Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeit. Aufstockung des Entgelts ohne Arbeitszeitverringerung. Diskriminierung. geschlechtsbezogene Benachteiligung
Leitsatz (amtlich)
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen, die ihre bisherige Arbeitszeit verringern, ohne nach § 3 Abs. 1 TV ATZ einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen, haben keinen Anspruch auf den tariflichen Aufstockungsbetrag. Durch den Ausschluß von den tariflichen Leistungen, die Altersteilzeitarbeitnehmer erhalten, werden teilzeitbeschäftigte Frauen weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert.
Orientierungssatz
- Nach dem TV ATZ kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern ab Vollendung des 55. Lebensjahres ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis begründen. Nach § 3 Abs. 1 TV ATZ beträgt die Dauer der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Hälfte der bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer erhält nach § 4 TV ATZ die der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Bezüge. Diese werden nach § 5 Abs. 1 TV ATZ um 20 % aufgestockt.
- Eine bereits mit der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit beschäftigte Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Aufstockungsbetrages, wenn sie nicht bereit ist, ihre Arbeitszeit entsprechend der tariflichen Vorgabe um die Hälfte auf ein Viertel der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit zu verringern.
- Tarifvertragsparteien sind berechtigt, den Zweck zu bestimmen, den sie mit der Arbeitgeberleistung verfolgen. Das ist bei dem TV ATZ, mit dem die Tarifvertragsparteien das Altersteilzeitgesetz umgesetzt haben, die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten. Mit Hilfe des Aufstockungsbetrags sollen bereits beschäftigte Arbeitnehmer motiviert werden, ihre Arbeitsplätze vorzeitig frei zu machen. Die – unterstellte – ungleiche Behandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern ist objektiv durch Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben.
Normenkette
EG Art. 141; GG Art. 3 Abs. 3; BGB § 612 Abs. 3; TV ATZ Präambel § 3 Fassung: 2000-06-30; TV ATZ Präambel § 5 Fassung: 2000-06-30
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. September 2000 – 6 Sa 109/99 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts ab 1. Oktober 1999.
Die am 21. Oktober 1944 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 17. August 1981 als Sozialpädagogin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Vereinbarung das für den öffentlichen Dienst jeweils geltende Tarifrecht anzuwenden. Bis einschließlich Juli 1992 arbeitete die Klägerin mit einer Arbeitszeit von 50 % der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit. Vom 1. August 1992 bis zum 31. Dezember 1995 war sie vollzeitig tätig. Seitdem arbeitet sie wieder mit der Hälfte der regelmäßigen vollen Arbeitszeit, das sind zur Zeit 19,25 Stunden in der Woche.
Im Februar 1999 beantragte die Klägerin schriftlich, ab 1. Oktober 1999 “in den Genuß der Altersteilzeit nach dem Tarifvertrag zu kommen”. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil nach dem damals geltenden Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) in der Fassung vom 5. Mai 1998 Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nur mit vollbeschäftigten Arbeitnehmern vereinbart werden konnten. Diese Voraussetzung ist durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 30. Juni 2000 mit Wirkung zum 1. Juli 2000 entfallen. § 2 TV ATZ lautet nunmehr:
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Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit
(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die
a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,
b) eine Beschäftigungszeit (z.B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und
c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.
…”
Nach § 3 TV ATZ beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Hälfte der bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit. Hierfür erhält der Arbeitnehmer die der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Bezüge (§ 4 TV ATZ). Außerdem erhält er Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers. Nach § 5 Abs. 1 TV ATZ werden die dem Arbeitnehmer nach § 4 TV ATZ zustehenden Bezüge um 20 vH aufgestockt (Aufstockungsbetrag); der Aufstockungsbetrag muß nach § 5 Abs. 2 TV ATZ so hoch sein, daß der Arbeitnehmer 83 vH des Nettobetrages des bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Nach § 5 Abs. 4 TV ATZ entrichtet der Arbeitgeber zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes (ATG).
Die Klägerin hat mit ihrer im Juli 1999 erhobenen Klage zunächst verlangt, sie so zu behandeln als habe sie ihre Arbeitszeit nach den Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes (ATG) zum 1. Oktober 1999 herabgesetzt und weitere Hilfsanträge gestellt. Zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht im Oktober 1999 hat sie allein Zahlung begehrt. Sie habe auch ohne Verringerung ihrer Arbeitszeit Anspruch auf Erhöhung ihres Arbeitsentgelts um 20 %. Andernfalls werde sie als Frau mittelbar diskriminiert, weil sie schlechter bezahlt werde als die Vollzeitbeschäftigten, die auf der Grundlage eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ebenfalls mit der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit arbeiteten. Bezogen auf ihre Arbeitszeit erhalte sie einen Stundenlohn von 33,45 DM während der Stundenlohn eines vergleichbaren Altersteilzeitlers einschließlich des Aufstockungsbetrags 40,14 DM erreiche. Daraus ergebe sich ein monatlicher Unterschiedsbetrag von 578,64 DM.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 1. Oktober 1999 über ihr Entgelt hinaus weitere 578,64 DM brutto monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
- Die Klage richtet sich auf die Zahlung monatlicher Beträge beginnend mit Oktober 1999. Zur Zeit der Klageerhebung war dieser Zahlungstermin noch nicht erreicht, der Anspruch mithin nicht fällig iSv. § 271 BGB. Ein noch nicht fälliger Anspruch kann mit der Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO verfolgt werden, wenn die Besorgnis besteht, der Schuldner werde sich der Leistung entziehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Schuldner – wie hier die beklagte Stadt – das Entstehen der geltend gemachten Ansprüche ernsthaft bestreitet.
- Die Klage ist auch nicht unzulässig geworden, als die Klägerin zZ der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht die seit Oktober 1999 aufgelaufenen Beträge hätte beziffern können. Die nachträgliche Bezifferung war nicht erforderlich. Der sich ergebende Betrag ist rechnerisch ohne weiteres durch Addition zu ermitteln. Soweit bei Entscheidungsreife Ansprüche fällig sind, sind sie ohne Antragsänderung zuzusprechen.
- Den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist genügt. Im Klageantrag ist der Monat genannt, ab dem Zahlung begehrt wird. Auch die Höhe des fortlaufend verlangten monatlich Betrags ist angegeben. Ob die Klägerin “richtig” gerechnet hat und ob sie durchgehend für die Zeit ab Oktober 1999 Anspruch auf die verlangte Aufstockung hat, betrifft die Begründetheit der Klageforderung und nicht die Bestimmtheit des Klageantrags, wie die Beklagte meint. Das gilt auch, soweit die Klägerin den Zeitraum, für den sie Zahlung begehrt, nicht begrenzt hat. Das von der Klägerin verfolgte Klageziel ist nicht zweifelhaft. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses soll die Zahlungsverpflichtung der Beklagten enden.
In der Sache hat die Revision keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin erhält das Entgelt, das ihr für ihre Tätigkeit als Sozialpädagogin arbeitsvertraglich zusteht. Sie hat keinen Anspruch auf Zahlung von monatlich weiteren 578,64 DM brutto seit Oktober 1999.
Die Klägerin stützt ihren prozessualen Anspruch allein auf das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung. Eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts liegt jedoch nicht vor.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke, Gosch, B. Lang
Fundstellen
Haufe-Index 894016 |
BAGE 2004, 225 |
DB 2003, 727 |
NWB 2002, 2886 |
ARST 2002, 285 |
ARST 2003, 147 |
EWiR 2003, 559 |
FA 2002, 324 |
FA 2003, 150 |
FA 2003, 179 |
NZA 2003, 510 |
SAE 2004, 221 |
ZTR 2002, 472 |
ZTR 2003, 230 |
AP, 0 |
AuA 2002, 467 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA-SD 2003, 16 |
EzA |
PERSONAL 2003, 55 |
PersV 2003, 273 |
ZMV 2002, 244 |
ZfPR 2003, 50 |
AUR 2002, 384 |
BAGReport 2003, 248 |
GK/Bay 2004, 82 |
SPA 2002, 8 |
SPA 2003, 7 |