Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte - Befreiung - Versicherungspflicht - Ehegatte eines Landwirts - befreiende Lebensversicherung - Fortbestehen der Lebensversicherung - Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages - Auflösung - Einstellung der Beitragszahlung - nachwirkende Kontrolle - dauernde Befreiung - eigenständige soziale Sicherung - Eigenverantwortung - Schutzzweck - private Altersvorsorge - soziale Härte
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen einer privaten Lebensversicherung entfällt nicht bereits dann, wenn die befreiende Lebensversicherung nicht weiter aufrechterhalten wurde. Die Landwirtschaftliche Alterskasse ist nicht verpflichtet, die Fortführung der befreienden Lebensversicherung zu überwachen.
Normenkette
ALG § 1 Abs. 3; SGB VI § 231 Abs. 5; ALG § 85 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Beteiligte
Landwirtschaftliche Alterskasse Schwaben |
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten aller drei Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Versicherungspflicht der Klägerin in der Zeit vom 1. April 1997 bis 31. März 1998.
Die am 30. Juli 1966 geborene Klägerin ist die Ehefrau eines Landwirts. Ihre Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ab dem 1. Januar 1995 war durch Befreiung unterbrochen vom 1. Januar 1995 bis 31. März 1997 sowie ab dem 1. April 1998 wegen Kindererziehung (§ 3 Abs 1 Nr 2 ALG). Dem am 3. November 1995 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. Januar 1995 wegen Abschlusses eines Rentenversicherungsvertrags mit der V. Lebensversicherung AG, D., gab die Beklagte mit Bescheid vom 1. März 1996 gemäß § 85 Abs 3 ALG statt. Im Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass die Befreiung nur so lange wirke, wie die private Versicherung unverändert fortbestehe. Anderenfalls lebe die Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) wieder auf. Dies gelte auch, falls Beiträge zur Lebensversicherung nicht mehr entrichtet würden. Eine Erhöhung der Lebensversicherungsbeiträge habe jeweils zum gleichen Zeitpunkt und in mindestens der gleichen Höhe wie zur LAK zu erfolgen. Weiter wurde die Klägerin auch auf Mitwirkungspflichten hingewiesen. Zum 1. April 1997 wurde der Lebensversicherungsvertrag wegen Einstellung der Beitragszahlung (zuletzt monatlich 328,- DM) aufgelöst und der Rückvergütungswert ausgezahlt. Nachdem dies der Beklagten im November 1998 bekannt geworden war und sie die Klägerin angehört hatte, hob sie mit Bescheid vom 20. April 1999 die Befreiung ab dem 1. April 1997 bis zum 31. März 1998 auf und forderte auf diesen Zeitraum entfallende Beiträge in Höhe von 3.957,- DM.
Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1999), Klage (Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 2000) und Berufung der Klägerin (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 22. November 2000) blieben erfolglos. Das LSG führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus: Die Aufhebung des Befreiungsbescheides beruhe auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Klägerin habe es zumindest grob fahrlässig unterlassen, der Beklagten die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages zum 31. März 1997 und die Einstellung der Beitragszahlung mitzuteilen. Im streitigen Zeitraum lägen – nach der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages – die Voraussetzungen für die Befreiung nicht mehr vor.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die Befreiung von der Versicherungspflicht setze nicht das unveränderte Fortbestehen der privaten Lebensversicherung voraus. § 85 Abs 3 Satz 1 ALG formuliere „wenn” und nicht „so lange”. Hierin unterscheide sich die Vorschrift insbesondere von § 3 Abs 1 ALG, wonach die Befreiung nur bestehe, so lange ihre Voraussetzungen vorlägen. § 85 Abs 3 ALG regele eine endgültige Befreiung. Die teleologische Auslegung durch das LSG finde im Gesetzeswortlaut dagegen keine Stütze. Auch die Träger der allgemeinen Rentenversicherung sähen von einer laufenden Überprüfung des Fortbestandes der privaten Lebensversicherungsverträge (§ 231 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫) ab.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2000 und des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht sich die Entscheidungsgründe des LSG zu Eigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind aufzuheben. Die Auflösung der befreienden Lebensversicherung berechtigt die Beklagte nicht, die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X wieder aufzuheben und Beiträge gemäß § 70 ALG zu erheben.
A. Der Prozessantrag der Klägerin ist in dem Sinne auszulegen, dass sie lediglich die Aufhebung der Bescheide der Beklagten begehrt. Des von ihr mit der Klage auch verfolgten Antrags auf Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung von der Versicherungspflicht über den 31. März 1997 hinaus bedurfte es nicht, weil schon die Anfechtung des Aufhebungsbescheides vom 20. April 1999 das Ziel erreicht. Mit der Aufhebung dieses Bescheides ist der ursprüngliche Rechtszustand, nämlich die endgültige Befreiung von der Versicherungspflicht als Landwirtsehegatte gemäß § 1 Abs 3 ALG (durch den Bescheid vom 1. März 1996), wieder hergestellt. Für eine zusätzliche Verpflichtungsklage würde kein Rechtsschutzinteresse bestehen (vgl für die Leistungsklage neben einer Anfechtungsklage BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19; 59, 157, 159 = SozR 1300 § 45 Nr 19 und 227, 228 f = SozR 4100 § 134 Nr 29).
B. Die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht erfolgte endgültig (vgl dazu bereits das Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 – B 10 LW 9/97 R –, S 2 des Abdrucks) und bestand in der streitigen Zeit unbeschadet der späteren Auflösung des Lebensversicherungsvertrages fort.
1. Die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin durch Bescheid vom 1. März 1996 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 beruhte auf § 85 Abs 3 ALG. Die Klägerin erfüllte alle in dieser Vorschrift genannten Befreiungsvoraussetzungen, insbesondere hatte sie auch einen Versicherungsvertrag (§ 85 Abs 3 Satz 1 Nr 3 ALG) abgeschlossen.
Mit der Auflösung dieses Vertrages zum 1. April 1997 sind indessen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten – nicht (nachträglich) weggefallen.
2. Der Wortlaut des § 85 Abs 3 Satz 1 ALG („wenn sie …”) ist in dem Sinne zu verstehen, dass die im Gesetz genannten Bedingungen bis zum 31. März 1996 erfüllt sein mussten. Eine erweiternde Auslegung dahin, dass die Befreiung nur „solange” besteht, als deren Voraussetzungen auch fortbestehen, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Der Wortlaut allein gibt insoweit keine befriedigende Auskunft. Das Wort „wenn” bezieht sich auf unterschiedliche Tatbestände und lässt sich hinsichtlich seines zeitlichen Geltungsrahmens auch unterschiedlich verstehen. Hinsichtlich der Nr 1 und 2 des § 85 Abs 3 ALG könnte an Stelle von „wenn” auch die Angabe „falls” treten. Nur bei Nr 3 ließe sich die Angabe „wenn” sowohl durch die Angabe „falls” als auch durch die Angabe „so lange” ersetzen. Damit käme man zu zwei unterschiedlichen Deutungen – iS der Stichtagsregelung oder der dauerhaften Bedingung.
3. Die Gesetzesgeschichte bietet keinen genügenden Anhalt für die von der Beklagten und den Vorinstanzen angenommene Überprüfungs- und Aufhebungsbefugnis der LAK.
Die vorliegende Regelung war im Gesetzentwurf vom 13. August 1993 (ASRG 1995, BR-Drucks 508/93) bzw der Regierungskoalition vom 21. September 1993 (BT-Drucks 12/5700) in dieser Form noch nicht enthalten. Dort ermöglichte § 89 Abs 5 des Entwurfs für landwirtschaftliche Ehegatten, die am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren und mit einem bislang versicherungspflichtigen Landwirt verheiratet sind, sich auf Antrag bis zum 31. Dezember 1995 – ohne weitere Voraussetzungen – von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die Fassung für die geltende Befreiungsregelung wurde im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung eingebracht (vgl BT-Drucks 12/7589 S 66, 12/7599 S 13). Auf Drängen der SPD-Fraktion hat der Ausschuss empfohlen, die vorgesehene befristete generelle Befreiungsmöglichkeit der Landwirtsehegatten („Bäuerinnen”), die zu einer Risikoselektion und Gefährdung der finanziellen Stabilität des Sicherungssystems führe, einzuschränken (BT-Drucks 12/7599 S 5). Dem ist der Bundestag gefolgt und hat eine Regelung verabschiedet, nach der die Befreiung – ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung – nur bis zum 31. März 1996 beantragt werden konnte. Da die Vorschrift übergangsrechtlichen Charakter hat, drängt es sich jedenfalls nicht auf, den Fortbestand des Befreiungsgrundes zu prüfen. Der erkennende Senat hatte bereits grundsätzlich auf den abschließenden Charakter des „Bündels von vorübergehenden und dauernden Befreiungsmöglichkeiten” hingewiesen und verdeutlicht, dass insbesondere kein Anlass besteht, die bestehenden Übergangsregelungen (dort des ASRG-ÄndG) noch zu erweitern (Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 13 f mwN; bestätigt durch Urteil vom 19. Oktober 2000, SozR 3-5868 § 85 Nr 3; siehe bereits das Urteil vom 19. Dezember 1995, SozR 3-5868 § 85 Nr 1, „Kapitallebensversicherung”, dort insbesondere S 3 f zur wortgetreuen Gesetzesauslegung). Er bekräftigt diese Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall im Sinne der Bindung an den Wortlaut des Gesetzes (vgl zu den rechtsmethodischen Grenzen der Auslegung auch die Senatsurteile vom 17. August 2000 – B 10 LW 12/99 R ua -, BSGE 87, 66 = SozR 3-5868 § 92 Nr 1 mwN).
Die angesprochene „Gefährdung der finanziellen Stabilität des Sicherungssystems” zwingt nicht zu der von der Beklagten vertretenen Ansicht. Zwar mag auch eine fortwährende Überprüfung privater Lebensversicherungsverhältnisse zur Folge haben, dass Fälle der vorliegenden Art wieder in die Alterssicherung der Landwirte zurückgeführt werden können. Es darf indessen nicht übersehen werden, dass eine Aufrechterhaltung der Kontrolle, die einer Beendigung des Lebensversicherungsverhältnisses entgegen wirken würde, der privaten Lebensversicherung, nicht aber der LAK zugute kommt. Zudem ist der mit einer permanenten Kontrolle notwendig verbundene Verwaltungsaufwand nicht als unerheblich einzuschätzen. Dies spricht dafür, die Aufrechterhaltung einer solchen Verwaltungskontrolle durch die LAK über die Kontinuität privater Lebensversicherungsverträge im Hinblick auf das Ziel finanzieller Stabilität der Alterssicherung der Landwirte jedenfalls als neutral zu bewerten. Damit erledigt sich das fiskalische Argument; mit der Auflösung der Lebensversicherung schädigt sich der befreite Landwirt („Bäuerin”) nur selbst. Die Fortführung des privaten Lebensversicherungsvertrages an sich bringt der Alterssicherung der Landwirte keine finanzielle Zukunftssicherung. Im Übrigen bietet der vorliegende Sachverhalt keinerlei Hinweise darauf, einer Aufhebung der Befreiung wegen einer womöglich missbräuchlichen Beendigung des Lebensversicherungsverhältnisses der Klägerin nachzugehen (vgl zur öffentlichrechtlichen Inanspruchnahme aus dem allgemeinen Gesichtspunkt von Treu und Glauben ≪§ 242 BGB≫ nur BSG vom 29. Oktober 1997, SozR 3-7610 § 823 Nr 5 S 11 f mwN).
4. Soweit Beklagte und Vorinstanzen auf die Verwirklichung des gesetzlichen Ziels einer eigenständigen sozialen Sicherung der Landwirtsehegatten verweisen, ist ihnen im Grundsatz zuzustimmen. Dies zwingt indessen nicht dazu, die dauerhafte Aufrechterhaltung eines sozialen Schutzes außerhalb der Alterssicherung der Landwirte kontinuierlich zu überprüfen. Die Versicherungsbefreiung knüpft hier an einen privatrechtlichen Lebensversicherungsvertrag mit einem (öffentlichen oder) privaten Versicherungsunternehmen und überlässt die Alterssicherung damit den Chancen und Risiken privatautonomer Rechtsgestaltung (vgl BSG vom 19. Dezember 1995, SozR 3-5868 § 85 Nr 1 S 1, 5, zum Rechtsgedanken der Zuerkennung der individuellen Eigenverantwortung und eines Spielraumes für die private Eigeninitiative entsprechend dem freiheitlichen Charakter des sozialen Rechtsstaats). Dies erlaubt es, in typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber der spätere Verlauf auch bei Eintritt von Risiken gleichgültig ist. Auch wäre eine Garantenstellung der LAK für die Aufrechterhaltung eines bestimmten Versorgungsniveaus mit der eingeräumten Eigenverantwortung nicht zu vereinbaren.
Dem Gedanken des Schutzzwecks kommt damit jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung in dem Sinne zu, der Gesetzgeber habe mit der Ausgestaltung der vorliegenden Befreiungsregelung (zugleich) Vorsorge dafür treffen wollen, dass der Versicherte bei Ausfall seiner Einnahmen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht auf staatliche Hilfe angewiesen ist (vgl aber in diesem Sinne BSG vom 10. August 2000, BSGE 87, 53, 61 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15, „Telefonsex”). Es ist gerade kennzeichnend für die Formen der privaten Altersvorsorge, dass soziale Härten nicht aufgefangen werden. Wer auf Grund seiner befreienden privaten Lebensversicherung den Schutz der gesetzlichen Alterssicherung aufgegeben hat, fällt weder in Zeiten der finanziellen Not noch wegen der Vernachlässigung seiner selbstverantworteten Altersvorsorge gleichsam „zurück” in den Schutzbereich des ALG (so auch das Thüringische LSG im Urteil vom 20. Januar 2000 – L 2 RA 551/99 – E-LSG SF-051, Kündigung der privaten Lebensversicherung aus wirtschaftlichen Gründen wegen schwerer Erkrankung). Ist einmal durch Versicherungsbefreiung der Schutz des ALG verloren, bleibt es dabei auch dann, wenn dies für den Betroffenen einen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten sollte. In diesem Sinne hat der auf Antrag Befreite eine Systementscheidung für seine eigene Risikoversorgung getroffen. Wenn aber schon der – wegen der subjektiven Unfähigkeit, die Beitragslasten der privaten Altersvorsorge aufzubringen – in Not Geratene nicht mehr vom Schutzzweck umfasst ist, gilt dies umso mehr für solche Fälle, in denen der private Lebensversicherungsvertrag willkürlich nicht fortgeführt wird.
5. Diese Lösung des Senats wird im Übrigen auch durch eine rechtsvergleichende Betrachtung bestätigt.
a) Hätte der Gesetzgeber tatsächlich eine kontinuierliche Nachprüfung der befreienden privaten Lebensversicherungsverhältnisse bewirken wollen, hätte er sich einer ähnlichen Lösung bedienen können, wie er sie in § 22 Abs 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) gefunden hat. Diese Vorschrift lautet:
Personen, die nach § 20 Abs 3 in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, können auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, die bei Versicherungspflicht nach § 25 versichert wären, Leistungen beanspruchen können, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels gleichwertig sind. Die befreiten Personen sind verpflichtet, den Versicherungsvertrag aufrechtzuerhalten, solange sie krankenversichert sind. Personen, die bei Pflegebedürftigkeit Beihilfeleistungen erhalten, sind zum Abschluss einer entsprechenden anteiligen Versicherung im Sinne des Satzes 1 verpflichtet.
Die Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1995 durch Art 1 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014) eingeführt worden; sie geht auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück (vgl BT-Drucks 12/5920, S 30; BT-Drucks 12/5952 S 37 f ≪dort jeweils noch § 20≫). Schon der zeitliche Ablauf der Gesetzgebungsverfahren erhellt, dass dem Gesetzgeber die Technik einer Regelung, wie sie der Beklagten und den Vorinstanzen vorgeschwebt haben mag, bei Erlass des ALG geläufig gewesen ist. Das spricht aber dagegen, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er hätte eine nachwirkende Kontrolle durch die LAK auch ohne eine ausdrückliche Ermächtigung eröffnen wollen.
b) In der gesetzlichen Rentenversicherung wird gemäß § 231 Abs 5 SGB VI auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn Personen „vor dem 10. Dezember 1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der so ausgestaltet ist oder bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht so ausgestaltet wird, dass
- Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden und
- für die Versicherung mindestens ebensoviel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären” (§ 231 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB VI).
Die Rentenversicherungsträger legen diese Bestimmung so aus, dass die kontinuierliche Fortführung der befreienden Lebensversicherung nicht überprüft wird (VDR-Verbandskommentar SGB VI § 231 Anm 7.7); zur Begründung gehen die Rentenversicherungsträger davon aus, dass die als befristete Übergangsregelung ausgestaltete Befreiung auf Grund einer Stichtagsprüfung erfolgt, sodass darüber hinaus für eine weitere Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen kein Raum bleibt. Auch die einschlägige Literatur geht überwiegend davon aus, dass spätere – nach den maßgeblichen Beurteilungsstichtagen eintretende – Veränderungen des Privatrechtsverhältnisses unbeachtlich sind (vgl Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB VI § 231 Rz 35 mwN); die abweichende Meinung von Gürtner (KassKomm-Gürtner SGB VI § 231 Rz 17) ist nicht weiter begründet (dies gilt auch für den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 8. Mai 2000, E-LSG B-185). Die Gesetzesfassung des § 231 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB VI unterscheidet sich im einschlägigen Teil nicht so wesentlich von § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 3 ALG, dass auf diese Unterschiede eine unterschiedliche Auslegung gestützt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 745126 |
SozR 3-5868 § 1, Nr. 5 |