Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Pförtners beim Rundfunk
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem GTV-BR kommt es für die tarifliche Mindestvergütung ohne Rücksicht auf den Inhalt des Arbeitsvertrages auf die jeweils ausgeübte Tätigkeit an. Dabei ist es – im Gegensatz zu anderen Tarifwerken – ausreichend, wenn ein Drittel der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers ausfüllende Aufgaben den Merkmalen einer bestimmten Gehaltsgruppe entsprechen.
2. Die Begriffe des „Pförtners” und des „Empfangs” verwenden die Tarifvertragsparteien im GTV-BR in betriebs- und branchenbezogener Weise zur Kennzeichnung bestimmter Dienstposten. Dabei müssen nicht alle in den Richtpositionsbeschreibungen aufgeführten Aufgaben erledigt werden.
3. Auch im Bereiche der Eingruppierungsfeststellungsklagen gelten für Beweislast und Beweisaufnahme die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozesses. Das gilt auch für die Unzulässigkeit des Ausforschungsbeweises.
Leitsatz (redaktionell)
Augenschein als ungeeignetes Beweismittel – Keine allgemeine Pflicht der Tatsachengerichte zur Anforderung von Auskünften der Tarifvertragsparteien.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk; ZPO §§ 284, 286, 293, 402
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 06.08.1985; Aktenzeichen 3 Sa 667/83) |
ArbG München (Urteil vom 07.04.1983; Aktenzeichen 25 Ca 7006/82) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. August 1985 – 3 Sa 667/83 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der Rundfunk – Fernseh – Film – Union im DGB. Seit dem 1. April 1966 stand er in den Diensten des Beklagten. Er bezog Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2 des Gehaltstarifvertrages für den Bayerischen Rundfunk (GTV – BR).
Bis zum 31. Mai 1979 war der Kläger als Pförtner am Haupteingang des Beklagten in der Hopfenstraße eingesetzt. Dort ist auch der sogenannte Empfang eingerichtet, in dem zwei Empfangsdamen ständig ihren Dienst verrichten. Da sich der Kläger zum weiteren Schichtdienst außerstande sah, kam er in der Folgezeit am Eingang Arnulfstraße (Hochhaus) als Tagespförtner zum Einsatz. Dort verrichtete er den Dienst an der Pforte allein an den Wochentagen Montag bis Freitag von 7.00 bis 19.00 Uhr. Im Gegensatz zum Haupteingang findet am Eingang Arnulfstraße eine Ausweiskontrolle nicht statt, weil Beschäftigte anderer Firmen und Institutionen diesen Eingang ebenfalls benutzen und der eigentliche Sendekomplex des Beklagten erst beim Übergang vom Hochhaus in das alte Rundfunkgebäude beginnt. Erst dort endet die sogenannte Freizone und wird der Zutritt durch Bedienstete der Wach- und Schließgesellschaft gesondert kontrolliert. Offensichtlich betriebsfremden und unbefugten Personen hatte aber schon der Kläger den Zugang in das Gebäude zu verwehren. Nach einer Arbeitsanweisung für Pförtner und Wachleute vom 2. November 1977 war der Kläger ermächtigt, im Einzelfalle Tagesbesucherscheine auszustellen, wenn von Mitarbeitern des Beklagten eine entsprechende Anmeldung vorlag oder Besucher in Begleitung von Mitarbeitern in die kontrollierte Zone gebracht werden sollten. Wenn Mitarbeiter des Beklagten ihren Dienstausweis vergessen hatten, stellte der Kläger auch ihnen Besucherscheine aus. Soweit Postsendungen eingingen oder Fotos bei ihm abgeliefert wurden, übernahm der Kläger deren Verteilung. Bestimmte Schlüssel, insbesondere die Notfallschlüssel, hatte er ständig zu verwahren. Andere Schlüssel wurden von den Mitarbeitern beim Kläger abgeholt und hinterlegt. Am Arbeitsplatz des Klägers befindet sich eine Alarmanlage, die insbesondere Störfälle am Fahrstuhl und das Offenstehen gesicherter Türen anzeigt. Wenn die Alarmanlage in Aktion trat, hatte der Kläger die erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen und die Vorgänge im Wachbuch festzuhalten.
Kontrollgänge brauchte der Kläger nicht durchzuführen. Er verwaltete auch keine Portokasse. Ankommenden Besuchern erteilte der Kläger Auskunft, wofür er sich ein Zimmerverzeichnis der Mitarbeiter zusammengestellt hatte.
Ortsunkundigen gab er auch Auskünfte über Örtlichkeiten und Verkehrsverbindungen. Bei außergewöhnlichen Veranstaltungen wie Tagungen, Konferenzen und Seminaren erhielt der Kläger gelegentlich eine Durchschrift der Liste der zu erwartenden Teilnehmer, wobei in Einzelfällen die vorbereiteten Besucherausweise auch beim Kläger hinterlegt und von diesem an die Teilnehmer ausgegeben worden sind. Am 31. Oktober 1985 trat der Kläger in den Ruhestand.
Nach vergeblichen Versuchen, eine entsprechende Höhergruppierung außergerichtlich durchzusetzen, hat der Kläger mit der Klage die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten begehrt, an ihn ab 1. Juli 1979 Vergütung nach Gehaltsgruppe 3 (Stufe 7) GTV – BR zu zahlen. Dazu hat der Kläger vorgetragen, er habe die gleiche Tätigkeit verrichtet wie die am Empfang in der Hopfenstraße eingesetzten Damen. Am Eingang Arnulfstraße, wo der stärkere Publikumsverkehr geherrscht und der wesentliche Besucherstrom eingetroffen sei, habe er den Empfang repräsentiert und realisiert. Dagegen sei der Haupteingang in der Hopfenstraße überwiegend nur von Mitarbeitern des Beklagten benutzt worden. Der eigentliche Pförtnerdienst im sprachlichen und tariflichen Sinne habe bei ihm nur eine untergeordnete Bedeutung gehabt, weil er weder den Passanten noch den Fahrverkehr kontrolliert habe, zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen nicht herangezogen worden sei und ihm auch nur ausnahmsweise und in geringer Zahl Schlüssel zur Aufbewahrung und Ausgabe überlassen worden seien. Nahezu seine gesamte Arbeitszeit hätten dagegen Empfangsaufgaben ausgefüllt. Diese hätten in der Auskunftserteilung an Mitarbeiter und Besucher und deren Weiterverweisung an die jeweils zuständigen Stellen, der Postverteilung sowie in der Aushändigung von Manuskripten bestanden. Allein zu einem Drittel seiner Gesamtarbeitszeit sei er mit der Ausstellung von Tagesbesucherscheinen beschäftigt gewesen, wobei er für die Ausstellung eines solchen Tagesbesucherscheines einen Zeitraum von zehn Minuten veranschlage. Die anzuwendenden Tarifnormen unterschieden nicht zwischen einfachen und qualifizierten Auskünften. Er verfüge auch über die in der Gehaltsgruppe 3 GTV – BR geforderte berufliche Erfahrung. Demgemäß hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Juli 1979 Vergütung nach Gehaltsgruppe 3 (Stufe 7) GTV – BR zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für die Klageforderung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Kläger sei zutreffend nach der Gehaltsgruppe 2 GTV – BR vergütet worden. Er habe nämlich die Aufgaben eines Pförtners im allgemeinen sprachlichen und auch im tariflichen Sinne erledigt. Neben der Passantenkontrolle und der Verwahrung der Notfallschlüssel sei er für die Ausgabe, Entgegennahme und Verwahrung von 40 bis 50 weiteren Zimmerschlüsseln verantwortlich gewesen. Auch seine allgemeinen Sicherungsaufgaben hätten beträchtliche Zeit in Anspruch genommen. Immerhin seien 19 verschiedene Türen mit Türöffnungsanzeigen gesichert gewesen und Störungen der Aufzugsanlage verhältnismäßig häufig aufgetreten. Hinterlegte Briefe seien vom Kläger nur in geringem Umfang weitergeleitet worden. Am Haupteingang Hopfenstraße, wo das alleinige Empfangszentrum als Anlaufstelle für die etwa 10.000 freien Mitarbeiter eingerichtet sei, falle der weitaus größte Teil der zur Abholung durch freie Mitarbeiter bestimmten Briefsendungen an. Nur dort könnten die freien Mitarbeiter auch am zuverlässigsten den aktuellen Stand des Aufnahme- und Probenplanes erfahren. Mit der Übermittlung von Manuskripten an freie Mitarbeiter habe der Kläger nichts zu tun gehabt. Besucherauskünfte habe er nur in geringem Umfang und lediglich als Zimmerauskünfte erteilt. Eine weitergehende Auskunftserteilung sei beim Kläger nicht angefallen. Soweit er Besucherscheine ausgestellt habe, sei dafür allenfalls ein Zeitaufwand von jeweils zwei Minuten erforderlich gewesen. Die Tätigkeit des Klägers sei mit der der Empfangsdamen in der Hopfenstraße nicht zu vergleichen. Diese besäßen fremdsprachliche Kenntnisse und müßten anhand ihrer Unterlagen und aufgrund ihrer Kenntnisse in der Lage sein, umfassende Auskünfte selbst über hausinterne Angelegenheiten, Sendeverantwortlichkeiten und lange zurückliegende Produktionen zu erteilen. Außerdem müßten sie von Fall zu Fall die jeweils zuständigen Mitarbeiter ausfindig machen. Der Kläger verwische den von den Tarifvertragsparteien bewußt gemachten Unterschied zwischen „Pförtner” und „Empfang”. Seine vermeintlichen Ansprüche aus dem Jahre 1979 seien zudem verjährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Im Hinblick auf sein Ausscheiden aus den Diensten des Beklagten hat der Kläger in der Revisionsinstanz sein Klagebegehren auf den Anspruchszeitraum bis 31. Oktober 1985 beschränkt. Im übrigen verfolgt er es mit der Revision weiter. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht erkannt, daß es für das Klagebegehren keine Rechtsgrundlage gibt.
Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tarifbindung des Klägers galt für das inzwischen beendete Arbeitsverhältnis der Parteien der Gehaltstarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk in der ab 1. Januar 1978 geltenden Neufassung (GTV – BR) nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Dieser Tarifvertrag bestimmt in
Ziffer 721
Der Arbeitnehmer wird entsprechend seiner arbeitsvertraglich festgelegten Tätigkeit nach Maßgabe dieses Tarifvertrages eingruppiert. Die für die Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale und Voraussetzungen ergeben sich grundsätzlich aus den Richtpositionsbeschreibungen (Anlage),
Ziffer 722.1
Übt ein Arbeitnehmer ständig mehrere Tätigkeiten aus, die in verschiedenen Richtpositionsbeschreibungen erfaßt sind, so richtet sich seine Eingruppierung nach der für die Bewertung der höherwertigen Richtposition maßgebenden Tätigkeit, sofern diese mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit in Anspruch nimmt
und in
Ziffer 722.2
Übt ein Arbeitnehmer ständig gleichbewertete maßgebende Tätigkeiten verschiedener Richtpositionen aus, die unterschiedliche Ausbildung und/oder Berufserfahrung voraussetzen, so ist er in der nächsthöheren Gehaltsgruppe einzugruppieren, sofern die Tätigkeiten, die nicht in seiner eigenen Richtpositionsbeschreibung erfaßt sind, mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit beanspruchen.
Hiernach kommt es für die tarifliche Mindestvergütung gemäß Ziffer 721 GTV – BR auf die „arbeitsvertraglich festgelegte Tätigkeit” an, wie es in gleicher Weise auch die Tarifverträge für die sonstigen Rundfunkanstalten vorsehen. Unter „arbeitsvertraglich festgelegter Tätigkeit” verstehen die Tarifvertragsparteien nach dem Sinn und Zweck derartiger Tarifregelungen jedoch nicht formal die im Arbeitsvertrag bezeichnete Tätigkeit, sondern die jeweils ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers (vgl. die Urteile des Senats BAG 30, 281, 286 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 202/77 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und vom 7. Februar 1979 – 4 AZR 562/77 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Hinsichtlich des vorliegend anzuwendenden GTV – BR ergibt sich das schon daraus, daß sich nach dem Inhalt seiner Ziffer 721 die Eingruppierung „nach Maßgabe dieses Tarifvertrages” bestimmen soll. Damit soll der Arbeitnehmer auch im Geltungsbereich des GTV – BR nicht nur diejenige Vergütung erhalten, die sein Arbeitsvertrag vorsieht, sondern diejenige, die ihm nach dem Tarifwerk für die ihm zugewiesene und demgemäß von ihm ausgeübte Tätigkeit zusteht, wobei die Tarifvertragsparteien ersichtlich davon ausgehen, daß sich die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in bestimmter Weise konkretisieren und wandeln kann. Das nimmt zutreffend auch das Landesarbeitsgericht an. Demgemäß nimmt es mit Recht von seiner tarifrechtlichen Beurteilung nur solche Tätigkeiten aus, die dem Kläger von seinen Vorgesetzten zur Ausführung nicht übertragen worden sind bzw. von deren Verrichtung durch den Kläger die Repräsentanten des Beklagten nichts wissen konnten, ohne daß ihm das zuzurechnen ist.
Weiter geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß es aufgrund der Regelung in Ziffer 722.1 GTV – BR ausreichend wäre, wenn der Kläger zu einem Drittel seiner Arbeitszeit mit höherwertigen Aufgaben im Sinne der Gehaltsgruppe 3 GTV – BR beschäftigt worden wäre. Dabei mißt es aus den dargelegten Gründen mit Recht dem Umstand keine Bedeutung bei, daß der Kläger im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien als „Pförtner” bezeichnet worden ist.
Im übrigen kommt es gemäß Ziffer 721 und Ziffer 722.1 GTV – BR auf den Inhalt der Richtpositionsbeschreibungen an, wonach zu vergüten sind
nach Gehaltsgruppe 2
Pförtner (in)
A) Tätigkeit
- Kontrolle des Passanten- und/oder Fahrverkehrs,
- Schlüsselausgabe,
- Erteilen von Auskünften an Besucher,
- Soweit notwendig Dienst am Empfang,
- Durchführen von Kontrollgängen,
- Führen einer Portokasse,
- Wahrnehmen von Sicherungsaufgaben nach besonderen Weisungen des Vorgesetzten oder des zuständigen Mitarbeiters mit Hausherrnfunktion,
B) Erforderliche Ausbildung und Erfahrung
Erforderliche Schulbildung
In der Regel Hauptschulabschluß
Erforderliche Berufsausbildung
Keine
Erforderliche Berufserfahrung
Einarbeitung am Arbeitsplatz und
nach Gehaltsgruppe 3
Empfang
A) Tätigkeit
- Erteilen von Auskünften und Weiterverweisen der Besucher,
- Aushändigen von Post und Manuskripten an freie Mitarbeiter.
Voraussetzungen zum Durchführen dieser Tätigkeiten sind:
Personengedächtnis, Kenntnis des Hauses, verbindliches Wesen, gute Umgangsformen, gepflegtes Äußeres.
B) Erforderliche Ausbildung und Erfahrung
Erforderliche Schulbildung
Hauptschulabschluß
Erforderliche Berufsausbildung
Keine
Erforderliche Berufserfahrung
Mehrjährige artverwandte Tätigkeit.
Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß es sich bei dem vorliegend anzuwendenden GTV – BR um einen sogenannten Haustarifvertrag handelt, der daher auch die besonderen Verhältnisse, Anforderungen und Arbeitsbedingungen im Dienstbereich des Beklagten besonders berücksichtigt. Daraus leitet das Landesarbeitsgericht sach- und tarifgerecht und auch in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung her, daß es sich (das Landesarbeitsgericht spricht von einer „firmentypischen Situation”) bei den in den Richtpositionsbeschreibungen verwendeten Begriffen des „Pförtners” bzw. des „Empfangs” jeweils um die Kennzeichnung bestimmter Dienstposten beim Beklagten handelt, die allgemein bekannt und als solche auch den Tarifvertragsparteien geläufig sind (vgl. die Urteile des Senats vom 7. Februar 1979 – 4 AZR 562/77 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und 28. Februar 1979 – 4 AZR 461/77 – AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk mit weiteren Nachweisen). Diese Beurteilung entspricht, wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend hervorhebt, zugleich auch der Bedeutung der Worte „Pförtner” und „Empfang” im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches, wobei gewisse Berührungspunkte und Überschneidungen nicht zu übersehen sind (vgl. Meyers Enzykl. Lexikon, Deutsches Wörterbuch, Band 30, S. 682 sowie Band 32, S. 1987). Im übrigen ist es nicht erforderlich, daß jeweils alle in den Richtpositionsbeschreibungen genannten Einzelaufgaben von dem betreffenden Arbeitnehmer erledigt werden müssen. Das wird schon daraus deutlich, daß beispielsweise Portokassen beim Beklagten jedenfalls nicht von allen Pförtnern geführt werden.
Entscheidend ist nach den aufgezeigten Rechtsgrundsätzen vielmehr, ob der Kläger – wie die Empfangsdamen beim Haupteingang zum Hochhaus des Beklagten in der Hopfenstraße – zu einem Drittel seiner Gesamtarbeitszeit der Gehaltsgruppe 3 GTV – BR zuzuordnende Empfangstätigkeiten verrichtet hat, d.h. Post und Manuskripte an freie Mitarbeiter ausgehändigt und in der beim Empfang üblichen und für ihn typischen Weise Auskünfte an Besucher erteilt hat. Darauf stellt auch das Landesarbeitsgericht mit Recht ab.
Die demgegenüber erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch. Entgegen den Ausführungen des Klägers ist nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht gegen allgemeine Grundsätze der Tarifauslegung verstoßen hat. Aus den dargelegten Rechtsgründen bestehen auch keine Bedenken dagegen, sondern war es sogar rechtlich geboten, die Begriffe des „Pförtners” und des „Empfangs” betriebs- und funktionsbezogen auszulegen. Die Revision kann auch nicht erfolgreich rügen, das Landesarbeitsgericht habe es in rechtsfehlerhafter Weise unterlassen, zur Auslegung dieser Rechtsbegriffe Auskünfte der Tarifvertragsparteien einzuholen. Eine diesbezügliche allgemeine Rechtspflicht der Tatsachengerichte besteht nämlich im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Klägers nicht. Vielmehr liegt die Entscheidung darüber, ob gemäß § 293 ZPO im Einzelfalle Auskünfte der Tarifvertragsparteien eingeholt werden sollen, im Bereiche des pflichtgemäßen, revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessens der Tatsachengerichte (vgl. die Urteile des Senats BAG 39, 321, 328 = AP Nr. 55 zu § 616 BGB und vom 16. Oktober 1985 – 4 AZR 149/84 – AP Nr. 108 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Von einer Überschreitung oder einem Mißbrauch des entsprechenden gerichtlichen Ermessens zu Lasten des Klägers kann nicht die Rede sein. Dagegen spricht schon, daß es sich beim „Pförtner” und beim „Empfang” um allgemein bekannte und geläufige Begriffe handelt. Erschwerend kommt im übrigen hinzu, daß vorliegend der Beklagte zugleich Tarifvertragspartei und Prozeßpartei ist, womit er, wenn ihm eine Tarifauskunft abverlangt wird, in eine deren Wert und Bedeutung notwendigerweise beeinträchtigende Interessenkollision geraten könnte (vgl. den Rechtsgedanken von § 41 Nr. 5 ZPO).
Aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Kläger nicht zu einem Drittel seiner Gesamtarbeitszeit mit höherwertigen Aufgaben der Gehaltsgruppe 3 GTV – BR beschäftigt worden ist bzw. seinen entsprechenden Vortrag nicht hat beweisen können. Im einzelnen hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Kläger im Durchschnitt täglich 23 Besucherscheine ausgestellt hat, was einem Arbeitsanfall von weniger als zwei Stunden entspricht und ein Drittel seiner Gesamtarbeitszeit bei weitem nicht erreicht. Bezüglich seiner Aufgaben im Bereiche der Auskunftserteilung führt das Landesarbeitsgericht weiter aus, der Kläger habe nicht dargelegt, um Auskünfte welcher Art es sich gehandelt und welchen Zeitanteil er dafür benötigt habe, wobei das Landesarbeitsgericht in tarifgerechter Weise auch darauf hinweist, daß die allgemeine Auskunftserteilung nach dem Inhalt der Richtpositionsbeschreibung schon zu den Aufgaben eines Pförtners der Gehaltsgruppe 2 GTV – BR gehört. Weiter hat das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner Beweisaufnahme festgestellt, daß der Kläger mit der Aushändigung von Post und Manuskripten nur gelegentlich beschäftigt worden ist und dies auch für die Einweisung von Besuchergruppen zutrifft. Nach den weiteren umfangreichen, näher begründeten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger vielmehr ganz überwiegend mit Aufgaben beschäftigt worden, die nach der entsprechenden Richtpositionsbeschreibung zu denen eines Pförtners gehören. Somit sieht das Landesarbeitsgericht die Klage im Ergebnis als unschlüssig an.
Die demgegenüber erhobenen prozessualen Rügen der Revision greifen nicht durch. Gegenüber den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Ausmaß seiner Inanspruchnahme durch die Ausstellung von Besucherscheinen führt die Revision unter Berufung auf § 139 ZPO aus, mindestens für die Dauer einer Stunde habe jeweils täglich kein Passantenverkehr stattgefunden und während dieser Stunde habe der Kläger Beratungsaufgaben erledigt und erledigen können, das hätte er bei entsprechender Fragestellung auch gegenüber dem Landesarbeitsgericht vorgetragen.
Diese prozessuale Rüge der Revision greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich, wofür auch eine große Lebenswahrscheinlichkeit spricht, mit näheren Ausführungen festgestellt, daß der Kläger – unabhängig von der Intensität des jeweiligen Besucherstromes – seinen allgemeinen Überwachungs- und Kontrollpflichten als Pförtner dauernd und ständig habe nachkommen müssen. Dazu führt das Landesarbeitsgericht im einzelnen aus, es sei ständige Aufgabe des Klägers gewesen, darauf zu achten, daß das Gebäude des Beklagten nicht von Kindern, Hausierern, Betrunkenen, auf öffentliche Verkehrsmittel wartenden Personen, anderen Unbefugten und Hunden betreten worden sei, auch die allgemeinen Sicherungsaufgaben hätten ständig wahrgenommen werden müssen, desgleichen die Bewachung der Hauptkasse. Außerdem hat der Kläger selbst nicht substantiiert dargelegt, daß er in den publikumsschwächeren Zeiten Beratungsaufgaben erledigt, sondern nur, daß während dieser Zeit die Möglichkeit dazu bestanden habe.
Weiter rügt die Revision unter Bezugnahme auf Art. 103 Abs. 1 GG sowie § 286 ZPO, das Landesarbeitsgericht habe den von ihm mehrmals beantragten gerichtlichen Augenschein an seinem Arbeitsplatz nicht eingenommen, wobei hätte in Kauf genommen werden müssen, daß dieser über einen ganzen Tag oder auch, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend dargelegt hat, über einen noch längeren Zeitraum hätte ausgedehnt werden müssen. Mittels der Augenscheinseinnahme hätte er bewiesen, daß er zu 95 v. H. seiner Gesamtarbeitszeit mit qualifizierter Auskunftserteilung, der Weiterverweisung von Besuchern sowie der Ausgabe von Post und Manuskripten beschäftigt gewesen sei.
Mit dieser prozessualen Rüge kann der Kläger schon deswegen nicht durchdringen, weil es sich insoweit um einen verfahrensrechtlich unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt. Ein solcher liegt vor, wenn ein Beweis angetreten wird, bei dem durch die damit beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen zu substantiierten Tatsachenbehauptungen gewonnen werden sollen (vgl. die Urteile des Senats BAG 40, 67, 74 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifliche Übung sowie vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84 – AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Wie es Pflicht eines jeden Klägers in Eingruppierungsprozessen ist (vgl. die Urteile des Senats BAG 34, 158, 166 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 518/82 – AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975), wäre es vorliegend Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzulegen, in welchem zeitlichen Ausmaß er mit den verschiedenen qualifizierenden Aufgaben im Sinne der Anforderungen der Gehaltsgruppe 3 GTV – BR beschäftigt worden ist. Statt dessen hat der Kläger – verbunden mit dem mehrfach gestellten Antrag auf Einnahme des gerichtlichen Augenscheins – ohne jegliche Substantiierung lediglich vorgetragen, er sei nicht „Pförtner”, sondern verrichte Aufgaben des „Empfangs”, die nahezu seine gesamte Arbeitszeit ausfüllten. Mit dem Antrag auf Durchführung des gerichtlichen Augenscheins sollte daher lediglich erreicht werden, daß dem Kläger diejenigen Prozeßtatsachen zugänglich gemacht wurden, die er zur Substantiierung seiner Klage benötigte. Das aber ist verfahrensrechtlich unzulässig und mit dem Wesen des allgemeinen Zivilprozesses, dessen Grundsätze auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten, unvereinbar.
Abgesehen davon führt das Landesarbeitsgericht aber auch zutreffend aus, daß vorliegend die vom Kläger mehrmals beantragte Einnahme des gerichtlichen Augenscheins ein ungeeignetes Beweismittel ist, so daß auch im Hinblick darauf dazu das Landesarbeitsgericht nicht verpflichtet war. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Gerichte grundsätzlich in Zivilprozessen zur Erhebung aller rechtzeitig angetretenen und entscheidungserheblichen Beweise verpflichtet sind (vgl. BVerfGE 60, 247, 252; BGHZ 40, 367, 374; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 286 Anm. 3 A a sowie Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 284 Anm. B I). Das gilt jedoch nicht bei offensichtlich und völlig fehlender Eignung des Beweismittels, wenngleich diese Ausnahme nur mit Vorsicht angenommen werden darf (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18. Oktober 1973 – III ZR 192/71 – DRiZ 1974, 27 und dessen Beschluß vom 21. Februar 1978 – 1 StR 624/77 – NJW 1978, 1207; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 286 Anm. 3 B d sowie Stein/Jonas/Schumann/Leipold, aaO, § 284 Anm. B III 2 b). Vorliegend handelt es sich jedoch bei „er vom Kläger beantragten Augenscheinseinnahme um ein schlechthin ungeeignetes Beweismittel. Selbst wenn nämlich, wie es dem Begehren des Klägers entspricht, das Landesarbeitsgericht über einen oder sogar mehrere Tage hin am Arbeitsplatz des Klägers anwesend gewesen wäre, was bereits mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, hätte es keinen repräsentativen Eindruck von der Tätigkeit des Klägers und dem zeitlichen Umfang seiner Einzelaufgaben gewinnen können. Das liegt schon daran, daß das Volumen des Besucherverkehrs in öffentlichen Gebäuden und sonstige die Arbeit eines Pförtners mitbestimmende Faktoren von vielfältigen, vorher nicht absehbaren Umständen wie Witterungsverhältnissen oder bestehenden Parkmöglichkeiten abhängen.
Auf die von dem Beklagten hinsichtlich eines Teils der Klageforderung erhobene Einrede der Verjährung kommt es angesichts der unschlüssigen Klage nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Feller, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Peter Jansen, Fieberg
Fundstellen