Inflationsausgleichsprämie während Passivphase der Altersteilzeit
Wer hat Anspruch auf eine Inflationsausgleichsprämie und wer nicht? Regelungen über die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie, die einzelne Beschäftigungsgruppen ausschließen, beschäftigen die Arbeitsgerichte derzeit häufig.
Vorliegend ging es um eine tarifliche Regelung, nach der Beschäftigte in der Passivphase der Altersteilzeit keine Inflationsausgleichsprämie erhalten. Dies hielten die Vorinstanzen für rechtmäßig. Das Bundesarbeitsgericht hat dies korrigiert und festgestellt: Der tarifliche Ausschluss von Beschäftigten in der Passivphase der Altersteilzeit verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten.
Der Fall: Arbeitnehmer in Altersteilzeit verlangt Inflationsausgleichsprämie
Der Arbeitnehmer befindet sich in der zweiten Phase einer als Blockmodell vereinbarten Altersteilzeit, der Passivphase, in der er keine Arbeitsleistung mehr erbringt. Ein 2023 geschlossener Tarifvertrag sah für die Beschäftigten des Unternehmens der Energiewirtschaft die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro an die Beschäftigten vor. Der Arbeitnehmer erhielt diese Prämie nicht. Der Grund: Zum entscheidenden Stichtag war er bereits in der Passivphase seiner Altersteilzeit.
Nach der tarifvertraglichen Regelung waren von der Sonderzahlung alle Mitarbeitenden ausgenommen, die am 31. Mai 2023 in einem gekündigten oder ruhenden Arbeitsverhältnis standen bzw. sich zu diesem Stichtag in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden. Beschäftigte in Elternzeit waren nicht ausgenommen. Der Arbeitnehmer fühlte sich benachteiligt und klagte auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro.
Wirksamer Ausschluss der Inflationsausgleichsprämie?
Er war überzeugt, dass der tarifliche Ausschluss von Beschäftigten, die sich am Stichtag in der Passivphase der Alterszeit befinden, rechtsunwirksam sei. Dieser verstoße gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er brachte vor, dass die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten ihn genauso wie aktive Beschäftigte träfen. In der Freistellungsphase habe er außerdem keine Vergünstigungen durch subventionierte Kantinenpreise, keine kostenlosen Getränke und kein Jobticket mehr, argumentierte er. Zudem verbrauche er zuhause mehr Wasser und habe höhere Heizkosten. Die Regelung sei zudem altersdiskriminierend und behandele ihn im Verhältnis zu den außertariflichen Beschäftigten ungleich. Auch stelle sie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitbeschäftigung dar.
LAG Düsseldorf: Tariflicher Ausschluss der Inflationsausgleichsprämie zulässig
Vor dem LAG Düsseldorf scheiterte der Arbeitnehmer mit dieser Argumentation. Das Gericht hielt - wie schon die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Essen - den tariflichen Ausschluss von Beschäftigten in der Passivphase der Altersteilzeit für gerechtfertigt. Hierzu stellte das LAG Düsseldorf fest, dass der tarifliche Ausschlusstatbestand nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Düsseldorfer Richter erkannten keine willkürliche Ungleichbehandlung. Beschäftigte in der aktiven und in der passiven Phase der Altersteilzeit im Blockmodell befänden sich nicht in einer vergleichbaren Lage, stellten sie fest. In der tariflichen Differenzierung lag nach Annahme des LAG Düsseldorf auch keine unzulässige Altersdiskriminierung. Ebenso kam das Gericht zum Ergebnis, dass in der tarifvertraglichen Regelung keine Diskriminierung von Teilzeitkräften liege.
BAG: Tarifvertragliche Regelung zur Inflationsausgleichsprämie ist unwirksam
Das sah das BAG anders und gab dem Arbeitnehmer recht. Es erklärte die tarifliche Regelung vorliegend für unwirksam, da der Ausschluss von Beschäftigten in der Passivphase der Altersteilzeit gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
Die Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Dabei sind die Tarifparteien in der Bestimmung des Leistungszwecks gemäß Art. 9 Abs. 3 GG auch weitgehend frei, stellte das BAG fest. Mit der konkreten Regelung seien sie aber über das Ziel hinausgeschossen und hätten ihre durch § 4 Abs. 1 TzBfG begrenzte Rechtsetzungsbefugnis überschritten.
Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten ist nicht gerechtfertigt
Für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmenden aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten war für das Gericht kein sachlicher Grund zu erkennen, den man aus den Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit hätte herleiten können.
Die Ausgestaltung der Voraussetzungen für den Erhalt einer Inflationsausgleichsprämie im Tarifvertrag lasse nicht den Schluss zu, dass es sich auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handele. Ebenfalls seien keine Aspekte in Bezug auf die vergangene Betriebstreue, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, erkennbar. Vielmehr hätten die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht von einer zukünftigen Betriebstreue abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, waren für das BAG nicht erkennbar.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. November 2024, Az. 9 AZR 71/24; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2024, Az. 14 Sa 1148/23
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