Eine Verdrängung des nachwirkenden ETV durch die Entgelttabelle 1994 wegen Tarifpluralität im Hinblick auf den auf sie anzuwendenden Grundsatz der Tarifeinheit findet nicht statt.
Die Revision ist der Ansicht, das Nebeneinander des alten, nur noch nachwirkenden Tarifvertrages und des neuen Tarifvertrages im Betrieb der Beklagten müsse über die Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität gelöst werden. Sie führt dazu aus, ein Fall der Tarifkonkurrenz liege nicht vor, meint aber, dem Landesarbeitsgericht sei nicht zu folgen, wenn es der Beklagten in der vorliegenden Fallgestaltung – Nachwirkung des ETV nach § 4 Abs. 5 TVG/Entgelttabelle 1994 CGM – IV-HKS Brandenburg – eine Betrachtung nach dem Grundsatz der Tarifeinheit versage. Es widerspreche dem Prinzip der Tarifeinheit, wenn bei der Beklagten gleichzeitig der alte, nur noch nachwirkende Tarifvertrag und der neue, speziellere Tarifvertrag anzuwenden seien.
Das Landesarbeitsgericht führt aus, es komme im Betrieb der Beklagten zur Anwendung verschiedener Tarifverträge. Das Entgelt der IG Metall-Mitglieder richte sich weiterhin nach dem nachwirkenden ETV, während für Mitglieder der CGM und für solche Arbeitnehmer, in deren Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf die mit der CGM abgeschlossenen Tarifverträge vereinbart sei, diese Tarifverträge einschließlich der Entgelttabelle maßgeblich seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in einem solchen Fall eine Tarifpluralität anzunehmen, und zwar auch dann, wenn derzeit kein Mitglied der den Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaft, hier also der CGM, im Betrieb beschäftigt sei; die potentielle Anwendbarkeit reiche insoweit aus. Es referiert dann die Rechtsprechung des Senats und meint unter Hinweis auf die “Tendenz” des Zehnten Senats in seinen Urteilen vom 22. September 1993 (– 10 AZR 207/92 – BAGE 74, 238 = AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) und vom 26. Januar 1994 (– 10 AZR 611/92 – AP Nr. 22 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und “die überwiegende Literatur”, “jedenfalls für den Bereich des Entgelts … diese Auffassung” nicht teilen zu können, und macht dazu Ausführungen. Es erkennt zwar, daß der Senat die Frage der Tarifpluralität “in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – BAGE 69, 119 = AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung) nicht problematisiert” hat. Es meint aber, dies sei möglicherweise auf dem Hintergrund geschehen, daß es aus Gründen der Rechtssicherheit jedenfalls im Entgeltbereich nicht erforderlich sei, eine betriebseinheitliche Anwendung tariflicher Regelungen durchzusetzen.
Das ist indes nicht der Grund, warum der Senat in dem der Entscheidung vom 27. November 1991 zugrunde liegenden Fall die Frage der Tarifpluralität nicht problematisiert hat. Der Grund ist vielmehr ein ganz anderer: Es liegt kein Fall der Tarifpluralität vor.
Zu einer Tarifpluralität kann es bei unterschiedlicher Organisationszugehörigkeit kommen, z.B. ein Einzelhandelsunternehmen ist an einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gebunden (§ 5 TVG). Gleichzeitig hat es einen Haustarifvertrag mit einer Gewerkschaft abgeschlossen, der nur ein Teil der Arbeitnehmer des Betriebes angehören. Alsdann stellt sich die tarifliche Situation dergestalt dar, daß der Arbeitgeber an zwei Tarifverträge gebunden ist, aber diejenigen Arbeitnehmer, die nicht derjenigen Organisation angehören, die den Haustarifvertrag abgeschlossen hat, nur an den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gebunden sind. Es besteht eine Tarifpluralität, wenn nur der Arbeitgeber an beide Tarifverträge gebunden ist, dagegen die Arbeitnehmer nur teilweise tarifgebunden sind.
Hier ist es aber so, daß der ETV nur noch kraft Nachwirkung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG gilt, während die Entgelttabelle 1994 den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG bindet. Der Arbeitgeber ist nicht nach § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 3 TVG an zwei Tarifverträge gebunden, was Voraussetzung für die Tarifpluralität ist, sondern lediglich an einen. Bei der Beklagten liegt eine Tarifbindung an den ETV nicht mehr vor. Sie ist aus dem IV-HKS Berlin/Brandenburg ausgetreten; der IV-HKS Berlin/Brandenburg hat sich aufgelöst. Tarifpluralität entsteht nicht, wenn ein Tarifvertrag lediglich im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt. Es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung. Ob überhaupt Tarifpluralität nur bei tarifrechtlicher Geltung zweier Tarifverträge anzunehmen ist oder ob es dabei zu verbleiben hat, daß “die verbindliche Bezugnahme eines Tarifvertrages … eine Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrages … bewirkt und damit die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages lediglich eine von mehreren Arten … ist …, die Bindung an einen Tarifvertrag bewirken …”, also … “auch die vertragliche Vereinbarung der Geltung eines Tarifvertrages deshalb zum Entstehen einer Tarifkonkurrenz oder einer Tarifpluralität führen … kann” (Senatsurteil vom 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330 = AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz), braucht nicht entschieden zu werden. Hier geht es um das Verhältnis zwischen nachwirkendem Tarifvertrag und einem Tarifvertrag, an den nur der Arbeitgeber und – vielleicht – einige Arbeitnehmer gebunden sind, nicht aber Außenseiter und eine prophylaktische allgemeine Inbezugnahmeklausel bei Verbandswechsel des Arbeitgebers jedenfalls für den Entgeltbereich nicht gegeben ist. Der ETV wirkt hier lediglich nach, d.h., die unmittelbare Geltung des ETV bleibt erhalten, lediglich die zwingende Geltung des ETV ist entfallen. Die Nachwirkung bezweckt als eine Arbeitnehmerschutzvorschrift, die bisherigen tariflichen Regelungen für eine Übergangszeit dispositiv zu erhalten, und hat damit eine Überbrückungsfunktion, durch die vermieden wird, daß das Arbeitsverhältnis nun inhaltsleer wird und durch dispositive Gesetze sowie einseitige Arbeitgeberanweisungen ausgefüllt wird (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. nur Urteile des Senats vom 18. März 1992 – 4 AZR 339/91 – AP Nr. 13 zu § 3 TVG; vom 13. Juli 1994 – 4 AZR 555/93 – AP Nr. 14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit). Dieser Zweck impliziert, daß die Nachwirkung nur dann entfällt, wenn eine “Abmachung” getroffen wird, sei es durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, soweit im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG zulässig, sei es durch Vertragsänderung oder (Massen-) Änderungskündigung, die das einzelne Arbeitsverhältnis erfaßt. Kommt es nicht dazu, gilt der alte Tarifvertrag weiter. Kommt eine “andere Abmachung” nur mit einigen Arbeitnehmern zustande, so bleibt es für die übrigen bei der Fortgeltung des alten Tarifvertrages.
In § 4 Abs. 5 TVG ist durch die vorgesehene Beendigung der Nachwirkung erst durch eine “andere Abmachung” angelegt, daß es, gelingt nicht für alle Arbeitnehmer ein Abschluß einer solchen etwa durch Tarifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt wird, zu unterschiedlichen Arbeits-/Entgeltbedingungen kommt. Diese “Beseitigungslast” des Arbeitgebers (Hromadka/Maschmann/Wallner, aaO, Rz 254) kann deshalb nicht mit dem nach der Rechtsprechung des Senats auch auf den Fall der Tarifpluralität anzuwendenden Grundsatz der Tarifeinheit überspielt werden, der Arbeitgeber von der Beseitigungslast alter ihm nicht mehr als passend erscheinenden Arbeits-/Entgeltbedingungen auf diesem Wege befreit werden, will er andere Arbeits-/Entgeltbedingungen durchsetzen. Es hängt also an der “anderen Abmachung”. Greift diese zu kurz, weil sie nicht alle Arbeitsverhältnisse erfaßt, so bleibt es für die von einer anderen Abmachung nicht erfaßten Arbeitsverhältnisse bei der unbefristeten Weitergeltung des alten Tarifvertrages, bis es dem Arbeitgeber gelingt, auch insoweit eine andere Abmachung durchzusetzen, sei es durch Vereinbarung oder aber durch – wenn auch nicht sehr aussichtsreiche (vgl. Hromadka/Maschmann/Wallner, aaO, Rz 303 ff.) – Änderungskündigung.
So liegt es hier. Lediglich die Beklagte ist an die Entgelttabelle 1994 gebunden, die ihr neuer Verband auch für sie mit der CGM abgeschlossen hat. Diese Entgelttabelle vermochte den nachwirkenden ETV nur für Mitglieder der CGM abzulösen. Auch durch Vereinbarung mit einzelnen Arbeitnehmern konnte die Entgelttabelle eingeführt und dadurch die Nachwirkung des ETV beendet werden. Waren und sind nicht an die Entgelttabelle kraft Zugehörigkeit zur CGM gebundene Arbeitnehmer nicht bereit, die Entgelttabelle zu akzeptieren, bleibt nur der Weg über die Änderungskündigung.
Allerdings wird vereinzelt vertreten, daß dann, wenn im Nachwirkungszeitraum des alten Tarifvertrages nur der Arbeitgeber an den neuen Tarifvertrag gebunden ist, es zur Tarifpluralität kommt. “Nach der Rechtsprechung verdrängt der neue Tarifvertrag die nur nachwirkenden Normen des alten Tarifvertrages” (Hromadka/Maschmann/Wallner, aaO, S. 102, Rz 267). Eine Fundstelle wird nicht genannt. Es gibt sie für den Fall der Nachwirkung eines Tarifvertrages und des Abschlusses eines neuen Tarifvertrages mit einer anderen Gewerkschaft auch nicht. Die vom Landesarbeitsgericht erwähnte, aber nicht in den richtigen Zusammenhang gebrachte Entscheidung des Senats vom 27. November 1991 (– 4 AZR 211/91 – AP, aaO) zeigt das Gegenteil. Kania (DB 1995, 625, 631, l. Sp.) führt aus, nachdem er – ohne auf die Entscheidung vom 27. November 1991 zu verweisen – zutreffend von der Nachwirkung des früher maßgeblichen Tarifvertrages für Außenseiter ausgeht, man würde zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn man mit dem Vierten Senat auch in diesem Fall dem Grundsatz der “Tarifeinheit im Betrieb” Geltung verschaffe und die entstehende Tarifpluralität zwischen nachwirkendem Tarifvertrag einerseits und unmittelbar geltendem Tarifvertrag andererseits nach dem Grundsatz der Spezialität durch eine Verdrängung des nachwirkenden Tarifvertrages aus dem Betrieb auflöse. Die von ihm genannten Entscheidungen des Senats vom 14. Juni 1989 (– 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) und vom 5. September 1990 (– 4 AZR 59/90 – AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) sowie die Entscheidung vom 20. März 1991 (– 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330 = AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) betreffen nicht das Verhältnis zwischen nachwirkendem Tarifvertrag und einem neuen mit einer anderen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag. Im übrigen kommt Kania zum zutreffenden Ergebnis unter Hinweis auf die ratio legis des § 4 Abs. 5 TVG. Er führt aus, eine Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit im Betrieb liefe dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 TVG entgegen. Die Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG werde – auch vom Bundesarbeitsgericht (folgt Hinweis auf BAG Urteile vom 18. März 1992, aaO und vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 277/92 – BAGE 72, 48 = AP Nr. 14 zu § 3 TVG) – gerade deshalb bejaht, um einen tariflosen Zustand zu vermeiden. Ein solcher Zustand entstehe indes, verdränge man den nachwirkenden Tarifvertrag nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aus dem Betrieb. Der aus einer solchen Tarifkonkurrenz “siegreich” hervorgehende unmittelbar einschlägige Tarifvertrag werde nämlich dadurch nicht für diejenigen Arbeitnehmer maßgeblich, die nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft seien. Für diese gelte überhaupt kein Tarifvertrag. Bei Hromadka/Maschmann/Wallner heißt es, die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer, die nicht der tarifschließenden Gewerkschaft angehörten, würden inhaltsleer. Die Geltung des neuen Tarifvertrages könnten sie nur durch Beitritt zur Gewerkschaft herbeiführen. Zwar bleibe es dem Arbeitgeber unbenommen, ihnen die tariflichen Bedingungen vertraglich anzubieten. Dazu verpflichtet sei er jedoch nicht. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichte ihn nicht dazu. Zu einem anderen Ergebnis komme, wer die Rechtsprechung zur Tarifpluralität ablehne. Er müsse annehmen, daß die Nachwirkung des alten Tarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG fortbestehe. Im Betrieb würden dann zwei Tarifverträgen gelten: Der alte nach § 4 Abs. 5 TVG und der neue nach § 4 Abs. 1 TVG (aaO, S. 102, Rz 267).
Das ist nur im Ergebnis richtig. Entscheidend ist, daß ein Fall der Tarifpluralität gar nicht vorliegt, wie oben ausgeführt.
Die Rechtsprechung zur Tarifpluralität muß nicht abgelehnt werden. Das macht auch Kania nicht, jedenfalls nicht an dieser Stelle (vgl. aber differenzierend DB 1996, 1921 ff.). Entscheidend ist vielmehr, daß wegen der Regelung in § 4 Abs. 5 TVG ein Fall der Tarifpluralität, der über den Grundsatz der Tarifeinheit zu lösen wäre, nicht anzunehmen ist. Daß einige Arbeitsverhältnisse einer neuen tariflichen Regelung unterliegen, andere wegen fehlender Tarifbindung, fehlender Allgemeinverbindlichkeitserklärung, fehlender einzelarbeitsvertraglicher Abänderung oder wegen nicht erklärter oder nicht wirksamer Änderungskündigung noch der alten tariflichen Regelung unterfallen, ist wegen der vorgesehenen Ablösung der Nachwirkung durch eine “andere Abmachung” vorgegeben.
Nach der Rechtsprechung des Senats führt nicht nur die tarifrechtliche Geltung zweier Tarifverträge zur Tarifpluralität, sondern auch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme, weil sie die Geltung des Tarifvertrages bewirkt. Sie ist mit dem Grundsatz der Tarifeinheit dahin zu lösen, daß nur ein Tarifvertrag gilt (vgl. Urteil des Senats vom 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330 = AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Daß es demgegenüber zur Geltung mehrerer Tarifverträge im Betrieb kommt, wenn ein Tarifvertrag – wie hier – nur noch aufgrund Nachwirkung anwendbar ist, also wie eine arbeitsvertragliche Regelung nur dispositiv gilt, ist in § 4 Abs. 5 TVG angelegt. Ein Wertungswiderspruch liegt darin nicht.
Nach alledem ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, daß der ETV bezogen auf den Kläger nicht durch die Lohntabelle 1994 abgelöst wurde.
Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 284, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.