Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkassenbeiträge bei geringfügiger Beschäftigung
Orientierungssatz
Sozialkassenbeiträge bei geringfügiger Beschäftigung; Allgemeinverbindlicherklärung der Verfahrenstarifverträge für das Baugewerbe; Gleichbehandlung; Gleichberechtigung; zusätzliche Altersbeihilfe für geringfügig Beschäftigte; Wartezeit für Altersbeihilfe - Bestätigung von BAG Urteil vom 28. September 1988 4 AZR 350/88 und 23. November 1988 4 AZR 419/88.
Normenkette
TVG §§ 1, 5; BGB § 242; BauRTV § 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.09.1988; Aktenzeichen 15 Sa 768/88) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 13.05.1988; Aktenzeichen 1 Ca 5001/87) |
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Als solche nimmt sie den Beklagten auf Zahlung von Beiträgen für die Zeit vom Dezember 1982 bis September 1986 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 3.873,85 DM in Anspruch. Der Beklagte führt in seinem Betrieb Rohr- und Behältermontagen für Gas-, Wasser-, Öl-, Preßluft-, Sole- und Fernheizanlagen sowie Rohrdükerungen, Rohrdurchpressungen und Erdarbeiten aus und nahm im vorgenannten Zeitraum am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil. Bei der Klageforderung handelt es sich um Beiträge, die auf die bei dem Beklagten geringfügig beschäftigten Reinemachefrauen entfallen.
Die Klägerin hat sich darauf berufen, auch für die versicherungsfreien geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer seien Beiträge abzuführen. Denn auch diese könnten Leistungen nach den Sozialkassentarifverträgen erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die
Klägerin DM 3.873,85 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu vorgetragen, sein Unternehmen unterfalle nicht dem Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe. Die Rohr- und Behältermontage für Gas-, Wasser-, Öl-, Preßluft-, Sole- und Fernheizanlagen gehöre zum Bereich der Metallverarbeitung. Wenn im Zusammenhang damit vom Beklagten auch Rohrdükerungen, Rohrdurchpressungen und Erdarbeiten ausgeführt würden, rechtfertige dies nicht die Bindung an die Tarifverträge für das Baugewerbe. Ferner hätten die Tarifvertragsparteien den Kreis der zu Sozialkassenbeiträgen heranzuziehenden Personen auf diejenigen beschränkt, die eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten. Die geringfügig beschäftigten Reinemachefrauen seien nicht versicherungspflichtig. Die Mehrzahl aller geringfügig Beschäftigten könne auch bei Anwendung der Tarifverträge für das Baugewerbe in aller Regel keinen Anspruch gegen die Kassen des Baugewerbes erwerben. Die Mehrheit aller Baubetriebe würde die Heranziehung zur Beitragspflicht für geringfügig Beschäftigte als unzumutbare Belastung empfinden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage mit Recht stattgegeben. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung von DM 3.873,85 verlangen. Diesen in seiner rechnerischen Höhe unstreitigen Betrag schuldet der Beklagte als Beitrag für die bei ihm geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer (Reinemachefrauen) nach den Verfahrenstarifverträgen für das Baugewerbe für den Zeitraum vom Dezember 1982 bis September 1986. Denn der Beklagte ist entgegen seiner Auffassung verpflichtet, auch für die geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer Beiträge an die Klägerin abzuführen.
Die im Klagezeitraum geltenden Verfahrenstarifverträge für das Baugewerbe finden kraft Allgemeinverbindlichkeit auf die Parteien mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG). Der Betrieb des Beklagten unterfällt entgegen seiner erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragenen Auffassung dem Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe. Für den betrieblichen bzw. fachlichen Geltungsbereich regelt § 1 Abs. 2 Abschnitt V des Verfahrenstarifvertrages i.d.F. vom 17. Dezember 1985 und der inhaltsgleiche § 1 Abs. 2 Abschnitt V des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe, der früher kraft Verweisung für den Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages galt, daß Betriebe mit den in Abschnitt V aufgeführten Arbeiten zu den Betrieben des Baugewerbes gehören. In Abschnitt V Nr. 23 heißt es:
"Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-,
Kabelleitungstiefbauarbeiten und Boden-
durchpressungen."
Die Rohr- und Behältermontage sowie Rohrdükerungen, Rohrdurchpressungen und im Zusammenhang damit stehende Erdarbeiten sind Rohrleitungsarbeiten und werden deshalb von den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für das Baugewerbe erfaßt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Auch der Beklagte ist offenbar - jedenfalls in der Vergangenheit - davon ausgegangen; sonst hätte er es nicht unwidersprochen hingenommen, daß ihn die Klägerin für seine nicht geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer auf Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes in Anspruch nahm. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein für den Bereich der Metallverarbeitung geltender Tarifvertrag im vorliegenden Fall wegen Tarifkonkurrenz der Anwendung der Tarifverträge für das Baugewerbe entgegenstehen könnte. Insoweit hätte der Beklagte vortragen müssen, daß er Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist, der für den Bereich der Metallverarbeitung einen Tarifvertrag abgeschlossen hat und unter dessen Geltungsbereich er fällt. Hierzu hat der Beklagte jedoch nichts vorgetragen.
Die von der Klägerin nach den Verfahrenstarifverträgen geforderten Beiträge sind auch für die geringfügig beschäftigten Reinemachefrauen des Beklagten abzuführen, da sich der persönliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer auch auf sie erstreckt. § 1 Abs. 3 der Verfahrenstarifverträge bestimmt:
"Persönlicher Geltungsbereich:
-----------------------------
Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften
der Reichsversicherungsordnung über die Ren-
tenversicherung der Arbeiter (RVO) versiche-
rungspflichtige Tätigkeit ausüben."
Nach dem für die Tarifauslegung maßgebenden Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) werden damit vom persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge diejenigen Arbeitnehmer erfaßt, die eine von der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter erfaßte Tätigkeit ausüben. Ob im Einzelfall für die Arbeitnehmer Versicherungspflicht besteht und Beiträge an die Rentenversicherung abzuführen sind, ist für den persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge dagegen unerheblich. Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß die Tarifvertragsparteien auf die Tätigkeit abstellen und nicht auf die persönliche Versicherungspflicht. Der Hinweis auf die Versicherungspflicht nach der RVO bedeutet nur, daß es sich um eine von der RVO erfaßte Tätigkeit handeln muß. Der persönliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer gilt ersichtlich zur Abgrenzung vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister. Dort heißt es in § 1 Abs. 3:
"Technische und kaufmännische Angestellte so-
wie Poliere und Schachtmeister, die unter den
persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages
über eine zusätzliche Alters- und Invaliden-
beihilfe im Baugewerbe vom 28. Dezember 1979
fallen."
In dem in Bezug genommenen Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe heißt es in § 1 Abs. 3:
"Personen, die als Arbeitnehmer eine nach den
Vorschriften der Reichsversicherungsordnung
über die Rentenversicherung der Arbeiter oder
des Angestelltenversicherungsgesetzes in sei-
ner jeweils geltenden Fassung versicherungs-
pflichtige Tätigkeit ausüben."
Der persönliche Geltungsbereich in dem Verfahrenstarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer einerseits und die Angestellten andererseits dient damit zur Abgrenzung der Arbeiter und Angestellten. Die Arbeiter- oder Angestellteneigenschaft hängt aber nicht von der individuellen Versicherungspflicht ab, sondern von der ausgeübten Tätigkeit. Wenn die Tarifvertragsparteien an die persönliche Rentenversicherungspflicht des einzelnen Arbeitnehmers hätten anknüpfen wollen, hätten sie eine andere Formulierung gewählt und etwa formuliert:
"Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung über die Renten-
versicherung der Arbeiter (RVO) versiche-
rungspflichtig sind."
Aber selbst diese Formulierung könnte noch so verstanden werden, daß sie nur der Abgrenzung zu den Angestellten dient. So heißt es etwa in § 1 des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926:
"Die Vorschriften dieses Gesetzes finden An-
wendung auf Angestellte, die nach § 1 des
Versicherungsgesetzes für Angestellte (jetzt:
§§ 2, 3 AVG) versicherungspflichtig sind oder
sein würden, wenn ihr Jahresverdienst die Ge-
haltsgrenze nach § 3 des Versicherungsgesetzes
für Angestellte nicht überstiege."
Hierzu wird die Auffassung vertreten, daß das Gesetz auch für solche Angestellte gilt, die nicht versicherungspflichtig sind (z. B. weil sie Altersruhegeld aus der Rentenversicherung beziehen), sofern sie nur eine der in §§ 2, 3 AVG angeführten Beschäftigungen gegen Entgelt ausüben (BAG Urteil vom 26. September 1968 - 2 AZR 409/67 - AP Nr. 1 zu § 1 AngestelltenkündigungsG). Der Gesetzgeber will damit auch in § 1 AngKSchG nur die Angestellten von den Arbeitern abgrenzen, wie es auch die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes tun.
Die Auslegung der tariflichen Vorschrift über den persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge durch den Senat ergibt auch einen vernünftigen Sinn. Im Hinblick auf die von den Tarifvertragsparteien stets erstrebte Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge für das Baugewerbe und insbesondere der Verfahrenstarifverträge ergibt sich, daß sie möglichst alle Arbeitnehmer des Baugewerbes erfassen wollen. Es ist ferner kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer verhältnismäßig schlechtergestellt werden sollten als vollbeschäftigte Arbeitnehmer. Wenn die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge einbezogen werden, stehen ihnen auch - wegen des insoweit gleichen persönlichen Geltungsbereichs - entgegen der Auffassung der Beklagten die tariflichen Leistungen aus den Sozialkassentarifverträgen und sonstigen Tarifverträgen des Baugewerbes unter den tariflichen Voraussetzungen zu (Alters- und Invalidenbeihilfe, Urlaub), die auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer erfüllen können.
Diese Auslegung der Verfahrenstarifverträge wird durch weitere tarifliche Bestimmungen gestützt. So sind bei Arbeitnehmern, die unter den Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe fallen, bei der Bemessung des Urlaubs (Betriebszugehörigkeit - § 8 Nr. 4 und 6 BRTV-Bau -) auch Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zu berücksichtigen. Auch diese Regelung spricht dafür, daß die geringfügig Beschäftigten von den Tarifverträgen des Baugewerbes erfaßt werden, wenn sie eine von der RVO erfaßte versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Damit trägt der Senat zugleich dem Grundsatz Rechnung, daß im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, mit weiteren Nachweisen).
Im übrigen haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes dann, wenn sie bestimmte Arbeitnehmer nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages einbeziehen wollen, dies ausdrücklich geregelt. So heißt es im Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe (TVA) in § 1 Abs. 3:
"Persönlicher Geltungsbereich:
-----------------------------
Personen, die als Arbeitnehmer eine nach den
Vorschriften der Reichsversicherungsordnung
über die Rentenversicherung der Arbeiter oder
des Angestelltenversicherungsgesetzes in sei-
ner jeweils geltenden Fassung versicherungs-
pflichtige Tätigkeit ausüben.
Ausgenommen sind die unter § 5 Abs. 2 Nrn. 1
bis 4 und Abs. 3 des Betriebsverfassungsge-
setzes fallenden Personen. Nicht erfaßt wer-
den ferner Angestellte, deren regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit weniger als 20 Stun-
den beträgt."
Hätten die Tarifvertragsparteien auch die geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des TVA ausschließen wollen, hätten sie dies in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 ebenso wie für die Angestellten geregelt. Auch daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes mit dem Begriff der "nach der RVO versicherungspflichtigen Tätigkeit" allein auf die Tätigkeit abstellen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten verstoßen die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes - soweit sich ihr Geltungsbereich auch auf geringfügig beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer erstreckt - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, an den die Tarifvertragsparteien grundsätzlich gebunden sind (BAG Urteil vom 6. Februar 1985 - 4 AZR 370/83 -, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung, mit weiteren Nachweisen). Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für die tarifvertragliche Differenzierung nicht finden läßt, die getroffene Regelung also willkürlich ist (BAG Urteil vom 6. Februar 1985, aaO, mit weiteren Nachweisen). Tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse müssen unberücksichtigt geblieben sein, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG Urteil vom 6. Februar 1985, aaO; BAGE 38, 118, 129 = AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Eine solche willkürliche Regelung liegt hier nicht vor. Die Einbeziehung der geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer führt dazu, daß für alle gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Arbeitszeit und die Höhe ihrer Vergütung Sozialkassenbeiträge abzuführen sind und den Arbeitnehmern die entsprechenden Leistungen aus den Sozialkassentarifverträgen und sonstigen Tarifverträgen des Baugewerbes zustehen. Damit wird diese Regelung dem Gleichheitssatz insoweit in besonderem Maße gerecht.
Soweit demgegenüber Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit weniger als 20 Stunden beträgt, nicht von den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes erfaßt werden (§ 1 Abs. 3 der Verfahrenstarifverträge für technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister in Verb. mit § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 TVA), liegt auch darin keine sachlich ungerechtfertigte Benachteiligung der Arbeitgeber wegen der Abführung der Beiträge für geringfügig beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer. Da die geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer die tariflichen Leistungen der Alters- und Invalidenbeihilfe in Anspruch nehmen können, ist es sachlich gerechtfertigt, daß für sie Sozialkassenbeiträge abzuführen sind. Angestellten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 20 Stunden stehen hingegen keine Leistungen aus dem TVA zu, so daß insoweit auch keine sachliche Berechtigung zur Abführung von Sozialkassenbeiträgen besteht. Ob hierin eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Angestellten liegt, ist für die Beitragspflicht der Arbeitgeber hinsichtlich der geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer unerheblich. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Angestellten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 20 Stunden könnte allenfalls dazu führen, daß auch diesen Leistungen nach dem TVA zu gewähren sind.
Die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes verstoßen auch nicht insoweit gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, als sie dazu führen, daß tarifgebundene Betriebe im Gegensatz zu Betrieben aus anderen Branchen Sozialkassenbeiträge für ihre Arbeitnehmer abführen müssen. Es liegt im Rahmen der durch das Grundgesetz geschützten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG), daß die Tarifvertragsparteien auch frei darüber bestimmen können, ob sie für ihre Arbeitnehmer Sozialkassen einführen, die besondere soziale Leistungen erbringen, und zur Finanzierung dieser Leistungen Beiträge bei den Arbeitgebern erheben. Wenn dies zu einer Ungleichbehandlung der tarifgebundenen Arbeitgeber gegenüber Arbeitgebern anderer Branchen führt, die dem Gesetzgeber möglicherweise verwehrt wäre, wird diese Ungleichbehandlung jedoch durch die Tarifautonomie gedeckt. Die Tarifautonomie hat den Sinn, daß die Tarifvertragsparteien innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs die Arbeitsbedingungen autonom, d. h. auch ohne Rücksicht auf die Arbeitsbedingungen in anderen Branchen, regeln können. Die Tarifautonomie würde ausgehöhlt und entwertet, wenn sich die Tarifvertragsparteien an Regelungen in anderen Branchen orientieren müßten (vgl. auch BVerfGE 55, 7, 24 = AP Nr. 17 zu § 5 TVG).
Aufgrund der Tarifautonomie entscheiden die Tarifvertragsparteien auch in freier Selbstbestimmung darüber, ob und für welche Berufsgruppen sie die tarifliche Regelung treffen wollen. Sie sind in der Bestimmung des Geltungsbereichs der Tarifverträge im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit frei (vgl. BAGE 48, 307, 310 = AP Nr. 4 zu § 3 BAT sowie BAG Urteil vom 11. November 1987 - 4 AZR 339/87 -, AP Nr. 5 zu § 3 BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes entscheiden daher in freier Selbstbestimmung darüber, ob sie die Beitragspflicht für die Sozialkassen auf geringfügig beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer ausdehnen oder nicht.
Auch durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Verfahrenstarifverträge und der damit verbundenen Erstreckung der Tarifverträge auf nicht organisierte Arbeitgeber wird der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet. Die allgemeinverbindliche Tarifnorm ist nicht Ergebnis einer zwar abgeleiteten, aber dennoch vom Staat selbst bestimmten Rechtssetzung der Exekutive innerhalb eines von der Legislative in einem Gesetz vorgezeichneten Rahmens. Vielmehr liegt hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Normen das Schwergewicht eindeutig bei den Tarifvertragsparteien. Der Staat kann bei der Allgemeinverbindlicherklärung keinen Einfluß auf den Inhalt der Normen nehmen. Entschließt er sich zur Allgemeinverbindlicherklärung, geht der Geltungsbefehl der tariflichen Normen dann auch von ihm aus (BVerfG Beschluß vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 -, AP Nr. 15 zu § 5 TVG). Damit handelt es sich aber bei der Allgemeinverbindlicherklärung nicht um staatliche Rechtssetzung gegenüber den Außenseitern, die wie ein Gesetz an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen wäre, sondern um die Erstreckung der Tarifbindung auf Außenseiter. Daher ist der Inhalt der Tarifnormen gegenüber den Außenseitern ebenso zu würdigen wie gegenüber den Tarifgebundenen. Verstoßen die Tarifnormen - wie vorliegend - hinsichtlich der organisierten Arbeitgeber nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, gilt das auch für die nicht organisierten Arbeitgeber, für die der Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung gilt.
Auch die weiteren Ausführungen der Revision geben dem Senat keinen Anlaß, seine in den Urteilen vom 28. September 1988 - 4 AZR 350/88 - und vom 23. November 1988 - 4 AZR 419/88 - (beide zur Veröffentlichung vorgesehen) vertretene Auffassung aufzugeben, daß die Sozialkassentarifverträge auch die geringfügig beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer erfassen. Es trifft zwar zu, daß die zusätzliche Altersbeihilfe nur an Arbeiter gezahlt wird, die eine gesetzliche Sozialversicherungsrente beziehen (§ 3 Abs. 2 TVA). Insoweit können nicht versicherungspflichtige Arbeitnehmer - wie vorliegend die geringfügig beschäftigten Reinemachefrauen - keine Sozialversicherungsrente beziehen und kommen damit auch nicht in den Genuß der zusätzlichen Altersbeihilfe nach dem TVA, was eine Beitragspflicht der Arbeitgeber zu den Sozialkassen hinsichtlich der geringfügig beschäftigten Arbeiter als sachlich nicht gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die im Baugewerbe geringfügig beschäftigten Arbeiter während ihres gesamten Berufslebens durch anderweitige Tätigkeit keinen Anspruch auf eine gesetzliche Sozialversicherungsrente erwerben, die nur eine 60-monatige Versicherungspflicht voraussetzt. Andererseits ist zu bedenken, daß auch für den Anspruch auf eine zusätzliche Altersbeihilfe grundsätzlich eine Wartezeit von 220 Monaten erforderlich ist (§ 5 TVA), die auch nicht jeder vollbeschäftigte Arbeiter des Baugewerbes erreicht. Diese Umstände können die Tarifvertragsparteien jedoch bei einer generalisierenden Regelung vernachlässigen, wenn davon auszugehen ist, daß jedenfalls im Regelfall von den Arbeitern des Baugewerbes die Voraussetzungen für den Bezug einer zusätzlichen Altersbeihilfe erfüllt werden können. Das ist vorliegend zu bejahen.
Ob die tarifliche Regelung der Beitragspflicht für eine zusätzliche Altersbeihilfe auch von geringfügig beschäftigten Arbeitern sinnvoll oder zweckmäßig ist oder von den Arbeitgebern als unzumutbare Belastung empfunden wird, ist von den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu überprüfen. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie. Tarifliche Normen sind ebenso wie Gesetze von den Gerichten für Arbeitssachen auch nicht auf ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB zu überprüfen (BAGE 48, 65 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie).
Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Schaible Peter Jansen
Fundstellen