Verfahrensgang
Tenor
I.1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. Juni 1992 wird zurückgewiesen, soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Altersversorgung mit einem Gesamtzahlbetrag von mehr als 4.238,00 DM zu gewähren.
2. Im übrigen wird auf die Revision des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. Juni 1992 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
II. Der Vollzug des Kürzungsbescheides zum 1. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 1991 und des Bescheides vom 28. November 1991 ist einstweilig bis zu rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt, soweit ein geringerer Gesamtzahlbetrag als 4.238,00 DM festgesetzt worden ist.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe der dem Kläger seit dem 1. Januar 1991 von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zu zahlenden Altersversorgung.
Der im Mai 1926 in G. geborene Kläger wurde 1973 als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Urologie an der E. … -M. … -A. … -Universität in Greifswald berufen und zum Direktor der Klinik und Polyklinik für Urologie dieser Universität bestellt. In den letzten zwölf Monaten dieser Tätigkeit bezog er hierfür ein durchschnittliches Bruttogehalt von 4.120,00 M monatlich (zuzüglich von Zuschlägen für Dienstbereitschaft). Mit dem 30. September 1989 wurde er emeritiert.
Ab Oktober 1989 bezog er eine Rente aus der Altersversorgung der Intelligenz (AVI) in Höhe von monatlich 3.296,00 M (Bescheid der staatlichen Versicherung der DDR vom 6. Dezember 1989). Ferner erhielt er eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR einschließlich eines Steigerungsbetrages für bewaffnete Organe, die sich ab Dezember 1989 auf insgesamt 942,00 M belief (Bescheide des FDGB vom 7. September 1989 und zum 1. Dezember 1989). Mit dem Gesamtzahlbetrag von 4.238,00 M wurde die Altersversorgung des Klägers ab Juli 1990 auf DM umgestellt und weitergezahlt.
Der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung verfügte mit Bescheid nach ua der Ersten Rentenanpassungsverordnung (1. RAV vom 14. Dezember 1990, BGBl I S 2867), der Gesamtauszahlbetrag ab 1. Januar 1991 betrage 4.238,00 DM. Der Träger der Rentenversicherung, Überleitungsanstalt Sozialversicherung, bestimmte mit Bescheid zum 1. Juli 1991 nach der 2. RAV (vom 19. Juni 1991 – BGBl I S 1300), der Gesamtauszahlbetrag ab 1. Juli 1991 betrage 4.238,00 DM. Wegen des weiteren Inhalts dieser Bescheide wird auf die Akte des Sozialgerichts (SG, Bl 24 und 25) Bezug genommen.
Mit Kürzungsbescheid ohne Datumsangabe (streitiger Bescheid 1) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 1991 bestimmte die Überleitungsanstalt Sozialversicherung, dem Kläger stehe ab 1. August 1991 ein neuer Gesamtzahlbetrag von nur noch 2.010,00 DM zu. Dieser errechne sich aus dem Betrag der Invalidenaltersrente einschließlich des Steigerungsbetrages von insgesamt 1.728,00 DM und der auf 282,00 DM gekürzten Zusatzversorgungsrente. Durch Bescheid vom 28. November 1991 (streitiger Bescheid 2) setzte die BfA den monatlichen Zahlbetrag ab 1. Januar 1992 weiterhin auf 2.010,00 DM fest. Sie führte aus, künftig werde eine Regelaltersrente als einheitliche Leistung der Rentenversicherung gezahlt. Ihre Berechnung im pauschalierten Verfahren ergebe ab Januar 1992 einen monatlichen Betrag von 1.135,32 DM. Bis zur individuellen und endgültigen Neuberechnung der Rente, die nicht vor Januar 1994 beansprucht werden könne, sei jedoch als Monatsbetrag mindestens die Summe aus der Rente und der Leistung der Zusatzversorgung für Dezember 1991 zu zahlen. Die für Dezember 1991 zu Vergleichszwecken berechnete Regelaltersrente belaufe sich auf 1.016,83 DM. Deshalb komme es auf den damaligen Auszahlungsbetrag von 2.010,00 DM an.
Der Kläger hat mit seiner im Oktober 1991 erhobenen Klage beantragt,
den undatierten Bescheid über die Begrenzung des Zahlbetrages auf 2.010,00 DM in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 1991 aufzuheben und den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
- bis 31. Dezember 1991 dem Kläger die dynamisierte Altersrente unter Berücksichtigung der Rentenanpassung in voller Höhe und zusätzlich die ursprüngliche ungekürzte Zusatzrente von 3.296,00 DM auszuzahlen,
- ab 1. Januar 1992 anstelle der pauschalisierten Umwertung die nach dem SGB VI neu berechnete Altersrente zuzüglich der ungekürzten Zusatzversorgung von 3.296,00 DM zu gewähren.
Das SG Frankfurt/Oder hat die Klage mit Urteil vom 24. Juni 1992 abgewiesen. Es ist folgender Auffassung: Die zulässige Klage sei unbegründet, weil die Beklagte nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ermächtigt gewesen sei, die durch § 10 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫, vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1606, 1677, geändert durch Gesetz zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫ vom 18. Dezember 1991, BGBl I S 2207) vorgenommene Begrenzung des Gesamtzahlbetrages der Altersversorgung umzusetzen. Der Kürzungs- und der Umwandlungsbescheid entsprächen dem geltenden Recht, das auch nicht verfassungswidrig oder mit sonstigem höherrangigen Recht unvereinbar sei. Hinsichtlich des Urteilsinhalts im übrigen wird auf Bl 1 bis 26 der Streitakte des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen.
Der Kläger hat die – vom SG zugelassene – (Sprung-)Revision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Er trägt vor: Durch die Kappung und Abschmelzung der Ansprüche aus Zusatzversorgungssystemen werde den Bestandsrentnern im Beitrittsgebiet die sog zweite Säule der Altersversorgung, die aber für sie die wirtschaftlich wertvollere gewesen sei, ersatzlos genommen, ohne daß sie die Chance hätten, eine Altersversorgung zu erlangen, wie sie den Bürgern in den alten Ländern mit entsprechender beruflicher Tätigkeit gesichert sei. So, wie die BfA die Norm anwende, könne sie nur als Bestrafung von Menschen verstanden werden, deren Beitrag zur Festigung der DDR ausschließlich darin bestanden habe, daß sie fachlich besonders qualifizierte Arbeiten im angeblich „staatsnahen” Bereich oder in leitenden Funktionen verrichtet haben. Darin liege ein Verstoß nicht nur gegen die im Einigungsvertrag (EV) enthaltene Zahlbetragsgarantie, sondern auch gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG, gegen das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes, gegen das rechtsstaatliche Verbot der Kollektivbestrafung und gegen das verfassungsrechtliche Gebot, gleiche Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet herzustellen. Jedenfalls schlössen diese rechtlichen Vorgaben aus, daß den Bestandsrentnern sogar noch der Forderungsbetrag herabgesetzt werde, den sie zum 1. Juli 1990 hätten rechtmäßig beanspruchen können.
Zum weiteren Vorbringen des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 24. September 1992 (Bl 42 bis 66 der BSG-Streitakte) sowie vom 12. November 1992 (Bl 85 bis 87 der BSG-Streitakte) Bezug genommen. Außerdem hat der Kläger auf ein Rechtsgutachten des Dr. W. … vom 15. Januar 1992, das er dem SG vorgelegt hat, und auf seine „Kurzangaben zu seinem Arbeitsleben” (Bl 54, 55 der SG-Akte) verwiesen.
Der Kläger beantragt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. Juni 1992, Az.: S 1 An 96/91, abgeändert. Es wird erkannt,
die Bescheide zum 1. Januar 1991, zum 1. Juli 1991 und zum 1. August 1991, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 1991, sowie der Bescheid vom 28. November 1991 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt,
1.1. dem Kläger Altersrente nach dem Stande Juli 1990 in voller Höhe über den 1. Januar 1991 hinaus bis zum 31. Dezember 1991 zu gewähren und zu dynamisieren sowie zusätzlich dazu die ursprüngliche Zusatzversorgung ungekürzt in Höhe von 3.269,00 DM zu zahlen,
1.2. ab 1. Januar 1992 anstelle der pauschal umgewerteten Rente die nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) neu berechnete Altersrente und zusätzlich dazu als für Hochschullehrer in der Bundesrepublik Deutschland angemessene Zusatzversorgung den Differenzbetrag zwischen der Altersrente und 90 vH des jeweils angepaßten Nettogehaltes des letzten Berufsjahres auszuzahlen.
- die dem Kläger nicht gewährten Beträge sind ab Fälligkeit mit 4 vH zu verzinsen.
Hilfsweise beantragt er,
den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Weiterhin hilfsweise beantragt er für den Fall der Zurückverweisung oder der Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht die einstweilige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. Juni 1992 – S 1 An 96/91 zurückzuweisen.
Sie meint, ihre Entscheidungen entsprächen dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs 1 AAÜG und der in dieser Norm zum Ausdruck gebrachten eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers. Die Vorschrift löse den im EV enthaltenen Widerspruch zwischen der Entscheidung zur Überführung auch der Zusatzversorgungsrenten in ausschließlich die gesetzliche Rentenversicherung und der sog Zahlbetragsgarantie auf. Sie halte die Vorschrift für verfassungsgemäß. Ein Bedürfnis für die Aussetzung des Vollzuges ihrer Entscheidungen bestehe nicht. Das weitere Vorbringen der Beklagten ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 16. Oktober 1992 (Bl 78 bis 81 der BSG-Akten).
Der Senat hat unter dem 12. November 1992 eine Auskunft der Beklagten vom 15. Dezember 1992 über die Entwicklung der Begrenzungen des Gesamtzahlbetrages nach § 10 AAÜG eingeholt (Bl 94 bis 119 der BSG-Akten). Ferner hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 18. Januar 1993 auf verschiedene Rechtsfragen hingewiesen und diese mit ihnen in der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 1993 ua auch im Blick auf die in §§ 6, 7 und 14 AAÜG getroffenen Regelungen erörtert.
Entscheidungsgründe
II
A) Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Altersversorgung von mehr als 4.238,00 DM monatlich begehrt.
1. Der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ab Januar 1992 zusätzlich zu der individuell zu berechnenden Regelaltersrente nach dem SGB VI den Differenzbetrag zwischen dieser Altersrente und 90 vH des jeweils angepaßten Nettogehaltes des letzten Berufsjahres als Zusatzversorgung zu zahlen, enthält eine im Revisionsverfahren nach § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässige Klageänderung. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das angefochtene Urteil Bundesrecht verletzt (§ 162 SGG). Daher ist eine Erweiterung des Klagebegehrens nicht zugelassen selbst dann, wenn sie – wie im vorliegenden Fall einer Antragserweiterung bei im wesentlichen unverändertem Klagegrund – nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen ist (BSGE 18, 12, 14 f; 31, 112, 113; BSG SozR 2200 § 729 Nr 4; BGH NJW 1989, 171; zur Unzulässigkeit der Revision bei erstmals mit diesem Rechtsmittel erhobenem Anspruch aus neuem Klagegrund BSGE 60, 34, 38 = SozR 1200 § 54 Nr 10).
2. Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen, soweit der Kläger auch im übrigen die BfA auf Leistung von mehr als 4.238,00 DM in Anspruch nimmt. Es gibt nämlich derzeit für den streitigen Zeitraum ab Januar 1991 keine vom parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene oder mit seiner Ermächtigung erlassene Rechtsnorm, aus welcher einer Person, auf die das AAÜG Anwendung findet, auch nur denkbarerweise eine höhere Forderung zustehen könnte als auf die im Juli 1990 zahlbare Summe aus Sozialversicherungs- und Zusatzversorgungsrente, wenn dieser Gesamtzahlbetrag – wie im Falle des Klägers – über dem Höchstbetrag einer Sozialversicherungsrente bzw einer nach dem SGB VI berechneten Rente lag.
a) Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 SGG nur für „Rechtsstreitigkeiten” eröffnet; die Gerichtsbarkeit darf also nur entscheiden, wenn und soweit der Streit darum geführt wird, was derzeit Rechtens ist, nicht was künftig Recht werden soll (BVerfGE 7, 183, 188 f; Bettermann,
Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Hrsg Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, S 775, 794). Eine „Rechtsstreitigkeit” liegt aber nicht vor, soweit der Kläger – gleichsam zur Klärung einer Vorfrage für den gegen die BfA erhobenen Anspruch – aus dem Verfassungsrecht oder aus sonstigen Rechtsquellen, die nach seiner Ansicht den Gesetzgeber binden, ein Recht auf neue gesetzliche Regelungen über seine Altersversorgung herleitet. Der einzelne Staatsbürger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers (BVerfGE 1, 97, 100; 2, 237, 244; 12, 139, 142; NJW 1987, 2287). Daher liegt es prinzipiell außerhalb der funktionalen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit, sich selbst in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen (vgl auch BVerfGE 82, 6, 12 f; Beschluß vom 3. November 1992 – 1 BvR 1243/88).
b) Einen vor der Sozialgerichtsbarkeit nicht verfolgbaren Anspruch auf Gesetzgebung macht der Kläger auch geltend, soweit er unter Berufung auf Art 3 Abs 1 GG eine Gleichbehandlung mit verschiedenen, von ihm ausgewählten Vergleichsgruppen (zB Hochschullehrer mit Beamtenversorgung; Berechtigte mit berufsständischer Versorgung) begehrt. Zwar kann ausnahmsweise bei sog teilweisem Unterlassen des Gesetzgebers die (nach Vorlage gemäß Art 100 Abs 1 GG verfassungsgerichtliche) Feststellung begehrt werden, das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art 3 Abs 1 GG) sei durch eine Unterlassung der Rechtssetzungsorgane des Bundes verletzt (BVerfGE 15, 46, 75; vgl aber auch E 15, 121, 125 und E 22, 163, 174 f). Jedoch setzt die Rüge der gleichheitswidrigen Nichtbegünstigung voraus, daß es eine gesetzliche Regelung gibt, welche für einen bestimmten Personenkreis, dem der Kläger angehört, die begehrte Begünstigung vorsieht, von der er jedoch durch Nichtberücksichtigung oder durch Ausnahmevorschriften ausgeschlossen wird. Es gibt aber keine im streitigen Zeitraum gültige Rechtsnorm, die einer Person, auf welche die spezialgesetzlichen Regelungen des AAÜG und des § 307b SGB VI anzuwenden sind, Leistungen zusätzlich zur Sozialversicherungsrente/Rente nach dem SGB VI mit der Folge gewährt, daß ein Anspruch auf Zahlung eines höheren als des am 1. Juli 1990 geschuldeten Betrages entstehen könnte:
Nach dem bis zum 30. Juni 1990 gültigen Rentenrecht der DDR gab es keinen Anspruch auf Dynamisierung der Sozialversicherungs- und Zusatzversorgungsrenten; ihre Anhebung erfolgte in langen und unregelmäßigen Zeitabständen (vgl Ruland NZS 1992, 41, 42). Art 20 Abs 2 Satz 3 des Staatsvertrages vom 18. Mai 1990 (BGBl II S 537) über die Bildung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 bestimmte, daß die Zusatz-und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung (der DDR) zu überführen waren. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR (RAG; vom 28. Juni 1990, GBl I Nr 38 S 495, ber S 1457), das am 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist (§ 35 RAG) und seit dem 3. Oktober 1990 mit den Maßgaben nach dem EV (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) bis zum 31. Dezember 1991 fortgalt, waren die bis zum 30. Juni 1990 gezahlten Renten und zusätzlichen Versorgungen ab 1. Juli 1990 bis zur Überführung in die Rentenversicherung in unveränderter Höhe weiterzuzahlen; die in § 24 Abs 5 RAG vorgesehene schonende Abschmelzung der Zusatzversorgungsrenten, die eine Erhöhung des Gesamtauszahlungsbetrages zuließ, kam vor dem 3. Oktober 1990 nicht mehr zur Ausführung. Sie wurde vom EV (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 – im folgenden: EV Nr 9; dort Buchst b Satz 4, sog Zahlbetragsgarantie) nicht übernommen. Demgemäß schrieben die aufgrund von EV Nr 9 Buchst f ergangenen Rechtsverordnungen der Bundesregierung (§ 6 Abs 2 der 1. RAV und § 8 der 2. RAV) die zuvor rechtmäßig erlangten Ansprüche auf Gesamtzahlbeträge lediglich fort, soweit – wie beim Kläger – keine Kürzung nach § 23 Abs 2 RAG erfolgt war. Daß das AAÜG und § 307b SGB VI dem Kläger keine Grundlage für einen Anspruch auf einen höheren Gesamtzahlbetrag als 4.238,00 DM geben, bedarf keiner Darlegung und wird vom Kläger selbst auch nicht behauptet.
c) Aus den vorgenannten Gründen – kein Anspruch auf Gesetzgebung – kann die Klage auch nicht durchdringen, soweit der Kläger bereits ab Januar 1992 eine individuell (nicht nach § 307b Abs 5 und 6 SGB VI pauschaliert) berechnete Regelaltersrente verlangt; ein Rechtsanspruch auf individuelle Überprüfung der Rentenfestsetzung besteht nicht vor dem 1. Januar 1994 (§ 307b Abs 5 letzter Satz iVm § 307a Abs 8 Satz 4 und 5 SGB VI). Gleichfalls ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das SG die Klage gegen die nach den Rentenanpassungsverordnungen zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 erteilten Bescheide abgewiesen hat. Soweit sie auf einen höheren Gesamtzahlbetrag als 4.238,00 DM gerichtet war, fehlt es – wie ausgeführt – an einer Anspruchsgrundlage, die auch nur denkbar auf den Kläger anzuwenden sein könnte. Im übrigen ist der Kläger durch diese Bescheide nicht beschwert iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, weil sein Anspruch auf Zahlung von 4.238,00 DM als Altersversorgung nicht herabgesetzt worden ist. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seinem Begehren auf einen höheren Zahlbetrag als 4.238,00 DM rügt, der Gesetzgeber habe ihm unter Verstoß gegen höherrangiges Recht Rechtspositionen entzogen, ist dem – falls entscheidungserheblich – im Rahmen der zulässigen Anfechtungsklage gegen die streitigen Bescheide 1) und 2) (Kürzungs- und Umwandlungsbescheid) nachzugehen.
B) Im übrigen ist die Revision des Klägers iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet (§ 170 Abs 2 und 4 SGG). Die gegen die streitigen Bescheide 1) und 2) gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig, soweit der Anspruch auf Zahlung von 4.238,00 DM auf 2.010,00 DM herabgesetzt worden ist. Jedoch reichen die tatsächlichen Feststellungen des SG nicht aus, abschließend zu entscheiden, ob die Beklagte diesen Anspruch begrenzen durfte. Dies wäre der Fall, wenn der Versorgungsanspruch des Klägers auf politischer Begünstigung durch das Regime beruhte. Dies ist bei Ausübung einer besonders regimenahen Beschäftigung (§§ 6, 14 AAÜG), aber auch dann anzunehmen, wenn der Versorgungsanspruch entgegen den allgemeinen Vorschriften gewährt wurde, welche für die überführten Versorgungssysteme nach dem EV fortgalten.
1. Das von den beiden streitigen Bescheiden beeinträchtigte Recht des Klägers ist sein zuletzt durch den Bescheid zum 1. Juli 1991 bindend anerkannter Anspruch auf Zahlung von 4.238,00 DM als Altersversorgung. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (stellvertretend BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 2 mwN) ist Zweck eines Geldleistungen bewilligenden Bescheides eines Trägers der Rentenversicherung, den Adressaten durch den Verfügungssatz außer Zweifel zu setzen, welche Leistung ihm ab wann in welcher Höhe (und ggf für welchen Zeitraum) zusteht. Nur dann kann der Berechtigte sich in seiner Lebensführung darauf einstellen und den derart „titulierten” Anspruch notfalls mittels einer Leistungsklage aus dem Bewilligungsbescheid, also ohne weitere Sachprüfung durchsetzen. Der dem Kläger zum 1. Juli 1991 erteilte Bescheid enthält einen derartigen Verfügungssatz. Danach kann der Kläger ab Juli 1991 – weiterhin – eine Geldleistung in Höhe von monatlich 4.238,00 DM als Altersversorgung beanspruchen:
Materiell-rechtlicher Rechtsgrund hierfür waren die Ansprüche des Klägers auf eine Sozialversicherungsrente und auf eine Rente aus der AVI. Diese waren durch die Bescheide des FDGB und der staatlichen Versicherung der DDR verbindlich festgesetzt worden. Ihr Gesamtbetrag war gemäß § 23 Abs 1 RAG – anders als bei den nach Abs 2 aaO auf 1.500,00 DM, höchstens auf 2.010,00 DM gekürzten Ansprüchen – über den 1. Juli 1990 hinaus bis zur Überführung des Versorgungsanspruchs in die Rentenversicherung in unveränderter Höhe (aber in DM) weiterzuzahlen. Die Summe aus beiden Renten stellte den Gesamtbestand an Rechten und Ansprüchen des Klägers auf Altersversorgung dar, die er in seinem Arbeitsleben in der DDR erworben und nach Maßgabe des RAG und des EV bundesrechtlich erhalten hat ungeachtet dessen, daß die DDR sich im Jahre 1990 im Zustand des Staatsbankrotts befand (BVerfGE 84, 90, 131). Die Bescheide der DDR-Leistungsträger sind gemäß Art 19 Satz 1 EV über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und nach Art 19 Satz 3 EV für die Beteiligten iS von § 77 SGG bindend geblieben. Die „Rechtsvorgängerinnen” der BfA, die kraft Gesetzes in deren Auftrag handelten, hatten den Anspruch (§ 194 BGB) des Klägers durch die auf bundesrechtlicher Grundlage (Art 45 Abs 2 EV; EV Nr 9 Buchst f) nach den Rentenanpassungsverordnungen ergangenen und ebenfalls bindend gewordenen Bescheide zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 festgestellt. Damit war dem Kläger durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), dessen Bindungswirkung den Rückgriff auf das ihm zugrundeliegende materielle Recht – zu seinen Gunsten und zu seinen Lasten – ausschloß, ein Anspruch auf Zahlung von 4.238,00 DM gewährleistet.
2. Der Bescheid zum 1. Juli 1991 könnte seine Bindungswirkung nur durch die streitigen Bescheide 1) und 2) verloren haben; sonstige Gründe, nach denen ein Verwaltungsakt sich erledigen kann (§ 39 Abs 2 SGB X), liegen nicht vor:
a) Der Bewilligungsbescheid war nicht mit einer auflösenden Nebenbestimmung (§ 32 SGB X) versehen. Es handelt sich ferner nicht um einen nur einstweiligen Verwaltungsakt (dazu BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2, 4; SozR 3-1200 § 42 Nr 2; jeweils mwN). Die Beklagte hat darin nicht zum Ausdruck gebracht (§ 33 Abs 1 SGB X), dieser Bescheid solle den Leistungsanspruch des Klägers ab Juli 1991 nur für eine Übergangszeit bis zum Erlaß eines das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsaktes regeln. Deshalb ist hier nicht darzulegen, daß weder das RAG noch die 1. RAV oder die 2. RAV noch § 10 Abs 1 AAÜG (trotz irreführender Überschrift) noch § 307b Abs 5 und 6 SGB VI den Leistungsträger verpflichten, einstweilige Verwaltungsakte zu erlassen.
b) Der Bescheid ist auch nicht nach § 307b Abs 7 SGB VI unwirksam geworden. Danach werden nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes festgestellte Renten nicht mehr gezahlt, wenn eine Rente nach den Vorschriften dieses Gesetzbuches festgestellt wird; eine Aufhebung oder Änderung der bisherigen Bescheide ist nicht erforderlich. Dieser Rechtssatz, der seit dem 1. Januar 1992 gilt, trifft jedenfalls auch auf – wie hier – bindend anerkannte Zahlungsansprüche zu: Soweit die in Abs 7 Halbs 1 aaO genannte Rentenfeststellung, ein Verwaltungsakt, zu einem für den Berechtigten höheren Zahlbetrag führt, ist dadurch ein denkbarer Anspruch auf Abänderung des bisherigen Bescheides zu seinen Gunsten erfüllt (§ 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 1 SGB X; vgl § 307b Abs 2 und 3 SGB VI). Führt die Rentenfeststellung auf der Grundlage allein des am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen SGB VI jedoch zu einem niedrigeren Zahlbetrag, ist infolge von § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI keine iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X „wesentliche” Änderung eingetreten; denn es ist der Betrag weiterzuzahlen, der auf der Grundlage des bis zum (dh auch: am) 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts (RAG idF des EV und des AAÜG) zustand.
c) Der Bewilligungsbescheid hat sich schließlich durch das Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 nicht „auf andere Weise” erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X), ist insbesondere nicht „gegenstandslos” oder sogar „nachträglich nichtig” geworden (stellvertretend dazu Krause GK-SGB X 1, § 39 Rz 21 ff; Kopp, VwVfG, 5. Aufl 1991, § 43 Rz 17, 18, 21). Denn weder ist der Regelungsgegenstand des Bescheides entfallen, noch ist die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden.
Zwar sind mit Ablauf des 31. Dezember 1991 die bis dahin noch fortgeltenden rentenrechtlichen Vorschriften der DDR außer Kraft getreten, soweit das SGB VI (oder das AAÜG) nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Zusatzversorgungssysteme der DDR (§ 1 Abs 2 AAÜG) wurden schon zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt. Dadurch sind mit dem 31. Dezember 1991 (grundsätzlich) die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Ab 1. Januar 1992 sind diejenigen des SGB VI an ihre Stelle getreten (gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation). Dies bedeutet materiell-rechtlich:
Die beiden Ansprüche auf Sozialversicherungsrente und auf Rente aus der AVI sind ab Januar 1992 durch einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) ersetzt worden. Falls dieser Anspruch geringer ist als der Gesamtbetrag, der auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts zustand, tritt zur Rente ein – aus den allgemeinen Regelungen des SGB VI nicht herleitbarer – Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherung hinzu. Dieser Rentenzuschlag ist der Höhe nach als bloßer Bestandschutzbetrag ausgestaltet, dh als variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem Gesamtzahlbetrag, der nach dem am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Recht zustand, und dem jeweiligen Betrag der Rente nach dem SGB VI. Der Rechtsform nach handelt es sich um eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Dem Rechtsgrunde nach ist es eine Zuwendung der Funktionsnachfolger (iS von Art 13, 14 EV) der früheren Arbeitgeber auf der Grundlage ihrer nachgehenden Fürsorgepflicht. Deshalb hat die BfA diese zusätzliche Leistung gegenüber dem Bürger lediglich festzustellen und auszuzahlen; die Versichertengemeinschaft muß sie aber letztlich nicht tragen (§ 15 AAÜG; EV Nr 9 Buchst d). Der Bescheid zum 1. Juli 1991 hat durch diese gesetzliche Novation also nur einen Austausch der ihn tragenden materiell-rechtlichen Grundlagen erfahren; sein Verfügungssatz wurde dadurch weder gegenstandslos noch rechtswidrig noch unwirksam.
Nach alledem kann der auf bundesrechtlicher Grundlage verbindlich anerkannte Anspruch des Klägers auf Zahlung von 4.238,00 DM nur dann zu Recht auf 2.010,00 DM herabgesetzt worden sein, wenn der streitige Bescheid 1) (Kürzungsbescheid zum 1. August 1991) und der diesen für die Zeit ab Januar 1992 in seinem Eingriffsgehalt fortführende streitige Bescheid 2) (Umwandlungsbescheid zum 1. Januar 1992) rechtmäßig sind.
3. Prüfungsmaßstab ist ausschließlich § 10 AAÜG (idF des Art 3 RÜG, in Kraft getreten am 1. August 1991), der eine Eingriffsermächtigung enthält, durch welche die Versorgungsträger spezialgesetzlich verpflichtet werden, Ansprüche von mehr als 2.010,00 DM (Abs 1 Nr 1 aaO) endgültig zu entziehen:
Gemäß § 10 Abs 1 Nr 1 AAÜG wird ua die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Zusatzversorgungen (einschließlich des Ehegattenzuschlags) vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats (dh: ab 1. August 1991) für Versichertenrenten auf den Höchstbetrag von 2.010,00 DM begrenzt. Nach Abs 5 Satz 1 aaO hat der Versorgungsträger die Begrenzung ua nach Abs 1 aaO durch Bescheid vorzunehmen. Dazu bestimmt Satz 2 aaO (seit dem 1. Dezember 1991: Satz 3), daß die Anhörung eines Beteiligten vor Erlaß des Bescheides nicht erforderlich ist. Ferner verweist Abs 5 letzter Satz aaO auf § 8 Abs 3 Satz 2 AAÜG und damit auf die Regelungen des 3. Abschnitts des 1. Kapitels SGB X, dh auf die §§ 31 ff über den Verwaltungsakt.
a) Hierzu ist vorab klarzustellen, daß die Gesetzgebungsorgane durch § 10 Abs 1 Nr 1 AAÜG nicht selbst und unmittelbar in das verbindlich anerkannte vermögenswerte Recht des Klägers eingegriffen haben; es liegt also keine Rechtsbeeinträchtigung unmittelbar durch Gesetz vor (BVerfG Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 4. Mai 1992 – 1 BvR 1815/91). Der Gesetzgeber hat vielmehr den Versorgungsträger (§ 9 Abs 4 AAÜG), also die vollziehende Gewalt, angewiesen, den Rechtseingriff in eigener Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Anspruchsberechtigten durch eine Einzelfallregelung (Verwaltungsakt, § 31 SGB X) selbst vorzunehmen. Andernfalls hätte es weder des gesetzlichen Ausschlusses der Anhörungspflicht (§ 24 SGB X) noch des Verweises auf die §§ 31 ff SGB X bedurft.
b) § 10 Abs 5 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 AAÜG enthält eine abschließende Spezialermächtigung, bei Bestandsrentnern Zahlungsansprüche herabzusetzen, die sich aus materiell-rechtlicher Sicht als Summe ua der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Zusatzversorgungen darstellen. Darüber hinaus werden gemäß § 4 Abs 4 AAÜG nur noch neue Rentner aus den Jahren 1992/93 von der Begrenzung erfaßt. Die Vorschrift verpflichtet den zuständigen Leistungsträger (sog gebundene Verwaltung), den Zahlungsanspruch durch Verwaltungsakt ab 1. August 1991 auf 2.010,00 DM herabzusetzen. Sie schließt die allgemeinen rechts- und sozialstaatlich ausgeprägten Regeln über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten und damit die Anwendung der §§ 45 bis 48 SGB X sowie des Art 19 Satz 2 EV (nur) für diesen besonderen Eingriffsakt aus:
§ 45 (und § 47) SGB X ist verdrängt, weil § 10 AAÜG die Abänderung von rechtmäßigen und rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten anordnet, dem Versorgungsträger kein Ermessen einräumt und den in § 45 Abs 2 bis Abs 4 Satz 1 (nicht: Abs 4 Satz 2) SGB X für das Sozialleistungsrecht besonders intensiv ausgestalteten Vertrauensschutz nicht durchgreifen läßt. § 48 SGB X ist – entgegen der Ansicht des SG – ebenfalls nicht anwendbar. Seine ua gleichfalls dem Vertrauensschutz bei belastenden Veränderungen dienenden Regelungen stünden dem Ziel entgegen, den Anspruch ausnahmslos (dh auch nachträglich rückwirkend) zum 1. August 1991 zu mindern. Art 19 Satz 2 EV, nach dem Verwaltungsakte der DDR, die gemäß Satz 1 aaO wirksam geblieben sind, aufgehoben werden können, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrages unvereinbar sind, wird gleichfalls von § 10 AAÜG zurückgehalten. Denn diese Vorschrift verpflichtet zur (Teil-)Aufhebung von bindenden Verwaltungsakten der DDR sogar dann, wenn diese mit dem EV vereinbar waren, ferner auch zur Änderung von (Folge-)Bescheiden auf bundesrechtlicher Grundlage, soweit nur dadurch das og Ziel verwirklicht werden kann.
Schon hieraus wird deutlich: § 10 AAÜG enthält – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine leistungsgewährende, sondern ausschließlich eine Eingriffsregelung. Sie gewährt den Bestandsrentnern (und rentennahen Jahrgängen) nichts, sondern entzieht ihnen einen Teil ihres Anspruchs, der ihnen bereits auf bundesgesetzlicher Grundlage bindend zuerkannt war.
c) § 10 AAÜG begrenzt außerdem nicht die Zahlbeträge „für Versichertenrenten” nach dem SGB VI. Dies war am 1. August 1991, fünf Monate vor der Überführung der Versorgungsansprüche in die Rentenversicherung (zum 31. Dezember 1991) und vor dem Inkrafttreten des SGB VI (am 1. Januar 1992) schon rechtlich unmöglich, trifft aber seitdem auch tatsächlich nicht zu. Denn die theoretische, dh praktisch nicht erreichbare Höchstrente (Regelaltersrente nach dem SGB VI) eines Hochschullehrers im Beitrittsgebiet hätte sich – nach den Angaben der Beklagten – am 1. August 1991 auf 1.544,00 DM belaufen (am 1. Januar 1992 auf 1.649,00 DM; am 1. Juli 1992 auf 1.841,00 DM; am 1. Januar 1993 auf 2.002,00 DM). Die SGB VI-Rente des Klägers, bei der 48 Jahre versicherungspflichtiger Beschäftigung angerechnet werden, betrug 1991 – pauschaliert berechnet – 1.016,83 DM und 1.135,32 DM im Januar 1992. Deshalb begrenzt auch der streitige Bescheid 2), der auf der seit dem 1. Januar 1992 gültigen Rechtslage beruht, – materiell-rechtlich betrachtet – nicht den dynamisierbaren Zahlbetrag der SGB VI-Rente des Klägers, sondern nur den – an die Stelle des durch den streitigen Bescheid 1) gekürzten Versorgungsanspruchs getretenen – og Rentenzuschlag iS von § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI.
Hieraus folgt zugleich, das § 10 AAÜG – entgegen der irreführenden Überschrift – keine „vorläufige” Zahlbetragsbegrenzung, sondern für die Betroffenen eine endgültige (Teil-)Entziehung des Anspruchs vorschreibt; eine spätere Nachzahlung einbehaltender Beträge ist weder vorgesehen noch zugelassen.
d) Für einen derartigen Eingriff in den dem Kläger bindend zuerkannten Anspruch auf eine Altersversorgung in Höhe von 4.238,00 DM bedurfte der Leistungsträger einer gesetzlichen Ermächtigung, und zwar gemäß § 77 SGG zur Durchbrechung des in der Bindungswirkung des Bescheides zum 1. Juli 1990 verkörperten Prinzips der Rechtssicherheit einschließlich des Vertrauensschutzes, ferner nach § 31 SGB I zur Teilaufhebung des materiellen subjektiven Rechts des Klägers. Dieser „einfachgesetzlich” ausgestaltete Gesetzesvorbehalt wird ua vom Grundrecht auf Freiheit von unnötigen, unverhältnismäßigen und unzulässig „rückwirkenden” Belastungen umfangen (Art 2 Abs 1 GG; vgl BVerfGE 72, 175, 196 ff; 76, 256, 356 ff; sa E 76, 1, 50 ff und 77, 308, 332 ff).
4. § 10 Abs 5 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 AAÜG enthält in der nachfolgend darzustellenden Auslegung eine hinreichend ausgestaltete und bestimmte sowie verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage. Danach muß der zuständige Versorgungsträger ua einen Zahlungsanspruch aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Zusatzversorgungen mit Wirkung zum 1. August 1991 bei Versichertenrenten auf 2.010,00 DM begrenzen, wenn der Versorgungsanspruch auf politischer Vergünstigung beruht. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte der Rentenkürzung nach den §§ 6 und 14 AAÜG unterliegt oder die Versorgungszusage entgegen den allgemeinen Vorschriften über die überführten Zusatzversorgungen erhalten hat, die nach dem EV fortgalten:
a) Indes erschließen sich diese den Anwendungsbereich der Vorschrift eingrenzenden Voraussetzungen nicht vollständig nur aus dem Wortlaut des § 10 AAÜG. Dieser verdeutlicht zwar den Gegenstand des Zugriffs, dh den hier bindend zuerkannten Anspruch auf den Gesamtzahlbetrag „die Summe”) aus einer gleichartigen Rente der Rentenversicherung und der Zusatzversorgung, ebenso den Inhalt des Eingriffs, dh die Anspruchsherabsetzung, und auch dessen Ausmaß, nämlich die Kürzung auf 2.010,00 DM ab 1. August 1991.
Hingegen werden weder der Eingriffszweck noch der Kreis der von der Anspruchsentziehung Betroffenen im Gesetzestext eindeutig bestimmt. Der Kreis der Betroffenen wird mit den Worten: „für Versichertenrenten” (Nr 1 aaO) angedeutet. Die Offenheit des Wortlautes der Vorschrift läßt zwar die von der Beklagten bevorzugte Auslegung zu, es seien „alle” Versicherten der Anspruchskürzung unterworfen; jedoch erzwingt der Gesetzestext, der dies nicht ausdrücklich sagt, dieses Verständnis nicht. Vielmehr enthielte er dann nicht einmal einen Hinweis auf den Zweck des Eingriffs, der überdies bei dieser Interpretation dann auch keiner anderen Vorschrift des AAÜG, des SGB VI, des EV oder des RAG entnommen werden könnte. Die Formulierung: „Für Versichertenrenten” wird aber nur im Zusammenhang mit der Regelung des Ausmaßes des Eingriffs gebraucht und ist – wie gezeigt – schon deswegen irreführend, weil die Herabsetzung überhaupt nicht die Versichertenrenten, sei es die aus der Sozialversicherung der DDR oder die nach dem SGB VI berechneten Renten, betrifft. Bei dieser Sachlage kann der Wortlaut der Norm zwanglos auch so verstanden werden, daß die Begrenzung auf 2.010,00 DM (nur) „für Versichertenrenten” gelten soll, bei denen Sinn und Zweck des Gesetzes eine Teilentziehung des bindend zuerkannten Versorgungsanspruchs erfordern und rechtfertigen.
Für diese Auslegung spricht grundsätzlich schon folgendes:
Der an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte gebundene Gesetzgeber (Art 20 Abs 3 Regelung 1 iVm Art 1 Abs 3 Regelung 1 GG) darf derartige Eingriffe in nach Bundesrecht verbindlich zuerkannte vermögenswerte Ansprüche auf Altersversorgung ua nur anordnen, wenn und soweit ein verfassungsgemäßer öffentlicher Zweck - die Gleichbehandlung der Betroffenen untereinander und die Ungleichbehandlung dieser mit den nicht betroffenen Versorgungsberechtigten als sachlich vertretbar erscheinen läßt, – das Eingriffsmittel als verhältnismäßig ausweist und - die tatbestandliche Rückanknüpfung von Rechtsfolgen an in der Vergangenheit abgeschlossene, nicht mehr veränderbare Lebenssachverhalte trotz schutzwürdiger Vertrauenspositionen des Bürgers rechtfertigt. Die Rechtsprechung hat den – in Fällen der vorliegenden Art besonders weiten – Gestaltungs- und Bewertungsspielraum des Gesetzgebers zu achten und nur die Einhaltung der vorgenannten äußersten verfassungsrechtlichen Grenzen zu prüfen. Sie muß deswegen davon ausgehen, daß die Gesetzgebungsorgane den Zweck der Norm, also den unerläßlichen Maßstab für diese Prüfung, im Gesetz ausgestaltet, zumindest aber in einer der Auslegung zugänglichen Weise verlautbart haben. Die Annahme, das Gesetz diene keinem aus ihm erkennbaren öffentlichen Zweck, sondern greife rechtsstaatswidrig nur um des Eingriffs willen ein, darf nur bei zwingendem Grund Ergebnis der Auslegung sein.
Zwar wird der vom Gesetzgeber verfolgte und für verfassungsgemäß erachtete Eingriffszweck im Wortlaut des § 10 AAÜG nicht näher entfaltet. Der Gesetzestext deutet jedoch mit dem Grenzbetrag von 2.010,00 DM noch hinreichend an, welchem Zweck der Eingriff dienen soll, welches Ziel der objektive Wille des Gesetzes (stellvertretend dazu BVerfGE 11, 126, 129 ff; 64, 217, 220 f) verfolgt, welcher öffentlicher Belang es mithin nach dem Konzept des Gesetzes rechtfertigt, daß die Verwaltung einem (Alters-)Rentner die ihm bindend bewilligte Altersversorgung auf 2.010,00 DM kürzt. In diesem Grenzbetrag wird nämlich vor dem Hintergrund von Zweck und Systematik des AAÜG, der finalen und systematischen Vorgaben im EV (insbesondere in EV Nr 9) und der auch problemgeschichtlichen Verknüpfungen mit den §§ 23 Abs 2 und 24 RAG (sowie mit dem Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. Juni 1990, GBl S 501) deutlich: Die Begrenzung nach § 10 AAÜG soll nur Versorgungsansprüche treffen, die auf politischer Begünstigung ruhen, also politische Privilegien sind. Gemeint sind Versorgungszusagen, bei denen das AAÜG in typisierender Bewertung vermutet, daß sie nicht oder nicht in vollem Umfang Äquivalent einer eigenen, für die Volkswirtschaft, der Quelle aller Sozialleistungen, nützlichen Arbeit oder Leistung des Berechtigten gewesen sind.
b) § 10 AAÜG vervollständigt das Überführungsprogramm des Gesetzes im Blick auf solche Teile der Versorgungsansprüche (von Bestandsrentnern und rentennahen Jahrgängen), die nicht in eine SGB VI-Rente überführt werden können:
Hauptthema der Regelungen des AAÜG ist, wie Ansprüche (und Anwartschaften) aus (Zusatz- und Sonder-)Versorgungszusagen früherer Arbeitgeber in der DDR, die von deren Funktionsnachfolgern (Art 13, 14 EV) nicht aufgehoben worden sind (Art 19 Satz 2 EV), in nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Renten überführt, dh in solche umgewandelt und durch sie ersetzt werden sollen. Als Folgeregelung hierzu bestimmt dann § 307b SGB VI, daß und wie „die nach dem AAÜG überführte Rente” nach den Vorschriften des SGB VI neu zu berechnen und die Forderung des Berechtigten – ggf unter Einbeziehung des og Rentenzuschlags iS von § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI -neu festzusetzen ist.
Hauptziel der Vorschriften des AAÜG ist dabei, alle Anspruchselemente auszusondern, die nicht auf volkswirtschaftlich sinnvoller Arbeit, sondern sachfremd auf politischer Begünstigung durch das Regime beruhen. Im Hintergrund steht, daß Versorgungssysteme in der DDR nur für einen Teil der Erwerbstätigen geschaffen wurden, nämlich zum einen für dem Regime besonders nützliche Beschäftigungen, zum anderen für Beschäftigungen mit besonderen qualitativen Anforderungen im technischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich, wobei die berufsständischen Versorgungseinrichtungen im früheren Geltungsbereich des Grundgesetzes, die für die entsprechenden Berufstätigkeiten eingerichtet worden sind, als Vorbild dienten.
Zu diesem Zweck listet das AAÜG die zu überführenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme auf (§ 1 Abs 2 iVm Anlage 1: 27 Zusatzversorgungssysteme; § 1 Abs 3 iVm Anlage 2: 4 Sonderversorgungssysteme). Es zählt die überführten (§ 4), nicht überführten (§ 9), noch nicht überführten (§ 14) und eingestellten, dh unmittelbar durch Gesetz aufgehobenen Ansprüche und Anwartschaften (§ 13) auf. Hinsichtlich der zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführten Zusatz- und Sonderversorgungssysteme (§ 2 Abs 2 Satz 1 AAÜG) bestimmt es, daß die Leistungen wie eine nach den Vorschriften für das Beitrittsgebiet berechnete, also wie eine Rente nach dem SGB VI zu behandeln sind (§ 4 Abs 3 Satz 1 AAÜG; zu Anwartschaften Abs 4 und 5 aaO).
Allein schon wegen der Maßgeblichkeit der Beitragsbemessungsgrundlage für den Wert der Entgeltpunkte (§§ 70, 157, 161, 256a SGB VI) liegt auf der Hand, daß der Zahlbetrag des bisherigen Anspruchs eines Bestandsrentners durch einen nur nach dem SGB VI berechneten Anspruch nicht erreicht werden kann, wenn der überführte Versorgungsanspruch höher als die theoretische, dh praktisch nicht erreichbare Höchstrente nach dem SGB VI war. Dasselbe gilt, wenn der bisherige Anspruch aus Zusatzversorgung (ggf zusammen mit der DDR-Sozialversicherungsrente) höher war als die individuelle SGB VI-Rente. Deshalb bedurfte der gesetzlichen Klärung, welche dieser überführten (§ 2 Abs 2 Satz 1 AAÜG), also – anders als nach § 13 AAÜG – nicht abgeschafften, aber nur zT durch die SGB VI-Rente ersetzten Versorgungsansprüche auf Versorgungszusagen beruhten, die es ihrer Art nach nicht rechtfertigen, die Funktionsnachfolger der früheren Arbeitgeber weiterhin mit den Kosten hierfür zu belasten (§ 15 AAÜG). Regelungsthema des § 10 AAÜG, der einzigen einschlägigen Vorschrift, ist, diese dem Überführungskonzept des Gesetzes innewohnende Problematik widerspruchsfrei, dh in Übereinstimmung mit den in diesem Gesetz selbst getroffenen Wertungen, zu lösen.
c) Das AAÜG differenziert (im Vergleich mit der von Versorgungssystemen nicht erfaßten Arbeitswelt in der DDR) in einer dreistufigen Typik zwischen Versorgungsansprüchen, die auf qualitativ herausgehobene Arbeit und Leistung beruhen, solchen, die nur zT Gegenwert für Arbeit und Leistung sind, und denjenigen, die allein wegen der besonders regimenützlichen Tätigkeit gewährt wurden:
Nach der Grundregel von § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG werden bei der Rentenberechnung den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (§ 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3 zugrunde gelegt, dh maßgeblich ist das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeiteinkommen bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (1, 8-fache des Durchschnittsverdienstes). Das bedeutet, daß die SGB VI-Rente bei Berechtigten mit Versorgungsanspruch grundsätzlich nach denselben Regeln zu berechnen ist, wie bei allen anderen Versicherten im Beitrittsgebiet. Insoweit gilt – wie für alle Versicherten im ganzen Bundesgebiet –, das die Rentenversicherung prägende leistungsrechtliche Prinzip der Lebensstandardsicherung (dazu stellvertretend Ruland NZS 1992, 41, 42 mwN), dh die Rente soll – bis zur Grenze des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens – Spiegelbild der individuellen Lebensarbeitsleistung sein.
Sodann benennt das Gesetz (§ 6 Abs 2, 3 und § 14 Abs 2) Beschäftigungen, für die bei der Bewertung der Pflichtbeitragszeiten (§ 5 AAÜG) Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen nur höchstens bis zum Durchschnittsverdienst der Versicherten zugrunde zu legen ist (Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nrn 2, 3, 19 bis 27; Sonderversorgungssysteme der Anlage 2 Nrn 1 bis 3; § 6 Abs 3 Satz 3 Nrn 1 bis 7). Einziger sich aufdrängender Sachgrund für eine teilweise Nichtanrechnung von wirklich erlangtem Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen ist die augenfällige besondere Regimenützlichkeit dieser Beschäftigungen (hauptamtliche Mitarbeiter in Staatsapparat und in bestimmten gesellschaftlichen Organisationen, Beschäftigungen mit herausgehobener Bedeutung für das Regime). In typisierender Bewertung erscheint unter Berücksichtigung der allgemeinen Bedingungen in der DDR die Vermutung begründet, daß diese Versorgungsansprüche und die ihnen zugrundeliegenden Arbeitsentgelte jedenfalls teilweise sachwidrige Besserstellungen enthalten, also politische Vergünstigungen sind.
Das Bemühen des Gesetzes, nur durch Arbeit und Leistung erworbene Rechtspositionen zu überführen, hingegen alle politischen Privilegien auszuschalten, wird ferner augenfällig daran, das es bestimmte Beschäftigungen, obwohl im regimenahen Bereich gelegen, ausdrücklich nicht der Kürzung auf Durchschnittsentgelte unterwirft (§ 6 Abs 2; Anlage 7; – falls nicht auch noch eine Beschäftigung iS von § 6 Abs 3 Satz 3 AAÜG ausgeübt wurde).
Es handelt sich dabei um Tätigkeiten unterhalb einer leitenden Funktion, um hauptamtliche Tätigkeiten in bestimmten Institutionen des Wirtschafts-, Versicherungs-, Kultur- und Fürsorgebereichs sowie in der Berufsfeuerwehr.
Als spezielle Ausnahmeregelung unterwirft § 6 Abs 5 iVm § 7 AAÜG die Versorgungsansprüche aus dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr 4 (Stasi-Versorgung) einer besonders einschneidenden Kürzung ua durch Begrenzung der anrechenbaren Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen auf etwa das 0,7-fache des Durchschnittsverdienstes.
Das AAÜG unterscheidet also beim ersten und – auch für den og, hiervon abhängigen Rentenzuschlag – wichtigsten Überführungsschritt – mit tiefgreifenden Rechtsfolgen für die Betroffenen – zwischen erarbeiteten, nur zT verdienten und im wesentlichen auf regimebedingter Gewährung beruhenden Rechten. Diese Typisierung unterliegt – zumal in Anbetracht der ausgeprägten Differenzierungen – im Grundsatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Angesichts einer historisch einmaligen Umbruchsituation, einer im einzelnen schwer durchschaubaren Rechtslage und Verwaltungspraxis im Versorgungsrecht der DDR, der zeitgeschichtlich bekannten Vorgänge nach dem 9. November 1989 (zB „Aktenreinigung”) und der Notwendigkeit raschen Handelns durfte das Gesetz von einer – im übrigen von der BfA in angemessener Zeit nicht zu bewältigenden – Anordnung der Einzelfallprüfung nach den Kriterien von Arbeit und Leistung grundsätzlich absehen.
Hingegen zwingt weder die hier vorzunehmende Auslegung des § 10 AAÜG noch der Stand der bislang vom SG getroffenen tatsächlichen Feststellungen dazu, die Frage zu entscheiden, ob diese Typisierung – allein im Blick auf die Berechnung der Rente nach dem SGB VI – in allen Einzelheiten verfassungsgemäß ausgestaltet oder ergänzungsbedürftig ist; es könnte zB eine Regelung erforderlich sein, die es den von dieser Typisierung sinnwidrig erfaßten Personen ermöglicht, in einem sachbereichspezifisch ausgestalteten Verfahren zu beweisen, daß sie ihr Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen ausschließlich für eine Erwerbstätigkeit erhalten haben, die in der DDR auch in der allgemeinen Arbeitswelt vorhanden war und gleichhoch vergütet wurde. Keiner Darlegung bedarf im übrigen, daß das Gesetz mit dieser dreistufigen Typik iS von Art 3 Abs 1 GG wesentlich Ungleiches (Arbeitsleistung und politische Vergünstigungen) entsprechend seiner Unterschiedlichkeit in einem angemessenen Verhältnis ungleich behandelt.
5. Indes weisen nicht nur Zweck und Systematik des AAÜG, sondern auch schon der Wortlaut des § 10 aaO darauf hin, daß diese Vorschrift nur dem Zweck dient, das Programm abrundend zu vollenden, die zu überführenden Versorgungsansprüche von politischen Vergünstigungen zu reinigen. Der Grenzbetrag von 2.010,00 DM stellt diese Vorschrift nämlich in den geschichtlichen Problem- und Sinnzusammenhang mit dem RAG und den Vorgaben in EV Nr 9, die – soweit möglich – zu erfüllen und als geltendes Bundesrecht (Art 45 Abs 2 EV) abzulösen, Ziel des AAÜG ist. Die den Zweck der Eingriffsregelung beleuchtende Signifikanz des Grenzbetrages von 2.010,00 DM ergibt sich daraus, daß das Gesetz auch in diesem Strukturelement an das vom erstmals demokratisch legitimierten Gesetzgeber der DDR (gemäß Art 20 Abs 2 des Staatsvertrages) zum 1. Juli 1990 entwickelte und mit gewissen Veränderungen in EV Nr 9 übernommene Überführungsprogramm und dabei insbesondere an das Bemühen anknüpft, sachwidrige Besserstellungen (politische Vergünstigungen) zu beseitigen:
a) Schon der DDR-Gesetzgeber hat im RAG ab 1. Juli 1990 (§§ 23 ff aaO) im Blick auf die für das zweite Halbjahr 1990 beabsichtigte Überführung von Versorgungsansprüchen folgende Grundentscheidungen getroffen:
- Überführung grundsätzlich nur in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung;
- Zahlbetragsschutz (mit abgeschwächter Steigerungsmöglichkeit) für Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge;
- Beseitigung ungerechtfertigter Leistungen (§§ 26 ff RAG);
- Ausschluß überhöhter Leistungen, also von Überversorgungen (mit Anspruchsherabsetzung für Zahlungszeiträume ab dem Zeitpunkt der Überführung; § 24 Abs 3 Buchst b Satz 2);
- Abbau sachwidriger Besserstellungen (politischer Vergünstigungen) in einer dreistufigen Typik:
Die Renten aus dem MfS/Stasi-Sonderversorgungssystem wurden mit dem Ziel der Anpassung an das Niveau im zivilen Bereich auf den Höchstbetrag von 990,00 DM begrenzt. § 23 Abs 2 RAG umschrieb die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme sowie Beschäftigungen, bei denen wegen ihrer besonderen Regimenähe wenigstens zT von ungerechtfertigten Besserstellungen (politischen Vergünstigungen) gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen und gegenüber der allgemeinen Arbeitswelt auszugehen war. Diese politisch begünstigten Versorgungsansprüche wurden ab 1. Juli 1990 auf den Höchstbetrag von 1.500,00 DM festgesetzt; zusätzlich gezahlt werden konnte die Rente aus der Sozialpflichtversicherung, die zum 30. Juni 1990 höchstens 510,00 DM betragen konnte (vgl Wolter, Zusatzversorgungssysteme der Intelligenz, 1992, S 22; Wilmerstadt, Das Neue Rentenrecht, SGB VI, 1992, S 221), so daß bei diesen regimenahen Beschäftigungen der Ausgangswert für die zu überführenden Ansprüche höchstens die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Zusatzversorgungen, also der Höchstbetrag von 2.010,00 DM sein konnte. Demgegenüber bestimmte das RAG für die Versorgungsansprüche, die auf Arbeit und Leistung, nicht aber auf politischer Vergünstigung beruhten, grundsätzlich die Fortzahlung in der bisherigen Höhe.
Dieses Überführungsprogramm des RAG galt mit den im vorliegenden Zusammenhang nicht belangvollen Maßgaben nach dem EV (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) und den nachfolgend genannten Änderungen durch EV Nr 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 1991, also auch über das Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 hinaus, als Bundesrecht fort.
b) Der EV Nr 9 (Regelungen für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme -Versorgungssysteme) hat dieses Überführungsprogramm mit ua folgenden Maßgaben verändert:
Gemäß Nr 9 Buchst b Satz 1 waren die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Alter und Tod, soweit noch nicht geschehen, bis zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen (sog Systementscheidung). Dazu bestimmt der Satz 3 aaO: Ansprüche und Anwartschaften sind …
1. nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf (sog Überführungsprogramm), und 2. darüber hinaus zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße ihre Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat (vgl § 27 Abs 1 RAG).
Satz 4 aaO (sog Zahlbetragsgarantie) bestimmte, daß bei Personen, die am 3. Oktober 1990 leistungsberechtigt sind (sog Bestandsrentner), bei der Anpassung nach Satz 3 Nr 1 der Zahlbetrag nicht unterschritten werden darf, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und den Versorgungssystemen zu erbringen war (zu Anwartschaften der rentennahen Jahrgänge: Satz 5 aaO).
Aus dem Zusammenwirken der sog Systementscheidung mit der sog Zahlbetragsgarantie ergibt sich, daß der EV die in § 24 Abs 5 RAG vorgesehene begrenzte Dynamisierung des Gesamtzahlbetrages der Ansprüche auf Altersversorgung oberhalb der Sozialversicherungsrente auch für Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge abgeschafft hat, so daß diesem Personenkreis (Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge mit einer Gesamtaltersversorgung oberhalb der theoretischen SGB VI-Rente) seit dem 3. Oktober 1990 nur noch die Erhaltung des Nominalwertes ihres bisherigen Anspruches gewährleistet war (soweit er nicht politisch überhöht war).
c) Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Bundesgesetzgeber mit § 10 (und den anderen Vorschriften des) AAÜG nicht bezweckt, die Maßgaben im EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 2 durchzusetzen. Die Gesetzgebungsorgane haben den (als Art 4 RÜG vorgeschlagenen – BT-Drucks 12/630 und BT-Drucks 12/405) Entwurf des Versorgungskürzungsgesetzes abgelehnt. Statt dessen haben sie das Versorgungsruhensgesetz beschlossen, das nur einen engen,
mit EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 2 nicht übereinstimmenden und im hier streitigen Fall nicht einschlägigen Anwendungsbereich hat. Dadurch hat der Bundesgesetzgeber jedenfalls derzeit davon Abstand genommen, die Kürzung und das Ruhen von Versorgungsansprüchen wegen eines Verstoßes gegen die Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit oder wegen Mißbrauchs der eigenen Stellung in einer durch die Verwaltung vollziehbaren Weise zu regeln. Deswegen ist hier auch nicht zu klären, ob das Versorgungsruhensgesetz eine diese Problematik abschließende Regelung enthält oder ob EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 2 geltendes Bundesrecht geblieben ist, das noch der verfassungsrechtlich gebotenen sachbereichspezifischen Ausgestaltung von Eingriffsermächtigungen und grundrechtskonformen Verfahren harrt. Jedenfalls stellt § 10 AAÜG nicht auf individuelles Fehlverhalten ab. Ferner sollte nach den Beratungen zum Entwurf des Versorgungskürzungsgesetzes keinesfalls die BfA mit der für sie fremden Aufgabe belastet werden, derartige Tatbestandsvoraussetzungen zu klären.
d) Die Vorgaben in EV Nr 9 Buchst b Satz 1 und Satz 3 Nr 1 sowie Satz 4 haben das AAÜG und § 307b SGB VI im wesentlichen wie folgt eingelöst:
- Ihrer Art nach ungerechtfertigte Leistungen sind nach § 13 AAÜG (im Anschluß an die §§ 26, 30, 31 RAG) durch Einstellung zum 1. August 1991 unmittelbar durch das Gesetz abgeschafft worden.
- Überversorgungen sind nach materiellem Recht am 31. Dezember 1991 abgebaut worden. Bis dahin konnten einige Berechtigte (zB Hochschullehrer) Gesamtzahlbeträge aus Versicherungs- und Versorgungsrenten von mehr als 90 vH des im letzten Arbeitsjahr durchschnittlich bezogenen Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens beanspruchen. Jedoch haben die §§ 23 Abs 1, 24 Abs 3 Buchst b Satz 2 RAG (vgl auch § 25 Abs 1 Nr 3 RAG) diese Überversorgung bei Versorgungsfällen, die seit dem 1. Januar 1985 entstanden sind, nur noch bis zum Zeitpunkt der Überführung der Versorgungsansprüche in die Rentenversicherung geduldet. Da § 2 Abs 2 Satz 1 AAÜG die Versorgungssysteme „zum” 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt hat und an diesem Tag die vorgenannten Vorschriften des RAG noch galten, war der Abbau dieser Überversorgungen am letzten Tage des Jahres 1991 eingetreten. Der gemäß § 307b Abs 3 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 3 SGB VI ab 1. Januar 1992 „weiterzuzahlende Betrag” war auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts festzusetzen. Seither konnte der zuständige Träger für Zahlungszeiträume ab Januar 1992 im Verfahren nach § 48 SGB X (unter Beachtung der allgemeinen Vorschriften des SGB X) die entsprechenden Beschränkungen vornehmen. Auf diese Weise gewährleistet das Gesetz auch in diesem Zusammenhang die Gleichbehandlung von Bestands- und Zugangsrentnern aus den rentennahen Jahrgängen ab 1992. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil die streitigen Bescheide insoweit keine Regelungen getroffen haben. Sie können ua schon deswegen nicht in Verwaltungsakte iS von § 48 SGB X umgedeutet werden, weil sie (ua mangels Anhörung nach § 24 SGB X) „in der geschehenen Verfahrensweise” rechtmäßig nicht hätten erlassen werden können (§ 43 Abs 1 SGB X).
- Die sog Systementscheidung, alle Versorgungsansprüche, mit Ausnahme derjenigen der Bestandsrentner und bestimmter rentennaher Jahrgänge (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5) in ausschließlich eine nach dem SGB VI berechnete Rente einmünden zu lassen, ist – wie dargelegt – vollzogen. Dabei sind sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellungen in einzelnen Versorgungssystemen bereits weitgehend schon deshalb beseitigt, weil die SGB VI-Rente nur anhand von Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze berechnet wird. Soweit Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen unterhalb dieser Grenze und darauf beruhende Leistungsansprüche gleichwohl infolge politischer Vergünstigungen „überhöht” sind, wurden diese leistungsfremden Anspruchselemente durch die dargelegte dreistufige Typik ausgeschieden (§§ 6, 7, 14 AAÜG).
Der Senat hält die in Art 20 Abs 2 des Staatsvertrages vereinbarte, vom demokratischen DDR-Gesetzgeber im RAG getroffene und vom EV sowie vom AAÜG übernommene Systementscheidung, nach DDR-Recht erworbene Versorgungsansprüche ausschließlich durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen, für jedenfalls derzeit noch verfassungsgemäß. Angesichts einer einzigartigen Übergangssituation, die vom wirtschaftlichen Ruin der DDR gekennzeichnet ist, dessen Folgen ua Art 135a Abs 2 GG notfalls entgegenwirken soll, haben die Gesetzgebungsorgane des Bundes einen besonders weiten Entscheidungsspielraum, welche Schritte sie wann unternehmen, um die grundsätzliche Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet zu fördern. Ihnen obliegt es, die Prioritäten zu setzen. Da – entsprechend den von der DDR gesetzten Bedingungen – für den Großteil der im Beitrittsgebiet Erwerbstätigen eine berufsständische oder betriebliche Altersversorgung als sog „zweite Säule” derzeit noch nicht besteht, gebietet Art 3 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung des Lebensalters der Bestandsrentner und der rentennahen Jahrgänge wenigstens für die Dauer dieser Situation nicht, deren Altersversorgung, soweit Ansprüche oberhalb der theoretischen Höchstrente nach dem SGB VI betroffen sind, vor anderen Gleichstellungsproblemen bevorzugt zu lösen. Dies gilt auch, soweit durch die sog Systementscheidung die nachgehende Vorsorgepflicht der Funktionsnachfolger darauf beschränkt wird, die infolge der Überführung entstandenen Kosten für den Rentenzuschlag letztlich zu tragen (§ 15 AAÜG; EV Nr 9 Buchst d). Vor diesem Hintergrund ist derzeit unbedenklich, daß ein zuvor rechtmäßig und durch Arbeit/Leistung erworbener Versorgungsanspruch oberhalb der theoretischen SGB VI-Rente durch die Überführung nur nicht vermindert wird. Dies gewährleistet der Rentenzuschlag nach § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI.
Diese Vorschrift verwirklicht zudem die sog Zahlbetragsgarantie iS von EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1 iVm Satz 4. Durch die darin enthaltene Begünstigung der Bestandsrentner (nach Satz 5 aaO auch der besonders rentennahen Jahrgänge) sollte nicht nur das Vertrauen in das vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber der DDR zum 1. Juli 1990 geschaffene Recht (einschließlich des Überführungsprogramms) geschützt werden (vgl Ruland NZS 1992, 41, 46), sondern ersichtlich auch Berücksichtigung finden, daß dieser Personenkreis nicht mehr in der Lage ist, seine bei der Überführung berücksichtigte Versicherungsbiographie noch günstig zu beeinflussen oder durch eigene Erwerbstätigkeit eine „zweite Säule” für seine Altersversorgung zu erwerben. Die Rentner sollten also weiterhin Zahlung des – nicht dynamisierbaren – Gesamtbetrages beanspruchen können, der ihnen für Juli 1990 (nach Maßgabe der §§ 23 ff RAG: dauerhaft) zu erbringen war (nicht: gezahlt wurde).
Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält der EV auch insoweit keine selbstwidersprüchliche Regelung. Es geht nämlich bei der sog Zahlbetragsgarantie nicht darum, sachlich ungerechtfertigte und überhöhte Leistungen sowie politische Privilegien durch Bestandschutz endlos vorzuschreiben und damit die Versichertengemeinschaft zu belasten. Diese hat die Kosten der sog Zahlbetragsgarantie ohnehin nicht zu tragen (EV Nr 9 Buchst d; § 15 AAÜG). Ersichtlich sollten nur iS von Satz 3 Nr 1 aaO anpaßbare, also gerade keine Ansprüche garantiert werden, die nach dem RAG und dem EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1 bei der Überführung abzuschaffen, abzubauen oder zu beseitigen waren; nur dies wäre ein Selbstwiderspruch gewesen.
Der Bundesgesetzgeber hat somit diesen Vorgaben des EV Nr 9 umfassend Rechnung getragen. Der vom Kläger behauptete Bruch des EV liegt nicht vor. Obwohl auch die Beklagte dies im Blick auf § 10 AAÜG nicht anerkennt, ergibt sich aus ihren Angaben, daß der überwältigenden Mehrheit der Versorgungsberechtigten (etwa 98 vH der Versicherten und etwa 99 vH der Hinterbliebenen) sogar bei ihrer Handhabung des Gesetzes die Sicherung des Lebensstandards in Höhe wenigstens des (Nominal-)Wertes der für Juli 1990 (dauerhaft) erworbenen Ansprüche garantiert ist. Im übrigen hat die Beklagte gemäß ihrer Rechtsauffassung zu § 10 AAÜG nach eigenen Angaben mit Bezug auf alle Versorgungssysteme (mit Ausnahme desjenigen der SED/PDS) in etwa 2.009 Fällen den Zahlungsanspruch auf 2.010,00 DM herabgesetzt. Dabei wurden die Ansprüche in 507 Fällen bis zu 200,00 DM, in 331 Fällen bis zu 500,00 DM, in 504 Fällen bis zu 1.000,00 DM und in 667 Fällen um mehr als 1.000,00 DM gekürzt.
Somit belegen auch der systematische Zusammenhang des Regelungsbereichs und die Problemgeschichte, daß das AAÜG sich das von der frei gewählten Volkskammer entworfene und im EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1 fortgeschriebene Überführungsprogramm in allen wesentlichen Strukturelementen bis hin zu dem Höchstbetrag für politisch begünstigte Versorgungsansprüche von 2.010,00 DM zu eigen gemacht hat. Nirgendwo klingt im Gesetz an, dieses verfolge einen anderen Zweck.
e) § 10 AAÜG fügt sich zwanglos und abrundend in diesen Rahmen ein:
Das AAÜG hat nämlich das Programm, sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellungen (politische Vergünstigungen) zu beseitigen, gemäß der Vorgabe im EV Nr 9 zulässigerweise konkretisierend und ergänzend fortgeschrieben. Es hat – im Vergleich mit § 23 Abs 2 RAG – die Liste der Zusatzversorgungssysteme für regimenahe Beschäftigungen erweitert, nämlich um die zusätzliche Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft und um die freiwillige zusätzliche Funktionärsunterstützung für hauptamtliche Mitarbeiter der Gewerkschaft FDGB (Anlage 1 Nrn 3, 22), ferner die Liste der Sonderversorgungssysteme um dasjenige der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (Anlage 2 Nr 3). Weiterhin wurde der Beschäftigungskatalog des § 6 Abs 3 Satz 3 Nrn 1 bis 7 AAÜG geschaffen. Zugleich wurden aber auch bestimmte Beschäftigungen von der Liste der regimenahen Tätigkeiten genommen (§ 6 Abs 2 AAÜG; Anlage 7).
Im Blick hierauf sowie auf die Fälle, in denen § 23 Abs 2 RAG Ende Juli 1991 noch nicht umgesetzt war, bedurfte es einer besonderen Ermächtigungsgrundlage. Denn es war – vor der Überführung der Versorgungsansprüche zum 31. Dezember 1991 – zu bewirken, daß alle Berechtigten mit wegen Regimenähe überhöhten Versorgungsansprüchen durch Anspruchsbegrenzung auf höchstens 2.010,00 DM gleichbehandelt wurden. Darunter fallen auch Versorgungsansprüche, die entgegen den im Juli 1990 geltenden allgemeinen Vorschriften über die überführten Versorgungssysteme (zB durch besondere Ministerratsbeschlüsse) und damit in diesem Sinne rechtswidrig gewährt worden sind (vgl Art 19 Satz 2 EV).
Wegen der außerordentlichen Belastung gerade für die BfA und des Zeitdrucks für die Gesetzgebungsorgane des Bundes ist auch nicht zu beanstanden, daß diese Kürzung auf 2.010,00 DM nur bei hohen Zahlbeträgen weit jenseits der theoretischen Höchstrente nach dem SGB VI durchgeführt und von einer weiteren Differenzierung abgesehen wird. Das bedeutet aber, daß bis zum Betrag von 2.010,00 DM sogar politische Privilegien und rechtswidrig erlangte Versorgungsansprüche fortgeschrieben und mit denjenigen, die durch Arbeit und Leistung rechtmäßig erworben worden sind, gleichgestellt werden. Dies ist rechtsstaatlich nur im Blick auf die außerordentlichen Probleme der Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung erträglich. Denn nur so konnten bei der Mehrzahl der regimebedingt „kranken Bestandsfälle” in einem Zuge ohne zusätzliche aufwendige und zeitraubende Verwaltungsverfahren ein angemessener Zahlbetrag bestimmt werden, der höchstens bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen sein würde, bis die SGB VI-Rente ihn übersteigt.
In diesem Sinn enthält § 10 AAÜG eine zwar an die äußersten Grenzen des rechtsstaatlich Zulässigen gehende, aber noch zu rechtfertigende Ermächtigung zum Eingriff in Rechtspositionen dieser Bestandsrentner. Deren Ansprüche sind nämlich dadurch gekennzeichnet, daß sie, obwohl oberhalb der SGB VI-Rente liegend, zwar auf bundesrechtlicher Grundlage bindend zuerkannt wurden, aber gemäß der seit Juli 1990 gültigen Gesetzeslage (§§ 23 ff RAG; EV Nr 9), also nach einer beim Beitritt am 3. Oktober 1990 vom Grundgesetz vorgefundenen Rechtslage, als zum Teil nicht schutzwürdig ausgewiesen waren, weil sie sachwidrige Besserstellungen (politische Vergünstigungen) enthielten, die zu beseitigen waren.
6. Das SG und die Beklagte haben keinen anderen öffentlichen Belang, insbesondere keinen Gesetzeszweck benannt, der die Ansicht der Beklagten rechtfertigen könnte, § 10 AAÜG als den Befehl zu verstehen, durch Arbeit/Leistung rechtmäßig erworbene und nach Bundesrecht bindend zuerkannte Versorgungsansprüche (nur) von Bestandsrentnern (und rentennahen Jahrgängen) teilweise abzuschaffen, obwohl das Gesetz sie in § 2 Abs 2 Satz 1 und § 4 Abs 1 AAÜG verbindlich in Rentenleistungen überführt hat.
Die bei der Kürzung von Sozialleistungen immer mitzubedenkende Absicht, Einsparungen vorzunehmen, hatte in den Beratungen der Gesetzgebungsorgane über die Ausgestaltung von § 10 AAÜG keine tragende Bedeutung (die vermuteten Einsparungen wurden in BT-Drucks 12/405 S 192 und in der Niederschrift über die 553. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates vom 26. Juni 1991 S 7 Nr 3 jeweils nur kurz und undifferenziert erwähnt).
7. Die Entstehungsgeschichte des § 10 AAÜG läßt – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht erkennen, daß in den Gesetzgebungsorganen eine eindeutige Vorstellung über Zweck und Inhalt der Gesetz gewordenen Kompromißformel herrschte:
a) Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 12/630) und dem der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (BT-Drucks 12/405) lag das Regelungskonzept zugrunde – die in EV Nr 9 Buchst b Satz 4 festgeschriebene Zahlbetragsgarantie für Bestandsrentner und besonders rentennahe Jahrgänge völlig aufzugeben, – bei der Rentenberechnung grundsätzlich alle Versorgungsansprüche nur mit dem Durchschnittsverdienst zu bewerten (abgesehen vom MfS/Stasi-Sonderversorgungssystem und von durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Personengruppen) und – sofort die laufenden Zahlungen im „Vorgriff” auf die Ergebnisse der individuellen Rentenfeststellung auf höchstens 1.500,00 DM (für MfS/Stasi: 600,00 DM) zu begrenzen.
Die Begründung hierfür ergibt sich aus BT-Drucks 12/405 S 113 Nr 4 und S 148; vgl auch BT-Drucks 12/786 S IV: Höchstbetrag 1.600,00 DM. Ferner wurde zur Ausführung der og Maßgabe in EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 3 als Art 4 RÜG ein Versorgungskürzungsgesetz vorgeschlagen.
Auf die Begründung dieser Entwürfe ist ebensowenig wie auf die vom Kläger hierzu vorgetragenen ua verfassungsrechtlichen Bedenken näher einzugehen. Denn dieses Konzept ist von den Gesetzgebungsorganen wesentlich geändert (so Wilmerstadt, Das Neue Rentenrecht, SGB VI, 1992, S 224), nämlich in der hier entscheidenden Frage der Fortsetzung des og Überführungsprogramms aufgegeben worden:
b) In den Anhörungen hatten ua die Sachverständigen (zum Anhörungsverfahren s die Hinweise in BT-Drucks 12/826 S 2 und die stenographischen Berichte nebst Anlagen hierzu) schwere, vor allem rechtsstaatliche Bedenken ua gegen die vorgeschlagene undifferenzierte Begrenzung der Versorgungsansprüche von Bestandsrentnern (und der Anwartschaften der besonders rentennahen Jahrgänge) aufgezeigt. Daraufhin wurden mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP (BT-Drucks 12/829) im wesentlichen die später Gesetz gewordenen Fassungen ua von §§ 2 Abs 2, 4 Abs 4, 6 Abs 1 bis 4, 10 Abs 1 und Abs 2, 14 und 15 Abs 2 AAÜG vorgeschlagen und damit alle das Gesetzeskonzept tragenden Vorschriften geändert; insbesondere wurden – wie dargelegt – sämtliche Strukturelemente einschließlich der dreistufigen Typik und des Höchstbetrages von 2.010,00 DM aus dem Überführungsprogramm des RAG und des EV Nr 9 übernommen. Ferner wurde in Art 4 RÜG statt des Versorgungskürzungsgesetzes das jetzt gültige Versorgungsruhensgesetz angeregt. Eine Begründung für die Neukonzeption des AAÜG wurde nicht gegeben. Einzige Quellen dafür, welche Vorstellungen die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Amtswalter mit dem AAÜG und insbesondere mit dem Kompromiß zu § 10 des Gesetzes verbanden, sind die Niederschriften über die Beratungen des Deutschen Bundestages (2. und 3. Lesung am 21. Juni 1991, 35. Sitzung, Plenarprotokoll 12/35, S 2931 ff) und über die des Bundesrates, der am 5. Juli 1991 seine Zustimmung erklärte (663. Sitzung, Stenographischer Bericht, S 294 bis 301). Im Bundestag nahmen neun, im Bundesrat drei Mitglieder zur Überführung der Versorgungsansprüche in die Rentenversicherung Stellung.
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten vermitteln diese Quellen das Bild, daß keine einheitliche, insbesondere keine eindeutige Vorstellung bestand, was mit dem Kompromiß über die Neukonzeption des AAÜG und dessen § 10 rechtlich und tatsächlich bewirkt werden sollte:
Im Bundesrat beklagte die Ministerin Dr. Hildebrandt, viele der Wissenschaftler, Künstler, Pädagogen und Angehörigen der technischen Intelligenz müßten wegen der Obergrenze von 2.010,00 DM für alle Zusatzsysteme durch Rentenkürzung ab Januar 1992 eine erhebliche Einbuße in ihrem Lebensstandard hinnehmen; dies sei Inhalt des Konsenses gewesen. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Dr. Blüm, der nicht alle Zusatz- und Sondersysteme als Privilegiensysteme abqualifizieren wollte, erklärte, man habe die Obergrenze bei allen Zusatz- und Sondersystemen erhöht. Hingegen war der Ministerpräsident von Thüringen, Duchac, der Auffassung, weil die Obergrenze jetzt mehr als 2.000,00 DM betrage, werde eine der Gesamtintention des RÜG nicht entsprechende ungerechte Benachteiligung zB der Ärzte vermieden; diese wären vom ursprünglichen Entwurf betroffen gewesen.
Im Deutschen Bundestag hielt die Abgeordnete Bläss (PDS/Linke Liste) die Grenzbeträge überhaupt für willkürlich. Die Abgeordnete Jäger (SPD) bekundete, man habe sich bei der Summe von 2.010,00 DM an der Obergrenze orientiert, welche die Volkskammer für einige Zusatzversorgungssysteme beschlossen habe. Der Abgeordnete Schreier (SPD) betonte, die SPD habe die generelle Obergrenze von 2.010,00 DM vorgeschlagen, weil damit an dem gleichlautenden Beschluß der freigewählten Volkskammer vom Juni 1990 angeknüpft werde (gemeint sind jeweils die §§ 23 ff RAG, die im Zeitpunkt dieser Beratungen geltendes, vom Bundesgesetzgeber im EV bestätigtes Bundesrecht waren). Demgegenüber hob der Abgeordnete Dreßler (SPD) hervor, die von der demokratisch gewählten Volkskammer beschlossene und im EV bestätigte Obergrenze von circa 2.010,00 DM werde beibehalten; ein weiterer, pauschal diskriminierender Kürzungsschritt sei – entgegen dem ursprünglichen Entwurf – unterblieben. Darin sah der Abgeordnete Kauder (CDU) den – freudig begrüßten – Konsens mit der Opposition. Zudem bekräftigten die Abgeordnete Mascher (SPD) und die Abgeordneten Rother und Hörsken (beide CDU), es gehe um die Beseitigung von überhöhten Renten und Privilegien der Führungskader der ehemaligen DDR, um die Abschaffung von Prämien für ehemalige SED-Herrscher (Hörsken), nicht alle Berufsgruppen, die von Zusatzversorgungen erfaßt gewesen seien, seien systemnah (Mascher) oder eine Verlängerung ungerechtfertigter sozialistischer Bereicherung gewesen (Rother). Daher erfolge bei Leistungen aus Zusatzversorgungen eine differenzierende Regelung; zB solle der nicht weiter in das Unrechtsystem verstrickte Naturwissenschaftler, der sich zufällig in einem Zusatzversorgungssystem befinde, nicht benachteiligt werden (Rother). Die Abgeordnete Dr. Babel (FDP) stellte klar, der Volkskammerbeschluß, nach dem die Kappung bis 2.010,00 DM durchgeführt werden sollte, verdiene einen gewissen Bestands-und Vertrauensschutz. Der Abbau überhöhter Leistungen ziele darauf, daß Systemgewinnler nicht auch noch im Rentenrecht überhöhte Versorgungen bekämen. In Ausnahmen sei im Gesetz eine Kappung vorgesehen, und zwar für die Gruppen, denen der Vorwurf zu machen sei, dem Staat besonders nahe gewesen zu sein und dem System besonders gedient zu haben. Man habe ua im Blick auf die im ursprünglichen Entwurf vorgeschlagene generelle Kappung etwas ändern wollen. Der Gesetzgeber müsse sich nämlich an die Vorgaben des EV halten. Die Intelligenz in der DDR, der hochqualifizierte Bestand an Wissenschaftlern, Technikern, Künstlern dürfe nicht in der Altersversorgung beeinträchtigt werden, sondern das Erreichte behalten.
d) Es bedarf keiner Darstellung, wie weit die vorgenannten Diskussionsbeiträge durch objektive Fehlvorstellungen rechtlicher und tatsächlicher Art über die Zusatzversorgungen sowie über Text und Inhalt von AAÜG, RAG, EV Nr 9 und § 307b SGB VI geprägt sind. Die Äußerungen sprechen nämlich dafür, daß unvereinbare Vorstellungen über den Gehalt des erzielten Kompromisses und seine rechtlichen und faktischen Folgen bestanden. Aus dieser Entstehungsgeschichte läßt sich keinesfalls der von der Beklagten behauptete „eindeutige Wille des Gesetzgebers” herleiten, von den Vorgaben EV und von dem im RAG beschlossenen Überführungsprogramm einschneidend abzuweichen und bei Bestandsrentnern (und rentennahen Jahrgängen) erarbeitete sowie rechtmäßig und dauerhaft anerkannte Versorgungsansprüche mit politisch überhöhten sowie rechtswidrig erlangten Privilegien undifferenziert gleichzustellen. Alle Beiträge stimmten allenfalls in dem einen Punkt überein, es gehe ausschließlich um den Abbau politischer Privilegien, die eben nicht Grundlage aller Versorgungsansprüche seien. Gegen die Auffassung der Beklagten spricht außerdem, daß in den Gesetzgebungsorganen nicht – jedenfalls nicht erkennbar – der Zweck des Eingriffs und seine Verhältnismäßigkeit geprüft und auch nicht das aufgrund bundesrechtlicher Zusage schutzwürdige Vertrauen der Rentner gegen die – nicht benannten – öffentlichen Interessen an der Änderung abgewogen worden ist.
8. Vor diesem Hintergrund ist § 10 Abs 5 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 AAÜG – entgegen der Ansicht der Beteiligten und wie oben aufgezeigt – so auszulegen, daß er das Konzept der abgestuften Überführung von Versorgungsansprüchen in Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung abrundet, nicht aber – wertungswidersprüchlich und verfassungswidrig – konterkariert:
a) Dies aber wäre der Fall, wenn man – wie die Beklagte meint –, unterschiedslos alle Berechtigten (außer der in § 10 Abs 2 regelten Stasi-Versorgung) mit Versorgungsansprüchen von mehr als 2.010,00 DM der Anspruchskürzung auf diesen Betrag unterwürfe: Dann würde nämlich das Gesetz beim zweiten Schritt zur Überführung des Versorgungsanspruchs in Rentenleistungen, der Ausgestaltung des Rentenzuschlags, Rechtspositionen und Sachverhalte als wesentlich gleich einstufen, die es beim ersten Schritt als wesentlich ungleich qualifiziert und deswegen unterschiedlich geregelt hat, weil sie einerseits erarbeitet, andererseits aber nur zum Teil verdient waren. Eine derart selbstwidersprüchliche Bewertung ein und desselben zu überführenden Versorgungsanspruchs würde ferner dazu führen, daß bei der für die Lebensführung der Berechtigten entscheidenden Frage nach der Höhe ihrer Forderung gegen die BfA alle Versorgungsberechtigten gleichbehandelt würden. Das bedeutet: Die Berechtigten aus politisch privilegierten Beschäftigungen und Versorgungssystemen erhielten das, was ihnen beim ersten Überführungsschritt, der Berechnung der SGB VI-Rente als leistungsfremde politische Vergünstigung nicht anerkannt wurde, dennoch im Wege eines entsprechend erhöhten Rentenzuschlags. Ihnen stünde also im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dasselbe zu wie denjenigen, die auf der Qualität ihrer Arbeitsleistung beruhende Versorgungsansprüche (auch im rechtsstaatlichen Sinn: rechtmäßig) erworben hatten. Außerdem würden – aus der Sicht des Rechtsstaats – rechtmäßig erworbene und rechtswidrig zuerkannte Ansprüche gleichbehandelt. Darüber hinaus würde aber auch noch nach der dreistufigen Typik des AAÜG wesentlich Gleiches ohne erkennbaren Sachgrund ungleichbehandelt. Denn die „erarbeiteten” (rechtmäßigen) Versorgungsansprüche bis zum Betrag von 2.010,00 DM würden vollständig überführt, während die höheren, aber ebenso erarbeiteten und rechtmäßigen Ansprüche auf 2.010,00 DM gekappt werden könnten, ohne daß hierfür ein vertretbarer Grund, der dies rechtfertigen könnte, benannt oder ersichtlich wäre.
Die Gleichheitswidrigkeit und Widersprüchlichkeit dieses Ergebnisses läßt sich auch nicht mit dem Argument der Beklagten (vgl BT-Drucks 12/405 S 113) ausräumen, § 10 AAÜG treffe nur Personen, die unter den Bedingungen der DDR in hohe und höchste Positionen aufgestiegen und deswegen als besonders systemnah einzustufen seien. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gesetzgebungsorgane – bei einer solchen Gesetzesauslegung – trotz ihres in der genannten Umbruchssituation besonders weiten Gestaltungs- und Bewertungsspielraumes noch von einer der Wirklichkeit hinreichend Rechnung tragenden Vorstellung von dem durch die Anspruchsbegrenzung betroffenen Personenkreis ausgegangen wären, ferner, ob sie noch eine verhältnismäßige Rechtsfolge oder aber schon eine rechtsstaatlich evident unzulässige Kollektivdiskriminierung (oder „Kollektivzurechnung”) angeordnet hätten. Jedenfalls ist in den Beratungen schon über den ursprünglichen Entwurf zum AAÜG wiederholt klargestellt worden, daß etwa zwei Drittel der in Zusatzversorgungen erfaßten Beschäftigungen (nach Anlage 1: 16 von 27 Zusatzversorgungssystemen) keine spezifische Regimenähe aufwiesen, sondern wegen des gehobenen qualitativen Werts einbezogen worden seien. Die Annahme liegt auch nicht nahe, daß alle Ingenieure, Techniker, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte, Hoch- und Fachschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, Künstler, Schriftsteller, Pädagogen und Ballettmitglieder, also die Berechtigten, denen Ansprüche von mehr als 2.010,00 DM zugestanden haben können, vom qualitativen Wert ihrer Arbeitsleistung nicht gedeckte Versorgungszusagen erhalten haben, wenn diese – wie regelmäßig – nach den allgemeinen Vorschriften, die nach dem EV als Bundesrecht fortgalten und auf qualitative Anforderungen abstellten, gewährt worden sind.
Hierauf ist aber nicht näher einzugehen, weil das positive Recht (§ 6 Abs 2 und 3 AAÜG) eine andere, mit der Auffassung der Beklagten unvereinbare Entscheidung über die rechtliche Beachtlichkeit hoher und höchster Positionen in der DDR getroffen hat. Danach ist grundsätzlich nur bei hauptamtlichen Mitarbeitern des Staatsapparates und bestimmter gesellschaftlicher Organisationen (Anlage 1 Nr 19 bis 22) rechtserheblich, ob sie eine iS von Abs 2 aaO „leitende”, also hohe oder höchste Funktion ausgeübt haben; die nicht „leitend” Berechtigten sogar aus diesen besonders regimenahen Versorgungssystemen sind durch das (vom ursprünglichen Entwurf abweichende) Gesetz den Anspruchsinhabern aus den Zusatzversorgungssystemen gleichgestellt, die das AAÜG als im wesentlichen nicht auf politischen Privilegien, sondern auf der Qualität von Arbeit und Leistung beruhend eingestuft hat.
b) Weil die von der BfA vertretene Gesetzesauslegung gleich mehrfach gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt und das AAÜG keine iS von Art 143 Abs 1 GG nur bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Vorschriften enthält, ist hier nicht im einzelnen darzulegen, daß die Auffassung der Beklagten § 10 AAÜG auf einen Machtspruch des Gesetzgebers reduzieren würde, der ua auch deshalb rechtsstaatswidrig wäre, weil er entgegen Art 2 Abs 1 GG einen „Eingriff um des Eingriffs willen”, also einen Eingriff ohne benannten und verfassungsgemäßen Zweck enthielte. Entgegen dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung darf den Beschlüssen rechtsstaatlicher Gesetzgebungsorgane ein blanker politischer Machtspruch im Sinne einer Kollektivbestrafung, Kollektivdisziplinierung oder gar der politischen Rache nur entnommen werden, wenn dies im Rahmen der juristischen Auslegungsmethoden unabweisbar ist. Das aber ist – wie aufgezeigt – nicht der Fall.
9. Auch im übrigen ist der Ansicht der Beklagten nicht zu folgen, sie müsse bei differenzierender Auslegung des Gesetzes rentenversicherungsfremde Fragen in eigener Verantwortung prüfen und werde mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Entscheidungslast überhäuft. Sie hat vielmehr bei Anwendung von § 10 Abs 5 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 AAÜG den Sachverhalt grundsätzlich nur im Blick auf Fragen zu klären, die das Gesetz ihr ausdrücklich stellt und die sozialrechtstypisch sind:
Ist das Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen des Berechtigten nach den Typisierungen in den §§ 6 und 14 AAÜG nur begrenzt anzurechnen, greift die Anspruchsbegrenzung auf 2.010,00 DM ohne weitere Voraussetzungen durch. Die BfA weist dazu darauf hin, sie sei im pauschalierten Rentenberechnungsverfahren der Frage nicht nachgegangen, ob ein Berechtigter aus einem Zusatzversorgungssystem, das der Anspruchsbegrenzung nicht unterworfen ist, eine Beschäftigung iS von § 6 Abs 3 AAÜG verrichtet hat. Es bedarf keiner Darlegung, daß diese Verwaltungspraxis (zugunsten der politisch Privilegierten) gegen § 307b Abs 5 Satz 3 SGB VI verstieß. Jedenfalls ist die BfA durch das Gesetz selbst verpflichtet, dies spätestens bei der Überprüfung der individuellen Rentenfeststellung von Amts wegen nachzuholen (§ 20 SGB X).
Ferner weist die BfA darauf hin, sie habe schon wegen ihrer außerordentlichen Belastung keine individuellen Prüfungen rechtzeitig vornehmen können. Gemäß § 10 Abs 5 letzter Satz AAÜG iVm § 32 Abs 1 und Abs 2 Nr 3 SGB X war (und ist) sie aber ermächtigt, den letzten bindenden Bewilligungsbescheid für Zahlungszeiträume ab 1. August 1991 nachträglich mit einem entsprechenden Rücknahmevorbehalt (als Unterfall des Widerrufsvorbehalts; dazu BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 4 S 33 mwN) zu versehen. Dieses gegenüber der sofortigen Kappung auf 2.010,00 DM mildere Mittel steht auch für den umgekehrten Fall zur Verfügung, daß trotz entsprechender Anhaltspunkte noch nicht aufgeklärt werden kann, ob eine Beschäftigung nach Anlage 7 oder eine nicht „leitende” Funktion nach § 6 Abs 2 AAÜG ausgeübt wurde. Angesichts der außerordentlichen verwaltungstechnischen Probleme der Einführung des SGB VI im Beitrittsgebiet (vgl Wilmerstadt, aaO, S 234) unterliegt eine großzügige Handhabung des Instruments der nachträglichen Beifügung einer solchen Nebenbestimmung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, falls unverzüglich (§ 121 Abs 1 Satz 1 BGB) – spätestens aber bei der dann von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung der individuellen Rentenfestsetzung – eine abschließende Entscheidung erfolgt. Hierbei verpflichtet das Gesetz die BfA ohnehin dazu, ua sämtliche Voraussetzungen der §§ 6, 7, 14 AAÜG aufzuklären (§ 20 SGB X).
Falls nicht schon insoweit eine Anspruchsbegrenzung geboten (oder ein Rücknahmevorbehalt auszusprechen) ist, also keine typische politische Vergünstigung vorliegt, ist zu prüfen, ob der Versorgungsanspruch zu Recht oder aber entgegen den allgemeinen Vorschriften über Versorgungssysteme idF, in der sie nach den EV (Nr 9 Buchst b Satz 2) iVm dem RAG fortgalten, gewährt worden sind. Hierbei kommt es nur darauf an, ob die Anspruchsvoraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt waren (zB im Blick auf überhöhte Versorgungszusagen des Ministerrats entgegen den eigenen Richtlinien). Ist das nicht der Fall, muß der Anspruch begrenzt werden. Verwaltungs- oder arbeitsrechtlichen Vorfragen ist dabei nach den allgemein in sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren (und Sozialgerichtsverfahren) üblichen Maßstäben nachzugehen.
10. Das angefochtene Urteil des SG ist aufzuheben, soweit es auch die Anfechtungsklage gegen die streitigen Bescheide 1) und 2) abgewiesen hat. Es fehlen nämlich tatsächliche Feststellungen, die das Revisionsgericht nicht treffen darf. Der Senat hat sich im Interesse der Beteiligten an der Erhaltung von zwei Tatsacheninstanzen dafür entschieden, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG). Das SG, das den Sachverhalt – nach seiner Rechtsauffassung zu Recht – noch nicht unter dem hier entfalteten rechtlichen Blickwinkel geprüft hat, wird zu klären haben, ob der Kläger eine der in § 6 Abs 3 Satz 3 AAÜG abschließend aufgezählten Beschäftigungen ausgeübt hat. Ist dies nicht der Fall, wird zu prüfen sein, ob ihm nach den Vorschriften über die AVI (für Hochschullehrer) im Juli 1990 eine Zusatzversorgung in Höhe von 3.296,00 DM zu zahlen war.
Das SG wird ferner ggf auch über den geltend gemachten Zinsanspruch sowie über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
11. Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 97 Abs 2 SGG den Vollzug der streitigen Bescheide 1) und 2), soweit darin der Anspruch auf 2.010,00 DM herabgesetzt worden ist, ausgesetzt und somit die aufschiebende Wirkung der Klage hergestellt. Nach dem derzeitigen Sachstand liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß § 10 Abs 5 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 AAÜG anzuwenden ist. Im übrigen hatte der Widerspruch des Klägers gegen den streitigen Bescheid 1) gemäß § 86 Abs 2 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung.
Fundstellen