Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. Januar 1986.
Er war von 1953 bis 1978 selbständiger Lebensmitteleinzelhändler und danach eineinhalb Jahre Geschäftsführer in einem Lebensmittelfilialbetrieb. Vom 1. August 1982 bis 31. Dezember 1985 war er Geschäftsführer der P. /W. SB-Markt GmbH (SB-GmbH). Gesellschafter dieser mit einem Stammkapital von 120.000,– DM ausgestatteten GmbH waren der Kläger, der inzwischen verstorbene Robert P. (P.) sowie die EDEKA-Handelsgesellschaft mbH Wuppertal (E-GmbH) mit Stammeinlagen von jeweils 40.000,– DM. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung waren einstimmig zu fassen. Als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer neben P. erhielt der Kläger nach dem Anstellungsvertrag – unbeschadet seiner Beteiligung an Gewinn und Verlust der GmbH – eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1.500,– DM netto zuzüglich anteiliger Sozialleistungen. Bei Verhinderung an der Dienstausübung ohne eigenes Verschulden sollte das Gehalt für drei Monate fortgezahlt werden. Mit Ablauf des 31. Dezember 1985 schied der Kläger als Gesellschafter und Geschäftsführer aus der SB-GmbH aus. Zum 1. Januar 1986 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit dem Hinweis ab, der Kläger habe innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden (Bescheid vom 23. Januar 1986; Widerspruchsbescheid vom 21. März 1986). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. Mai 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 14. Dezember 1989).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1985 (§ 104 Abs 2 und 3 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-) nicht in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (§ 168 AFG) gestanden. Seine Kapitalbeteiligung habe ausgereicht, um ihm einen maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der SB-GmbH zu sichern. Gemäß § 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages habe die Gesellschafterversammlung die Beschlüsse einstimmig fassen müssen. Mithin habe die Kapitalbeteiligung des Klägers von einem Drittel des Stammkapitals die Möglichkeit einer abhängigen Beschäftigung bei der SB-GmbH schlechthin ausgeschlossen. Lasse sich aber eine abhängige Beschäftigung des Klägers aufgrund seiner Sperrminorität von vornherein verneinen, komme es für die Beurteilung des Falles nicht mehr auf die tatsächlichen Verhältnisse in der SB-GmbH und insbesondere in deren Geschäftsführung an.
Das Vorbringen des Klägers, er habe eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden einhalten müssen, Ansprüche auf Gehalt sowie dreimonatige Gehaltsfortzahlung gehabt und seine Kapitalbeteiligung habe aufgrund der tatsächlichen Beherrschung durch die E-GmbH keine Bedeutung gehabt, da diese als praktisch einziger Lieferant und als Mieter des Ladenlokals wegen ihrer starken wirtschaftlichen Position alles fest in der Hand gehabt und die Einhaltung ihrer Weisungen streng überwacht habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Entscheidend sei im Fall der hier gegebenen Kapitalbeteiligung (Sperrminorität) unabhängig vom Gesamtbild der Tätigkeit allein, daß der Kläger alle ihm nicht genehmen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung habe verhindern und damit maßgebenden Einfluß habe nehmen können, so daß die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis kennzeichnende persönliche Abhängigkeit bereits aus diesem Grunde fehle. Schließlich rechtfertige auch die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht die Annahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 168 AFG. Zur Begründung macht er geltend, bei der Frage, ob er als Geschäftsführer eine abhängige Tätigkeit ausgeübt habe, dürfe nicht allein darauf abgestellt werden, daß die Gesellschafterversammlung die Beschlüsse habe einstimmig fassen müssen (§ 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages). Entscheidend seien vielmehr die tatsächlichen Umstände und damit die Einflußmöglichkeiten der E-GmbH. Diese habe eine solche Machtstellung innegehabt, daß sie sämliche Vorstellungen habe durchsetzen können. So habe sie der SB-GmbH 80 vH aller Waren geliefert. Sie habe der SB-GmbH einen hohen Waren- und Wechselkredit gewährt sowie die (offiziell unverbindlichen) Verkaufspreise bestimmt. Betriebs- und Verkaufsberater der E-GmbH hätten einmal wöchentlich die SB-GmbH überprüft und strikt zu befolgende Ratschläge hinsichtlich Personaleinteilung und Warenpräsentation erteilt. Die Bilanz der SB-GmbH sei einmal jährlich von einer Tochtergesellschaft der … E-GmbH, der Firma U., kontrolliert worden; die SB-GmbH hätte entsprechende Auflagen und Weisungen durchführen müssen. Die Einladung zu den Gesellschaftsversammlungen sei nicht etwa durch die Geschäftsführer, sondern durch die … E-GmbH ergangen. Die Gesellschaftsversammlungen hätten bei der E-GmbH stattgefunden, die regelmäßig durch drei leitende Mitarbeiter vertreten gewesen sei. Die E-GmbH habe den Inhalt sämtlicher Beschlüsse bestimmt; die Gesellschafter der SB-GmbH hätten aufgrund der wirtschaftlichen Übermacht der E-GmbH keine Möglichkeit gehabt, eigene Entscheidungen zu treffen oder durchzusetzen. Die vom SG vernommene Zeugin B. habe bestätigt, daß die E-GmbH sogar ihre Vorstellungen hinsichtlich der Ausgestaltung einer Obst- und Gemüsetheke verwirklicht habe. Der Kläger selbst habe von dem ihm gemäß § 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages zustehenden Recht zu keinem Zeitpunkt Gebrauch gemacht, weil er sonst erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen seitens der E-GmbH zu befürchten gehabt hätte.
Die Auffassung des LSG, daß im Fall einer maßgeblichen Kapitalbeteiligung bzw Sperrminorität eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers persönliche Abhängigkeit von vornherein ausscheide, widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Danach sei die Ausgestaltung der tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer könne deshalb von einem maßgeblichen Einfluß nur dann die Rede sein, wenn er sowohl rechtlich als auch tatsächlich die Möglichkeit habe, von seiner Sperrminorität Gebrauch zu machen. Sei das aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nicht der Fall, fehle es an einer beherrschenden Stellung im Unternehmen und damit an einem selbständigen Status. So sei es beim Kläger gewesen. Er habe aufgrund der übermächtigen wirtschaftlichen Stellung der E-GmbH seine Tätigkeit nicht entsprechend den Belangen der SB-GmbH bestimmen können. Zeit, Dauer und Umfang seiner Tätigkeit hätten sich weitgehend nach den Vorgaben der E-GmbH gerichtet.
Gegen die Auffassung des LSG spreche ferner, daß bei einem GmbH-Geschäftsführer, der nicht über eine Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft verfüge, allein aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse Selbständigkeit iS von § 168 AFG gegeben sein könne (BSGE 13, 196, 201). Wenn dort, wo keine Kapitalbeteiligung vorliege, auf die tatsächlichen Umstände abzuheben sei, könne im Fall einer vertraglich eingeräumten Sperrminorität nichts anderes gelten. Daß es bei der Abgrenzung, ob abhängige oder unabhängige Tätigkeit anzunehmen sei, auf die tatsächlichen und damit auch auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankomme, lasse sich weiteren Entscheidungen des BSG entnehmen (BSGE 38, 53 ff; 42, 1 ff). Demgemäß hätten die wirtschaftlichen Zwänge, die die E-GmbH auf die SB-GmbH unzweifelhaft ausgeübt habe, bei der Entscheidung des LSG Berücksichtigung finden müssen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1986 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 1. Januar 1986 zu gewähren;
hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, Umstände, die die Regelung des § 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages faktisch hätten außer Kraft setzen können – etwa eine tatsächliche Ausübung der Gesellschafterbefugnisse durch einen Mitgesellschafter allein –, seien vom LSG nicht festgestellt worden. Die vom Kläger behauptete wirtschaftliche Übermacht der E-GmbH habe die Möglichkeit seiner Einflußnahme auf die Geschicke der SB-GmbH nicht in Frage gestellt, zumal die bezeichnete Vertragsklausel wohl gerade den Sinn gehabt habe, den wirtschaftlich schwächeren Gesellschaftern eine stärkere Rechtsposition zu verschaffen.
Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie schließt sich der Revisionserwiderung der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie betont, im Fall einer Sperrminorität, die es dem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ermögliche, jede ihm nicht genehme Weisung seines sog Dienstherrn zu verhindern, entfalle persönliche Abhängigkeit und damit eine versicherungspflichtige Beschäftigung von vornherein (BSGE 38, 53 = SozR 4600 § 56 Nr 1). Das Vorbringen des Klägers hiergegen sei unerheblich. Im übrigen überzeugten seine Ausführungen nicht. Es lasse sich nicht erkennen, wie rechtliche Abgrenzungskriterien im Einzelfall für die Frage entwickelt werden könnten, wann die vorhandene Sperrminorität durch – nicht näher definierte – wirtschaftliche Zwänge des Gesellschafters bedeutungslos gemacht werden könne.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Alg bereits deshalb nicht zu, weil er die hierfür gemäß § 100 Abs 1 AFG erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat.
Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (§ 104 Abs 3 Halbs 1 AFG) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs 2 AFG). Die Anwartschaftszeit für den ab 1. Januar 1986 geltend gemachten Anspruch auf Alg hätte der Kläger daher nur erfüllt, wenn er in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1985 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hätte. Das ist, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, vorliegend nicht der Fall.
Daß für den Kläger Beiträge zur Beklagten an die Einzugsstelle entrichtet worden sind, ist, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, für den Anspruch auf Alg unerheblich. Nach den §§ 100, 104 AFG hängt der Anspruch auf Alg allein von einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der Anwartschaftszeit ab, nicht dagegen von der Entrichtung von Beiträgen. Eine Formalversicherung, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung für den Fall vorgesehen war, daß die Krankenkasse für eine Person nach vorschriftsmäßiger und nicht vorsätzlich unrichtiger Anmeldung drei Monate ununterbrochen und unbeanstandet Beiträge entgegengenommen hat, obwohl die Person weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt gewesen ist (§§ 213, 315 Reichsversicherungsordnung -RVO- in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung), kennt das AFG nicht (BSG vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 14/86 –, vom 11. Januar 1989 – 7 RAr 8/87 – und vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 –). Das BSG hat daher zum AFG (wie schon früher zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG-) in Übereinstimmung mit dem Schrifttum stets die Ansicht vertreten, daß weder die fehlerhafte Entrichtung von Beiträgen noch die widerspruchslose Entgegennahme der Beiträge durch die Einzugsstelle den Anspruch auf die Versicherungsleistungen aus der Arbeitslosenversicherung begründet; maßgeblich ist allein das Vorliegen der anwartschaftsbegründenden beitrags- bzw versicherungspflichtigen Beschäftigung als solcher (BSG vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 14/86 – und – 7 RAr 25/86 – sowie vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 –).
Die somit vom Kläger zu Unrecht entrichteten Beiträge sind für ihn nicht verloren. Die Vorschrift des § 185a AFG trägt einer fehlerhaften Beitragsentrichtung durch eine von Amts wegen vorzunehmende Beitragserstattung Rechnung.
Ersetzt die Beitragsentrichtung die fehlende beitragspflichtige abhängige Beschäftigung nicht, kann auch ein Vertrauen des Betroffenen, aufgrund der Beitragsentrichtung bzw der widerspruchslosen Entgegennahme der Beiträge durch die Einzugsstelle für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert zu sein, nicht geschützt sein. Es ist daher unerheblich, ob der Kläger darauf vertraut hat, aufgrund der von ihm entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Fall der Arbeitslosigkeit Anspruch auf Alg zu haben.
Ob die Entscheidungen der Einzugsstelle über die Beitragspflicht und Beitragshöhe (§ 182 Abs 1 in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung; vgl für die Zeit danach § 28h Abs 2 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – ≪SGB IV≫) die Beklagte im Leistungsverfahren binden können, ist von der Rechtsprechung des BSG bislang offengelassen worden (BSG SozR 4100 § 168 Nr 10; BSG vom 29. Oktober 1986 – 7 RAr 43/85 –, vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 14/86 – und vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 –). Die Frage kann auch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben; denn eine Bindung der Beklagten an die Entscheidung der Einzugsstelle gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könnte nur dann eintreten, wenn die Einzugsstelle die Beitragspflicht des Klägers durch Verwaltungsakt festgestellt hätte und dieser der Beklagten eröffnet worden wäre (BSGE 25, 34, 35 = SozR Nr 52 zu § 77 SGG; BSGE 39, 223, 225 = SozR 2200 § 172 Nr 2; BSG vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 14/86 – und vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 –; vgl auch etwa Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Januar 1990, § 104 Rz 8). Dafür, daß der Beklagten ein entsprechender Bescheid seitens der Beigeladenen zu 1) bekanntgegeben worden ist (§§ 37 Abs 1, 39 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫), sind keine Anhaltspunkte gegeben. Auch der Kläger behauptet dies nicht. Demgemäß kann er, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg vorliegen, nur dann einen Anspruch auf diese Leistung haben, wenn die von ihm in der Rahmenfrist ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer der SB-GmbH beitragspflichtig iS des § 168 AFG gewesen ist. Das trifft nicht zu.
Nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Diese Legaldefinition wird ua durch § 173a AFG ergänzt, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des SGB IV über die Beschäftigung (§ 7) verweist und die entsprechende Anwendung anordnet. Nach der genannten Vorschrift fällt unter den Begriff „Beschäftigung” die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht – vor allem bei Diensten höherer Art – erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (BSGE 13, 196, 201; 38, 53, 57; BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4, 8 und 19). In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen.
Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, dessen Organstellung allein eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bzw den Gesellschaftern nicht ausschließt (BSGE 13, 196, 200 = SozR Nr 5 zu § 1 AVG), eine abhängige und deshalb beitragspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist. Ist der Geschäftsführer – wie hier der Kläger – am Kapital der Gesellschaft beteiligt, ist der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Denn wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann, kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluß auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (RVA AN 1936 IV 217 Nr 4988; EuM 40, 372; BSG vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 14/86 – und vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 – jeweils mwN). Aber auch wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter einen geringeren Kapitalanteil innehat, kann die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall fehlen, sei es, daß er in der Lage ist, aufgrund seines Kapitalanteils nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern, insbesondere wenn eine Sperrminorität besteht (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO), sei es, daß sein tatsächlicher Einfluß auf die Gesellschaft wesentlich größer ist als der ihm aufgrund seines Gesellschaftsanteils an sich zustehende Einfluß (BSG vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 –).
Nach den mit der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen und für den Senat somit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) reichte die Kapitalbeteiligung des Klägers aus, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern. Er war an der mit einem Stammkapital von 120.000,– DM ausgestatteten SB-GmbH mit einer Stammeinlage von 40.000,– DM (33,33 vH) beteiligt. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung waren einstimmig zu fassen (§ 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages). Damit war der Kläger – ebenso wie sein Mitgesellschafter-Geschäftsführer P. und die E-GmbH – im Besitz einer sog Sperrminorität. Diese schließt die Annahme einer abhängigen Beschäftigung grundsätzlich aus.
Insoweit ist unerheblich, daß der Kläger die ihm zustehende Rechtsmacht nicht ausgeübt hat. Desgleichen ist unmaßgeblich, daß der E-GmbH, wie der Kläger vorträgt, innerhalb der SB-GmbH ein deutliches wirtschaftliches Übergewicht zufiel. Aus solchen Gegebenheiten allein läßt sich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht ableiten (BSG vom 9. November 1989 – 11 RAr 39/89 – in BSGE 66, 69, 73 = SozR 4100 § 104 Nr 19; BSG vom 8. August 1990 – 11 RAr 77/89 – demnächst in SozR 3-2400 § 7 Nr 4).
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Geselschafter-Geschäftsführer einer GmbH an der Ausübung der ihm zustehenden Sperrminorität gehindert ist bzw war. Ist nämlich selbst bei einer geringen oder sogar gänzlich fehlenden Kapitalbeteiligung auf die tatsächlichen Umstände abzuheben und daraus ggf auf abhängige Beschäftigung zu schließen, liegt es nahe, auch dann, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer die ihm gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität nicht wahrnehmen kann, nicht ohne nähere Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse von selbständiger Tätigkeit auszugehen. Indes bedarf diese Rechtsfrage, die der Kläger in den Mittelpunkt seiner Revisionsbegründung gerückt hat, vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die Schlußfolgerung, daß er an der Ausübung der ihm zustehenden Rechtsmacht gehindert war.
So können verschiedene von der Revision hervorgehobene Umstände den Kläger in der Ausübung seines Stimmrechts schon deswegen nicht beeinträchtigt haben, weil sie im Gesellschaftsvertrag bzw in der ersten Gesellschafterversammlung ausdrücklich so abgesprochen worden waren. Dazu zählen die Möglichkeit der Einberufung einer (außerordentlichen) Gesellschafterversammlung durch einen Gesellschafter, mithin auch durch die E-GmbH (§ 11 Nrn 4 und 5 des Gesellschaftsvertrages), ferner die Prüfung der SB-GmbH durch die U. Prüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH, Hamburg (§ 12 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages), schließlich der Beratungs- und Betreuungsvertrag sowie der Liefervertrag zwischen E-GmbH und SB-GmbH (§ 16 Nr 3 Buchst c des Gesellschaftsvertrages). Dafür, daß die Gesellschafterversammlungen in Wuppertal, dem Sitz der E-GmbH, stattfanden, mögen praktische Überlegungen ausschlaggebend gewesen sein, da sich die E-GmbH regelmäßig durch drei leitende Mitarbeiter vertreten ließ; jedenfalls lassen sich aus dem Ort der Gesellschafterversammlung keine zwingenden Rückschlüsse auf die Nichtausübbarkeit des Stimmrechts des Klägers ziehen. Dasselbe gilt für das Vorbringen des Klägers, daß die E-GmbH als Waren- und Kreditgeber innerhalb der SB-GmbH ihr wirtschaftliches Übergewicht ausspielte, ihr marktpolitisches Konzept durchsetzte und die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu beeinflussen trachtete, daß sie – wie der Kläger insbesondere unter Hinweis auf das Schreiben der E-GmbH betreffend „Terminüberwachung” vom 30. September 1985 deutlich machen möchte -entsprechende Auflagen und Weisungen zu erteilen suchte und daß der Kläger und P. selbst mit ihren Vorstellungen bezüglich einer Obst- und Gemüsetheke zurückstecken mußten. Solche Vorkommnisse mögen im Wirtschaftsleben ungewöhnlich sein oder nicht. Sie lassen jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände nicht die Schlußfolgerung zu, daß ein Strohmann-Geschäft vorliege oder daß dem Kläger die ihm gemäß § 11 Nr 3 des Gesellschaftsvertrages zustehenden Befugnisse schlechthin abgeschnitten gewesen wären.
Der Kläger hat seine Behauptung, er und P. hätten wegen des Einflusses der E-GmbH keinerlei Möglichkeit gehabt, eigene Entscheidungen zu treffen oder durchzusetzen, nicht durch die Angabe von solchen besonderen Tatsachen belegt. Sein Hinweis auf die wirtschaftliche Übermacht der E-GmbH reicht – wie schon ausgeführt – hierfür nicht aus. Auf ausdrückliches Befragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er insbesondere nicht angeben können, welche für ihn nachteiligen Konsequenzen konkret eingetreten wären, wenn er von seiner Sperrminorität in einem der E-GmbH nicht genehmen Sinne Gebrauch gemacht hätte. Folglich kann seinen Angaben nicht entnommen werden, weshalb ihm die Ausübung der im Gesellschaftsvertrag zuerkannten Rechtsmacht tatsächlich unmöglich gewesen sein sollte. Sein Vorbringen in der Revisionsinstanz zur Frage der Nichtausübbarkeit seiner Sperrminorität deckt sich mit seinen Ausführungen in der Berufungsinstanz. Gegen die insoweit vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht, so daß die Feststellungen des LSG für den Senat bindend sind (§ 163 SGG).
Aus diesem Grund bestand keine Veranlassung zur Zurückverweisung der Sache an das LSG zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung. Der Senat konnte vielmehr selbst entscheiden (§ 170 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2 SGG). Dies führt zur Zurückweisung der Revision, weil die Entscheidung des LSG der Sach- und Rechtslage entspricht, daß die Beklagte die Bewilligung von Alg zu Recht abgelehnt hat, weil der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der SB-GmbH nicht beitragspflichtig beschäftigt war und er folglich hiermit auch nicht die für den Anspruch auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174505 |
GmbHR 1992, 172 |