Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Ab 1. 1. 1989 sind die die Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Ersatzkassenbereich betreffenden Rechtsstreitigkeiten Angelegenheiten des Kassenarztrechts (§ 12 III 1 SGG) auch dann, wenn die Prüfungsinstanzen ihre Entscheidung vor diesem Zeitpunkt getroffen haben.
Normenkette
SGG § 12
Gründe
I. Streitig ist die Kürzung des Ersatzkassenhonorars des Klägers für das 2. Quartal 1986.
Durch Bescheid vom 25. Februar 1987 kürzte die Prüfungskommission der Beklagten aufgrund des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1) (Verband der Angestellten-Krankenkassen - Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) -) die Honorarforderungen des Klägers für Sonderleistungen um 10 % = 1.288,90 DM. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde durch die Beschwerdekommission zurückgewiesen, aufgrund des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1) wurden die Kürzungen für Sonderleistungen auf 21,97 % 2.831,67 DM erhöht (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1988). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz (SG) in der Besetzung mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern abgewiesen (Urteil vom 8. März 1989). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) durch Urteil vom 13. Juli 1989 das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, das SG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, diesen Verfahrensmangel habe der Kläger gerügt. Ab 1. Januar 1989 seien nach § 106 Abs. 7 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) für die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Ersatzkassenbereich mit Vertretern dieser Kassen und der Ärzte paritätisch besetzte Ausschüsse zu bilden. Dies bedeute, daß die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Vertragsärzten nunmehr eine Angelegenheit des Kassenarztrechts i.S. von § 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei, so daß ein Vertreter der Krankenkassen als ehrenamtlicher Richter mitzuwirken habe. Entscheidend für die richtige Besetzung des SG könne nicht sein, daß die angefochtenen Bescheide noch von ausschließlich mit Ärzten besetzten Gremien erlassen worden seien und diese Besetzung der damaligen Rechtslage entsprochen habe. Maßgebend sei das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Verfahrensrecht, hier das SGB V.
Gegen diese Rechtsauffassung wenden sich die Beklagte und der Beigeladene zu 1) mit ihrer vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Revision.
Die Beklagte trägt vor, maßgebend für die Zusammensetzung des Gerichtes sei das Recht, das im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (hier des Widerspruchsbescheides) gegolten habe. Im übrigen sei zumindest fraglich, ob der Kläger die erstinstanzliche Gerichtsbesetzung ordnungsgemäß gerügt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1989 - L 5 Ka 14/89 - aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zurückzuverweisen.
Der Beigeladene zu 1) trägt vor, die Besetzung der Gerichte richte sich nach der Besetzung der Gremien, die den Verwaltungsakt erlassen hätten. Seinerzeit seien die Prüfgremien zu Recht nicht paritätisch besetzt gewesen. Hiernach handele es sich um eine Angelegenheit der Kassenärzte, so daß das SG ordnungsgemäß besetzt war. Im übrigen sei die Beiladung des Beschwerdeausschusses unrichtig.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1989 - L 5 Ka 14/89 - aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 8. März 1989 als unzulässig zu verwerfen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten und Berufungsbeklagten sowie die Revision des Beigeladenen zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, er habe im Berufungsverfahren die unrichtige Besetzung des SG ordnungsgemäß gerügt.
Der Beigeladene zu 2) stellt keine Anträge.
II.
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) sind unbegründet.
Mit Recht geht das Landessozialgericht (LSG) davon aus, daß das SG insofern unrichtig besetzt war, als zwei Kassenärzte bei der Entscheidung mitgewirkt haben. Diesen Verfahrensmangel hat der Kläger im Berufungsverfahren ordnungsgemäß gerügt. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
Ist infolge der Neuregelung des § 106 Abs 7 SGB V zweifelhaft, ob Wirtschaftlichkeitsprüfungen Angelegenheiten der Kassenärzte oder des Kassenarztrechts iS des § 12 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind, so ist hierüber in der Besetzung mit einem Kassenarzt und einem Vertreter der Krankenkassen als Regelbesetzung zu entscheiden (vgl Urteil des Senates vom selben Tage - BSGE 67, 41).
In § 106 Abs 7 SGB V hat der Gesetzgeber für die Prüfgremien der vertragsärztlichen Versorgung die gleiche Besetzung wie für die Primärkassen (RVO-Kassen) vorgesehen und damit das Prüfwesen allgemein den Angelegenheiten des Kassenarztrechts zugewiesen. Eine Übergangsregelung für die vor dem 31. Dezember 1988 liegenden Quartale wurde nicht geschaffen. Dies deutet darauf hin, daß sämtliche Prüfungen in neuer Besetzung durchzuführen sind. Andererseits müssen diese neuen Prüfgremien erst gebildet werden (§ 106 Abs 3 SGB V). Hier ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht eindeutig eine Verpflichtung zur Erstreckung des neuen Prüfverfahrens auf "alte" Quartale. Hieraus folgt, daß die richtige Besetzung des Prüfgremiums für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Prüfbescheides vorgreiflich geprüft und entschieden werden muß. Dabei stellt sich die Frage der Gerichtsbesetzung (Angelegenheit der Kassenärzte oder des Kassenarztrechts), die erst dann abschließend beantwortet werden kann, wenn die Entscheidung über die richtige Besetzung der Prüfgremien getroffen ist. Bis dahin ist eine eindeutige Zuweisung zu den Angelegenheiten der Kassenärzte oder des Kassenarztrechts nicht möglich. Ist aber ein Rechtsstreit nicht als Angelegenheit der Kassenärzte bestimmt, dann gehört er stets zu den Angelegenheiten des Kassenarztrechts (Urteil des Senats vom 20. Juli 1988 - SozR 1500 § 12 Nr 6).
Dies gilt auch, wenn ein Prüfgremium vor dem Inkrafttreten des SGB V nach altem Recht in ordnungsgemäßer Besetzung entschieden hat. Die Kompetenz eines Prüfungsgremiums endet nicht schon mit der Erteilung eines Bescheides, sondern wirkt fort bis zur Beendigung des sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens. Im Verlaufe dieses Verfahrens können sich Situationen ergeben, in denen gegenüber dem Gericht Stellungnahmen abzugeben sind, angefochtene Bescheide geändert werden, die nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens werden oder nach § 171 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als mit der Klage angefochten gelten. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, daß das Gericht den Bescheid eines Prüfgremiums ganz oder teilweise aufhebt und sich hieraus die Notwendigkeit ergibt, daß ein Prüfverfahren ganz oder teilweise wiederholt werden muß. Hier stellt sich die Frage nach der Besetzung des Prüfgremiums infolge des Inkrafttretens des SGB V. Diese Frage kann nach mehreren Richtungen hin beantwortet werden. Zum einen kann man an der Zusammensetzung der Prüfgremien für das hier streitige Quartal auch unter dem Geltungsbereich des SGB V festhalten, zum anderen kann man die paritätische Besetzung nach § 106 Abs 7 SGB V vom 1. Januar 1989 an zwingend fordern. Schließlich kann man es auch der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und der Krankenkassen überlassen, die Zusammensetzung der Prüfgremien für Quartale vor dem 1. Januar 1989 in einer Prüfvereinbarung zu regeln. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt die Zusammensetzung des Gerichts ab. Darüber hinaus stellt sich bei einer paritätischen Besetzung der Prüfgremien im Ersatzkassenbereich noch die Frage, ob sie wie die RVO-Beschwerdeausschüsse zu verklagen sind. Diese Frage könnte bejaht werden, wenn im vorliegenden Fall der beigeladene Beschwerdeausschuß aufgrund einer Prüfvereinbarung die noch nicht beendeten Verfahren der früheren Beschwerdekommission übernommen hätte. Dann könnte er wie der frühere RVO-Beschwerdeausschuß und jetzt der Ausschuß nach § 106 Abs 4 SGB V die Rolle des Beklagten zu übernehmen haben, die Klage müßte dann gegen ihn gerichtet werden. Unter diesem Gesichtspunkt konnte das Landessozialgericht (LSG) den Beschwerdeausschuß beiladen.
Fundstellen