Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug bei ordentlicher Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtssätze, die der Senat im Urteil vom 9. August 1984 (2 AZR 374/83 = BB 1985, 399 = auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) für die Begründung des Annahmeverzugs bei fristloser Kündigung aufgestellt hat, gelten auch für die ordentliche Kündigung mit der Maßgabe, daß der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, wenn er den Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen.
2. War der Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist arbeitsunfähig krank, gerät der Arbeitgeber nur in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer ihm die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit mitgeteilt und ihn aufgefordert hat, ihm Arbeit zuzuweisen.
Normenkette
BGB §§ 293-296, 615
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 16.12.1983; Aktenzeichen 3 Sa 123/83) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 23.06.1983; Aktenzeichen 5 Ca 788/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Februar 1983 bis 1. März 1983, 11.30 Uhr. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. August 1982 als Konstrukteur zu einem tariflichen Bruttogehalt in Höhe von 2.800,-- DM zuzüglich 300,-- DM übertariflicher freiwilliger Zulage beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 21. Dezember 1982 zum 31. Januar 1983. Am 28. Dezember 1982 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 20. Januar 1983 zugestellt wurde. In der Zeit vom 19. Januar bis 28. Januar 1983 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind der Beklagten zugegangen. Am 31. Januar 1983 (Montag) nahm der Kläger seine Arbeit bei der Beklagten nicht mehr auf. Am 3. Februar 1983 schlossen die Prozeßbevollmächtigten der Parteien in deren Abwesenheit zur Erledigung des Kündigungsschutzverfahrens folgenden Vergleich:
"1. Das Arbeitsverhältnis wird durch ordentliche
Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 1982
zum 31. März 1983 aufgelöst.
2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
3. Beide Parteien behalten sich den Widerruf die-
ses Vergleichs durch schriftliche Anzeige zu
den Gerichtsakten bis zum 17. Februar 1983 vor."
Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Dies wurde den Prozeßbevollmächtigten der Parteien am 24. Februar 1983 mitgeteilt. Der Kläger erhielt hiervon am 28. Februar 1983 Mitteilung. Am 1. März 1983 um 11.30 Uhr sprach der Kläger im Betrieb der Beklagten vor, um die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mündlich mit, sie stelle ihn unter Anrechnung des noch bestehenden Urlaubsanspruchs bis 31. März 1983 von der Arbeitsleistung frei. Die Beklagte zahlte in der Folgezeit an den Kläger für den Monat Februar 1983 einen Betrag von 454,74 DM netto und für den Monat März 1983 3.023,84 DM brutto.
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Beklagte auf Zahlung einer Restvergütung für Februar in Höhe von 3.100,-- DM brutto abzüglich 454,74 DM netto und für März 1983 in Höhe von 76,16 DM brutto in Anspruch genommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe der Beklagten die Arbeitsleistung durch Zustellung der Klageschrift hinreichend angeboten. Im übrigen habe er mit der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. Januar 1983, die ausweise, daß er ab 29. Januar 1983 wieder arbeitsfähig gewesen sei, sich bereit erklärt, die Arbeit ab dem 1. Februar 1983 aufzunehmen. Die Beklagte sei gehalten gewesen, ihn zur Arbeitsleistung aufzufordern. Dies habe sie nicht getan.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
3.100,-- DM brutto abzüglich 454,74 DM netto
nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu
zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
76,16 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klage-
erweiterung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, durch die Kündigungsschutzklage, die ihr während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zugestellt worden sei, sei kein Annahmeverzug begründet worden. Vielmehr hätte der Kläger seine Arbeitskraft nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit am 31. Januar 1983 anbieten müssen, um einen Annahmeverzug zu begründen. Sie, die Beklagte, sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zur Arbeit aufzufordern. Die Beklagte hat sich desweiteren für berechtigt erachtet, die Vergütung für den Monat März 1983 um das Entgelt für 4,25 Stunden zu kürzen, weil der Kläger erst um 11.30 Uhr, mithin 4,5 Stunden nach Arbeitsbeginn abzüglich 0,25 Stunden Pause seine Arbeitskraft angeboten habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.790,-- DM brutto abzüglich 454,74 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 20. April 1983 sowie weitere 76,16 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juni 1983 zu zahlen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs restliches Arbeitsentgelt für die Zeit vom 4. Februar bis zum 28. Februar 1983 in Höhe von 2.790,-- DM brutto abzüglich 454,74 DM netto sowie weitere 76,16 DM brutto für 4,25 Stunden am 1. März 1983 zu. Es ist davon ausgegangen, in der Erhebung der Kündigungsschutzklage sei ein wörtliches Angebot enthalten, das ausreiche, um den Arbeitgeber in Verzug zu setzen. Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung entfalte es aber erst ab seinem Zugang Wirkung. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungsschutzklage am 20. Januar 1983 sei der Kläger arbeitsunfähig krank, also nicht leistungsbereit gewesen, deshalb habe er zu diesem Zeitpunkt die Beklagte nicht in Annahmeverzug versetzen können. Auch die frühere Arbeitsleistung sei nicht gleichzeitig als Angebot für die Zukunft zu qualifizieren, vielmehr werde damit nur die geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Ein wörtliches Angebot liege aber im prozessualen Verhalten des Klägers, nämlich in dem Abschluß des widerruflichen Vergleichs am 3. Februar 1983, in dem die Parteien unter der aufschiebenden Bedingung des Widerrufs am 17. Februar 1983 sich darauf geeinigt hätten, daß das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 1983 fortbestehe. Damit habe der Kläger deutlich der Beklagten zu erkennen gegeben, er sei auch weiterhin mit der Kündigung nicht einverstanden. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, den Kläger zur Aufnahme der Arbeit aufzufordern, um nicht in Annahmeverzug zu geraten. Dies habe sie nicht getan. Demgemäß habe der Kläger Anspruch auf Entgelt für die Zeit vom 4. Februar bis 1. März 1983. Im übrigen sei die Klage unbegründet gewesen.
B. Diesen Ausführungen kann weder in allen Teilen der Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden.
I. Der Senat hat im Urteil vom 9. August 1984 (- 2 AZR 374/83 - NZA 1985, 119, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für den Annahmeverzug bei fristloser Kündigung geändert. Ausgangspunkt ist § 615 BGB, wonach der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen hat, wenn er in Annahmeverzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muß der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Nach § 295 BGB genügt jedoch ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB). Der Fünfte Senat hatte bereits im Urteil vom 10. Juli 1969 (BAG 22, 111 = AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit) angenommen, es könne bei der einseitig und deshalb unberechtigt angeordneten vorübergehenden Schließung eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung auf ein wörtliches Angebot verzichtet werden, weil der Arbeitgeber seiner kalendermäßig festgelegten Mitwirkungshandlung nicht nachgekommen sei, für die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Fortsetzung der Arbeit zu sorgen und den Arbeitnehmern mitzuteilen, daß sie arbeiten dürfen (zustimmend Herschel, AuR 1969, 383, 384; BGB-RGRK-Alff, 12. Aufl., § 296 Rz 2; Beitzke, SAE 1970, 4). Herschel (aaO) und Löwisch (Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 296 Rz 3) haben gesehen, daß, wenn dies für den abgegrenzten Betriebsteil gelte, es konsequenterweise auch auf das einzelne Arbeitsverhältnis übertragen werden müsse. Das ist auch die Auffassung des erkennenden Senats. Er ist daher den Ausführungen des Fünften Senats im Urteil vom 10. Juli 1969 (aaO) gefolgt und hat diese Rechtsprechung fortgeführt. Der Senat sieht die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm die Arbeit zuzuweisen hat. Da der Arbeitgeber mit der fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zu erkennen gibt, muß der Arbeitgeber ihn wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz fristloser Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will. Der Senat hat aber auch gesehen, daß der Arbeitgeber während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht in Annahmeverzug geraten kann (§ 297 BGB). Da in diesem Fall dem Arbeitgeber das Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn des Annahmeverzugs nicht erkennbar ist, muß nach dem Urteil vom 9. August 1984 der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung zwar nicht die Arbeit anbieten, aber den Arbeitgeber auffordern, ihm Arbeit zuzuweisen. Nach § 295 Satz 2 BGB steht diese Aufforderung des Gläubigers, die Mitwirkungshandlung vorzunehmen, einem Angebot gleich. Dieser Aufforderung bedarf es in allen Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht erkennen kann, ob und von welchem Zeitpunkt an der Arbeitnehmer leistungsbereit und -willig ist.
Diese Rechtsprechung ist auf die ordentliche Kündigung insofern entsprechend anzuwenden, als unabhängig von der Art der Kündigung die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin besteht, dem Arbeitnehmer jeden Tag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz einzurichten und Arbeit zuzuweisen. Anders als bei der fristlosen Kündigung bringt der Arbeitgeber bei der ordentlichen Kündigung und außerordentlichen befristeten Kündigung durch die Kündigung aber nicht zum Ausdruck, daß er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab sofort nicht mehr wolle, sondern daß er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist den Arbeitsplatz für den betreffenden Arbeitnehmer bereithält und ihm Arbeit zuzuweisen beabsichtigt. Erst für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist verzichtet er auf die Dienste des Arbeitnehmers. Dementsprechend ist es Sache des Arbeitnehmers, während des Laufs der Kündigungsfrist wie bisher seine Arbeit anzubieten.
II. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht bisher ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB genügen lassen und in der Erhebung der Kündigungsschutzklage dann ein wörtliches Angebot gesehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitswillig war, im Falle der fristlosen Kündigung für den Zeitraum nach deren Zugang, für die ordentliche Kündigung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. BAG 10, 202 = AP Nr. 18; 14, 31 = AP Nr. 22; 14, 156 = AP Nr. 23; Urteil vom 26. August 1971 - 2 AZR 301/70 - AP Nr. 26 sowie Urteil vom 27. Januar 1975 - 5 AZR 404/74 - AP Nr. 31, alle zu § 615 BGB).
1. An dieser Fiktion (vgl. dazu die Kritik von W. Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 26 und 31 zu § 615 BGB) muß in Zukunft nicht festgehalten werden. Unabhängig davon ist mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß auch nach der bisherigen Rechtsprechung vorliegend in der Erhebung der Kündigungsschutzklage kein den Annahmeverzug auslösendes wörtliches Arbeitsangebot gesehen werden kann. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, das wörtliche Arbeitsangebot sei eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Aus diesem Grunde kann es erst Rechtsfolgen von dem Zeitpunkt an auslösen, in dem es zugegangen ist. Vorliegend ist die Kündigungsschutzklage am 20. Januar 1983 der Beklagten zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt ist der Kläger arbeitsunfähig krank, also nicht arbeitsbereit gewesen. Gemäß § 297 BGB hat die Beklagte daher durch dieses Angebot auch nicht in Annahmeverzug geraten können.
2. Danach hat der Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeit nicht wieder angeboten.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Tatsache, daß die zweite Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 28. Januar 1983 bestätigt hat, nicht bewirkt, daß die Beklagte in Annahmeverzug geraten ist. Nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wäre es Sache des Klägers gewesen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Stattdessen hat er am 31. Januar 1983 unentschuldigt gefehlt.
III. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte aber auch nicht durch den in der Güteverhandlung vom 3. Februar 1983 geschlossenen bis 17. Februar 1983 widerruflichen Vergleich in Annahmeverzug geraten.
1. Mit der Kündigung zum 31. Januar 1983 hat die Beklagte zwar erklärt, sie lehne die Arbeitsleistung ab dem 1. Februar 1983 ab. Nach den Grundsätzen des Urteils vom 9. August 1984 (aaO) hat in einem solchen Falle der Arbeitgeber von diesem Zeitpunkt an grundsätzlich dem Arbeitnehmer wieder einen funktionsfähigen Arbeitsplatz einzurichten und ihm Arbeit zuzuweisen, wenn er nicht in Annahmeverzug geraten will (§ 296 BGB). Das gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigte Zweifel an der Arbeitswilligkeit bzw. Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers hat. In einem solchen Falle hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber aufzufordern, ihm Arbeit zuzuweisen.
Vorliegend ist der Kläger zunächst bis 28. Januar 1983 arbeitsunfähig krank gewesen. Danach hat er am 31. Januar 1983 unentschuldigt gefehlt. Der Beklagten war auch nicht erkennbar, von wann an der Kläger wieder arbeitsfähig und arbeitsbereit sein würde. Die Beklagte mußte auch nicht in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 LohnFG nach Ablauf der Wartefrist von drei Kalendertagen annehmen, die Arbeitsunfähigkeit dauere nicht mehr an. Denn ebensowenig wie es einen Erfahrungssatz gibt, daß arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit nur bis zum Kündigungstermin durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen, für die Zeit danach aber einen Nachweis für entbehrlich halten, gibt es einen Erfahrungssatz des Inhalts, daß der Arbeitnehmer auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus stets dem Arbeitgeber Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zusendet. Soweit dem nicht veröffentlichten Senatsurteil vom 26. Mai 1983 (- 2 AZR 169/81 -), dem besondere Fallumstände zugrundelagen, etwas anderes zu entnehmen sein sollte, wird dies hiermit vorsorglich aufgegeben.
2. Der Kläger hätte daher die Beklagte auffordern müssen, ihm Arbeit zuzuweisen. Das hat er aber nicht getan.
a) In dem Abschluß des widerruflichen Vergleichs kann eine solche Aufforderung schon deshalb nicht gesehen werden, weil hierdurch die Beklagte nicht erfährt, ob der Kläger von nun an wieder arbeitsfähig und arbeitswillig ist. Die Überlegungen des Landesarbeitsgerichts, durch den Vergleichsabschluß lasse der Kläger erkennen, daß er die Kündigung nach wie vor für unberechtigt halte, ist zwar richtig, aber nicht ausreichend für eine Aufforderung zur Zuweisung von Arbeit, mit der klargestellt werden soll, ab wann die Beklagte in Annahmeverzug gerät. Würde dem Landesarbeitsgericht gefolgt, wäre das Ergebnis statt der Klarstellung, deren Funktion die Aufforderung zur Zuweisung der Arbeit nach § 295 Satz 2 BGB haben soll, eine weitere Fiktion.
b) Soweit sich das Landesarbeitsgericht für seine Auffassung auf das Urteil des Senats vom 21. Mai 1981 (BAG 35, 324 = AP Nr. 32 zu § 615 BGB) beruft, übersieht es, daß in jenem Falle der Senat darüber entschieden hatte, was der Arbeitgeber tun muß, um den Annahmeverzug zu beenden, in den er durch die Nichtannahme des Arbeitsangebots des Klägers nach fristloser Kündigung geraten war. Vorliegend geht es aber um die Begründung des Annahmeverzugs. Hierzu hat der Senat im Urteil vom 21. Mai 1981 (aaO) nicht die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber müsse von sich aus den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung auffordern, wenn dieser nach Ausspruch der Kündigung arbeitsunfähig krank geworden sei.
IV. Dementsprechend war auf die Revision das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
Triebfürst Dr. Weller Dr. Steckhan
Rupprecht Dr. Harder
Fundstellen
Haufe-Index 437606 |
BB 1985, 1468-1469 (LT1-2) |
DB 1985, 1744-1746 (LT1-2) |
NJW 1985, 2662-2663 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 259-259 (T) |
NZA 1985, 778-779 (LT1-2) |
RzK, I 13b Nr 2 (LT1-2) |
SAE 1986, 15-17 (LT1-2) |
AP § 615 BGB (LT1-2), Nr 35 |
EzA § 615 BGB, Nr 44 (LT1-2) |