Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanauslegung. Interessenausgleich. Abfindungsanspruch. Gleichbehandlung. Betriebsverfassungsrecht
Orientierungssatz
Sozialplanabfindung bei Betriebsaufspaltung. Auslegung des Sozialplans in Verbindung mit dem Interessenausgleich. Gleichbehandlung bei Betriebsübergang und einzelvertraglicher Übernahme ua. der Betriebszugehörigkeit.
Normenkette
BetrVG §§ 112, 111, 75, 50; ZPO §§ 554, 295, 286, 139, 66 ff.; ArbGG § 48; GVG § 17a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 13. Januar 2000 – 14 Sa 2248/99 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Der Kläger war bis 30. September 1997 als Kran- und Kraftfahrer für die Beklagte tätig, die von vier Niederlassungen aus Schwertransporte und Kranarbeiten durchführte. In den Niederlassungen waren jeweils Betriebsräte gewählt, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet hatten. Die Beklagte gehört der sog. Breuer-Gruppe an, die wiederum Teil des RWE-Konzerns ist. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1997 wurde der Betrieb der Beklagten aufgespalten, wobei die Beklagte als Besitzgesellschaft verblieb und die operativen Geschäfte auf drei Betriebsgesellschaften übertragen wurden. Zu diesem Zweck schlossen die Betriebsräte der vier Niederlassungen “vertreten durch den Gesamtbetriebsrat” und die Beklagte unter dem 28. Januar 1997 einen Interessenausgleich und Sozialplan, in dem ua. vorgesehen wurde, daß bestimmte Niederlassungen der Beklagten auf die Firma MaxiMum Krane und Schwertransporte Berlin GmbH (später umfirmiert in Breuer MaxiMum GmbH Krane und Schwertransporte, Berlin, abgekürzt KuS, seit 1. Oktober 1997 MaxiMum Krane Berlin und Brandenburg GmbH) übertragen werden sollten.
Am 30. September 1997 wurde ein weiterer Interessenausgleich und Sozialplan für nach dem 30. September 1997 eingeleitete Maßnahmen geschlossen. Dessen Rubrum lautet:
“
Zwischen |
MaxiMum GmbH Krane und Schwertransporte, Potsdam |
(“Besitzgesellschaft” oder “BG”) |
Breuer MaxiMum GmbH Krane und Schwertransporte, Berlin |
(“KuS”) |
Breuer GmbH Turmdrehkrane, Potsdam |
(“TDK”) |
BAGLIONE Vermögensverwaltung GmbH (demnächst Breuer MaxiMum Internationale Schwertransporte GmbH) |
(“IST”) |
|
zusammenfassend auch “Arbeitgeber” |
einerseits |
und dem |
Gesamtbetriebsrat der Besitzgesellschaft, dieser zugleich handelnd für die Betriebsräte |
– |
Niederlassung Potsdam-Babelsberg |
– |
Niederlassung Colditzstraße (einschließlich Saatwinkler Damm) |
– |
Niederlassung Dahlwitz-Hoppegarten |
– |
Hauptverwaltung Potsdam der Besitzgesellschaft |
andererseits |
werden der folgende |
Interessenausgleich und der folgende Sozialplan |
vereinbart… |
”
Unter Nr. 1 des Interessenausgleichs ist geregelt, daß die Beklagte die Funktion einer Besitzgesellschaft übernehmen soll und die operativen Geschäftsfelder gemäß § 613a BGB auf die KuS, die TDK und die IST übertragen werden sollen. Gemäß der Anl. 2 sollte ein Personalabbau durchgeführt werden. Der Interessenausgleich enthält ua. folgende Bestimmungen:
“1.1.1 Aus der Niederlassung Colditzstraße … wird zum 01. 10. 1997 der Bereich “Kolonne” … gemäß § 613a BGB auf die Löther Maschinentransporte und Montage GmbH übertragen. Der verbleibende Betrieb wird unverzüglich gemäß § 613a BGB auf die KuS übertragen.
1.1.2 Die Niederlassung Potsdam-Babelsberg wird unverzüglich gemäß § 613a BGB auf die KuS übertragen…
Vor Durchführung dieser Verlagerung wird der Arbeitgeber den zuständigen Betriebsrat informieren und darüber mit ihm beraten. Für die Milderung der Nachteile gilt der nachfolgende Sozialplan.
1.1.3 Aus der Niederlassung Dahlwitz-Hoppegarten wird
- der Bereich Autokrane auf die MaxiMum Krane und Schwertransporte Berlin-Brandenburg GmbH (KuS),
- der Bereich Turmdrehkrane auf die Breuer-MaxiMum Turmdrehkrane (TDK) und
- der Bereich Schwertransporte auf die Breuer-MaxiMum
Schwertransporte (IST)
gemäß § 613a BGB unverzüglich übertragen…
1.2 Maßnahmen bezüglich der bisherigen Hauptverwaltung
1.2.1 Die Soll-Beschäftigungszahl der KuS-Verwaltung ergibt sich aus der Anlage 2. Die Parteien stimmen darin überein, daß die derzeit in der Verwaltung Colditzstraße tätigen Arbeitnehmer dort in der KuS-Verwaltung verbleiben und unverzüglich gemäß § 613a BGB auf die KuS übergehen… Es besteht Einigkeit, daß die KuS-Verwaltung Teil des derzeitigen Betriebes Colditzstraße ist.
1.2.2 Die in der Verwaltung der BG verbleibenden Arbeitsplätze sollen an den Standort Colditzstraße oder Hoppegarten verlagert werden…
2.2 Die Hauptverwaltung wird in der Besitzgesellschaft fortgeführt und bildet derzeit einen eigenständigen Betrieb…
3. Weitergehende Maßnahmen
Sollte aus Arbeitgebersicht in den jeweiligen Betrieben ein über Anlage 2 hinausgehender Personalabbau erforderlich sein, der keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellt, gilt der vorliegende Interessenausgleich und der Sozialplan vom gleichen Tage; liegt dagegen eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vor, so ist hierüber zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ein weiterer Interessenausgleich in Anlehnung an diesen Interessenausgleich abzuschließen. Der nachfolgende Sozialplan gilt auch in diesem Fall…”
Im Sozialplan ist ua. folgendes vorgesehen:
“1. Geltungsbereich
Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG der folgenden bisherigen Betriebe
- Hauptverwaltung der MaxiMum GmbH Krane und Schwertransporte, Potsdam,
- Niederlassung Potsdam-Babelsberg,
- Niederlassung Colditzstraße (einschl. Saatwinkler Damm),
- Niederlassung Dahlwitz-Hoppegarten,
soweit sie durch nach dem 30. 9. 1997 eingeleitete Maßnahmen auf Grund des obigen Interessenausgleiches Nachteile erleiden…”
Die Abfindungsregelungen entsprechen den Nrn. 2.1 und 2.2 des Sozialplans vom 28. Januar 1997 und lauten:
“2.1 Anspruch auf Abfindung wegen Verlust des Arbeitsplatzes haben alle Mitarbeiter gemäß Ziff. 1, die durch
- betriebsbedingte Kündigung
- betrieblich veranlaßten Aufhebungsvertrag oder
- betrieblich veranlaßte Eigenkündigung
ausscheiden, wenn die Kündigung nach dem 08. 11. 1996 ausgesprochen oder der Aufhebungsvertrag nach dem 08. 11. 1996 abgeschlossen wurde…
2.2 Keinen Anspruch auf Abfindung haben Arbeitnehmer, die unter Anrechnung ihrer bisherigen Betriebszugehörigkeit zu einem anderen Unternehmen des Konzerns überwechseln. Scheiden Arbeitnehmer, die zu einem anderen Konzernunternehmen unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit gewechselt sind und deshalb keine Abfindung erhalten haben, innerhalb von drei Jahren – gerechnet ab dem Zeitpunkt des Überwechselns – betriebsbedingt aus dem neuen Unternehmen aus, so erhalten sie von der MaxiMum GmbH, Potsdam bzw. deren Rechtsnachfolgerin eine Abfindung gemäß Ziff. 2.3 dieses Sozialplans, wobei erhaltene Abfindungen des neuen Unternehmens angerechnet werden.”
Nr. 2.2 des Sozialplans vom 30. September 1997 enthält einen Absatz 2, der wie folgt lautet:
“Keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung haben Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB widersprechen. Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Firma Löther Maschinentransporte und Montage GmbH widersprechen …”
Weiter enthält der Sozialplan vom 30. September 1997 folgende Regelung:
“2.3 Zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile erhalten die Arbeitnehmer eine Abfindung, die wie folgt ermittelt wird:
…
6.1 Der Arbeitgeber verpflichtet sich, die Mitarbeiter auf Anfrage über freie Arbeitsplätze in Konzernunternehmen zu informieren. Bei Bewerbungen von Mitarbeitern wird sich der jeweilige Arbeitgeber bei dem entsprechenden Konzernunternehmen für eine Übernahme des Mitarbeiters unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit einsetzen. Soweit die Aufnahme der Arbeit bei dem Konzernunternehmen eine Qualifizierungsmaßnahme erfordert und von dem Konzernunternehmen die vorherige Durchführung der Qualifizierung gefordert wird, stellt der unterzeichnende Arbeitgeber die Mitarbeiter im Umfang der individuellen Kündigungsfrist, mindestens aber im Umfang von drei Monaten für die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei …
6.2 Die unterzeichnenden Arbeitgeber verpflichten sich, den Mitarbeitern vor dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen freie Arbeitsplätze in der BG und deren Tochtergesellschaften im Raum Berlin-Brandenburg anzubieten…
6.3 Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot eines neuen Arbeitsplatzes in einem Konzernunternehmen an, so hat er für einen Zeitraum von drei Monaten – gerechnet ab der Arbeitsaufnahme auf dem neuen Arbeitsplatz – das Recht, auf seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren. Ist dieser Arbeitsplatz inzwischen entfallen, so kann eine betriebsbedingte Kündigung auch ohne Angebot eines Ersatzarbeitsplatzes erfolgen. Der Anspruch auf Abfindung gemäß Ziff. 2.3 dieses Sozialplanes entfällt in diesem Fall nicht…
11. Dieser Sozialplan hat eine Laufzeit bis zum 31. 12. 1998 und endet, soweit sich aus den konkreten Einzelregelungen keine längere Laufzeit ergibt, ohne daß es einer besonderen Kündigung bedarf…”
Am 20. Oktober 1997 schlossen die Beklagte und die KuS einen Übernahmevertrag. Dementsprechend mietete die KuS die zum Geschäftsfeld gehörenden Autokrane sowie sonstige Fahrzeuge und inventarisierte Vermögensgegenstände von der Beklagten. Sonstige Betriebsmittel und geringwertige Wirtschaftsgüter verkaufte die Beklagte an die KuS. Die das Geschäftsfeld betreffenden Mietverträge der Beklagten wurden aufgehoben. Parallel schloß die KuS neue Mietverträge. Außerdem trat sie in die dem Geschäftsfeld zugeordneten Verträge, Mitgliedschaften und Angebote der Beklagten ein, ua. in das Arbeitsverhältnis des Klägers. Im April 1998 erwarb der Streithelfer die Anteile der KuS. Seitdem gehört diese Gesellschaft – ebenso wie die im Sozialplan erwähnte Löther GmbH – nicht mehr zum Konzernverbund.
Am 13. Juli 1998 wurde über das Vermögen der KuS das Gesamtvollstrekkungsverfahren eröffnet. Die Gesamtvollstreckungsverwalterin kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen Betriebsschließung mit Schreiben vom 26. August 1998 zum 31. März 1999. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Februar 1999 zurück. Ein Sozialplan wegen der Stillegung der KuS kam nicht zustande.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen auf den Sozialplan vom 30. September 1997 gestützten Abfindungsanspruch geltend. Er hat die Auffassung vertreten, die KuS sei als anderes Unternehmen des Konzerns im Sinne von Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 2 des Sozialplanes anzusehen. Jedenfalls ergebe sich die Haftung der Beklagten aus Nr. 3 des Interessenausgleichs in Verbindung mit Nr. 2.1 des Sozialplanes. Der Kläger hat behauptet, die TDK und die IST hätten bei Abschluß der Vereinbarungen nicht existiert; die IST sei überhaupt nie gegründet worden. Bei den Sozialplanverhandlungen sei niemand auf die Idee gekommen, daß die völlig vermögenslosen Betreibergesellschaften für die Sozialplanansprüche allein haften sollten. Im Gegenteil hätten die Betriebsräte umfassend absichern wollen, daß eine spätere Betreibergesellschaft, gleich ob sie der Breuer-MaxiMum-Gruppe oder unmittelbar dem RWE-Konzern angehört, bei betriebsbedingten Kündigungen nicht sagen könne, sie sei vermögenslos und nur eine mittellose Betreibergesellschaft der reichen Besitzgesellschaft. Der Kläger hat überdies eine konzernrechtliche Durchgriffshaftung gegen die Beklagte geltend gemacht, die die Betriebsgesellschaften beherrsche.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 87.500,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte und der Streithelfer haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die den Interessenausgleich und Sozialplan abschließenden Unternehmen seien nicht “andere Unternehmen des Konzerns” im Sinne dieser Regelungen. Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 2 des Sozialplans erfasse daher auch die auf die Betriebsgesellschaften übergegangenen Arbeitsverhältnisse wie das des Klägers nicht. Mit Nr. 3 des Interessenausgleichs sei nur der Fall eines weitergehenden Personalabbaus auf der Grundlage des dem Interessenausgleich zugrundeliegenden Konzeptes, nicht aber eine völlig andere Maßnahme wie die Stillegung eines abgespaltenen Betriebes geregelt worden. Ein umfassender Schutz der Arbeitnehmer für alle Zukunft sei nicht beabsichtigt gewesen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Sozialplanabfindung von 87.500,00 DM.
Aus dem Sozialplan vom 30. September 1997 kann der Abfindungsanspruch nicht hergeleitet werden. Das folgt aus der Auslegung des Sozialplans in Verbindung mit dem Interessenausgleich.
- Die Auslegung solcher Kollektivvereinbarungen richtet sich grundsätzlich nach den allgemein für die Auslegung von Rechtsnormen geltenden Maßstäben. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gekommenen Willen der Betriebspartner abzustellen und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit er sich in den Bestimmungen niedergeschlagen hat. Heranzuziehen ist ferner der Gesamtzusammenhang der Regelung (BAG 28. Oktober 1992 – 10 AZR 129/92 – BAGE 71, 280, zu II 1 der Gründe; 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 75 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 73, zu II 1a der Gründe; 5. Februar 1997 – 10 AZR 553/96 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 112 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 92, zu II 1 der Gründe). Verbleiben danach noch Zweifel, können – wie stets bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen (BAG 13. Oktober 1987 – 1 ABR 51/86 – AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 2 = EzA BGB § 611 Teilzeitarbeit Nr. 2, zu II 2b der Gründe; 5. Oktober 1995 – 2 AZR 269/95 – BAGE 81, 86, zu II 4a der Gründe; 6. Februar 1997 – 2 AZR 168/96 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 86 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 97, zu II 1a der Gründe) – weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte herangezogen werden. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. für die Tarifauslegung BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364, zu B II 1a aa der Gründe; 16. Mai 1995 – 3 AZR 395/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29, zu I 1 der Gründe).
Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger den mit der Klage geltend gemachten Abfindungsanspruch nicht auf den Sozialplan stützen. Dieser ist zwar insoweit maßgebend, als es sich bei der Kündigung gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 26. August 1998 um eine nach dem 30. September 1997 eingeleitete Maßnahme handelt. Er begründet aber keinen Abfindungsanspruch. Der vorliegende Fall, daß die Betriebsgesellschaft, die den Arbeitnehmer zunächst weiterbeschäftigt, später ihren Betrieb im Gesamtvollstreckungsverfahren schließt, ist im Sozialplan nicht geregelt.
Unzutreffend ist insoweit die Auffassung der Revision, der Anspruch ergebe sich bereits aus Nr. 2.1 iVm. Nr. 1 des Sozialplans. Nach Satz 1 der Nr. 1 betrifft der Sozialplan Arbeitnehmer, die auf Grund des Interessenausgleichs Nachteile erleiden. Anspruch auf eine Abfindung haben danach nur solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse betrieblich veranlaßt auf Grund einer im Interessenausgleich vorgesehenen Maßnahme endet. Das ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Der Kläger wurde trotz der Umstrukturierung, die Gegenstand des Interessensausgleichs war, zunächst auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt.
Die gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts gerichteten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Zu Unrecht meint der Kläger, das Landesarbeitsgericht hätte Feststellungen zum Gang der Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan treffen müssen. Die vom Kläger behauptete Absicht der Betriebsratsmitglieder besagt über das Ergebnis der Sozialplanverhandlungen nichts. Sie kommt in den Regelungen von Nr. 2.1 des Sozialplans nicht zum Ausdruck. Als Normen müssen Sozialpläne jedoch für die von ihnen Betroffenen aus sich heraus verständlich sein. Auf einen eventuell vom Wortlaut abweichenden Willen der Betriebspartner kommt es nicht an (BAG 11. Juni 1975 – 5 AZR 217/74 – BAGE 27, 187, zu 1 der Gründe).
Auch Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 2 des Sozialplans ergibt den vom Kläger geltend gemachten Abfindungsanspruch nicht. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß die von der Betriebsänderung betroffenen und den Sozialplan mitabschließenden Betriebsgesellschaften nicht “andere” Unternehmen im Sinne dieser Regelung sind, ist nicht zu beanstanden.
Schon der Wortlaut des Rubrums der Vereinbarung spricht dagegen, daß die vier vertragschließenden Unternehmen “andere Unternehmen des Konzerns” sind. “Andere Unternehmen des Konzerns” meint vielmehr die übrigen zum Konzern gehörenden Gesellschaften und nicht die vertragsschließenden Unternehmen selbst. Auch das Wort “überwechseln” in Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 1 des Sozialplans legt die Auslegung nahe, daß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse ohne Neubegründung nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Betriebsgesellschaften übergehen, nicht erfaßt werden sollen. Dieser Begriff läßt an einen aktiv handelnden Arbeitnehmer denken, nicht dagegen an einen gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses ohne Willensentschließung des Arbeitnehmers.
Bestätigt wird diese Auslegung durch die Systematik der Regelung. Aus Nr. 6.1 und Nr. 6.2 des Sozialplans ergibt sich, daß zwischen Tochtergesellschaften der Beklagten und (sonstigen) Konzernunternehmen differenziert wird. So sind in Nr. 6.1 und 6.2 die jeweiligen Arbeitgeber als Träger der Verpflichtung genannt, sich bei “Konzernunternehmen” für die Aufnahme von Mitarbeitern einzusetzen.
Diesem Verständnis steht der Ausschluß der Ansprüche von Arbeitnehmern, die einem Betriebsübergang widersprechen, gemäß Nr. 2.2 Abs. 2 Satz 1 des Sozialplans nicht entgegen. Hieraus ergibt sich nicht im Umkehrschluß, daß alle nicht widersprechenden Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sein sollen. Die Regelung für die Firma Löther unter Nr. 2.2 Abs. 2 Satz 2 – 4 des Sozialplans ist insoweit unergiebig. Es handelt sich um eine Sonderregelung für ein von Anfang an nicht zum Konzern gehörendes Unternehmen.
Der Abfindungsanspruch des Klägers kann auch nicht auf Nr. 3 Satz 1, 2 des Interessenausgleichs gestützt werden. Danach gilt der Sozialplan auch bei einem über den Interessenausgleich hinausgehenden Personalabbau durch eine Betriebsgesellschaft unabhängig davon, ob eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG anzunehmen ist oder nicht. Materiell handelt es sich damit um eine Sozialplanregelung, die als solche geeignet ist, Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer zu begründen. Die Entlassung des Klägers wird von dieser Bestimmung aber nicht erfaßt.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Betriebsstillegung durch die Gesamtvollstreckungsverwalterin der KuS um einen Personalabbau in diesem Sinne handelt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß mit Nr. 3 des Interessenausgleichs nur Fälle eines mit der Umstrukturierung zusammenhängenden weitergehenden Personalabbaus erfaßt werden sollen.
Das ergibt sich daraus, daß in Nr. 3 des Interessenausgleichs unter der Überschrift “Weitergehende Maßnahmen” von einem “über Anlage 2 hinausgehenden Personalabbau” die Rede ist. Danach steht diese Regelung im Zusammenhang mit der Umstrukturierung. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Regelung solle auch Maßnahmen erfassen, die nicht bereits in der Betriebsänderung angelegt sind, die Gegenstand des Interessenausgleichs ist.
Mit der Gesamtvollstreckung im Falle der Betriebsgesellschaft KuS wurde aber eine neue Kausalkette in Gang gesetzt, ein Zusammenhang mit den im Interessenausgleich vorgesehenen Umstrukturierungsmaßnahmen bestand bei der anschließenden Betriebsstillegung nicht. So gibt es keinen Anlaß zu der Annahme, das Scheitern und die spätere Betriebsstillegung der KuS wäre bei der Umstrukturierung bereits angelegt gewesen. Im Gegenteil zeigen die detaillierten Bestimmungen des Interessenausgleichs über die Fortführung der wirtschaftlichen Aktivitäten, daß die Betriebspartner von der Tragfähigkeit ihrer Konzeption ausgegangen sind.
Der vom Kläger geltend gemachte Abfindungsanspruch kann auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden.
- Der Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den die Betriebspartner nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bindenden Grundsätzen. Die Betriebspartner haben zwar einen weiten Beurteilungsspielraum, ob und welche wirtschaftlichen Nachteile mit dem Sozialplan ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet indessen eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für sie keine sachlichen oder billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist (BAG 9. November 1994 – 10 AZR 281/94 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78, zu II 2 der Gründe; 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – BAGE 80, 286, zu III 1 der Gründe; 3. August 1999 – 1 AZR 677/98 – nv., zu II 2a der Gründe). Für die Beurteilung maßgeblich ist der Leistungszweck. Es kommt danach darauf an, ob die benachteiligten Arbeitnehmer dieselben Gründe für sich in Anspruch nehmen, die für die Leistung an die begünstigten Arbeitnehmer maßgeblich sind (BAG 20. Juli 1993 – 3 AZR 52/93 – BAGE 73, 343, zu 2c der Gründe). Werden mit der am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messenden Regelung Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern gebildet, muß auch die Gruppenbildung sachliche Kriterien wahren (BAG 25. April 1995 – 3 AZR 446/94 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 25 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8, zu B II 2 der Gründe).
- Mit dem Landesarbeitsgericht ist anzunehmen, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz keine Gleichstellung der zu den Betriebsgesellschaften überwechselnden Arbeitnehmer mit den auf Grund der Umstrukturierung sofort entlassenen gebietet. Da erstere jedenfalls zunächst ihren Arbeitsplatz behielten, während die anderen ihren Arbeitsplatz sofort verloren haben, liegen hinreichende Differenzierungsgründe vor. Zukünftig mögliche Arbeitsplatzverluste bei den Betriebsgesellschaften mußten nicht notwendigerweise mit dem die Umstrukturierung betreffenden Sozialplan gemildert werden.
Auch zwischen den von den Betriebsgesellschaften übernommenen – wie dem Kläger –und – andererseits – zu anderen Konzernunternehmen gewechselten Arbeitnehmern besteht keine vergleichbare Lage.
Während in dem einen Fall – Übernahme durch die Betriebsgesellschaften – ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliegt, kommt im anderen Fall – Weiterbeschäftigung bei einem anderen Unternehmen des Konzerns – lediglich eine vertragliche Übernahme, ua. der bisherigen Betriebszugehörigkeit, in Betracht; im letzteren Fall tritt damit durch die Erforderlichkeit der vertraglichen Übernahme eine neue Kausalkette in Gang, während im ersten Fall der automatische Übergang der Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten Platz greift. Es ist nicht sachwidrig, daß die zu anderen Konzernunternehmen gewechselten Arbeitnehmer durch Wahrung ihres Abfindungsanspruchs für den Fall des späteren Arbeitsplatzverlusts besser gestellt werden, als die von den Betriebsgesellschaften weiterbeschäftigten Arbeitnehmer. Im Gegensatz zu diesen sollen die zu anderen Konzerngesellschaften gewechselten Arbeitnehmer zum Schritt in eine andere Umgebung mit anderen Arbeitsbedingungen und häufig auch Ortswechsel bewegt werden.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt auch nicht im Verhältnis zu den zur Firma Löther übergewechselten Arbeitnehmern vor. Eine vergleichbare Lage zu diesen Arbeitnehmern besteht nicht.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Kehrmann, Metz
Fundstellen
Haufe-Index 892449 |
EWiR 2001, 1033 |