Entscheidungsstichwort (Thema)
Opernchormitglieder – Vergütung für Konzerte
Leitsatz (amtlich)
Konzerte im Sinne des NV Chor sind musikalische Darbietungen in nicht szenischer Form, die im Tarifsinne weder als konzertante Aufführungen musikalischer Bühnenwerke noch als bunte Programme anzusehen sind. Darauf, ob das Dargebotene in der Musikliteratur als „Konzert” bezeichnet wird, kommt es nicht an.
Normenkette
BGB § 611; Normalvertrag Chor (NV Chor) §§ 11, 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. November 1998 – 9 Sa 1144/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob den Beklagten für die Mitwirkung an drei Veranstaltungen im Jahr 1995 eine Sondervergütung nach § 11 Abs. 2 Normalvertrag Chor vom 11. Mai 1979 (NV Chor) zusteht.
Die Beklagten sind Mitglieder des Opernchors der Städtischen Bühnen der Klägerin. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der NV Chor Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 4
Mitwirkungspflicht
(1) Das Opernchormitglied ist im Rahmen seines Kunstfaches verpflichtet, bei allen Veranstaltungen (Aufführungen und Proben) der im Arbeitsvertrag bezeichneten Bühne(n) mitzuwirken. Hierin sind auch auswärtige Gesamtgastspiele, Festspiele, Werbeveranstaltungen, Bunte Programme, Matineen und durch Hörfunk oder Fernsehen übertragene Ensembledarbietungen inbegriffen. Soweit eine Oper oder Operette die Mitwirkung eines Opernchores vorsieht, ist dieser grundsätzlich mit Mitgliedern aus dem Opernchor der Bühne(n) zu besetzen.
Dabei ist das Opernchormitglied verpflichtet,
- zu Gesangs- und Sprechchordienst,
- zum Singen in einem anderen Kunstfach (Stimmgruppe), wenn dieses Kunstfach mit dem vereinbarten Kunstfach (Stimmgruppe) stimmverwandt und die Übernahme nach Stimmlage und Dauer der Beanspruchung nicht stimmschädigend ist,
- zum Singen in einer fremden Sprache, jedoch nicht in einer anderen als der Originalsprache des Librettos,
zur Mitwirkung
- bei konzertanten Aufführungen von musikalischen Bühnenwerken,
- bei Konzerten aus besonderen Anlässen (z.B. besonderen Jubiläen).
(2) Das Opernchormitglied ist darüber hinaus zu den folgenden Arbeitsleistungen verpflichtet:
- zur Übernahme von kleineren Rollen oder Partien, im Schauspiel jedoch nur, wenn es im Arbeitsvertrag vereinbart ist,
- zur Mitwirkung bei Pantomimen und Tanzleistungen,
- zur Mitwirkung bei Statisterie oder Komparserie, wenn sie aus künstlerischen Gründen, beim Schauspiel jedoch nur als Ausnahme, gerechtfertigt oder im Einzelfall im Benehmen mit dem Opernchorvorstand vorgesehen ist. …
- zur Mitwirkung bei Schauspielaufführungen in den Fällen, in denen die gesangliche Leistung eines Berufschores vorgesehen ist,
- zu zwei Konzerten je Spielzeit, auch soweit diese Konzerte vom Rechtsträger oder vom wirtschaftlichen Träger des Theaters veranstaltet oder mit veranstaltet werden.
…
Protokollnotizen:
…
3. Musikalische Bühnenwerke sind nicht nur Werke aus dem Repertoire der Bühne(n), für die das Opernchormitglied angestellt ist.
4. Unter „Konzert” (bzw. „Konzerte”) ist nicht die einzelne Konzertveranstaltung, sondern die jeweilige Konzerteinstudierung einschließlich einer oder mehrerer Aufführungen zu verstehen.
…
§ 10
Vergütung
(1) Das Opernchormitglied hat Anspruch auf ein festes monatliches Gehalt nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages (Chorgagentarifvertrag).
…
§ 11
Besondere Vergütungen
(1) Mit dem festen Gehalt sind die von dem Opernchormitglied nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt.
(2) Neben dem festen Gehalt erhält das Opernchormitglied zusätzlich für
- die Mitwirkung in einer zweiten oder dritten an demselben Tage stattfindenden Vorstellung je eine Vergütung von mindestens einer halben Tagesgage,
Sonderleistungen nach § 4 Abs. 2
- bei der Übernahme kleinerer Rollen oder Partien eine angemessene Vergütung,
- bei der Mitwirkung in Pantomimen und bei Tanzleistungen eine angemessene Vergütung,
- bei der Mitwirkung in der Statisterie oder Komparserie den Betrag, den die Bühne an Statisten oder Komparsen als Vergütung ohne Fahrtkosten oder sonstige Kostenentschädigung zahlt, sofern im Arbeitsvertrag nichts anders vereinbart ist,
- bei der Mitwirkung in Konzerten je nach der Belastung der Opernchormitglieder aufgrund des aufzuführenden Werkes eine Vergütung von ein bis vier Tagesgagen,
…”
Am 1. Januar 1995 fand unter Beteiligung des Opernchors ein sog. NeujahrsKonzert statt. Bei dieser Veranstaltung hatten die Beklagten den Sturmchor und das Duett Othello-Jago aus der Oper „Othello” von Verdi, die Partie „O Fortuna” aus „Carmina Burana” von Orff und den Spottchor aus „Die Nacht in Venedig” darzubieten. Am 21. Januar 1995 fand unter Mitwirkung von Mitgliedern des Opernchors eine als „Werkstatt-Konzert” bezeichnete Veranstaltung mit dem Titel „Musik um Else Lasker-Schüler” statt, bei der Werke von Hindemith und Leyendecker zur Aufführung gelangten. Am 27. Februar 1995 veranstaltete die Klägerin im Opernhaus W ein „Rosenmontags-Konzert”. Dabei hatten die Beklagten Partien aus Opern, Operetten und Musicals sowie Schlager vorzutragen. An dem Programm wirkten neben dem Orchester auch vier Solisten mit.
Die Beklagten, die zum Teil an allen, zum Teil nur an einer oder zwei der genannten Veranstaltungen mitwirkten, haben dafür eine zusätzliche Vergütung verlangt, und zwar in Höhe von jeweils einer Tagesgage (150,00 DM) für das „Neujahrs-Konzert” und das „Rosenmontags-Konzert” und von einer drittel Tagesgage (50,00 DM) für das „Werkstatt-Konzert”. Die Klägerin hat die Zahlung abgelehnt.
Mit der Schiedsklage vom 14. Juni 1996 vor dem Bühnenschiedsgericht für Opernchöre haben die Beklagten die Zahlung der Sondervergütung für diese sowie zwei weitere Veranstaltungen geltend gemacht. Das Bühnenschiedsgericht für Opernchöre hat der Klage hinsichtlich der hier streitigen Veranstaltungen durch Schiedsspruch vom 11. September 1996(– BSchG C 8/96 –) stattgegeben. Das Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre(– OSchG C 3/96 –) hat die Berufung der Klägerin durch Schiedsspruch vom 25. Februar 1997 zurückgewiesen mit der Begründung, bei den drei Veranstaltungen habe es sich um sondervergütungspflichtige Konzerte gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. e, § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor gehandelt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Aufhebungsklage.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Bühnenoberschiedsgericht habe die tariflichen Bestimmungen in § 4 und § 11 Abs. 1 und 2 NV Chor falsch ausgelegt. Bei den drei im Streit befindlichen Veranstaltungen habe es sich nicht um sondervergütungspflichtige Konzerte gehandelt, sondern um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke bzw. um Bunte Programme, die mit dem festen Gehalt des Opernchormitglieds nach § 11 Abs. 2 NV Chor abgegolten seien. Die konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. aa NV Chor erfordere nicht, daß ein komplettes musikalisches Bühnenwerk in nicht szenischer Form dargeboten werde. Es reiche vielmehr aus, daß Teile davon zur Aufführung gelangten. Das „Werkstatt-Konzert” sei zudem als „Konzert aus besonderem Anlaß” iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb NV Chor sondervergütungsfrei gewesen, da es im Zusammenhang mit dem 50. Todestag der Wuppertaler Heimatdichterin Else Lasker-Schüler gestanden habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre vom 11. September 1996 – BSchG C 8/96 – teilweise und den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre vom 25. Februar 1997 – OSchG C 3/96 – in vollem Umfang aufzuheben und die Schiedsklage abzuweisen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die drei Veranstaltungen seien sondervergütungspflichtige Konzerte gewesen. Es habe sich weder um „Bunte Programme” noch um die „konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken” im Sinne des Tarifvertrags gehandelt. Dies ergebe sich bereits aus der von der Klägerin selbst gewählten Bezeichnung der Veranstaltungen. Das „Werkstatt-Konzert” sei kein „Konzert aus besonderem Anlaß” im Tarifsinne gewesen. Der Todestag von Else Lasker-Schüler sei nicht der Grund für die Veranstaltung gewesen, er habe nur den thematischen Rahmen für das Konzert abgegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Aufhebungsklage abgewiesen. Den Beklagten stehen die der Höhe nach unstreitigen Sondervergütungen zu. Bei den drei Veranstaltungen, um die es noch geht, handelte es sich um Konzerte im Sinne des § 4 Abs. 2 Buchst. e NV Chor, für die nach § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor eine zusätzliche Vergütung zu zahlen ist, und nicht um die konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken gemäß § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. aa NV Chor oder um Bunte Programme iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor. Das „Werkstatt-Konzert” war auch kein Konzert aus besonderem Anlaß iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst bb NV Chor. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
1. Nach § 11 Abs. 2 Buchst. b NV Chor erhält das Opernchormitglied neben dem festen Gehalt für Sonderleistungen nach § 4 Abs. 2 NV Chor eine zusätzliche Vergütung. Diese beträgt bei der Mitwirkung in Konzerten je nach der Belastung der Opernchormitglieder eine bis vier Tagesgagen.
Der Begriff „Konzert” ist im NV Chor nicht eigenständig definiert. Zwar ist in der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 4 NV Chor klargestellt, daß unter „Konzert” (bzw. „Konzerte”) nicht die einzelne Konzertveranstaltung, sondern die jeweilige Konzerteinstudierung einschließlich einer oder mehrerer Aufführungen zu verstehen ist. Dies gibt aber keinen Aufschluß darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Veranstaltung ein Konzert im Sinne des Tarifvertrags ist. Deshalb ist der Inhalt des Tarifbegriffs „Konzert” im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist von dem allgemeinen bzw. dem fachspezifischen Sprachgebrauch auszugehen. Dieser ist nicht einheitlich. Unter „Konzert” wird zum einen eine „aus mehreren Sätzen bestehende Komposition für ein oder mehrere Soloinstrumente und Orchester” verstanden(vgl. Brockhaus/Riemann Musik-Lexikon; Duden Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache 2. Aufl.; Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl.). Zum anderen bedeutet „Konzert” die „Aufführung eines oder mehrerer Musikwerke”(Duden aaO; Wahrig aaO; Honegger/Massenkeil Das Große Lexikon der Musik) bzw. „eine musikalische Zusammenkunft, bei der darbietungsmäßig musiziert wird”(Brockhaus/Riemann aaO). Die Tarifvertragsparteien sind von der letztgenannten, veranstaltungsbezogenen Bedeutung des Begriffs ausgegangen. Sie haben einen Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Umfangs der mit einem Konzert verbundenen Verpflichtungen gesehen und somit veranstaltungsbezogen gedacht. Dafür spricht bereits die Protokollnotiz Nr. 4 zu § 4 NV Chor. Hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß mit „Konzert” iSd. Tarifbestimmung nur Musikwerke gemeint sind, die in der Musikliteratur als solche bezeichnet werden (zB Violinkonzert, Klavierkonzert etc.), hätte es im Hinblick auf den den sachkundigen Tarifvertragsparteien bekannten uneinheitlichen Sprachgebrauch nahegelegen, dies ausdrücklich zu bestimmen. Daß sie den Begriff „Konzert” nicht werkbezogen gemeint, sondern damit die Art der Veranstaltung bezeichnet haben, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Normen und dem daraus zu ermittelnden Sinn und Zweck der Regelung, die bei der Tarifauslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind(st. Rspr., vgl. BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308; 12. November 1997 – 10 AZR 206/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 1; 28. Mai 1998 – 6 AZR 349/96 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5; 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27).
a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 4 NV Chor die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder geregelt. Diese Regelung ist umfassend. Sie bezieht sich auch auf die Veranstaltung „Konzert”.
Nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 NV Chor ist das Opernchormitglied im Rahmen seines Kunstfachs verpflichtet, bei allen Veranstaltungen (Aufführungen und Proben) der im Arbeitsvertrag bezeichneten Bühne(n) mitzuwirken. Der Begriff der Veranstaltung wird durch die in § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor genannten Beispiele weiter konkretisiert. Danach sind Veranstaltungen auch auswärtige Gesamtgastspiele, Festspiele, Werbeveranstaltungen, Bunte Programme, Matineen und durch Rundfunk oder Fernsehen übertragene Ensembledarbietungen. Konzerte werden hier zwar nicht erwähnt. Auch sie sind aber „Veranstaltungen”. Dies ergibt sich daraus, daß in § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und in Abs. 2 NV Chor die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder erkennbar abschließend bestimmt sind und damit sichergestellt werden soll, daß es keine Darbietungen der Bühne gibt, die zwar den Gesang eines Opernchors erfordern, an denen die Opernchormitglieder aber nicht verpflichtet sind mitzuwirken.
b) § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 NV Chor regelt, zu welchen Arbeitsleistungen das Opernchormitglied inhaltlich verpflichtet ist. Dazu gehören der Gesangs- und Sprechchordienst (Buchst. a), das Singen in einem anderen als dem vertraglich vereinbarten Kunstfach (Stimmgruppe), sofern dieses Kunstfach stimmverwandt und die Übernahme nicht stimmschädigend ist (Buchst. b) und das Singen in einer fremden Sprache, soweit es sich um die Originalsprache des Librettos handelt (Buchst. c). Schließlich besteht nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d NV Chor eine Mitwirkungspflicht bei konzertanten Aufführungen musikalischer Bühnenwerke (Doppelbuchst. aa) und bei Konzerten aus besonderen Anlässen (Doppelbuchst. bb). Bei den in § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 NV Chor aufgezählten Verpflichtungen handelt es sich daher um berufstypische Mitwirkungspflichten, die dem Berufsbild des Opernchormitglieds entsprechen.
Demgegenüber regelt § 4 Abs. 2 NV Chor Mitwirkungspflichten, die über die typischen Arbeitspflichten eines Opernchormitglieds hinausgehen. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Buchst. b NV Chor. Dort haben die Tarifvertragsparteien diese Tätigkeiten als „Sonderleistungen” bezeichnet. Dazu gehört unter bestimmten Voraussetzungen die Übernahme kleinerer Rollen oder Partien (Buchst. a) und die Mitwirkung bei Pantomimen und Tanzleistungen bzw. Statisterie und Komparserie (Buchst. b und c) sowie bei Schauspielaufführungen, in denen die gesangliche Leistung eines Berufschores vorgesehen ist (Buchst. d). Zudem sind Opernchormitglieder zu zwei Konzerten je Spielzeit verpflichtet (Buchst. e).
Dieser Aufzählung ist zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder abschließend regeln und diese verpflichten wollten, an allen Darbietungen der Bühne mitzuwirken, die den Gesang eines Chores erfordern. Dies folgt insbesondere aus der Mitwirkungspflicht an den in § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor genannten Veranstaltungen sowie aus der ausdrücklich erwähnten Mitwirkungspflicht bei konzertanten Aufführungen musikalischer Bühnenwerke und bei Schauspielaufführungen, sofern die gesangliche Leistung eines Berufschors vorgesehen ist. Daraus ergibt sich, daß der Tarifbegriff „Konzert” nicht im Sinne einer Werkbezeichnung zu verstehen ist, sondern die Art der Veranstaltung meint. Andernfalls wären von der tariflich bestimmten Mitwirkungspflicht nicht alle musikalischen Werke erfaßt, bei denen die Mitwirkung eines Chors vorgesehen ist. Die Darbietung musikalischer Werke, denen keine szenische Gestaltung zugrundeliegt und die auch keine aus mehreren Sätzen bestehende Komposition für ein oder mehrere Solo-Instrumente und Orchester sind, wären von der Mitwirkungspflicht nicht erfaßt. Eine solche von der Klägerin offenbar vertretene Auslegung würde der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts widersprechen, nach der im Zweifel der Tarifauslegung der Vorzug gegeben werden muß, die zu einer vernünftigen, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt(vgl. BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 316 mwN). Ein solches Auslegungsergebnis wäre auch mit der Mitwirkungspflicht der Opernchormitglieder bei „Konzerten aus besonderen Anlässen (z. B. besonderen Jubiläen)” gemäß § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb NV Chor nicht zu vereinbaren. Gerade bei solchen Veranstaltungen werden üblicherweise unterschiedliche musikalische Stücke dargeboten, die nicht unbedingt und ausschließlich Konzerte im Sinne einer solchen Werkbezeichnung sind. Demnach meint der Begriff „Konzert” im Sinne des Tarifvertrags die Darbietung musikalischer Werke in nicht szenischer Form. Darunter fallen die hier streitigen Veranstaltungen.
2. Bei diesen Veranstaltungen handelte es sich nicht um die konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. aa NV Chor. Zwar haben die Beklagten bei diesen Veranstaltungen jeweils Stücke aus musikalischen Bühnenwerken vorgetragen. Die Darbietung einzelner Teile musikalischer Bühnenwerke erfüllt den Tarifbegriff der konzertanten Aufführung von musikalischen Bühnenwerken jedoch nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken setze nach dem allgemeinen Sprachgebrauch voraus, daß ein einzelnes musikalisches Bühnenwerk im Mittelpunkt der Veranstaltung steht und aus musikalischer Sicht vollständig dargeboten wird. Die nur musikalische Darbietung von Ausschnitten oder Teilen von Bühnenwerken oder anderen musikalischen Werken sei ein Konzert. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Unter der konzertanten Aufführung von musikalischen Bühnenwerken ist deren Aufführung unter Verzicht auf die szenische Darstellung, also reduziert auf die musikalische Präsentation, zu verstehen. Dazu gehört die Aufführung von Teilen solcher Werke nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Tarifvertrags. Dieser spricht ausdrücklich von „Bühnenwerken” und nicht von Teilen derselben. Werden in einer Veranstaltung lediglich Teile musikalischer Bühnenwerke dargeboten, handelt es sich nicht um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke, sondern um ein Konzert im Sinne des Tarifvertrags.
b) Diese am Tarifwortlaut orientierte Auslegung steht im Einklang mit Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Für die in § 4 Abs. 2 NV Chor genannten Sonderleistungen ist gemäß § 11 Abs. 2 NV Chor eine zusätzliche Vergütung zu zahlen. Dies beruht darauf, daß es sich bei diesen Leistungen um für das Berufsbild des Opernchormitglieds nichttypische, über den Kernbereich seiner Tätigkeit hinausgehende Aufgaben handelt. Zwar ist das Erbringen gesanglicher Leistungen für ein Opernchormitglied berufstypisch, dies aber grundsätzlich nur im Rahmen der Aufführung musikalischer Bühnenwerke. Eine Veranstaltung, in der Teile verschiedener musikalischer Bühnenwerke zur Aufführung gelangen, wie in den hier streitgegenständlichen Veranstaltungen, ist nicht mehr dem Kernbereich der Tätigkeit des Opernchormitglieds zuzuordnen. Dem entspricht es, daß die Tarifvertragsparteien dafür eine Sondervergütung vorgesehen haben.
3. Die streitgegenständlichen Veranstaltungen waren keine Bunten Programme iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor. Dargeboten wurden ausschließlich musikalische Werke in nicht szenischer Form. Diese Art der Veranstaltung erfüllt den Tarifbegriff des Konzerts. Da die Tarifvertragsparteien die Mitwirkung in Konzerten in § 4 Abs. 2 Buchst. e NV Chor gesondert geregelt haben, kann ein Konzert nicht gleichzeitig ein Buntes Programm iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor sein. Ein Buntes Programm liegt daher nur vor, wenn das Programm außer musikalischen Werken auch Darbietungen anderer Art enthält.
4. Das „Werkstatt-Konzert” war, wie die Vorinstanzen ohne Rechtsfehler angenommen haben, kein Konzert aus besonderem Anlaß iSv. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb NV Chor. Dieses Konzert fand nicht aus Anlaß des 50. Todestages von Else Lasker-Schüler statt. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der 50. Todestag der Dichterin nicht ausschlaggebend dafür, daß das Konzert veranstaltet wurde, sondern nur Beweggrund für die thematische Gestaltung des Konzerts. Nach dem Tarifwortlaut kommt es aber gerade darauf an, daß das Konzert aus einem besonderen Anlaß und damit wegen eines bestimmten Ereignisses stattfindet und nicht darauf, daß ein bestimmtes Ereignis die Auswahl der musikalischen Werke für ein Konzert bestimmt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Werner Zuchold, Dr. Augat
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.07.2000 durch Schneider,Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558086 |
BB 2001, 476 |
NZA 2001, 572 |
AP, 0 |
PersR 2001, 177 |