Entscheidungsstichwort (Thema)
Besitzstandswahrung beim Betriebsübergang. Betriebliche Altersversorgung beim Betriebsübergang. Besitzstandswahrung im Rahmen von § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei der Verdrängung einer im veräußerten Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung über Leistungen der Betrieblichen Altersversorgung durch eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB ist der bis zum Betriebsübergang erdiente Versorgungsbesitzstand aufrechtzuerhalten.
2. Dies bedeutet nicht, daß der bis zum Betriebsübergang erdiente Besitzstand vom Betriebsübernehmer stets zusätzlich zu der bei ihm erdienten Altersversorgung geschuldet wäre. Die gebotene Besitzstandswahrung führt grundsätzlich nur insoweit zu einem erhöhten Versorgungsanspruch, wie die Ansprüche aus der Neuregelung im Versorgungsfall hinter dem zurückbleiben, was bis zum Betriebsübergang erdient war.
Orientierungssatz
1. Verliert ein Betrieb aufgrund seiner Übernahme und Eingliederung in einen Betrieb des Übernehmers seine Identität, gilt eine im übernommenen Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung nicht mehr normativ (§ 77 Abs. 4 BetrVG) weiter. Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben, werden Inhalt des Arbeitsverhältnisses der übernommenen Arbeitnehmer (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB).
2. Dies gilt dann nicht, wenn im aufnehmenden Betrieb zu demselben Regelungsbereich eine Betriebsvereinbarung besteht. In diesem Fall gilt nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB das Ordnungsprinzip. Es gilt nur noch die Betriebsvereinbarung des aufnehmenden Betriebs.
3. Das Ordnungsprinzip des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt im Betriebsrentenrecht allerdings nur mit der Maßgabe, daß ein unter der Geltung der bisherigen Betriebsvereinbarung erdienter Besitzstand gewahrt bleiben muß. Der übernommene Arbeitnehmer darf deshalb im Versorgungsfall in keinem Fall geringere Versorgungsleistungen erhalten, als er sie erhalten hätte, wenn er im Ablösungszeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Einer Addition des bis zu diesem Zeitpunkt erdienten Versorgungsbesitzstandes mit dem im aufnehmenden Betrieb erworbenen bedarf es allerdings nicht. Letzteres gilt auch dann, wenn die Versorgungsordnung des aufnehmenden Betriebs Vordienstzeiten im übernommenen Betrieb nicht anspruchssteigernd sein läßt.
Normenkette
BetrAVG § 1 Betriebsveräußerung; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 2000 – 18 Sa 17/00 – aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2000 – 2 Ca 10859/98 – in demselben Umfang abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersrente.
Der am 22. Januar 1936 geborene Kläger war ab dem 1. Mai 1955 bei der R. AG in S. beschäftigt. Am 29. November 1974 vereinbarte dieses Unternehmen mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Versorgungsordnung (R. VO), nach der eine dienstzeitabhängige Altersversorgung mit einem Höchstbetrag von 100,00 DM monatlich erdient werden konnte.
Zum 1. August 1978 erwarb die D. B. AG die Aktien der R. AG, deren Betrieb am 31. Oktober 1979 auf die D. B. AG, das damalige Trägerunternehmen der Beklagten, übertragen wurde. Der Betrieb wurde in deren S. Betrieb eingegliedert. Unter dem 30. November 1979 schloß der Kläger mit der R. AG und der D. B. AG einen formularmäßig vorbereiteten „Vertrag zur Übernahme von Versorgungsverpflichtungen der R. AG”:
„Zwischen den Beteiligten
- R. AG für Textilrohstoffe, vertreten durch den Vorstand Dr. S. und Dr. R.
- D. -B. AG,
Herrn K.,
wird anlässlich des Ausscheidens des Beteiligten Ziffer 3 aus der R. AG zum 31.10.1979 und des Eintritts in die Beteiligte Ziffer 2 zum 1.11.1979 gemäß § 4 des Gesetzes zur Verbesserung zur betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 vereinbart:
§ 1 Die Beteiligten stellen fest, dass der Beteiligte Ziffer 3 eine Pensionszusage der R. AG gemäß
- Versorgungsordnung der R. AG vom 29.11.1974 (in der Anlage beigefügt)
- (gestrichen)
monatlich hat.
Für diese Pensionszusage ist bei der Beteiligten Ziffer 1 eine Pensionsrückstellung in Höhe von DM 3.428,– gebildet.
§ 2 Die Beteiligte Ziffer 2 verpflichtet sich, alle Verpflichtungen aus der Pensionszusage, auch soweit sie sich erst künftig durch Gesetz und Rechtsprechung ergeben, zu übernehmen und an Stelle der Beteiligten Ziffer 1 zu erfüllen.
Dafür wird der Beteiligten Ziffer 2 die in § 1 Abs. 2 bezeichnete Pensionsrückstellung durch Scheck zum 31.10.1979 übertragen.
§ 3 Der Beteiligte Ziffer 3 genehmigt diese Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch die Beteiligte Ziffer 2. Er ist darüber informiert, dass mit seiner Genehmigung die Beteiligte Ziffer 1 ihm gegenüber von jeder Verpflichtung aus der Pensionszusage frei wird.
§ 4 Für den Fall der vollen oder teilweisen Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarungen und Erklärungen in §§ 2 und 3 verpflichtet sich die Beteiligte Ziffer 2, die Beteiligte Ziffer 1 von allen bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten aus der Pensionszusage für den Beteiligten Ziffer 3 freizustellen. …”
Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs galt bei der D. B. AG die mit dem Gesamtbetriebsrat in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossene Versorgungsordnung aus dem Jahre 1978 (VO 1978). Sie sah eine dienstzeitabhängige „Beihilfe” bis zu einem Höchstbetrag von 600,00 DM vor. Im übrigen hieß es dort ua.:
„§ 1 Allgemeine Wartezeit
Eine Beihilfe erhält, wer … im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 10 Jahre der D. -B. AG angehört hat (Wartezeit)
…
§ 3 Warte- und Dienstzeiten
Für die Berechnung der Warte- und Dienstzeiten gilt die Betriebsvereinbarung vom 8.11.1961 in der jeweils gültigen Fassung. …”
Die einschlägigen Vorschriften der Betriebsvereinbarung zur Dienstzeitberechnung vom 8. Januar 1961 lauten:
„1. Als Dienstzeit in der D. -B. AG gilt jede Beschäftigungszeit als Arbeitnehmer…
3. Beschäftigungszeiten in einer von der D. -B. AG abhängigen Beteiligungsgesellschaft gelten nur insoweit als Beschäftigungszeiten in der D. -B. AG, als das Beteiligungsverhältnis während der fraglichen Zeit vorhanden war und/oder die Anrechnung durch entsprechende Richtlinien geregelt ist…”
In der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung heißt es zur Anrechnung von Dienstzeiten übernommener Firmen unter dem Stichwort „Altersversorgung für die Rohtex AG”:
„für DB-Altersversorgung werden nur DB-Dienstzeiten berücksichtigt; vor Ablauf der 10jährigen Wartezeit richtet sich die Altersversorgung nach R. -Versorgungsordnung und R. -Dienstzeiten.”
Durch Betriebsvereinbarung vom 6. Februar 1987 wurde die VO 78 durch eine Neuregelung (VO 87) abgelöst, die ebenfalls eine dienstzeitabhängige Versorgung versprach und die eine Höchstrente von mehr als 600,00 DM vorsieht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der D. B. AG endete mit Ablauf des 31. Juli 1996. Seither bezieht der Kläger von der Beklagten eine Betriebsrente von 600,00 DM monatlich, bei deren Berechnung eine Betriebszugehörigkeit seit dem 1. August 1978 zugrunde gelegt wurde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe neben dem Rentenanspruch aus der Versorgungsordnung der D. B. AG einen weiteren Anspruch auf Zahlung einer Rente gemäß der R. Versorgungsordnung. Die vorangegangene Dienstzeit bei der R. AG müsse sich rentensteigernd auswirken. Die Berechnung seines Betriebsrentenanspruchs durch die Beklagte führe dazu, daß er genau die gleiche Rente erhalte, die er erhalten würde, wenn er erst zum 1. August 1978 in die Dienste der D. B. AG eingetreten wäre. Er verliere so die frühere R. Versorgungsanwartschaft ohne jegliche Entschädigung. Er werde gegenüber anderen D. B. Mitarbeitern relativ schlechter gestellt, die ohne frühere Tätigkeit bei der R. AG die gleiche Betriebsrente erhielten wie er.
Die Verpflichtung, die R. -Rente, die sich nach § 8.1 R. VO auf 100,00 DM belaufe, zusätzlich zahlen zu müssen, ergebe sich auch aus dem Vertrag zur Übernahme von Versorgungsverpflichtungen vom 30. November 1979. Für diese von der D. B. übernommene Verpflichtung sei ihr per Scheck die Pensionsrückstellung übertragen worden. Seine individualrechtlich bei der R. AG erdiente Anwartschaft sei nicht durch eine anderweitige kollektive Versorgungszusage abgelöst worden.
Der Kläger hat folgende Anträge gestellt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 300,00 DM zum 31. Dezember 1999 sowie zukünftig zum Ende eines jeden Vierteljahres, beginnend mit dem 31. März 2000, einen Betrag von 300,00 DM zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an ihn für die Zeit von August 1996 bis September 1999 3.800,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die weitaus günstigere Versorgungsordnung der Beklagten für die Beschäftigten der D. B. AG habe die Ansprüche des Klägers aus der Betriebsvereinbarung der R. AG abgelöst und ersetzt. Mit der Anlage 1 zur Dienstzeitberechnung habe vermieden werden sollen, daß ein Mitarbeiter der R. AG seine Versorgungsanwartschaften, die er bei dieser Gesellschaft erworben habe, zwar verliere, mangels Erfüllung der Wartezeit jedoch keine Ansprüche gegenüber der D. B. AG besitze. In Anbetracht der Höhe der im Raum stehenden Versorgungsanwartschaften sei dies der einzig denkbare Fall einer Schlechterstellung eines Arbeitnehmers anläßlich des Wechsels von dem R. – in das D. B. -Versorgungssystem gewesen. Die Zusage nach der R. VO sei solange aufrechterhalten worden, bis die bei der D. B. AG erforderliche Wartezeit erfüllt gewesen sei, also insgesamt zehn Jahre. Nach Auffassung der Beklagten kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf den Vertrag vom 30. November 1979 stützen.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahres, beginnend mit dem 31. Dezember 1999, zu zahlende weitere Rente iHv. 120,00 DM pro Quartal und für den Zeitraum August 1996 bis September 1999 eine Nachzahlung von 1.520,00 DM nebst Zinsen zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers blieben erfolglos. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Kläger kann von der beklagten Unterstützungskasse nicht mehr als die von ihr gezahlten 600,00 DM monatlich als Betriebsrente verlangen.
I. Dabei kann dahin stehen, ob die Beklagte, die an sich nur für Ansprüche nach der Versorgungsordnung der D. B. AG, später: D. C. AG, einzustehen hat, ursprünglich für den geltend gemachten Anspruch aus der R. VO passiv legitimiert war. Nachdem die Beklagte in der Revisionsinstanz erklärt hat, sie trete einer etwaigen Schuld der D. C. AG aus der R. VO bei, kann sie auch insoweit im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch genommen werden.
II. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet, weil die R. VO zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr galt und die im Rahmen des Betriebsübergangs gebotene Wahrung des vom Kläger bei der R. AG erworbenen Versorgungsbesitzstandes nicht dazu führt, daß die Beklagte für mehr als die von ihrem Trägerunternehmen versprochene Betriebsrente einstehen muß, welche die Beklagte unstreitig zutreffend errechnet hat und dementsprechend auszahlt.
1. Zum Zeitpunkt des Überganges des Betriebs der R. AG auf die D. B. AG am 1. November 1979 galten zwar die Sätze zwei bis vier des § 613 a Abs. 1 BGB noch nicht. Sie sind erst durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz vom 13. August 1980 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Schon auf der Grundlage der damaligen Gesetzesfassung entsprach aber die sich später im wesentlichen aus dem Gesetz selbst ergebende Rechtslage der zutreffenden überwiegenden Meinung in der Literatur: Hiernach galt eine in einem veräußerten Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung ohne weiteres kollektiv (§ 77 Abs. 4 BetrVG) fort, wenn der Betrieb nach seiner Veräußerung seine Identität bewahrt hatte. War dies nicht der Fall, endete die unmittelbare und zwingende Wirkung der im veräußerten Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. Maßgebend wurden die im aufnehmenden Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen zu dem selben Regelungsbereich(Soergel/Kraft BGB 11. Aufl. § 613 a Rn. 47; Seiter DB 1980, 877, 879 mwN; seit 1980: § 613 a Abs. 1 Satz 2, 3 BGB; differenzierend demgegenüber MünchKomm/Schaub BGB 1980 § 613 a Rn. 98, der aber eine Geltung der im aufnehmenden Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen jedenfalls dann annahm, wenn diese ihre Geltung auch auf die Arbeitnehmer des übernommenen Betriebes erstreckt hatte).
2. Nach diesen Grundsätzen gilt die R. VO für die früheren Mitarbeiter dieses Unternehmens seit dem Betriebsübergang auf die D. B. AG von Rechts wegen nicht mehr. Der Betrieb der R. AG hat mit dem Betriebsübergang unstreitig seine Identität verloren; er bestand in der Folgezeit nicht mehr in seiner bisherigen Struktur fort, sondern wurde in den Betrieb der D. B. AG eingegliedert. Damit trat auf Grund des in der Literatur entwickelten und später in § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB aufgegriffenen Ordnungsprinzips die VO 78 der D. B. AG an die Stelle der R. VO. Die VO 78 ist dann ihrerseits durch die VO 87 abgelöst worden.
3. Die Betriebspartner des aufnehmenden Betriebes haben allerdings in der Anlage 1 der Betriebsvereinbarung zur Dienstzeitberechnung in Verbindung mit der VO 78 die unmittelbaren Wirkungen der VO 78 bis zum Jahre 1988 teilweise hinausgeschoben. Es wird dort festgelegt, daß für Ansprüche nach der Altersversorgungsregelung bei der D. B. AG nur die in diesem Unternehmen zurückgelegten Dienstzeiten gelten sollen und Beschäftigungszeiten bei der R. AG unberücksichtigt bleiben. Nach der Vorstellung der Betriebspartner ergaben sich hieraus wegen der in der VO 78 vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines früheren R. -Mitarbeiters innerhalb dieses Zeitraums nach dem Betriebsübergang keinerlei Versorgungsansprüche. Die Betriebspartner haben deshalb für diesen Zeitraum bestimmt, daß die R. VO zu Lasten der D. B. AG weiter galt und die ausgeschiedenen ehemaligen R. -Mitarbeiter die sich hieraus ergebenden Versorgungsansprüche erhielten. Nach Ablauf der 10jährigen Wartezeit sollte nach dem Willen der Betriebspartner der D. B. AG aber auch für diese Mitarbeiter die VO 78 an die Stelle der R. VO treten.
Es ist zweifelhaft, ob die Vorstellung der Betriebspartner von der Bedeutung der Wartezeitregelung in der VO 78 angesichts des § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG durchgängig zutreffend ist. Für den Kläger, der rund 18 Jahre für die D. B. AG gearbeitet hatte, bevor er in den Ruhestand wechselte, ist jedenfalls auch nach der Absicht der Betriebspartner die VO 78 an die Stelle der R. VO getreten.
4. Die Ablösung der R. VO durch die VO 78 ist auch nicht deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen, weil die betrieblichen Regelungen bei der D. B. AG anordnen, daß die bei der R. AG zurückgelegten Beschäftigungszeiten im Rahmen der VO 78 nicht berücksichtigt werden.
Der Erwerber eines Betriebes ist nach § 613 a BGB nicht verpflichtet, bei der Berechnung von Versorgungsleistungen auf Grund einer eigenen Versorgungszusage solche Beschäftigungszeiten anzurechnen, die von ihm übernommene Arbeitnehmer bei einem früheren Betriebsinhaber zurückgelegt haben. Er ist bei der Aufstellung von Berechnungsregeln frei, Vorbeschäftigungszeiten als wertbildende Faktoren außer Ansatz zu lassen. Unabdingbare Rechtsfolge eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB ist lediglich, daß Vordienstzeiten beim Betriebsveräußerer bei der kraft Gesetzes entstehenden unverfallbaren Versorgungsanwartschaft mitberücksichtigt werden(BAG 30. August 1979 – 3 AZR 58/78 – AP BGB § 613 a Nr. 16 = EzA BGB § 613 a Nr. 23; 8. Februar 1983 – 3 AZR 229/81 – BAGE 44, 7 = AP BGB § 613 a Nr. 35 mit Anm. Blomeyer; 19. Dezember 2000 – 3 AZR 451/99 – AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 10 = EzA BGB § 613 a Nr. 197; Höfer BetrAVG Bd. I Stand Juli 2000 § 1 Rn. 1483; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 14 B Rn. 340; Schoden BetrAVG § 1 Rn. 25; Rühle Betriebliche Altersversorgung und Mitbestimmung des Betriebsrats S. 63).
Damit ist die von den Betriebspartnern bei der D. B. AG getroffene Regelung über den Vollanspruch nach der VO 78, der zufolge Vordienstzeiten bei der R. AG nicht berücksichtigt werden sollen, von Rechts wegen unbedenklich.
5. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die zusätzliche Zahlung von 40,00 DM monatlich auf Grund der R. VO zu den auf der Grundlage der VO 78 erdienten 600,00 DM monatlicher Betriebsrente auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung geboten.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts.
Für den Fall des Betriebsübergangs ordnet § 613 a BGB die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses trotz Arbeitgeberwechsels an. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich nicht anders behandelt werden, als hätte sein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber fortbestanden. Von diesem Prinzip würde eine nicht begründbare und mit anderweitigem zwingenden Gesetzesrecht im Widerspruch stehende Ausnahme gemacht, wendete man das Ordnungsprinzip des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB im Betriebsrentenrecht auch dann uneingeschränkt an, wenn der nach § 613 a BGB übernommene Arbeitnehmer bereits von seinem ursprünglichen Arbeitgeber eine Versorgungszusage auf Grund einer Betriebsvereinbarung hatte, die nun im aufnehmenden Betrieb von einer neuen Versorgungs-Betriebsvereinbarung abgelöst wird(für einen Fortbestand der ursprünglichen Versorgungsordnung entgegen § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB allerdings Kemper BB 1990, 785, 789).
Bei unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätte der ursprüngliche Arbeitgeber zwar die Möglichkeit gehabt, die betriebliche Versorgungsregelung abzulösen. Gilt im aufnehmenden Betrieb bereits eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung, behandelt § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB den aufnehmenden Arbeitgeber ebenso, als hätte er eine wirksame ablösende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Dies kann aber nicht bedeuten, daß der Gesetzgeber damit zugleich auch angeordnet hätte, daß die bis zum Ablösungsstichtag auf der Grundlage der bisherigen Versorgungsordnung erdienten Besitzstände zur Disposition der nach dem Betriebsübergang geltenden Betriebsvereinbarung stünden. Eine solche Möglichkeit hätte der frühere Arbeitgeber im weiterbestehenden Arbeitsverhältnis ebenfalls grundsätzlich nicht gehabt(vgl. zuletzt nur BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, 318 f. mzwN).
Es entspricht deshalb zu Recht der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur, der sich der Senat anschließt, daß dann, wenn ein übernommener Arbeitnehmer sowohl im übernommenen als auch im aufnehmenden Betrieb eine Versorgungszusage auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung hatte, auch bei Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB der bis zum Ablösungsstichtag erdiente Besitzstand aufrechterhalten bleiben muß(Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einleitung Rn. 426 mwN; Höfer BetrAVG Bd. I Stand Juli 2000 ART 909.4 mwN; MünchKomm/Schaub BGB 3. Aufl. § 613 a Nr. 191; Hanau/Vossen FS Hilger/Stumpf 1983 S 271, 278; Henssler NZA 1994, 913, 919 f.; Junker RdA 1993, 203, 207 f.; aA im Sinne einer umfassenden Verdrängung der bisherigen durch die neue Versorgungsregelung Lorenz DB 1980, 1745, 1747; Seiter DB 1980, 877, 878).
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedeutet das Gebot der Erhaltung des Besitzstandes aus der ursprünglichen Versorgungsordnung allerdings nicht, daß der bis zum Betriebsübergang erdiente Versorgungsbesitzstand vom Betriebserwerber zusätzlich zu der bei ihm erdienten Altersversorgung geschuldet wäre.
Das Gebot der Besitzstandswahrung geht jedenfalls im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurück. Hat ein Arbeitnehmer unter der Geltung einer betrieblichen Versorgungsordnung eine bestimmte Zeit im Arbeitsverhältnis zurückgelegt, kann er darauf vertrauen, daß er die dieser Betriebstreue entsprechende anteilige Versorgungsleistung bei Erreichen der Altersgrenze erhalten wird. Hat er die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen zurückgelegt, wird dieses Vertrauen sogar dann geschützt, wenn er den Betrieb vorzeitig verläßt und so die vom Arbeitgeber aufgestellte Voraussetzung für den Versorgungsanspruch an sich nicht erfüllt. Dieses schützenswerte Vertrauen wird aber schon dann nicht enttäuscht, wenn der Arbeitnehmer den am Stichtag erdienten Versorgungsbesitzstand im Versorgungsfall auch wirklich beanspruchen kann. Besitzstandswahrung bedeutet nicht, daß das auf der Grundlage der ursprünglichen Regelung einmal Erdiente erhalten bleiben und in der Folgezeit ein zusätzlicher Besitzstand auf der neuen Rechtsgrundlage erdient werden müßte.
Das Landesarbeitsgericht will den Arbeitnehmer demgegenüber zu Unrecht so behandeln, als wäre er im Zeitpunkt des Betriebsüberganges ausgeschieden und hätte danach beim Betriebserwerber ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen. Dies verlangt der Schutz eines erdienten Besitzstandes nicht. Die vom Gesetz für den Fall des Betriebsübergangs angeordnete Kontinuität des Arbeitsverhältnisses schließt dies vielmehr aus. Der Arbeitnehmer wird auch hier nicht besser gestellt, als hätte der bisherige Arbeitgeber eine ablösende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Hatte der Arbeitnehmer bis zum Ablösungsstichtag, der dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspricht, einen bestimmten Versorgungsbesitzstand erdient, wird dieser gewahrt, wenn der Arbeitnehmer auf der Grundlage der Neuregelung im Versorgungsfall zumindest die dem Besitzstand entsprechenden Versorgungsleistungen erhält.
Die bei einem Betriebsübergang auch in Ansehung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB gebotene Besitzstandswahrung führt damit nur dann und soweit zu einem höheren Versorgungsanspruch, als er sich allein aus der Neuregelung ergibt, wenn dieser Anspruch im Versorgungsfall hinter dem zurückbleibt, was bis zum Betriebsübergang erdient war.
c) Der Kläger hat hiernach entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keinen über die von der Beklagten gezahlten 600,00 DM monatlich hinausgehenden Versorgungsanspruch.
In entsprechender Anwendung des § 2 BetrAVG hätte der Kläger bis zum Betriebsübergang nur eine Versorgungsanwartschaft im Wert von 53,55 DM erreicht. Die Betriebsrentenzahlungen durch die Beklagte belaufen sich mit 600,00 DM monatlich auf ein Vielfaches hiervon, auch wenn die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der R. AG für die Berechnung dieses Betriebsrentenanspruchs nach den Bestimmungen der VO 78/VO 87 und der Betriebsvereinbarung zur Dienstzeitberechnung außer Ansatz geblieben sind.
Der Senat läßt unentschieden, ob eine solche besondere Berechnungsregel ausnahmsweise die Pflicht auslösen könnte, einen übernommenen Arbeitnehmer, der bereits im Ursprungsbetrieb eine Versorgungszusage auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung hatte, unter dem Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung im Ergebnis zumindest so zu stellen, als wäre er bis zum Versorgungsfall Arbeitnehmer des ursprünglichen Arbeitgebers geblieben. Da der Kläger bei einem Verbleib bei der R. AG bis zum Versorgungsfall nur eine monatliche Betriebsrente von 100,00 DM erhalten hätte, wäre auch ein solcher Versorgungsbesitzstand erhalten geblieben.
III. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf zusätzliche Betriebsrentenzahlungen nach Maßgabe der R. VO ergibt sich auch nicht aus dem Übernahmevertrag vom 30. November 1979. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
Wie sich schon aus der Bezeichnung des Vertrages und der Regelungen in § 4 ergibt, ging es den Vertragsparteien nicht darum, eine rechtlich gesondert zu behandelnde Versorgungsverbindlichkeit zu begründen. Es wurde keine Versorgungszusage nach Maßgabe der R. VO erteilt, die neben dem ggf. bei der D. B. AG zu erdienenden Versorgungsanspruch erfüllt werden sollte. Die D. B. AG übernahm vielmehr nur anstelle der R. AG die Pflichten aus der R. VO gegenüber dem Kläger. Soweit diese Versorgungsordnung von Rechts wegen durch die VO 78 abgelöst wurde, wie dies beim Kläger aus den dargelegten Gründen der Fall war, traten die Rechte aus der VO 78 auch an die Stelle der sich aus der R. VO ergebenden und von der D. B. AG am 30. November 1979 übernommenen Rechte.
Grund für den Abschluß des Übernahmevertrages war erkennbar die Annahme der drei Beteiligten, die D. B. AG sei während der 10jährigen Wartezeit gemäß VO 78 nicht nach dieser Versorgungsordnung verpflichtet. Es ging ihnen darum, daß die D. B. AG für diesen Zeitraum Pflichten aus der R. VO gegenüber dem Kläger übernahm. Wegen dieser für zehn Jahre übernommenen Verpflichtung wurde der D. B. AG die bei der R. AG gebildete Pensionsrückstellung übertragen (§ 2 des Übernahmevertrages). Eine Pflicht der Beklagten, neben der weit höheren Versorgung aus der VO 78/VO 87 zusätzlich noch Versorgungsleistungen nach Maßgabe der R. VO zu erbringen, ergibt sich daraus nicht.
Unterschriften
Reinecke, Bepler, Breinlinger, G. Hauschild, Rödder
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.07.2001 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 713495 |
BAGE, 224 |
BB 2001, 1637 |
BB 2002, 1100 |
DB 2002, 955 |
NJW 2002, 1668 |
NWB 2002, 1599 |
BuW 2002, 659 |
EWiR 2002, 663 |
FA 2001, 312 |
FA 2002, 121 |
JR 2002, 308 |
NZA 2002, 520 |
RdA 2003, 106 |
SAE 2003, 23 |
ZIP 2002, 773 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 7 |
EzA |
PERSONAL 2002, 45 |
PERSONAL 2002, 60 |
VersR 2002, 1172 |
ZInsO 2002, 740 |