Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung eines unter Vorbehalt gewährten zusätzlichen Treue-urlaubs
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein Arbeitgeber sich vertraglich vorbehalten, Ansprüche auf freiwillig gewährten zusätzlichen Treueurlaub entsprechend der Anhebung tariflicher Urlaubsansprüche zu kürzen, ist eine solche Herabsetzung wirksam, wenn der Treueurlaub an die Höhe des tariflichen Erholungsurlaubs gebunden war und sich der Gesamturlaubsanspruch im Ergebnis nicht verringert hat (Abgrenzung zu BAG Urteil vom 5. September 1985 - 6 AZR 216/81 = AP Nr 1 zu § 4 TVG Besitzstand).
Orientierungssatz
1. Auslegung des § 18 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 21.01.1991; Aktenzeichen 11 Sa 1029/90) |
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 15.05.1990; Aktenzeichen 4 Ca 783/87) |
Tatbestand
Der 1931 geborene Kläger ist seit dem 1. November 1967 bei der Beklagten beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 (MTV Chemie) kraft beiderseitiger Tarifbindung anzuwenden.
Nach § 12 II Nr. 1 MTV Chemie erhöhte sich die Urlaubsdauer für Arbeitnehmer der Altersstufe der über 40-jährigen von 28 Urlaubstagen im Jahre 1979 kontinuierlich auf 30 Urlaubstage im Jahre 1983. Ab 1984 hatten alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Alter tarifvertraglich 30 Urlaubstage.
Bereits 1974 hatte die Beklagte eine sog. Urlaubsordnung für Tarifangestellte und gewerbliche Arbeitnehmer erlassen, auf deren Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung finden. In dieser Urlaubsordnung stockte die Beklagte den nach Lebensalter gestaffelten tariflichen Grundurlaub freiwillig um bis zu drei Tagen zusätzlichen Urlaub auf. Die Urlaubsordnung sollte jedoch bei einer Änderung des Urlaubstarifs außer Kraft treten. Ferner behielt sich die Beklagte das Recht vor, die freiwilligen Bestandteile der Urlaubsordnung jederzeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres zu ändern oder aufzuheben. In ihrer Werksmitteilung Nr. 18/78 vom 3. Mai 1978 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern sodann folgendes mit:
"Urlaubsordnung für tarifliche Angestellte und
gewerbliche Arbeitnehmer
Die diesjährigen Tarifverhandlungen brachten auch
eine Einigung über eine Erhöhung des tariflichen
Urlaubsanspruchs um zwei Tage.
Die Geschäftsführung hat beschlossen, diese zu-
sätzlichen zwei tariflichen Urlaubstage voll auf
den gegenwärtigen Urlaubsplan weiterzugeben, ohne
gegen firmenfreiwillige, dienstzeitabhängige Ur-
laubstage aufzurechnen.
Dies ergibt die folgende Jahresurlaubstabelle,
gültig ab dem Urlaubsjahr 1978:
Alter Tarifl. Zusätzlich von der Firma freiwillig Möglicher
Grund- gewährt nach Dienstjahren Höchstur-
url.tage 5 10 15 laub in
Tagen
_________________________________________________________________
18-24 22 1 23
25-29 23 1 1 25
30-34 24 1 1 1 27
35-39 26 1 1 1 29
40 plus 27 1 1 1 30
Für die Zukunft ist jedoch beabsichtigt, den ma-
ximalen Urlaubsanspruch auf sechs Wochen (30 Ar-
beitstage) zu begrenzen, solange dies tariflichen
Regelungen nicht widerspricht. Dieser Höchstur-
laub von sechs Wochen ist zur Zeit mehr, als im
überwiegenden Teil der deutschen Industrie ge-
währt wird.
Um schrittweise den Urlaubsanspruch auf das Le-
bensalter und nicht mehr, wie bisher, auch auf
die Dienstzeit abzustellen, werden wir darüber
hinaus zukünftige Erhöhungen des tariflichen Ur-
laubsanspruchs gegen firmenfreiwillige, dienst-
zeitabhängige Urlaubstage zu 50 % aufrechnen.
Dabei werden halbe Tage wie ganze Tage behandelt
werden.
Alle übrigen Bestimmungen der Urlaubsordnung, die
Sie in Händen haben, bleiben gültig. Eine Neufas-
sung der Jahresurlaubstabelle werden die betrof-
fenen Mitarbeiter in Kürze erhalten."
Die Beklagte erließ ab 1. Januar 1980 eine neue Urlaubsordnung. In dem Anschreiben an ihre Mitarbeiter vom 17. September 1979 heißt es dazu:
"Urlaubsordnung
Die bekannten Änderungen in den tariflichen Ur-
laubsregelungen haben eine Überarbeitung der be-
stehenden Urlaubsordnungen der Firma notwendig
gemacht. Neben einigen redaktionellen Änderungen
enthält die beiliegende Ordnung, die mit dem
1. Januar 1980 in Kraft tritt, die neuen Tabellen
für den Urlaubsanspruch ab 1980. Diese Tabellen
sehen aufgrund tariflicher Regelungen einen stu-
fenweisen Abbau der Abhängigkeit des Anspruchs
vom Lebensalter und ein Steigen des Urlaubsan-
spruchs auf 30 Tage für alle vor. Dies wird im
Jahr 1984 für alle Mitarbeitergruppen erreicht.
Hinzu kommt noch ein zusätzlich von der Firma
freiwillig bei Erreichen des 15. Dienstjahres ge-
währter Urlaubstag.
Hiermit hebt die Firma fristgemäß zum
31. Dezember 1979 auch die freiwilligen Bestand-
teile der bisherigen Urlaubsordnung auf und er-
setzt sie durch die in der beiliegenden neuen
Ordnung enthaltenen Teile."
Nach der in dieser Urlaubsordnung enthaltenen Urlaubstabelle erhielten die Arbeitnehmer gestaffelt nach Alter und Dienstjahren zu ihrem tariflichen Grundurlaub einen zusätzlichen vom Unternehmen nach 5, 10 und 15 Dienstjahren gewährten freiwilligen Urlaub von höchsten drei Urlaubstagen im Jahre 1980 bei einem maximalen tariflichen Urlaub von 28 Urlaubstagen. Der erreichbare Höchsturlaub betrug mithin 31 Urlaubstage. Die neue Urlaubsordnung war mit einem gleichlautenden Aufhebungs- und Änderungsvorbehalt wie die Urlaubsordnung 1974 versehen.
Ab 1. Januar 1984 galt wiederum eine neue Urlaubsordnung, in der zur Urlaubsdauer folgendes bestimmt ist:
Der tarifliche Grundurlaub für ein volles Be-
schäftigungsjahr beträgt für alle Mitarbeiter
30 Urlaubstage. Zusätzlich wird von der Firma
freiwillig nach 15 Beschäftigungsjahren (Stich-
tag: 31.12. des Kalenderjahres) ein zusätzlicher
Urlaubstag gewährt."
Eine gleichlautende Regelung enthält die ab dem 1. Januar 1987 geltende Urlaubsordnung.
Die Beklagte rechnete in den Jahren 1981 und 1983 entsprechend ihrer Ankündigung jeweils einen zusätzlichen Tag Urlaub, der dem Kläger nach der Urlaubsordnung 1974 nach fünf- bzw. zehnjähriger Dienstzeit zustand, auf den tariflich erhöhten Grundurlaub an. Im Jahre 1984 und den Folgejahren gewährte die Beklagte dem Kläger jeweils einen zusätzlichen Urlaubstag nach 15 Dienstjahren.
Mit seiner am 24. Dezember 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger für die Jahre 1985 und 1986 jeweils zwei weitere Tage zusätzlichen Urlaub verlangt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm vier Tage zu-
sätzlichen Urlaub im Jahre 1991 zu gewähren;
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm eine
Abrechnung über vier Tage Treueurlaub zu ertei-
len,
sowie,
den sich hieraus ergebenden Nettobetrag dem Klä-
ger als Schadenersatz für die Nichtgewährung von
vier Tagen Treueurlaub zu leisten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel beschränkt auf den Hauptantrag fort.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf weitere zwei Tage Treueurlaub jeweils für 1985 und 1986 verneint. Die Beklagte ist aufgrund ihres Anrechnungsvorbehalts berechtigt, den freiwillig gewährten Treueurlaub mit der Anhebung des Tarifurlaubs herabzusetzen und damit den Gesamturlaubsanspruch der Höhe nach zu begrenzen.
1. Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vier Tage Urlaub für 1985 und 1986 im Jahre 1991 zu gewähren, ist zulässig. Nach Ablauf des Jahres 1991 ist dieser Antrag zwar auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet; der auslegungsfähige Antrag ist aber nach der Klagebegründung dahin zu verstehen, daß der Kläger von der Beklagten noch vier Tage Treueurlaub nachgewährt haben möchte.
2. Die Klage ist indessen unbegründet. Entsprechend der ab 1. Januar 1984 im Betrieb der Beklagten geltenden Urlaubsordnung stand dem Kläger neben seinem tariflichen Grundurlaub von 30 Urlaubstagen nach 15 Beschäftigungsjahren lediglich ein zusätzlicher Urlaubstag zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Soweit nach der Urlaubsordnung 1974 Mitarbeitern, die 40 Jahre oder älter waren, nach 15 Dienstjahren jährlich drei freiwillig von der Firma zusätzlich gewährte Urlaubstage zustanden, kann der Kläger daraus keine Rechte mehr herleiten, nachdem diese Urlaubsordnung in den Jahren 1980 bzw. 1984 rechtswirksam abgeändert worden ist. Die neuen Urlaubsordnungen sahen nämlich für Mitarbeiter nach 15 Beschäftigungsjahren nur noch einen zusätzlichen Tag Treueurlaub vor.
a) Durch die Urlaubsordnung 1974 ist unter den dort genannten Voraussetzungen (15 Dienstjahre und 40 oder mehr Lebensjahre) für den Kläger ein Rechtsanspruch auf dreitägigen Treueurlaub entstanden. Die "freiwillige" Gewährung des Treueurlaubs schließt einen Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf die versprochene Leistung nicht aus, sondern macht nur kenntlich, daß es sich um eine tarifvertraglich nicht vorgesehene, zusätzliche Leistung der Beklagten handelt, mit der sie die besondere Betriebstreue ihrer Mitarbeiter belohnen will. Die Beklagte hat insoweit mit Verpflichtungswillen gehandelt (vgl. hierzu auch BAG Urteil vom 5. September 1985 - 6 AZR 216/81 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Besitzstand).
Die Urlaubsordnung ist durch eine sog. Gesamtzusage Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden. Die einseitig vom Arbeitgeber erlassene Urlaubsordnung ist hinsichtlich des Treueurlaubs ein Angebot der Beklagten, welches von den Arbeitnehmern der Beklagten und auch vom Kläger jeweils durch schlüssiges Verhalten angenommen worden ist und dadurch für den Kläger vertragliche Ansprüche begründet hat (BAGE 53, 42, 55 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972).
b) Der Kläger kann dennoch aus der Urlaubsordnung 1974 keine Rechte mehr für sich herleiten, da ihm nach den späteren Urlaubsordnungen 1980 bzw. 1984 nur noch ein Tag Treueurlaub jährlich zusteht. Der durch die Gesamtzusage in der Urlaubsordnung 1974 begründete Anspruch des Klägers war zwar verbindlich, aber nicht unabänderbar. Eine solche Änderung kann durch Vertrag, Kündigung oder Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs erfolgen (BAG aaO). Steht somit allein die Zulässigkeit der individualrechtlichen Abänderung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs in Frage, kommt es auf die vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts zur ablösenden Betriebsvereinbarung vom 16. September 1986 (BAG Beschluß Großer Senat - GS 1/82 -) aufgestellten Grundsätze nicht an.
c) Die Parteien haben den Anspruch auf den Treueurlaub nicht einvernehmlich geändert. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 5. September 1985 (- 6 AZR 216/81 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Besitzstand) entschiedenen Rechtsstreit haben die Mitarbeiter der Beklagten zwar nicht ausdrücklich der Änderung der Urlaubsordnung 1974 widersprochen. Eine Anzahl von Arbeitnehmern und auch der Betriebsrat der Beklagten haben sich jedoch gegen die beabsichtigte Änderung der Voraussetzungen für den Treueurlaub gewendet. Diese Widerstände haben bis zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren angehalten. In der Hinnahme des verringerten Treueurlaubs kann deshalb nicht eine Annahme der geänderten Vertragsbedingungen durch den Kläger gesehen werden.
d) Die Kürzung des Treueurlaubs war indessen aufgrund des in die Urlaubsordnung aufgenommenen Vorbehalts der Beklagten statthaft. Die als Teil der Gesamtzusage zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewordene Befugnis der Beklagten, unter bestimmten Voraussetzungen die jeweils bestehende Urlaubsordnung zu ändern, ist ein Widerrufsvorbehalt. Er gibt dem Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht. Seine Ausübung unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (BAG Urteil vom 7. Januar 1971 - 5 AZR 92/70 - AP Nr. 12 zu § 315 BGB; BAGE 40, 199, 206 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung).
Die Voraussetzungen für die Ausübung des Widerrufsrechts sind hier erfüllt. Der Treueurlaub ist eine freiwillige Leistung. Die Beklagte hat die in der Urlaubsordnung vorgesehene Änderungsfrist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres mit Schreiben vom 17. September 1979 gewahrt. Die Ausübung des Widerrufsvorbehalts hält auch der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB stand. Der Treueurlaub steht nach der Urlaubsordnung in enger Verbindung mit dem tariflichen Grundurlaub. Die in der Urlaubsordnung 1974 und 1978 enthaltene Urlaubstabelle weist neben dem Treueurlaub auch den tariflichen Grundurlaub aus. Die Tabelle der für den Erholungsurlaub geltenden Staffelung knüpft ebenso für den Treueurlaub an das Lebensalter des Arbeitnehmers an. Tariflicher Erholungsurlaub und Treueurlaub bilden zusammen einen Höchsturlaubsanspruch. Die Urlaubsordnung 1974 enthält neben dem Widerrufsvorbehalt die Regelung, daß die Urlaubsordnung außer Kraft tritt, wenn sich der Urlaubstarif ändert. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Regelung für sich genommen rechtlich zulässig ist. Ihr ist jedoch die Verknüpfung des tariflichen Anspruchs auf Urlaub mit dem Umfang des Treueurlaubs zu entnehmen. Die Arbeitnehmer haben danach nur einen von der (unveränderten) Höhe des tariflichen Urlaubsanspruchs abhängigen Anspruch auf Treueurlaub erworben. Deshalb ist die teilweise Anrechnung übertariflichen Treueurlaubs auf die Erhöhung tariflichen Erholungsurlaubs rechtlich unbedenklich, denn es handelt sich beim Treueurlaub um keine selbständige neben der tariflich festgelegten Leistung (vgl. BAG Urteile vom 19. Juli 1978 - 5 AZR 180/77 - und vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 10, 11 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAGE 49, 299, 301 = AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub).
Die Ausübung des Änderungsrechtes hält ebenfalls einer Billigkeitskontrolle stand. Die Beklagte hat die Interessen der Arbeitnehmer dadurch gewahrt, daß sie die Anrechnung des Treueurlaubs auf den gestiegenen Tarifurlaub nicht in einem Schritt, sondern über mehrere Jahre und Tarifurlaubserhöhungen hinweg vorgenommen hat. Sie hat ihr Vorgehen gegenüber den Mitarbeitern auch vorher durch Werksmitteilung Nr. 18/78 vom 3. Mai 1978 angekündigt. Schließlich ergibt sich für den Kläger selbst nach der Anrechnung noch ein um einen Tag höherer Gesamturlaub, als ihm nach der Urlaubsordnung 1974 zugestanden hätte.
3. Die Ausübung des vertraglich eingeräumten Widerrufvorbehalts durch die Beklagte verstößt nicht gegen die Besitzstandsklausel des § 18 Nr. 2 MTV Chemie. Dort heißt es:
"Schlußbestimmungen
1. ...
2. Bestehende günstigere betriebliche und ein-
zelvertragliche Regelungen der allgemeinen Ar-
beitsbedingungen dürfen aus Anlaß des Inkraft-
tretens des Manteltarifvertrages nicht geän-
dert werden.
..."
Die genannte Bestimmung enthält die tariflich geregelte Einschränkung eines dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich zustehenden Gestaltungsrechts. Danach ist die Kürzung von Leistungen unzulässig, wenn der Widerruf allein deshalb erfolgt, um die nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags nicht vorgesehene "Aufsaugung" von günstigeren betrieblichen Leistungen durchzusetzen. Dem Arbeitgeber bleibt es dagegen unbenommen, das Widerrufsrecht aus anderen sachlichen Gründen auszuüben (BAG Urteil vom 5. September 1985 - 6 AZR 216/81 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Besitzstand).
Es kann dahinstehen, ob die tarifliche Bestimmung in § 18 Nr. 2 MTV Chemie in ihrer Wirkung einer unzulässigen begrenzten Effektivklausel entspricht (vgl. BAGE 56, 120, 127 = AP Nr. 15 zu § 4 TVG Effektivklausel; Wiedemann, Anm. zu BAG Urteil vom 5. September 1985 - 6 AZR 216/81 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Besitzstand): Zwar hat die Beklagte die vorgenommene Abänderung des betrieblichen Treueurlaubs ausdrücklich mit der Steigerung des Tarifurlaubs begründet. Sie hat jedoch nur durchgesetzt, was ihr bereits arbeitsvertraglich eingeräumt war. Der Treueurlaub war mit dem tariflichen Grundurlaub dergestalt verknüpft, daß Änderungen in der Höhe des Tarifurlaubs den Arbeitgeber - unter Beachtung des § 315 BGB - berechtigten, die Höhe des freiwilligen Treueurlaubs neu zu bestimmen. Die Ausübung des arbeitsvertraglichen Widerrufsvorbehalts ist demnach keine unzulässige Änderung einzelvertraglicher Bedingungen "aus Anlaß der Änderung des Tarifvertrages" i. S. von § 18 Nr. 2 MTV Chemie. Insoweit ist der vorliegende Fall mit dem vom Sechsten Senat (aaO) entschiedenen Rechtsstreit nicht vergleichbar. Dort hatten die Parteien keine Anrechnung bzw. einen Widerruf vereinbart.
4. Der Kläger als unterlegene Partei hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Dr. Leinemann Dörner Dr. Lipke
Dr. Wolter Beckerle
Fundstellen
Haufe-Index 441762 |
BB 1992, 1214 |
DB 1993, 642-643 (LT1) |
BuW 1992, 804 (K) |
NZA 1993, 67 |
NZA 1993, 67-69 (LT1) |
RdA 1992, 402 |
ZAP, EN-Nr 633/92 (L1) |
AP § 1 BUrlG Treueurlaub (LT1), Nr 2 |
EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung, Nr 21 (LT1) |