Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Anwartschaftszeit. Beitragspflicht eines GmbH-Gesellschafters mit Sperrminorität
Leitsatz (amtlich)
Die Sperrminorität eines GmbH-Gesellschafters schließt die Annahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung nicht aus.
Normenkette
AFG §§ 104, 168 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Januar 1994.
Der 1960 geborene Kläger ist von Beruf Bürokaufmann. Er war seit 1983 bei der Johann D. GmbH tätig, deren alleiniger Geschäftsführer sein Vater war. Das Stammkapital (80.000,00 DM) hielt der Vater zu 90 % und der Kläger zu 10 %. Nach einer im Jahre 1986 erfolgten Kapitalerhöhung hielten der Vater 60 % und der Kläger 40 % des Stammkapitals (120.000,00 DM). Nach dem Gesellschaftsvertrag erforderten Gesellschafterbeschlüsse die Zustimmung von 3/4 des Kapitals. Mitte 1993 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Am 15. Dezember 1993 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Das ArbA lehnte den Antrag ab, da der Kläger als Gesellschafter mit einer Sperrminorität nicht in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden habe (Bescheid vom 17. Januar 1994; Widerspruchsbescheid vom 15. März 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, ab 1. Januar 1994 Alg zu gewähren (Urteil vom 12. Dezember 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28. Mai 1997 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, aus den Gesellschaftsrechten des Klägers lasse sich nicht auf eine weisungsfreie und damit selbständige Tätigkeit schließen. Zwar könne ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern und sei so weitgehend unabhängig von Weisungen. Einen solchen Einfluß auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers habe aber der mitarbeitende Gesellschafter mit Sperrminorität nicht. Es komme deshalb für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers auf die vertragliche Ausgestaltung seiner Beziehungen zur GmbH und insbesondere auf die tatsächlichen Gegebenheiten an. Hiernach aber sei der Kläger in den Betrieb eingegliedert und insbesondere hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung nicht weisungsfrei gewesen. Alle wesentlichen Entscheidungen, insbesondere die Personalentscheidungen, seien vom Vater getroffen worden. In dessen Abwesenheit habe nicht der Kläger die GmbH vertreten, sondern der Prokurist, der zudem mehr als der Kläger verdient habe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht mit Rücksicht auf die verwandtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu demjenigen, dessen Weisungsrecht er als Arbeitnehmer unterworfen gewesen sei. Der Kläger habe nach alledem Anspruch auf Alg vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1994. Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 104 und 168 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Sie macht geltend, vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe der für die GmbH tätige Gesellschafter mit Sperrminorität in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit Sperrminorität habe dies das BSG bereits wiederholt entschieden. Entsprechendes müsse auch bei einem Gesellschafter gelten, der nicht zugleich Geschäftsführer sei. Entscheidend sei, daß der Kläger als Gesellschafter mit Sperrminorität die Rechtsmacht gehabt habe, maßgebenden Einfluß auf die Gesellschaft - auch in bezug auf seine Tätigkeit bei der GmbH - zu nehmen. Wenn er sich den Weisungen seines Vaters unterworfen haben sollte, habe er dies als "gefügiger Sohn" getan. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei damit aber nicht begründet worden. Im übrigen seien die Angaben des Klägers sowie seines Vaters teilweise objektiv falsch bzw widersprüchlich. Es sei deshalb nicht nachzuvollziehen, wenn das LSG aus diesen Angaben auf eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers schließe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 28. Mai 1997 und des Sozialgerichts Bremen vom 12. Dezember 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich im wesentlichen auf das Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, steht dem Kläger ab 1. Januar 1994 ein Anspruch auf Alg dem Grunde nach zu. Allerdings erstreckt sich der Anspruch nicht auf das gesamte Jahr 1994, sondern endet mit dem 30. Dezember 1994.
Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Das LSG hat unangegriffen und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), daß der Kläger sich am 15. Dezember 1993 zum 1. Januar 1994 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat, seit 1. Januar 1994 arbeitslos war und während der gesamten Zeit seiner Arbeitslosigkeit bis zum 31. Dezember 1994 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Der Kläger hat auch die für einen Anspruch auf Alg mit einer Dauer von 312 Tagen erforderliche Anwartschafts- und Beschäftigungszeit erfüllt.
Die Anwartschaftszeit für einen Anspruch von 156 Tagen hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1, § 106 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (§ 104 Abs 3 Halbsatz 1 AFG) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs 2 AFG). Vorliegend lief die Rahmenfrist vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993. Die Anspruchsdauer verlängert sich auf 312 Tage, der Höchstdauer für Arbeitslose unter 42 Jahren, wenn der Arbeitslose innerhalb der auf sieben Jahre verlängerten Rahmenfrist (hier: 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1993) 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat (§ 106 Abs 1 Sätze 2 und 3 AFG). Diese Voraussetzung ist beim Kläger gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er - wie das LSG angenommen hat - während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung bei der GmbH beitragspflichtig beschäftigt war. Denn er hat schon innerhalb der Rahmenfrist vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens 720 Kalendertagen zurückgelegt.
Nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Diese Legaldefinition wird ua durch § 173a AFG ergänzt, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch über die Beschäftigung (§ 7) verweist und die entsprechende Anwendung anordnet. Nach der genannten Vorschrift fällt unter den Begriff "Beschäftigung" die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Beitragspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht - vor allem bei Diensten höherer Art - erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nrn 5 und 18 mwN - st Rspr).
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beantworten, ob es sich bei der Tätigkeit von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft um eine abhängige, beitragspflichtige Beschäftigung oder um eine selbständige Tätigkeit handelt. Ein wesentliches Merkmal ist dabei der Umfang der Kapitalbeteiligung des Gesellschafters und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Hierzu liegt insbesondere für die Tätigkeit von Gesellschaftern einer GmbH als deren Geschäftsführer eine gefestigte Rechtsprechung vor (vgl BSG SozR 4100 § 168 Nr 16 mwN; BSG-Urteil vom 29. Oktober 1986 - 7 RAr 43/85 - BB 1987, 406, 407 = Beiträge 1987, 17; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN).
Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger weder Geschäftsführer noch stellvertretender Geschäftsführer der GmbH. Nur der Vater des Klägers war zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt. Der Kläger hat sich auch nicht, ohne förmlich zum Geschäftsführer bestellt zu sein, wie ein solcher betätigt. Vielmehr wurde nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Gesellschaft ausschließlich durch den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer nach außen vertreten, und bei dessen Verhinderung handelte der Prokurist für die GmbH. Der Kläger war am Stammkapital der Gesellschaft zu 40 % beteiligt und verfügte damit über eine Sperrminorität. Denn nach dem Gesellschaftsvertrag bedurften Gesellschafterbeschlüsse einer Mehrheit von 3/4 des Kapitals (§ 8 des Gesellschaftsvertrags). Seine Rechtsmacht als Gesellschafter mit Sperrminorität unterschied sich jedoch deutlich von der Rechtsmacht eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit Sperrminorität.
Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gehört nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu den in abhängiger Beschäftigung stehenden Personen, wenn er kraft seiner Gesellschaftsrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Geschäftsführer über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt. Aber auch bei einem geringeren Kapitalanteil kann die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall fehlen. So ist eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich zu verneinen, wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt und damit ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft verhindern kann (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN). Aufgrund seiner Kapitalbeteiligung war der Kläger zwar ebenfalls in der Lage, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern. Dies reicht indes nicht aus, um generell die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit zu vermeiden. Denn der Gesellschafter-Geschäftsführer ist nur an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Er bedarf nur zu einer Änderung der Beschlußlage der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und kann, wenn er über eine Sperrminorität verfügt, nicht genehme Weisungen der Gesellschaft verhindern. Demgegenüber erschöpfte sich die Rechtsmacht des Klägers als Gesellschafter mit Sperrminorität allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Er konnte aber - da er nicht Geschäftsführer war - den Geschäftsbetrieb weder bestimmen noch als Minderheitsgesellschafter einen maßgebenden gestalterischen Einfluß auf die Gesellschaft nehmen. Insofern unterscheidet sich seine Rechtsmacht auch deutlich von der eines Alleingesellschafters einer GmbH oder eines Gesellschafters, der über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der GmbH verfügt.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen des BSG vom 20. März 1984 (SozR 4100 § 168 Nr 16) und 9. November 1989 (BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19). In erstgenanntem Urteil hat das BSG entschieden, daß ein bei der GmbH als Einkaufsleiter tätiger Gesellschafter, der zur Hälfte an der GmbH beteiligt war, die ihrerseits als geschäftsführender Komplementär beherrschenden Einfluß auf eine Kommanditgesellschaft (KG) besaß, zur KG nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Die zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung war also gerade dadurch gekennzeichnet, daß der GmbH-Gesellschafter zwar nicht Geschäftsführer war, jedoch aufgrund seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital der Komplementär-GmbH alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (die der einfachen Stimmenmehrheit des Stammkapitals bedurften) verhindern und von seinen Mitgesellschaftern niemals überstimmt werden konnte. Der bestimmende Einfluß des Gesellschafters auf die GmbH und damit auf die KG war also der Grund, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen (BSG SozR 4100 § 168 Nr 16). Ebenso hat der Senat in der Entscheidung vom 9. November 1989 bei dem Alleingesellschafter einer GmbH ein Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft verneint, selbst wenn er für diese eine untergeordnete Tätigkeit nach Weisung verrichtet. Denn entscheidend ist seine aufgrund der Alleininhaberschaft an sich bestehende Rechtsmacht über die Gesellschaft. Sie versetzt ihn in die Lage, seine Unterwerfung unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers bzw des Alleingeschäftsführers jederzeit zu beenden (BSGE 66, 69, 71). Soweit allerdings der Senat in dieser Entscheidung - über den zu entscheidenden Fall des Alleingesellschafters einer GmbH hinaus - ausgeführt hat, ähnlich sei "beim Bestehen einer Sperrminorität weder der Mehrheitsgesellschafter noch der Minderheitsgesellschafter Arbeitnehmer", kann an dieser die Entscheidung nicht tragenden Aussage - auf die sich die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung ausdrücklich bezogen hat - nicht festgehalten werden. Diese Aussage ist - wenn sie als eine Art Regelvermutung zu verstehen sein sollte - zu weit. Jedenfalls die Rechtsmacht eines Minderheitsgesellschafters mit Sperrminorität ist mit der eines Alleingesellschafters einer GmbH nicht vergleichbar. Denn ein Minderheitsgesellschafter ist rechtlich nicht in der Lage, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der GmbH aufzuheben oder abzuschwächen. Anders als beim Alleingesellschafter einer GmbH schließt deshalb eine Sperrminorität die Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht grundsätzlich aus. Sie mag ein Indiz gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sein. Entscheidend bleibt jedoch, welche Tätigkeit der Gesellschafter für die Gesellschaft verrichtet hat und ob er dabei über eine Rechtsmacht verfügte, die mit seiner Stellung als abhängig Beschäftigter der GmbH nicht zu vereinbaren war, weil er nicht in arbeitnehmertypischer Weise von der GmbH abhängig war. Ob dies der Fall ist, kann nur anhand einer Abwägung sämtlicher Umstände entschieden werden.
Der Senat schließt sich damit der Rechtsprechung des 12. Senats an und führt diese fort. In dem - bereits vom LSG zitierten - Urteil vom 23. Juni 1994 (NJW 1994, 2974 = USK 9448) ging es um die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Minderheitsgesellschafterin, die nicht zur Geschäftsführerin oder zur stellvertretenden Geschäftsführerin der GmbH bestellt war. Der 12. Senat hat ausgeführt, daß sie als Gesellschafterin der GmbH nicht die Rechtsmacht hatte, ihre Weisungsgebundenheit als Angestellte der GmbH aufzuheben oder abzuschwächen. Denn die Dienstaufsicht über die Angestellten war - mangels anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag - Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung. Allerdings kann - laut der Entscheidung des 12. Senats - eine rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, daß eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet. Letzteres entscheidet sich anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Form der von der Gesellschafterin für die GmbH geleisteten Tätigkeit. Dabei kann als weiterer Umstand auch der Umfang der tatsächlichen Einflußnahme der Gesellschafterin bzw des Gesellschafters auf die GmbH von Bedeutung sein, wobei auch an eine mittelbare Beeinflussung durch Verhinderung entsprechender Beschlüsse - beispielsweise der Entlastung des Geschäftsführers (§ 46 Nr 5 GmbH-Gesetz) - zu denken ist.
War sonach die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Sperrminorität nicht ausgeschlossen, bleibt entscheidend, ob der Kläger nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrags hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei war. Dies ist vom LSG rechtsfehlerfrei verneint worden.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb der Gesellschaft eingegliedert und besaß insbesondere keine Dispositionsmöglichkeiten, was Umfang und Zeit seiner Arbeitsleistung betrifft. Seiner Tätigkeit als Speditionskaufmann lag zwar kein schriftlicher Anstellungsvertrag zugrunde, doch dies ist kein Wirksamkeitserfordernis für arbeitsrechtliche Beziehungen und kann insbesondere auch nicht als Indiz für eine bloße freie Mitarbeit in der GmbH gewertet werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entsprachen die Modalitäten der Tätigkeit des Klägers den üblichen Bedingungen eines Anstellungsvertrags, und zwar sowohl hinsichtlich eines regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelts (zuletzt 5.500,00 DM), der Kündigungsfrist, der Urlaubsregelung sowie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Daß seine Arbeitszeit (wöchentlich 55 Stunden) länger war als die der übrigen Mitarbeiter (wöchentlich 45 Stunden), läßt ebenfalls nicht auf eine selbständige Tätigkeit schließen, sondern allenfalls auf eine stärkere Bindung an den Betrieb. Eine Gewinnausschüttung an den Kläger fand zu keinem Zeitpunkt statt. Tatsächlich war der Aufgabenkreis des Klägers auf die Kundenbetreuung und Fahrzeugdisposition beschränkt, während sein Vater für sämtliche Geschäftsführeraufgaben Sorge trug und die Geschicke der Gesellschaft bestimmte. Da im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart war, unterlag der Kläger nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich den Weisungen der Geschäftsführung. Der Auffassung der Beklagten, der Kläger habe sich nur "als gefügiger Sohn" den Weisungen des Vaters unterworfen, kann somit nicht beigepflichtet werden. Denn er hatte - im Unterschied zum Gesellschafter, der zugleich Geschäftsführer einer GmbH ist - rechtlich gar keine andere Möglichkeit. Auch für eine indirekte Einflußnahme des Klägers auf die Geschäftsführung bzw die GmbH liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Nach den vom LSG in Bezug genommenen Feststellungen des SG hat der Kläger von der Möglichkeit, Gesellschafterbeschlüsse aufgrund seiner Sperrminorität zu verhindern, tatsächlich keinen Gebrauch gemacht. Von daher scheidet auch die - vom 12. Senat in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1994 (NJW 1994, 2974 = USK 9448) angesprochene - Möglichkeit einer mittelbaren Beeinflussung bei ihm aus.
Wie die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt haben, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Klägers nicht entgegen, daß sein Vater alleiniger Mitgesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war. Dies würde voraussetzen, daß der Kläger mit Rücksicht auf die familiären Beziehungen bei seiner Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei gewesen wäre (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11 mwN). Dies war jedoch bei dem Kläger nicht der Fall. Vielmehr bestand nach den Feststellungen des LSG für ihn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung auch nach der 1986 erfolgten Kapitalerhöhung unverändert fort (vgl BSGE 66, 168, 172 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1).
Soweit die Beklagte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des LSG geäußert hat, fehlt es an einer wirksamen Verfahrensrüge. Für eine zulässige Verfahrensrüge hätte dargelegt werden müssen, daß und weshalb die beanstandeten Tatsachenfeststellungen unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorschriften (§§ 103, 106 SGG) vom LSG getroffen worden sind (vgl BSGE 46, 244, 249 = SozR 4100 § 168 Nr 7; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 163 RdNr 3; § 164 RdNrn 12 ff). Der bloße Hinweis der Beklagten auf (angebliche) Widersprüche in den Angaben des Klägers und seines Vaters genügt für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nicht. Die Feststellungen des LSG sind daher für den Senat bindend (§ 163 SGG).
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen ist somit der Rechtsansicht der Vorinstanz zuzustimmen, wonach der Kläger schon in der nicht verlängerten Rahmenfrist mindestens 720 Tage in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stand. Es steht ihm deshalb ein Anspruch auf Alg für die Dauer von 312 Tagen zu. Da das Alg gemäß § 114 AFG für die sechs Wochentage gewährt wird, endet sein Anspruch auf Alg beginnend am 1. Januar 1994 am 30. Dezember 1994.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 714255 |
DStR 1998, 1648 |
HFR 1999, 491 |
GmbHR 1998, 1127 |