Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigter Lehrer. Ausschlußfrist. Übliche Vergütung
Leitsatz (amtlich)
Fehlt bei einem Arbeitsvertrag eine Vereinbarung über die Vergütung des Arbeitnehmers oder stellt sich eine ursprüngliche Vergütung später als rechtsunwirksam heraus, ist die Höhe der Vergütung nach § 612 Abs 2 BGB zu ermitteln. Wird – wie im öffentlichen Dienst – allgemein nach Tarif vergütet, ist die jeweilige Höhe der tariflichen Vergütung als die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs 2 BGB anzusehen. Zur Höhe der auf diese Weise gefundenen vertraglichen Vergütung gehören jedoch nicht tarifliche Ausschlußklauseln. Gelten diese nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragspartner, müssen sie ausdrücklich vereinbart werden.
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2; BAT §§ 70, 3 Buchst. Q; TVG § 1 Auslegung
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 22.09.1989; Aktenzeichen 3 Sa 1551/88) |
ArbG Celle (Urteil vom 02.08.1988; Aktenzeichen 1 Ca 598/86) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. September 1989 – 3 Sa 1551/88 – aufgehoben, soweit es die Klage in Höhe eines Betrages von 13.564,97 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1986 abgewiesen und insoweit über die Kosten entschieden hat.
- Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 2. August 1988 – 1 Ca 598/86 – wird zurückgewiesen, soweit das Land verurteilt worden ist, an die Klägerin 13.564,97 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1986 zu zahlen.
- Die Kosten der ersten und zweiten Instanz haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen; die Kosten der Revisionsinstanz hat das beklagte Land zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 30. Juni 1986 anteilige Vergütung nach der VergGr. IIa BAT zu zahlen.
Die am 3. April 1954 geborene Klägerin hat die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien und die pädagogische Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen (Gymnasien) abgelegt. Sie unterrichtete, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, in der Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 30. Juni 1986 auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages der Parteien vom 15. Juli/4. August 1982 am Gymnasium in W… in den Fächern Französisch und Sport. Ihre Unterrichtszeit belief sich auf 11 Stunden wöchentlich. Ihre Vergütung wurde nach Jahreswochenstunden berechnet. Seit dem 1. August 1986 unterrichtet die Klägerin 17 Stunden wöchentlich. Seither gilt für ihr Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag – BAT – (§ 2 des Arbeitsvertrages vom 28. Juli/12. August 1986).
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Vergütungsvereinbarung nach Jahreswochenstunden sei gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 unwirksam. Sie habe daher gemäß § 612 BGB Anspruch auf anteilige Vergütung nach der VergGr. IIa BAT.
Die Klägerin hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 14.533,90 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1986 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die getroffene Vergütungsvereinbarung sei rechtswirksam. Weiter hat es geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien gemäß § 70 BAT verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin – was in der Revisionsinstanz außer Streit steht – nur für den Monat Juli 1986 die anteilige Vergütung nach der VergGr. IIa BAT zuerkannt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die tarifliche Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht beachtet habe. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihre Ansprüche für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 30. Juni 1986 weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats – besonders an das Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985 (auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) – den Klaganspruch grundsätzlich bejaht. Insoweit ist ihm beizupflichten. Es hat dann jedoch ausgeführt, der Anspruch der Klägerin sei gemäß § 70 BAT verfallen. Die Notwendigkeit, die tariflichen Ausschlußfristen zu beachten, ergebe sich für den Streitfall als Folge der nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldeten “tariflichen Vergütung”. Die tarifliche Verfallklausel stelle eine Inhaltsbestimmung des Anspruchs in Form einer Befristung dar, sie sei deshalb zum Anspruchsinhalt selbst zu rechnen. Zum Inhalt der vom Land gemäß § 612 Abs. 2 BGB geschuldeten “tariflichen Vergütung” gehöre auch die zeitliche Begrenzung des Vergütungsanspruchs infolge der tariflichen Ausschlußfristen. Da die Klägerin diese unstreitig nicht gewahrt habe, sei ihr Anspruch verfallen.
Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden. Die Ausschlußklausel des § 70 BAT darf vorliegend nicht angewandt werden.
II. Der Senat hat bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAG Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – AP, aaO, zu IV 1 der Gründe). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Höhe dieser Vergütung jedoch nicht ohne weiteres mit einer tariflichen Ausschlußklausel verbunden.
1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft ausdrücklich nur “die Höhe der Vergütung”. Nur insoweit hat der Senat die übliche tarifliche Vergütung als Vergleichsmaßstab herangezogen. So ist in dem erwähnten Urteil die Rede von den auf der Grundlage einer bestimmten Vergütungsgruppe ermittelten anteiligen Vergütungsbeträgen und deren rechnerisch unstreitiger Höhe. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein.
2. Die Auschlußklausel des § 70 BAT gilt für die Klagansprüche auch nicht deswegen, weil der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 28. Juli/12. August 1986 die Anwendbarkeit des BAT einbezieht. Wenn nämlich die Tarifbindung der Parteien eines Arbeitsverhältnisses erst nach Vertragsabschluß eintritt oder wenn ein Tarifvertrag ein Arbeitsverhältnis erst nach Vertragsabschluß erfaßt, dann werden die bis zum Zeitpunkt der Tarifgeltung entstandenen Ansprüche von einer tariflichen Ausschlußklausel jedenfalls dann nicht erfaßt, wenn sich die Klausel keine ausdrückliche Rückwirkung beimißt (so mit näherer Begründung die auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehene Entscheidung des Senats vom 26. September 1990 – 5 AZR 218/90 –, zu II der Gründe).
3. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß, hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Das ist hier jedoch nicht geschehen.
4. Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine “tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertragliche Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.
5. Die Klägerin braucht sich schließlich auch nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Koffka, Arntzen
Fundstellen
Haufe-Index 839215 |
BAGE, 76 |