Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 08.03.1994; Aktenzeichen L 7 Ar 160/92)

 

Tenor

Der Antrag der Kläger, ihnen für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt L. … beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 8. März 1994 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Kläger sind Aussiedler aus Kasachstan. Sie wenden sich gegen die Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Bezugsgröße bei der Berechnung von Eingliederungsleistungen. Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik wurden sie vom Beauftragten der Bundesregierung für die Verteilung der Aussiedler am 6. November 1991 dem Land Mecklenburg-Vorpommern zugewiesen. Seit dem 21. November 1991 haben die Kläger zu 1) und 2) ihren ständigen Wohnsitz in Osterode am Harz, die Kläger zu 3) und 4) in Herzberg.

Das Sozialgericht (SG) hat den Klagen stattgegeben. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten für die Kläger zu 2) bis 4) vereinbart, deren Rechtsverhältnisse nach dem Ausgang des Verfahrens des Klägers zu 1) zu regeln. Im Hinblick auf diese Vereinbarung haben die Beteiligten jene Verfahren für erledigt erklärt. Gleichwohl hat das Landessozialgericht (LSG) die Kläger zu 2) bis 4) im Rubrum seines Urteils vom 8. März 1994 aufgeführt, das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das LSG auf §§ 62a Abs 3 Satz 1, 249c Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 2 der Verteilungsverordnung bezogen. Aus diesen Regelungen ergebe sich, daß Aussiedler gleichmäßig auf alle Bundesländer verteilt werden sollten, um eine entsprechende Verteilung der Lasten zu erreichen. Eine abweichende Wohnortwahl von Aussiedlern sei bei der Bemessung des Eingliederungsgeldes nicht zu berücksichtigen.

Die Kläger haben Nichtzulassungsbeschwerden erhoben und um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Sie machen den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend. Dazu tragen sie vor, die gesetzliche Regelung enthalte eine Lücke für Fälle, in denen Aussiedler nicht ihren Wohnort entsprechend der Verteilungsentscheidung wählten. In solchen Fällen müsse sich die Bezugsgröße nach ihrem tatsächlichen Wohnort richten. Der 8. Senat des LSG Niedersachsen habe in einer Entscheidung, auf die sich das angefochtene Urteil beziehe, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der aufgeworfenen Rechtsfrage sei jedoch nicht ergangen.

Den Klägern steht Prozeßkostenhilfe nicht zu, denn die Nichtzulassungsbeschwerden haben nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, § 114 Satz 1 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Die Nichtzulassungsbeschwerden sind nicht zulässig und deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 SGG zu verwerfen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 1) ist nicht zulässig, denn die Beschwerdebegründung hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage läßt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Dazu ist darzulegen, daß die angestrebte Entscheidung des BSG geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Rechtsfortbildung zu fördern. Deshalb muß die Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Allgemeinheit über den zu beurteilenden Einzelfall hinaus dargelegt werden. Zu diesem Zweck ist ihre Klärungsbedürftigkeit nach dem Stand der Rechtsentwicklung und ihre Klärungsfähigkeit unter den Gegebenheiten des zu beurteilenden Falles darzustellen. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Behauptung der Lückenhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung, deren Wortlaut und Gesetzeszweck im angefochtenen Urteil klar wiedergegeben ist, begründet noch nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Darlegung ist im vorliegenden Zusammenhang um so mehr erforderlich, als die Rechtsfrage nicht mehr geltendes Recht betrifft. Die vom LSG noch anzuwendende Fassung des § 62a Abs 3 Satz 1 AFG gilt nicht mehr. Nach § 62a Abs 2 Nr 1 Satz 1 AFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung des Art 1 Nr 25 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) bemißt sich die Eingliederungshilfe für Spätaussiedler nach der Bezugsgröße, die bei Entstehung des Anspruchs auf Eingliederungshilfe für Spätaussiedler im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand bis zum 3. Oktober 1990 maßgebend ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein Rechtsstreit, der nur auslaufendes (vgl hier: § 242m Abs 2 AFG) oder ausgelaufenes Recht betrifft, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat. In solchen Fällen kann die Klärungsbedürftigkeit darin liegen, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen zu entscheiden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19) oder die zu klärende Rechtsfrage nachwirkt und dies von allgemeiner Bedeutung,

dh von Bedeutung über den Einzelfall hinaus, ist (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 141 mwN). Dazu fehlen jedoch in der Beschwerdebegründung Ausführungen. Die Tatsache allein, daß die aufgeworfene Rechtsfrage auch für die Kläger zu 2) bis 4) von Bedeutung ist, rechtfertigt nicht die Annahme grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.

Die Nichtzulassungsbeschwerden der Kläger zu 2) bis 4) sind schon deshalb unzulässig, weil ihr Verfahren im Berufungsrechtszug durch übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten erledigt ist. Die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage in diesen Verfahren ist in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Im übrigen unterliegen diese Nichtzulassungsbeschwerden dem gleichen Bedenken wie die Beschwerde des Klägers zu 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172763

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