Anspruch auf Inflationsausgleichsprämie in Elternzeit

Im Streit um die Zahlung eines tariflichen Inflationsausgleichs während der Elternzeit hatte eine Arbeitnehmerin Erfolg. Das Arbeitsgericht Essen sprach ihr den vollen Inflationsausgleich zu.

Die Inflationsausgleichsprämie, die Arbeitgeber Beschäftigten bis Ende 2024 steuer- und abgabenfrei zahlen können, soll die Nachteile der Inflation abmildern. Viele Unternehmen haben davon schon Gebrauch gemacht, doch oftmals erhalten nicht alle Mitarbeitenden die begehrte Prämie. Zurecht, entschied das LAG Düsseldorf zuletzt im Fall eines Arbeitnehmers, der sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befand. Auch Eltern in Elternzeit werden oftmals von der Zahlung ausgenommen. Im vorliegenden Fall wehrte sich eine Mitarbeiterin in Elternzeit mit Erfolg dagegen.

Der Fall: Mitarbeiterin erhält während Elternzeit keine Inflationsausgleichsprämie

Die Arbeitnehmerin ist seit 2019 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Ab dem Sommer 2022 war sie in Elternzeit, ab Dezember 2023 begann sie wieder mit einem Umfang von 24 Stunden die Woche in Teilzeit zu arbeiten. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-VK) Anwendung.

Beschäftigte, die unter diesen Geltungsbereich fallen, hatten 2023 nach einer tarifvertraglichen Regelung (im TV Inflationsausgleich) Anspruch auf eine Sonderzahlung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Ausgeschlossen davon sind nach der Regelung jedoch Beschäftigte in Elternzeit, da Voraussetzung für die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ist, dass an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss. Ebenso besteht kein Anspruch, wenn nicht an mindestens einem Tag im Bezugsmonat Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

Da die Mitarbeiterin sich in Elternzeit befand, war dies nicht der Fall, was dazu führte, dass der Arbeitgeber ihr keine Inflationsausgleichsprämie zahlte. Lediglich für die Zeit, in der sie Teilzeit beschäftigt war, gewährte er ihr eine anteilige Prämie in Höhe von 135 Euro.

Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot und AGG?

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, der TV Inflationsausgleich verstoße, soweit er Beschäftigte in Elternzeit von dem Bezug der Sonderzahlung Inflationsausgleich ausschließt, gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und begründe zudem eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts i.S.d. § 1 AGG. Seine Entgeltbezugsregelung stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, da Mütter im Allgemeinen länger in Elternzeit gingen als Väter. 

Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Ansicht, dass die Tarifregelung, die Beschäftigte in Elternzeit von der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ausnimmt, unter die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie falle. Die Regelung verstoße weder gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot noch gegen das Diskriminierungsverbot.

ArbG: Gleichheitswidrige Differenzierung bei der Inflationsausgleichsprämie

Das Arbeitsgericht Essen hielt die tarifvertragliche Regelung im vorliegenden Fall für unzulässig. Auch wer in Elternzeit sei, müsse die Prämie erhalten. Das Arbeitsgericht sah in der tariflichen Regelung einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser bilde als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie, lautete die Begründung.

Gerichte seien aufgrund des Schutzauftrags der Verfassung verpflichtet, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden, wobei nur geprüft werden dürfe, ob Tarifregelungen offenkundig auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruhen. Das sei vorliegend der Fall, entschied das Arbeitsgericht Essen. Ein sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung zwischen Berechtigten und Nichtberechtigten konnte die Kammer nicht erkennen.

Verstoß gegen das Willkürverbot

Insbesondere war für das Gericht nicht ersichtlich, warum andere Arbeitnehmende nach der Regelung den Inflationsausgleich erhalten, obwohl sie - wie auch die Beschäftigten in Elternzeit –(die nicht in Teilzeit beschäftigt sind) in der Zeit keine finanzielle Leistungen vom Arbeitgeber beziehen. Anspruch hatten danach beispielsweise Beschäftigte im Krankengeldbezug, die wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers keinen Krankengeldzuschuss bekommen, ebenso wie Beschäftigte, die im Bezugszeitraum nur Kinderkrankengeld beziehen.

Der Arbeitgeber sei folglich verpflichtet, der Mitarbeiterin den vollen Inflationsausgleich zu zahlen. Einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG erkannte das Gericht jedoch nicht

Hinweis: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 16. April 2024, Az: 3 Ca 2231/23


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