Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellungsabrede im tarifgebietsübergreifenden Unternehmen. Auslegung einer Bezugnahmeklausel bei Betriebsteilübergang. Gleichstellungsabrede. Besonderheit: Beschäftigung des nicht tarifgebundenen Klägers außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Tarifverträge, an die der frühere Arbeitgeber kraft Verbandszugehörigkeit gebunden war. “Fachfremder” Tarifvertrag = “Ortsfremder” Tarifvertrag?. Tarifrecht. Arbeitsvertragsrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge, an die der Arbeitgeber an seinem Sitz kraft Verbandszugehörigkeit gebunden ist, ist auch dann eine Gleichstellungsklausel, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieser Tarifverträge beschäftigt wird (Weiterführung von Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 21 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 19, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Orientierungssatz
- Eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag ist typischerweise eine Gleichstellungsklausel.
- Eine Gleichstellungsklausel liegt jedenfalls auch dann vor, wenn ein Unternehmen die am Firmensitz geltenden Tarifverträge in Bezug nimmt, an die es kraft Verbandszugehörigkeit gebunden ist, auch wenn es als tarifgebietsübergreifendes Unternehmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieser Tarifverträge Arbeitnehmer beschäftigt.
- “Fachfremdes” Tarifwerk – BAG 25. Oktober 2000 – 4 AZR 506/99 – BAGE 96, 177 – steht “ortsfremdem” Tarifwerk nicht gleich.
- Der Betriebsteilübernehmer hat bei fehlender eigener Tarifgebundenheit die tarifvertraglichen Bestimmungen infolge des Betriebsteilübergangs auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nur mit dem Inhalt anzuwenden, den sie im Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs hatten. Entsprechend § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB werden die auf Grund einer Gleichstellungsabrede anzuwendenden Tarifbestimmungen nur mit dem Normenstand zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten.
Normenkette
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 613a Abs. 1 S. 2; Gehaltsabkommen für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18. Februar 1999, in Kraft ab 1. Januar 1999
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für die Monate Januar 1999 bis einschließlich September 2000 zustehenden Vergütung. Dabei geht es darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die seit dem 1. Januar 1999 erfolgte tarifliche Gehaltserhöhung an den Kläger weiterzugeben.
Der am 13. Oktober 1958 geborene Kläger war auf Grund “Anstellungsvertrag” vom 27. September 1988/4. Oktober 1988 seit dem 1. Oktober 1988 als “Kundendiensttechniker” “im Arbeitsbereich Gerätekundendienst Kopier- und Drucksysteme im Einzugsgebiet des Verkaufsbüros B…” bei der Firma K… Aktiengesellschaft S… beschäftigt.
§ 2 Abs. 3 “Anstellungsvertrag” enthält die Bestimmung, daß sich die K… AG vorbehält, dem Mitarbeiter eine andere, seinen Kenntnissen und Erfahrungen entsprechende Tätigkeit bzw. ein räumlich geändertes Gebiet zuzuweisen. Die Arbeitgeberin war jedenfalls über das Jahr 1997 hinaus Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden. Mit sämtlichen Beschäftigten wurde die Anwendbarkeit der Tarifverträge der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vereinbart, im Arbeitsvertrag mit dem Kläger in § 16 “Schlußbestimmungen” Abs. 1:
“Soweit in diesem Vertrag keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, gelten ergänzend die Betriebsvereinbarungen und die Arbeitsordnung der K… AG sowie die Bestimmungen der Tarifverträge in der Metallindustrie von Nordwürttemberg/Nordbaden sowie die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften der jeweils gültigen Fassung.”
Mit Wirkung vom 1. Januar 1997 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsteilübergangs auf die Beklagte über, die nicht tarifgebunden ist.
Der Kläger, der ebenfalls nicht tarifgebunden ist, machte mit anwaltlichem Schreiben vom 17. September 1999 die per 1. Januar 1999 erfolgte tarifliche Gehaltserhöhung unter Hinweis auf “die Tarifbindung im Arbeitsvertrag” erfolglos geltend. Mit der beim Arbeitsgericht am 10. Januar 2000 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, ab 1. Januar 1999 an den tariflichen Gehaltserhöhungen teilzunehmen, und verlangt für den Zeitraum von Januar 1999 bis September 2000 den von ihm errechneten Differenzbetrag – nach entsprechender Klageerweiterung – von insgesamt 7.418,-- DM. Er hat die Auffassung vertreten, auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel sei auch die Beklagte an die Tarifverträge der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden. Deshalb habe die letzte Tarifgehaltserhöhung mit Wirkung ab 1. Januar 1999 berücksichtigt werden müssen. Gegen eine Gleichstellungsklausel sprächen neben dem Wortlaut der Verweisungsabrede, der nicht von einer Gleichstellung, sondern davon spreche, daß bestimmte Tarifverträge anzuwenden seien, auch der Zweck dieser Regelung und die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien. Selbst wenn bei der Firma K… AG – was bestritten werde – die Vorstellung bestanden habe, mit der Verweisungsklausel solle der Zweck erreicht werden, eine Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern zu bewirken, sei diese Zweckvorstellung für den Kläger nicht erkennbar gewesen und schon deshalb unbeachtlich.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.418,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem aus 5.186,-- DM brutto verbleibenden Nettobetrag seit dem 18. April 2000 zu zahlen, sowie weitere 4 % aus dem aus 2.232,-- DM verbleibenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 2000.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich unter Hinweis auf § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Standpunkt gestellt, die vormals bei der Betriebsveräußerung geltenden Tarifverträge seien allein mit demjenigen Inhalt Bestandteil des Arbeitsverhältnisses geworden, wie er im Zeitpunkt des Betriebsüberganges maßgeblich gewesen sei. An die weitere tarifliche Entwicklung sei die Beklagte hingegen nicht gebunden. Aus der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel ergebe sich nichts anderes, es handele sich um eine bloße Gleichstellungsabrede. Eine Besserstellung der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, auf deren Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung gefunden habe, sei hingegen nicht beabsichtigt gewesen. Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer habe der Betriebsübergang zur Folge gehabt, daß der Inhalt der Tarifverträge nunmehr individualrechtlicher Bestandteil der Arbeitsverhältnisse – jedoch ohne Weiterentwicklung – geworden sei. Arbeitsvertraglich habe der Kläger nicht besser gestellt werden sollen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Seifner, Wolf
Fundstellen
Haufe-Index 884728 |
BAGE 2004, 275 |
BB 2003, 961 |
DB 2003, 1227 |
NWB 2002, 3113 |
EBE/BAG 2003, 34 |
ARST 2003, 231 |
EWiR 2003, 319 |
FA 2002, 332 |
NZA 2003, 442 |
RdA 2003, 303 |
SAE 2003, 211 |
ZIP 2003, 639 |
ZTR 2003, 228 |
AP, 0 |
AuA 2002, 467 |
EzA-SD 2002, 6 |
EzA-SD 2003, 16 |
EzA |
PERSONAL 2003, 58 |
ZfPR 2003, 50 |
AUR 2002, 385 |
ArbRB 2003, 68 |
BAGReport 2003, 76 |
SPA 2002, 4 |
SPA 2003, 6 |