Anspruch auf Jahres- und Corona-Sonderzahlung in der Freistellungsphase bei Altersteilzeit
Eine Arbeitnehmerin, die sich seit dem 1. Oktober 2020 in der Freizeitphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell befand, begehrte von ihrer Dienstgeberin, einer Gebietskörperschaft in Nordrhein-Westfalen, eine anteilige Jahressonderzahlung sowie eine Corona-Sonderzahlung. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) Anwendung.
Zugrundeliegende tarifvertragliche Regelungen für die Sonderzahlungen
Nach § 20 TVöD/VKA besteht ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung für Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen. Die Höhe bestimmt sich jeweils nach dem in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelt. Die Jahressonderzahlung wird mit dem Tabellenentgelt für November ausgezahlt. Ein Teilbetrag der Jahressonderzahlung kann jedoch auch zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden.
Für den Erhalt der einmaligen Corona-Sonderzahlung ist gemäß § 2 TV Corona-Sonderzahlung unter anderem maßgeblich, dass das Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2020 bestand.
Bisherige Praxis der Dienstgeberin sah Gewährung dieser Sonderzahlungen während Freistellungsphase nicht vor
Die Dienstgeberin argumentierte, dass sich die Ansprüche der Arbeitnehmerin während der Freizeitphase jedoch vorrangig und insoweit abschließend nach den tarifvertraglichen Regelungen über das Altersteilzeitarbeitsverhältnis bestimmten. Aus § 7 TV FlexAZ ergebe sich demzufolge in der Freizeitphase nur eine Auszahlung des während der Arbeitsphase angesparten sowie um den maßgeblichen Aufstockungsbetrag ergänzten Wertguthabens in monatlichen Raten. Ansprüche auf die Jahressonderzahlung sowie die Corona-Sonderzahlung seien jedoch in der Aktivphase noch nicht fällig geworden und stünden der Arbeitnehmerin somit in der Freistellungsphase nicht zu. Mit dieser Argumentation vermochte sich die Dienstgeberin auch in den ersten beiden Instanzen durchzusetzen.
BAG gelangt zu anderem Ergebnis
Das BAG entschied nun, dass der Arbeitnehmerin im Jahr 2020 trotz des unterjährigen Beginns der Freizeitphase sowohl eine Corona-Sonderzahlung als auch eine Jahressonderzahlung dem Grunde nach zustand. Maßgeblich sei insoweit, dass zum jeweiligen Stichtag zwischen den Parteien nämlich auch in der Freistellungsphase noch ein (Altersteilzeit-)Arbeitsverhältnis bestanden habe.
Corona-Sonderzahlung unabhängig von tatsächlicher Arbeitsleistung
Im Hinblick auf die Corona-Sonderzahlung führte das BAG aus, dass der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte für das Erfordernis einer tatsächlichen Arbeitsleistung lieferte. Auch eine Auslegung anhand des Tarifzwecks führte aus Sicht des BAG zu keinem abweichenden Ergebnis: Die Zahlung als steuerrechtlich uneigennützige Unterstützungsleistung spreche vielmehr dafür, dass die Tarifparteien die finanziellen Belastungen der Beschäftigten aufgrund der Corona-Pandemie unabhängig von einer Arbeitsleistung abmildern wollten. Da sich die Berechnung der Corona-Sonderzahlung in den tarifvertraglichen Regelungen jedoch nach der arbeitsrechtlich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit richtete, nahm das BAG bei der Arbeitnehmerin aufgrund der vereinbarten Altersteilzeit gemäß den tarifvertraglichen Regelungen eine hälftige Kürzung des Anspruchs vor. Das BAG entschied insoweit, dass die Bemessung der Jahressonderzahlung nach der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit keine unzulässige Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sei.
Jahressonderzahlung stellt Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung dar
Hinsichtlich der Jahressonderzahlung führte das BAG aus, dass diese durchaus (anders als die Corona-Sonderzahlung) unter anderem eine Gegenleistung für die zuvor erbrachte Arbeitsleistung darstelle. Das BAG stellte jedoch klar, dass dabei ausnahmslos alle in der Aktivphase verdienten Entgeltbestandteile unabhängig von deren Fälligkeit in den Teilzeitquotienten der Freistellungsphase einfließen müssten. Das während der Freistellungsphase gezahlte Entgelt sei daher überwiegend als Gegenleistung für die während der Arbeitsphase geleistete Arbeit anzusehen.
Berechnung der Jahressonderzahlung nach Zeitabschnitten
Davon ausgehend fordert das BAG im Hinblick auf die Jahressonderzahlung eine differenzierte Betrachtung nach Zeitabschnitten: Zeiträume vor Beginn des Altersteilzeitverhältnisses haben in voller Höhe in die Berechnung einzufließen. Für den Zeitraum der Aktivphase stehe der Arbeitnehmerin die Jahressonderzahlung anteilig zu – und zwar jeweils hälftig als Einmalzahlung und als Wertguthaben. Dabei ist aus Sicht des BAG irrelevant, dass die Arbeitnehmerin zum Fälligkeitszeitpunkt bereits in die Freistellungsphase eingetreten war, da sie sich diese Entgeltbestandteile bereits während der Aktivphase erarbeitet habe.
Das BAG geht sogar noch einen Schritt weiter: Da nach der tarifvertraglichen Regelung die Auszahlung eines Teilbetrags der Jahressonderzahlung zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen sei, hätte die Dienstgeberin bereits mit der Vergütung des letzten Monats der Arbeitsphase anteilig die Jahressonderzahlung an die Arbeitnehmerin bezahlen müssen. Ein Ermessensspielraum der Dienstgeberin, wie ihn die tarifvertragliche Vorschrift grundsätzlich vorsieht, bestehe in diesem Fall nicht.
Da die Höhe der auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Vergütung nicht bekannt war, wurde die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen (BAG, Urteil v. 25.07.2023, 9 AZR 332/22).
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