Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen unterbliebener Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung
Leitsatz (amtlich)
Entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienst-PKW unberechtigt, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz in Geld in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) verlangen.
Normenkette
BGB §§ 249, 251; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 15. Dezember 1997 - 2 (5) Sa 1187/96 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Höhe des vom Kläger zu beanspruchenden Schadensersatzes wegen unterbliebener Überlassung eines Dienst-PKW auch zur privaten Nutzung.
Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 24. März 1992 ab dem 1. Juni 1992 als Area Sales Manager für die Verkaufsgebiete Asien, Australien, Italien, Spanien und Portugal bei der Beklagten beschäftigt. Im Anstellungsvertrag sagte die Beklagte dem Kläger die Überlassung eines Mercedes-Dienstwagens auch zur Privatnutzung zu.
In den monatlichen Vergütungsabrechnungen wurde als steuerpflichtiges Entgelt 1 % des Listenpreises des dem Kläger zur Verfügung gestellten PKW in Höhe von 463,00 DM ausgewiesen.
Am 7. Oktober 1994 erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1994 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 1994, hilfsweise zum 31. Januar 1995, weiter hilfsweise zum 31. März 1995. Zugleich wurde der Kläger bis zum Ablauf des Arbeitsvertrages von der Arbeitsleistung freigestellt. Nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung am 7. Oktober 1994 entzog die Beklagte dem Kläger den Dienst-PKW. Der Kläger erwirkte im Wege der einstweiligen Verfügung einen Titel auf Herausgabe des PKW. Im Hauptsacheverfahren verpflichtete sich der Kläger zur Rückgabe des PKW unter Aufrechterhaltung seines abweichenden Rechtsstandpunktes. In Vorprozessen der Parteien wurde festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 7. Oktober und 26. Oktober 1994 nicht aufgelöst wurde.
Mit der am 28. März 1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger wegen des ihm während der Freistellungszeit von Mai 1995 bis März 1996 entzogenen Dienst-PKW Nutzungsausfall in Höhe von 28.560,00 DM (= 336 Tage zu 85,00 DM) beansprucht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die entgangene Nutzungsmöglichkeit des Dienst-PKW sei nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch zu bemessen. Er hat behauptet, kein Ersatzfahrzeug angeschafft zu haben, sondern teilweise den PKW seiner Ehefrau mitbenutzt zu haben.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 28.560,– nebst 9,5 % Zinsen aus DM 2.635,– seit dem 31.05.1995, DM 5.185,– seit dem 30.06.1995, DM 7.820,– seit dem 31.07.1995, DM 10.455,– seit dem 31.08.1995, DM 13.005,– seit dem 30.09.1995, DM 15.640,– seit dem 31.10.1995, DM 18.190,– seit dem 30.11.1995, DM 20.825,– seit dem 31.12.1995, DM 23.460,– seit dem 31.01.1996, DM 25.925,– seit dem 29.02.1996, DM 28.560,– seit dem 31.03.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger könne keine Entschädigung beanspruchen, weil er das Kraftfahrzeug gar nicht gebraucht habe. Zuwendungsgrund sei ausschließlich gewesen, daß der Kläger zur Verrichtung seiner Dienste am Firmensitz habe agieren müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 5.093,00 DM brutto nebst Zinsen entsprechend dem steuerlichen Nutzungswert des Dienst-PKW in Höhe von 463,00 DM brutto monatlich zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte schuldet dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt wegen der im Zeitraum Mai 1995 bis März 1996 nicht gewährten Überlassung eines Dienst-PKW auch zur Privatnutzung einen über 5.093,00 DM brutto hinausgehenden Betrag.
I. Die Beklagte war arbeitsvertraglich nach Nr. 4 des Anstellungsvertrages verpflichtet, dem Kläger einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung war Hauptleistungspflicht. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch für private Fahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BAG Urteil vom 16. November 1995 - 8 AZR 240/95 - BAGE 81, 294 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 4). Diese Leistung ist unmöglich geworden. Die Möglichkeit, den Dienstwagen jederzeit nach Belieben zu privaten Zwecken nutzen zu können, besteht auf der Zeitachse nur einmalig. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden. Es ist dann die Nutzung einer anderen Periode.
II. Nach § 249 Satz 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB mit Geld zu entschädigen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf das positive Interesse. Demgemäß ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte.
III. Der Kläger hat einen konkret eingetretenen Schaden nicht dargelegt, sondern verlangt Ersatz der abstrakt nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch bemessenen Gebrauchsvorteile. Schadensersatz in dieser Höhe kann er nicht verlangen.
1. Die Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch orientiert sich nicht an dem Wert der Gebrauchsmöglichkeit des eigenen PKW, sondern am Wert der Gebrauchsmöglichkeit des Mietwagens, den sich zu nehmen der Geschädigte unterläßt. Die Orientierung an dem Wert des Gebrauchsvorteils eines kurzfristig und für kurze Zeit beschafften PKW entspricht den im Verkehrsunfallrecht zu regulierenden Schadensfällen. Im Mittelpunkt steht der Gebrauchsvorteil für einen kurzfristig, für die Dauer der Reparatur oder Ersatzbeschaffung, das heißt in der Regel für maximal zwei bis drei Wochen, verfügbaren PKW. Der Rechtsprechung des BGH zum Nutzungsausfall des PKW bei Verkehrsunfällen (vgl. nur Urteile vom 30. September 1963 - III ZR 137/62 - BGHZ 40, 345 = AP BGB § 249 Nr. 1; 18. Mai 1971 - VI ZR 52/70 - BGHZ 56, 214 = AP BGB § 249 Nr. 14; Beschluß vom 9. Juli 1986 - GSZ 1/86 - BGHZ 98, 212 = AP BGB § 249 Nr. 26) liegt letztlich die Sacherwägung zugrunde, daß ein Geschädigter, der auf einen Mietwagen verzichtet, nicht schlechter gestellt werden soll, als derjenige, der sich einen solchen Wagen mietet. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, daß ein Ersatzbedarf für maximal drei Wochen besteht.
2. Im Arbeitsverhältnis kann der Wert einer längerfristigen Gebrauchsmöglichkeit nicht anhand der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch bemessen werden. Der private Anteil am Gebrauchswert eines Dienst-PKW ist keine feststehende Größe, sondern verändert sich in Abhängigkeit von der Zeit, für die der Gebrauch gewährt werden soll. Der dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassene Dienst-PKW steht dem Arbeitnehmer nicht zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung, denn der dienstlichen Nutzung ist nicht nur ein zeitlicher Vorrang einzuräumen. Private Gebrauchsmöglichkeiten kann der Arbeitnehmer allein und nur insofern realisieren, als keine dienstliche Nutzung des PKW erforderlich ist. Der Gebrauchsvorteil eines so überlassenen Dienst-PKW ist somit spezifisch arbeitsvertraglich zu bestimmen und weicht von den im Verkehrsunfallrecht maßgeblichen Tabellen ab. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. nur Urteil vom 16. November 1995 – aaO). Andererseits soll aus Gründen der Rechtseinheit dem Arbeitnehmer wegen unberechtigten Entzugs eines auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienst-PKW nicht jede abstrakte Schadensberechnung abgeschnitten werden. Dabei entspricht es ständiger Übung, die steuer- und sozialversicherungsrechtlich maßgeblichen Bewertungsfaktoren heranzuziehen, wenn eine Naturalvergütung wegen Zeitablaufs nicht mehr geleistet werden kann und deshalb dem Arbeitnehmer Geldersatz zu leisten ist (vgl. nur ErfK/Preis § 615 BGB Rz 78; Kasseler Handbuch/Künzl Abschnitt 2.1 Rz 521). Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen zutreffend auf den vorliegenden Fall übertragen. Wird darüber hinaus berücksichtigt, daß der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine gesetzliche Grundlage für die steuerliche Bewertung der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs mit Wirkung ab dem Veranlagungsjahr 1996 geschaffen und damit die früheren Regelungen (vgl. Abschnitt 31 Abs. 7 Lohnsteuerrichtlinien) bestätigt hat, liegt es im Rahmen richterlichen Ermessens, den Wert der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Wie jede Pauschalierung mag auch diese auf Bedenken stoßen, doch ist aufgrund der bisherigen steuerrechtlichen Stellungnahmen nicht anzunehmen, daß die so pauschalierten Gebrauchsvorteile in jedem Falle zu hoch oder zu niedrig angesetzt sind (vgl. nur Voßkuhl/Rumler DB 1996, 447, 449 f.).
IV. Die rechnerische Bemessung des Schadensersatzes entsprechend den tatsächlich durchgeführten Vergütungsabrechnungen in der Zeit vor dem Entzug des Dienst-PKW beruht auf unstreitigem Vorbringen der Parteien und ist von der Revision nicht gerügt worden.
V. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß dem Kläger der Schadensersatzanspruch nicht als Nettovergütung zusteht. Nach Nr. 4 des Anstellungsvertrages hat der Kläger die Überlassung des Dienstwagens mit privater Nutzungsmöglichkeit zu versteuern. Der Schadensersatzanspruch wegen der von der Beklagten zu vertretenden Unmöglichkeit dieses Naturallohnanspruches tritt an dessen Stelle und ist steuerlich in gleicher Weise zu behandeln.
VI. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, E. Schmitzberger, Scholz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.05.1999 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436075 |
BAGE, 379 |
BB 1999, 1660 |
DB 1999, 1759 |
DStR 2000, 84 |
NJW 1999, 3507 |
NWB 1999, 3099 |
ARST 1999, 276 |
FA 1999, 291 |
FA 1999, 341 |
JR 2000, 308 |
NZA 1999, 1038 |
SAE 2000, 83 |
ZAP 1999, 960 |
AP, 0 |
DAR 1999, 468 |
MDR 1999, 1331 |
VersR 2001, 720 |
RdW 1999, 631 |
LL 2000, 94 |