nicht als durchgreifend erachtet (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 ZPO).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Bott, Wolter, Hardebusch, Ohnesorg
Fundstellen
Haufe-Index 1453740 |
DB 2005, 2750 |
ZTR 2006, 84 |
NJ 2006, 140 |
RiA 2006, 19 |
NJOZ 2007, 503 |