Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Unterschrift auf Klage kann durch rügeloses Verhandeln fristwahrend geheilt werden
Leitsatz (redaktionell)
Geht innerhalb der Frist des § 4 KSchG beim Arbeitsgericht ein nicht unterzeichneter, jedoch im übrigen den Erfordernissen einer Klageschrift entsprechender Schriftsatz ein so kann der Mangel der Nichtunterzeichnung fristwahrend nach § 295 ZPO geheilt werden (Aufgabe der Rechtsprechung BAG 27.01.1955, 2 AZR 418/54 = BAGE 1, 272 = AP Nr 5 zu § 11 KSchG und BAG 26.01.1976, 2 AZR 506/74 = BAGE 28, 1 = AP Nr 1 zu § 4 KSchG 1969).
Normenkette
ZPO §§ 130, 253, 295; KSchG § 4 Fassung 1969-08-25, § 7 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 28.09.1984; Aktenzeichen 6 Sa 93/83) |
ArbG Bamberg (Entscheidung vom 24.03.1983; Aktenzeichen 3 Ca 816/82) |
Tatbestand
Der am 21. April 1947 geborene Kläger, ein griechischer Gastarbeiter, ist seit 17. Mai 1971 bei der Beklagten als Maschinenarbeiter zu einer Vergütung von zuletzt 2.350,-- DM brutto monatlich beschäftigt.
Am 22. Juli 1982 wurde er an einem Finger der rechten Hand operiert. Er legte der Beklagten am gleichen Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, wonach bis 30. Juli 1982 Arbeitsunfähigkeit bestand. Der Kläger hatte ab Montag, dem 2. August 1982, Urlaub für 22 Werktage. Nach seiner Behauptung am Donnerstag, dem 29. Juli 1982, nach der Behauptung der Beklagten bereits am Dienstag, dem 27. Juli 1982 oder früher, fuhr er mit seinem Auto in Urlaub in sein Heimatland Griechenland.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10. September 1982, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, ordentlich zum 8. Oktober 1982, nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zuvor mit Schreiben vom 9. September 1982 widersprochen hatte.
Am 17. September 1982 ging beim Arbeitsgericht Bamberg ein als Klage bezeichneter Schriftsatz vom 16. September 1982 des damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers, des Rechtssekretärs des DGB-Kreises Erlangen, ein, der nicht unterzeichnet war. Dieser Schrift war eine vom Kläger unterzeichnete Vollmachtsurkunde beigefügt, in der es hieß, daß dem Prozeßbevollmächtigten Vollmacht zur Vertretung in der Feststellungssache gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht in Bamberg erteilt werde. Nach Terminsbestimmung durch das Arbeitsgericht wurden der Beklagten am 21. September 1982 zwei ebenfalls nicht mit einer Unterschrift versehene Abschriften des Schriftsatzes vom 16. September 1982 zugestellt, die auch keinen Beglaubigungsvermerk trugen.
Der Kläger hat Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt. Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten und weiter geltend gemacht, er habe seinen Urlaub nicht eigenmächtig vorverlegt, denn die Urlaubsreise habe er erst nach Zusicherung des behandelnden Arztes angetreten, daß die Fahrt für den Heilungsprozeß völlig unbedenklich sei und ihn auch nicht verzögere.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, wenn es dem Kläger möglich gewesen sei, nach Griechenland zu fahren, wäre ihm auch eine Tätigkeit in ihrem Betrieb zuzumuten gewesen. Durch sein eigenmächtiges Verhalten habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten jedenfalls auch deshalb verletzt, weil er sich gesundheits- und genesungswidrig verhalten habe. Wenn der Kläger tatsächlich bis 30. Juli 1982 krank gewesen sein sollte, so wäre er auch genesungsbedürftig gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1984 zu Protokoll ausdrücklich festgestellt, daß auch die Klageabschriften weder unterzeichnet noch beglaubigt waren. Die Beklagte hat danach in der Sitzung vom 7. September 1984 rügelos mündlich verhandelt.
Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweiserhebung die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine ordnungsgemäße Klage liege trotz fehlender Unterschrift jedenfalls dann vor, wenn sich aus einem der Klageschrift beigefügten Schriftstück ergebe, daß die Klage mit Wissen und Wollen des Verfassers bei Gericht eingegangen sei. Dies sei im vorliegenden Fall aus der vom Kläger unterzeichneten Vollmachtsurkunde herzuleiten.
Die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil etwa der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß gehört worden wäre. Aus dessen Widerspruchsschreiben ergebe sich nämlich, daß diesem die Kündigungsabsicht und die maßgeblichen Gründe bekannt gewesen seien. Die Kündigung sei jedoch wegen Sozialwidrigkeit unwirksam, denn sie rechtfertigende verhaltensbedingte Gründe lägen nicht vor. Der Kläger sei wegen nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit bis 30. Juli 1982 weder zur Arbeitsleistung noch zum Aufenthalt an einem bestimmten Ort verpflichtet gewesen. Eine eigenmächtige Vorverlegung des Urlaubs scheide somit aus. Genesungswidrig habe der Kläger sich ebenfalls nicht verhalten. Er sei nämlich über den 30. Juli 1982 hinaus nicht arbeitsunfähig krank gewesen.
B. Dieser Würdigung folgt der Senat, hinsichtlich der Wahrung der ordnungsgemäßen Klageerhebung allerdings nur im Ergebnis.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Kündigung nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil etwa der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß gehört worden wäre. Bei einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats ist eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung aus anderen Gründen i.S. des § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam, der Arbeitnehmer ist insoweit an die Frist nach § 4 KSchG nicht gebunden (vgl. KR-Friedrich, 2. Aufl., § 13 KSchG Rz 217, 218 m.w.N.). An einem derartigen Mangel fehlt es vorliegend. Der Arbeitgeber muß zwar von sich aus den Betriebsrat ausreichend über die Gründe unterrichten, die nach seiner Ansicht die beabsichtigte Kündigung rechtfertigen. Ohne Mitteilung der Kündigungsabsicht und der sonstigen dem Betriebsrat mitzuteilenden Umstände ist das Anhörungsverfahren nicht wirksam eingeleitet (vgl. KR-Etzel, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 53, 58). Die Pflicht zur Unterbreitung aller aus der Sicht des Arbeitgebers wesentlichen Tatsachen korrespondiert also mit der Kenntnis des Betriebsrates. Kennt der Betriebsrat den Kündigungssachverhalt bereits, so genügt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Mitteilung der Kündigungsgründe, wenn er im Anhörungsverfahren pauschal auf den bereits mitgeteilten oder den dem Betriebsrat bekannten Kündigungssachverhalt verweist oder wenn der Betriebsrat davon ausgehen muß, daß der Arbeitgeber die Kündigung auf die bereits mitgeteilten oder diesem bekannte Kündigungsgründe stützt (BAG 31, 83 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 23. Juni 1983 - 2 AZR 15/82 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Urteil des Senats vom 6. August 1981 - 2 AZR 380/79 - unveröffentlicht).
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, bereits aus dem Schreiben des Betriebsrats vom 9. September 1982 ergebe sich die ordnungsgemäße Anhörung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenn der Betriebsrat hier unter dem Betreff die "beabsichtigte Kündigung des Herrn T " anführt, so konnte das Landesarbeitsgericht daraus den Schluß ziehen, daß diesem eine entsprechende Arbeitgeberabsicht mitgeteilt worden war. Der Betriebsrat befaßt sich darüber hinaus, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist, mit allen für die erfolgte Kündigung wesentlichen Punkten, insbesondere mit dem Vorwurf, der Kläger habe seinen Urlaub angeblich eigenmächtig angetreten. Das läßt auch insoweit die Sachkenntnis des Betriebsrats erkennen. Auch nach dem Vortrag des Klägers ist nicht anzunehmen, daß diese Informationen nicht von der Beklagten stammten, sondern der Betriebsrat sie sich hätte selbst beschaffen müssen.
II. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis weiter zutreffend davon ausgegangen, die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten gelte nicht schon deshalb als rechtswirksam (§ 7 KSchG), weil die innerhalb der Frist des § 4 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangene Klageschrift vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht unterzeichnet war.
1. Der in der vergessenen Unterzeichnung der Klageschrift liegende Verfahrensmangel ist nämlich gemäß § 295 ZPO geheilt worden.
Abweichend vom Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO wird es allerdings als zwingend angesehen, daß bestimmende Schriftsätze, wozu die Klageschrift gehört, unterschrieben sein müssen (vgl. BAG 28, 1 = AP Nr. 1 zu § 4 KSchG 1969 m.w.N. mit Anm. Vollkommer und ablehnender Anm. Martens, NJW 1976, 1991). Dies folgt auch für die arbeitsgerichtliche Klage aus § 130 Nr. 6 ZPO, wenn dort normiert ist, in Anwaltsprozessen sei die Unterschrift des Anwalts, in a n d e r e n P r o z e s s e n die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen erforderlich, der für sie als Bevollmächtigter handelt. Nach § 46 Abs. 2 ArbGG gelten für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, was für den vorliegenden Bereich nicht der Fall ist. Nach § 496 ZPO sind die Klage, die Klageerwiderung sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, bei dem Gericht schriftlich einzureichen; weitere, das amtsgerichtliche Verfahren regelnde Formvorschriften fehlen. Für Form und Inhalt der amtsgerichtlichen Schriftsätze sind daher die §§ 130- 133 und 253 ZPO entsprechend anzuwenden (so richtig Zöller, ZPO, 14. Aufl., § 496 Rz 2).
2. Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, durch die der nicht unterzeichneten Klageschrift beigefügte, vom Kläger unterzeichnete Vollmacht, sei dem Unterschriftserfordernis bezüglich der Klageschrift genügt, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da sich ein solcher Schluß hieraus nicht zwingend herleiten läßt. Eine ordnungsgemäße Klage kann zwar trotz fehlender Unterschrift dann vorliegen, wenn sich aus einem dem Klageentwurf beiliegenden Schriftstück ergibt, daß die Klage mit Wissen und Wollen des Verfassers bei Gericht eingegangen ist (BAG 28, 1, aa0; BGHZ 37, 156; BVerfGE 15, 288). Das Bundesarbeitsgericht ist in der zitierten Entscheidung jedoch zu Recht davon ausgegangen, eine vom Kläger eigenhändig unterschriebene Prozeßvollmacht reiche dazu nicht aus. Durch die Unterschrift wird die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des Schriftstückes übernommen. Durch die Vollmacht wird hingegen auch die Möglichkeit eröffnet, daß ein anderer als die Partei selbst die Verantwortung für den Inhalt eines Schriftstücks übernehmen kann. Durch die Vorlage einer Vollmacht wird deswegen noch nicht dokumentiert, daß der Bevollmächtigte die Verantwortung für das erst in Ausführung der Vollmacht gefertigte, nicht unterschriebene Schriftstück übernimmt. Der Bevollmächtigte hat insoweit bezüglich der Frage der Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des Schriftstücks die gleiche Stellung wie die Partei selbst.
3. Der Unterschriftsmangel ist vorliegend jedoch geheilt, weil die Beklagte sich rügelos auf die Klage eingelassen hat.
Nach § 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein mußte.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Unterzeichnung der Klageschrift verstößt gegen eine das Verfahren betreffende Vorschrift (§ 253 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO - vgl. Ausführungen zu B II 1), auf deren Befolgung die Beklagte nach § 295 Abs. 2 ZPO wirksam verzichten konnte. Ein öffentliches Interesse, das einem solchen Verzicht entgegenstehen könnte, ist nicht ersichtlich, zumal das Gesetz den Kläger bei der Erhebung von neuen Ansprüchen im Verlaufe eines Rechtsstreites ganz von der Notwendigkeit einer Klageschrift freistellt (§ 261 Abs. 2 ZPO). Ebenso läßt die Rechtsprechung den Verzicht des Beklagten auch auf zwingend vorgeschriebene Wirksamkeitsvoraussetzungen der Klageerhebung nach § 253 Abs. 1 ZPO (förmliche Zustellung) und § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches) zu (so BGHZ 65, 46 m.w.N.). Wie bereits der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, kann es daher auf sich beruhen, ob eine bei Gericht eingegangene unterzeichnete Klageschrift als Entwurf oder als, wenn auch mangelhafte, Klage anzusehen ist. Jedenfalls ist sie ein prozessual beachtlicher Vorgang, der einer Heilung nach § 295 ZPO zugänglich ist. Die entgegenstehende Auffassung des Senates im Urteil vom 26. Januar 1976 (- 2 AZR 506/74 - BAG 28, 1 = AP Nr. 1 zu § 4 KSchG 1969), das hierin einen prozessual unbeachtlichen Klageentwurf gesehen hat, wird aufgegeben. Denn wenn der Beklagte auf wesentliche Teile des notwendigen Inhalts einer Klage verzichten kann, obwohl auch in diesen Fällen keine wirksame Klageschrift vorliegt (vgl. Nachweis bei BGHZ, aa0), so kann es ihm auch nicht verwehrt sein, auf die Unterschrift zu verzichten.
b) Einer Heilung steht auch nicht § 4 KSchG entgegen, wonach die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden muß.
Die Nichterhebung der Klage innerhalb von drei Wochen führt zwar infolge der Regelung in § 7 KSchG dazu, daß die Klage wegen Versäumung der Ausschlußfrist als unbegründet abzuweisen ist (BAG Urteil vom 20. September 1955 - 2 AZR 317/55 - AP Nr. 7 zu § 3 KSchG; BAG 42, 294 = AP Nr. 4 zu § 5 KSchG 1969), dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, die in § 4 KSchG bestimmte Notwendigkeit der fristgebundenen Klageerhebung sei dem materiellen Rechtsbereich zuzuordnen (anderer Auffassung: KR-Friedrich, 2. Aufl., § 4 KSchG Rz 136 i.Verb.m. § 5 KSchG Rz 70 am Ende m.w.N.). Die Drei-Wochen-Frist ist vielmehr eine prozessuale Klageerhebungsfrist. Die Kündigungsschutzklage ist weder eine Anfechtungs- noch eine Gestaltungs-, sondern eine Feststellungsklage (BAG GS vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Das Gesetz hat keine für die Zeit bis zum Ablauf der Klagefrist und für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses geltende Vermutung für oder gegen die Wirksamkeit der Kündigung aufgestellt. Dem Arbeitnehmer ist durch die in § 4 KSchG getroffene Regelung nur befristet die Möglichkeit eröffnet, Rechtsschutz wegen der offenen materiellen Rechtslage zu begehren. Die Versäumung der Frist hat somit unmittelbar den Verlust des Klagerechts zur Folge, das materielle Recht wird des Rechtsschutzes beraubt, sie ist somit eine prozessuale Frist (so richtig Vollkommer, AcP 161 (1962), 332 ff.). Dem steht auch nicht § 7 KSchG entgegen. Entgegen der Auffassung von Vollkommer (AcP, aa0) führt die Versäumung der Drei-Wochen-Frist angesichts der weiteren gesetzlichen Regelung in § 7 KSchG nicht nur zur mittelbaren und gleichsam beiläufigen Folge, daß zugunsten des Klägers nicht mehr in einem Kündigungsrechtsstreit die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt werden kann. Das Kündigungsschutzgesetz hat vielmehr in § 7 gerade im Hinblick auf die aus einem Arbeitsverhältnis herrührenden vielfältigen Ansprüche eine materiell-rechtlich bedeutsame unwiderlegliche Vermutung aufgestellt, nach der im Falle der Versäumung der Frist die Kündigung als von Anfang an unwirksam gilt, so daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gerechtfertigt ist, bei Eintreten der Vermutungswirkung die Klage als unzulässig abzuweisen. Das Arbeitsgericht entscheidet nämlich dann nicht, indem es Folgerungen aus § 4 KSchG herleitet, sondern indem es in seiner Entscheidung über den fortbestehend gleichen Streitgegenstand die positivrechtliche Regelung des § 7 KSchG zugrunde legt. Das ändert nichts daran, daß die Drei-Wochen-Frist eine Klagefrist ist und die Frage der Ordnungsmäßigkeit der insoweit notwendigen Klage nach dem Prozeßrecht zu bestimmen ist.
c) Ist innerhalb der Drei-Wochen-Frist bei Gericht ein nach den vorstehenden Ausführungen (unter B II 3 a) prozessual beachtlicher Schriftsatz eingegangen, so ist es nach dem Sinngehalt von § 4 KSchG gerechtfertigt, eine Heilung nach § 295 ZPO auch in Bezug auf das Fristerfordernis anzunehmen.
Die Rechtsprechung hat bereits bei Zustellungsmängeln eine rückwirkende Heilung auch im Hinblick auf materiell-rechtliche Folgen angenommen.
aa) Das Reichsgericht (RG JW 1934, 1493: Ausschlußfrist bei Anfechtungsklage nach § 271 Abs. 2 HGB a.F., jetzt AktG; RGZ 87, 271; 90, 86 - Ausschlußfrist bei Konkurs; 113, 335) hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, eine Zustellung, deren Mängel nach § 295 ZPO geheilt werde, habe genau dieselbe Wirkung wie eine von Anfang an einwandfreie Zustellung. Dies gelte auch für die materielle Wirkung, weil das materielle Recht die Entscheidung darüber, ob eine wirksame Zustellung vorliege, dem Prozeßrecht übertrage. Eine Scheidung in der Weise, daß eine Zustellung zwar prozessual wirksam sei, der materiell-rechtlichen Wirksamkeit aber entbehre, sei demnach ausgeschlossen (so RGZ 87, 271, 273). Der Bundesgerichtshof ist dem für die Zustellung gefolgt (BGH Urteil vom 24. Mai 1972 - IV ZR 65/71 - NJW 1972, 1373, 1374; Urteil vom 27. Mai 1974 - II ZR 109/72 - NJW 1974, 1557, 1558), und zwar auch hinsichtlich der Wirkung einer materiell-rechtlichen Frist (Ehelichkeitsanfechtungsklage). Er hat Abstriche nur im Hinblick auf die Erfordernisse nach § 253 Abs. 2 ZPO gemacht, soweit es um die Angabe von Klagegegenstand und Klagegrund geht (BGH LM Nr. 11, 12 zu § 295 ZPO).
bb) Auch im Kündigungsrechtsstreit kann auf die Zustellung der Klageschrift fristwahrend verzichtet werden (vgl. KR-Friedrich, 2. Aufl., § 4 KSchG Rz 143 a).
Dies gilt nach der Auffassung des Senats entsprechend auch für die Heilung des Unterschriftsmangels im Hinblick auf die Fristwahrung im Bereich von § 4 KSchG. Insbesondere ist ein Ausschluß der fristwahrenden Heilung nicht aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten. Anders als bei befristeten Rechtsmitteln (Berufung: §§ 519 b, 522 a Abs. 3 ZPO; Revision: §§ 554 a, 556 Abs. 2, Beschwerde: 574 ZPO), bei denen auch im öffentlichen Interesse schnell Klarheit über die Bestandskraft einer gerichtlichen Entscheidung geschaffen werden soll, enthält die Zivilprozeßordnung keine Sondervorschriften zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit einer befristeten Klage. Es ist daher weder der Zivilprozeßordnung noch dem Wortlaut des § 4 KSchG noch dessen Sinngehalt zu entnehmen, daß nur eine von vornherein in allen Punkten dem Prozeßrecht genügende Klageerhebung die Frist wahrt.
cc) Erachtet der Gesetzgeber eine gerichtliche Geltendmachung innerhalb langer Fristen für möglich, so liegt einer solchen Frist der Rechtsgedanke der Verjährung oder der Verwirkung zugrunde. Normiert der Gesetzgeber kurze Fristen, so sind dies nur Überlegungsfristen, die einen unerwünschten Schwebezustand beseitigen sollen (vgl. Vollkommer, AcP, aa0, 338, 339). Dementsprechend ist die Frist des § 4 KSchG von der Zielsetzung her als Überlegungsfrist zu qualifizieren.
Geht innerhalb der Frist des § 4 KSchG eine prozessual beachtliche, jedoch den prozessualen Erfordernissen nicht entsprechende Schrift ein, so ist mangels Vorliegens einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bis zur Rechtskraft des Urteils unklar, ob die Arbeitsvertragsparteien von der Wirksamkeit oder der Unwirksamkeit der Kündigung auszugehen haben. Durch die Anerkennung einer rückwirkenden Heilung ändert sich nichts an der zunächst vorhandenen Unklarheit darüber, ob die angegriffene Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses berührt hat oder nicht. Infolge der Regelung in § 270 ZPO, die nicht zwischen prozessualen und materiellen Fristen unterscheidet und die auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet (vgl. KR-Friedrich, aa0, § 4 KSchG Rz 140) und in Anbetracht der Möglichkeit, unverschuldet verspätet erhobene Klagen gemäß §§ 5, 6 KSchG zuzulassen, kann der Arbeitgeber auch derzeit nicht den Zeitpunkt bestimmen, ab dem die rechtliche Unklarheit beseitigt ist. Auch bei einer den Verfahrensvorschriften nicht voll genügenden Klageschrift kann der Gegner jedenfalls erkennen, daß eine gerichtliche Entscheidung begehrt wird. Die Zulassung einer fristwahrenden Heilung vergrößert damit die schon nach jetziger Gesetzeslage vorübergehend bestehende rechtliche Unklarheit nicht. Vielmehr bleibt es dem Gegner, wie auch in anderen Fällen des § 295 ZPO überlassen, ob er den Schwebezustand für sich bereits jetzt als beseitigt ansehen will oder nicht. Der Senat hält auch insoweit nicht mehr an seiner bisherigen entgegenstehenden Rechtsprechung (BAG 1, 272 = AP Nr. 5 zu § 11 KSchG) fest. Durch die systemgerechtere Einordnung wird die Regelung in § 5 KSchG nicht obsolet, da § 5 KSchG den Fall erfaßt, daß innerhalb der Drei-Wochen-Frist überhaupt keine Klage erhoben wird, während bei vorliegender Fallgestaltung innerhalb der Drei-Wochen-Frist das Gericht vom Kläger prozessual beachtlich angegangen wird. Auch dann behält § 5 KSchG im übrigen noch seine Bedeutung, wenn der Arbeitgeber sich nicht rügelos auf die nicht ordnungsgemäße Klage einläßt und der Kläger deswegen die Wirkung des § 7 KSchG nur durch den Antrag auf nachträgliche Zulassung einer ordnungsgemäßen Klage vermeiden kann.
d) Die Beklagte hat vorliegend nach Kenntnis des Mangels (spätestens am 13. Juli 1984) in der Sitzung vom 7. September 1984 rügelos i.S. des § 295 ZPO verhandelt. Wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 13. Juli 1984 ergibt, hatte das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt, daß auch die bei der Beklagten befindlichen zwei Klageschriften nicht unterzeichnet waren und auch keinen unterzeichneten Beglaubigungsvermerk enthielten. Es kann daher auf sich beruhen, ob die Beklagte schon in erster Instanz ihr Rügerecht durch rügeloses Verhandeln verloren hatte, d.h. ob die Beklagte etwa bereits aus den ihr übersandten mangelhaften Klageabschriften hätte schließen können, daß auch die Klageschrift nicht unterzeichnet war (vgl. dazu BGHZ 65, 46).
Eine Heilung nach § 295 ZPO erfordert keinen besonderen Verzichtswillen (BGH LM Nr. 13 zu § 295 ZPO). Wenn eine Partei, der gegenüber eine mangelhafte prozessuale Handlung vorgenommen worden ist, diesen erkennbaren Mangel nicht rügt, so ergibt sich daraus, daß sie für sich den Schwebezustand auch durch die mangelhafte Klageerhebung als beendet mit den aus der Klageerhebung folgenden Konsequenzen gesehen hat. Ein weitergehender Schutz ist nicht geboten.
III. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die ausgesprochene Kündigung sei sozialwidrig, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung in allen Punkten stand.
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: vgl. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG und BAG 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht schon das Vorliegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes verneint.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte Kündigung dann gerechtfertigt, wenn Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert erscheinen lassen (BAG Urteil vom 7. Oktober 1954 - 2 AZR 6/54 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG), wobei ein objektiver Maßstab anzunehmen ist. Es kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG Urteil vom 2. November 1961 - 2 AZR 241/61 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 229 ff.).
Das Landesarbeitsgericht hat dazu rechtsfehlerfrei aufgrund verfahrensrechtlich nicht gerügter und damit bindender Beweisaufnahme ausgeführt, der Kläger sei bis 30. Juli 1982 arbeitsunfähig krank gewesen und habe sich nicht genesungswidrig verhalten. Die Sachrügen der Revision greifen nicht. Bei der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Arbeitsunfähigkeit ist es unerheblich, ob dem Kläger eine andere Arbeit - bei Gesundheit - zuzumuten gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat auch widerspruchsfrei angenommen, die Heimreise des Klägers während des Zeitraums der Krankschreibung nach Griechenland stelle deswegen keine Pflichtverletzung dar, weil infolge des Beweisergebnisses feststehe, daß die Fahrt die Genesung nicht hinausgezögert habe. Da dem Kläger demgemäß schon keine Pflichtverletzung als Voraussetzung für die verhaltensbedingte Kündigung anzulasten ist, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die Kündigung selbst bei einem vorwerfbaren Verhalten des Klägers nicht wegen fehlender Abmahnung (vgl. dazu KR-Becker, aa0, Rz 234) unwirksam wäre.
Mit Rücksicht auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt ist auch der Hinweis der Revision verfehlt, bei ausländischen Arbeitnehmern sei die Versuchung groß, jede Gelegenheit zu nutzen, den Urlaub zu verlängern, und dieses Bestreben habe sie mit der Kündigung des Klägers unterbinden wollen.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Thieß Binzek
Fundstellen
Haufe-Index 437818 |
BAGE 52, 263-273 (LT) |
BB 1987, 200 |
NJW 1986, 3224 |
NJW 1986, 3224-3226 (LT1) |
NZA 1986, 761-763 (LT1) |
RdA 1986, 340 |
RzK, I 10b Nr 6 (LT1) |
AP § 4 KSchG 1969 (LT1), Nr 14 |
AR-Blattei, ES 1020 Nr 275 (LT) |
AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 275 (LT) |
EzA § 4 nF KSchG, Nr 25 (LT1) |
MDR 1986, 1053-1054 (LT1) |