Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2001 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 13. April 1999 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 12. Juni 1997 bis 31. Dezember 1997 unter Berücksichtigung einer günstigeren Leistungsgruppe (Lohnsteuerklasse).
Die Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte zu Beginn des Jahres 1997 die Steuerklasse V eingetragen war, lebte seit März 1997 von ihrem Ehemann dauernd getrennt. Aus diesem Anlass ließ sie auf ihrer Lohnsteuerkarte im April 1997 zum 1. Mai 1997 die Steuerklasse IV eintragen. Zu diesem Zeitpunkt stand die Klägerin noch in einem Arbeitsverhältnis, in welchem sie nach Feststellung des Landessozialgerichts (LSG) zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 2.030 DM erhielt. Der Ehemann erzielte zu diesem Zeitpunkt nach Feststellung des LSG ein Einkommen in Höhe von monatlich 4.000 DM brutto als Bauhelfer. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete sodann auf Grund arbeitgeberseitiger Kündigung vom 2. Mai 1997 zum 8. Juni 1997.
Am 12. Juni 1997 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 22. Juli 1997 Alg (nach Aktenlage in Höhe von 140,40 DM wöchentlich) unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 470 DM, des allgemeinen Leistungssatzes und der Leistungsgruppe D (entsprechend Steuerklasse V). Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, ihr stünden auf Grund der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse IV Leistungen nach der Leistungsgruppe A zu, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 1997 als unbegründet zurück.
Seit dem 1. Januar 1998 bezog die Klägerin Alg nach der Leistungsgruppe A.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klage mit Urteil vom 17. April 1999 abgewiesen. Zwar werde nicht verkannt, dass der Wechsel der Steuerklasse für die Klägerin der wirtschaftlich allein sinnvolle Schritt gewesen sei, da die Eheleute bereits seit Anfang März 1997 getrennt gelebt hätten und der Ehemann der Klägerin sich geweigert habe, Unterhaltszahlungen zu leisten. Überdies sei der Steuerklassenwechsel bereits vor Ausspruch der Kündigung und der damit drohenden Arbeitslosigkeit veranlasst worden. § 113 Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) stelle bei einem Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten aber allein auf das Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten ab. Weitere Gesichtspunkte, insbesondere, ob ein Steuerklassenwechsel wirtschaftlich geboten sei, seien nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Für eine einschränkende Auslegung von § 113 Abs 2 AFG sei auch deshalb kein Raum, weil die Notwendigkeit der Überprüfung des Getrenntlebens von Ehegatten zu erheblichen Rechtsanwendungsschwierigkeiten und damit zu nicht praktikablen Verwaltungsentscheidungen führen würde.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat diese Entscheidung auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 25. Januar 2001 “abgeändert” und die Beklagte unter “Aufhebung” des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 12. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 1997 Alg unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A zu bewilligen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe bei der Bemessung des Alg die Leistungsgruppe A entsprechend der Lohnsteuerklasse IV zu berücksichtigen, weil kein Fall des § 113 Abs 2 AFG gegeben sei. In den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) sei ab dem 1. Januar 1996 eine wesentliche Änderung eingetreten, weil seit diesem Zeitpunkt eine Änderung der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte auch für den Fall der dauernden Trennung von Eheleuten zulässig sei. Nach den LStR 1996 bestehe daher ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber dem Finanzamt, die Lohnsteuerklasse ausgerichtet an den Einkommensverhältnissen des jeweiligen Ehegatten zu ändern. Seitens der Finanzverwaltung sei damit anerkannt worden, dass die dauernde Trennung einen objektiven und sachlich gerechtfertigten Grund darstelle, die Steuerklasse zu wechseln. Dieser Sachverhalt werde bereits von § 113 Abs 1 AFG abgedeckt. Angesichts der besonderen Umstände sei vorliegend auch nicht ersichtlich, dass der Lohnsteuerklassenwechsel aus Gründen der Manipulation erfolgt sei. Vielmehr sei der Wechsel sachlich sinnvoll und gerechtfertigt gewesen sowie im Hinblick auf die steuerliche Seite als objektiv geboten anzusehen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 113 AFG. Entgegen der Auffassung des LSG seien die leistungsrechtlichen Auswirkungen des Steuerklassenwechsels ausschließlich nach § 113 Abs 2 AFG zu beurteilen. Denn auch nach Änderung der LStR dürften Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte weiterhin nicht geändert werden, wenn Ehegatten die dauernde Trennung herbeigeführt hätten. Es sei lediglich ein weiterer Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten im Jahr der Herbeiführung der dauernden Trennung ermöglicht worden. Ein durchsetzbarer Anspruch zur Änderung der Steuerklasse gegenüber dem Finanzamt sei hierdurch nicht gegeben. Vielmehr wäre der Klägerin auch nach den LStR 1996 eine Änderung ihrer Lohnsteuerkarte in die Steuerklasse IV ohne gleichzeitige entsprechende Änderung der Steuerklasse des Ehegatten nicht möglich gewesen. Für eine einschränkende Auslegung des § 113 Abs 2 AFG dahingehend, dass die Anwendung dieser Norm eine konkrete Manipulationsabsicht erfordere, ergäben sich keine Anhaltspunkte. Im Übrigen würde zumindest vorübergehend die leistungsrechtliche Wirksamkeit eines Steuerklassenwechsels allein vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen, wenn die Arbeitsämter auch bei lediglich vorgegebener dauernder Trennung eine unzweckmäßige Steuerklassenkombination bis zum Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres akzeptieren müssten, weil sie mit einer konkreten Nachprüfung dieses Tatbestandes überfordert wären. Da der von der Klägerin und ihrem Ehemann vorgenommene Steuerklassenwechsel nach § 113 Abs 2 AFG nicht zweckmäßig gewesen sei und allein die Steuerklassenkombination III/V dem Verhältnis der Arbeitslöhne gerecht werde, sei das Alg der Klägerin nach der Leistungsgruppe D zu gewähren gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2001 aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Ansicht des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, § 113 Abs 2 AFG sei, soweit diese Vorschrift Anwendung finde, restriktiv iS einer teleologischen Reduktion auszulegen. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, Leistungsmissbrauch zu bekämpfen, der durch einen willkürlichen Steuerklassenwechsel entstehen könne. Die gesetzliche Vermutung eines Leistungsmissbrauchs durch wirtschaftlich verbundene Ehegatten entfalle indes mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft iS des § 1567 Bürgerliches Gesetzbuch. Für diesen Fall enthalte § 113 Abs 2 AFG eine planwidrige Regelungslücke, die im Hinblick auf Art 14 Grundgesetz (GG) in dem Sinne geschlossen werden müsse, dass unter Ehegatten iS von § 113 AFG in ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Ehegatten zu verstehen seien.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 12. Juni 1997 bis 31. Dezember 1997 keinen Anspruch auf höheres Alg. Insbesondere ist die Beklagte entgegen der Auffassung des LSG nicht verpflichtet, das Alg für den streitigen Zeitraum nach einer anderen als der von ihr herangezogenen Leistungsgruppe zu gewähren.
Die Klägerin hat ab dem 12. Juni 1997 dem Grunde nach einen Anspruch auf Alg nach §§ 100 ff AFG.
Gemäß § 111 Abs 1 Nr 2 AFG in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung des Ersten Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) beträgt das Alg für Arbeitslose, die kein Kind haben und deren Ehegatte ebenfalls steuerrechtlich kein Kind zuzurechnen ist, 60 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Hinsichtlich der Höhe des Bemessungsentgelts haben die Beteiligten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. November 2002 einen Vergleich geschlossen. Dabei wurde von dem von der Beklagten zu Grunde gelegten Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergab, ausgegangen. Das Bemessungsentgelt wurde gemäß § 434c Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB III≫ (idF des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 ≪BGBl I 1971≫) um 10 vH erhöht, weil über den Alg-Anspruch der Klägerin noch nicht unanfechtbar entschieden war. Der Senat hat keine rechtlichen Bedenken gegen einen Vergleich, mit dem die Höhe des Bemessungsentgelts zwischen den Beteiligten außer Streit gestellt wird.
Streitig war hier nur noch die Frage, ob die Beklagte für die Bemessung des Alg-Anspruchs der Klägerin von der richtigen Leistungsgruppe iS des § 111 Abs 2 AFG ausgegangen ist. Die Höhe des Alg ist insofern nicht nur von der Höhe des gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts, sondern zusätzlich von der Leistungsgruppe abhängig, in die der Arbeitnehmer gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG einzuordnen ist. Nach dieser Vorschrift werden Arbeitnehmer je nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse einer der Leistungsgruppen A bis E zugeordnet, um den nach der jeweiligen Steuerklasse unterschiedlich hohen Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Verheiratete Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse V eingetragen ist, erhalten demnach Alg nach der Leistungsgruppe D, verheiratete Arbeitnehmer mit der Steuerklasse IV die günstigere Leistungsgruppe A und verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse III die Leistungsgruppe C, die mit Rücksicht auf den in dieser Steuerklasse erfolgenden geringsten Lohnsteuerabzug die höchsten Leistungssätze aufweist.
Ausgangspunkt für die Zuordnung zur Leistungsgruppe ist grundsätzlich die Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 113 Abs 1 Satz 1 AFG in der seit dem Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 ≪BGBl I 3113≫ geltenden Fassung). Da auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin zu Beginn des Jahres 1997 die Lohnsteuerklasse V eingetragen war, folgt daraus für die Alg-Bemessung zunächst die Zuordnung zur Leistungsgruppe D. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden zwar regelmäßig mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (§ 113 Abs 1 Satz 2 AFG). Allerdings trifft § 113 Abs 2 AFG für den Fall des Steuerklassenwechsels zwischen Ehegatten eine Sonderregelung, die die Anwendung des § 113 Abs 1 Satz 2 AFG ausschließt (BSGE 61, 45, 49 = SozR 4100 § 113 Nr 5 mwN; BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1). § 113 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG, die in der hier anzuwendenden Fassung durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (BGBl I 1381) eingeführt wurden, sind vorliegend entgegen der Auffassung des LSG für die Beurteilung der leistungsrechtlichen Folgen des von der Klägerin zum 1. Mai 1997 vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels allein maßgebend.
Ein Wechsel der Steuerklassen zwischen Ehegatten iS des § 113 Abs 2 AFG liegt vor, wenn sie beide die nach § 38b Abs 1 Satz 2 Nr 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) bisher eingetragenen Steuerklassen korrespondierend tauschen (BSGE 61, 45, 49 = SozR 4100 § 113 Nr 5). Denn auch im Steuerrecht wird unter einem Steuerklassenwechsel der Tausch von Steuerklassen zwischen Ehegatten innerhalb der für sie in Betracht kommenden steuerrechtlichen Möglichkeiten verstanden, und von den im Steuerrecht geltenden begrifflichen Voraussetzungen für den Steuerklassenwechsel weicht § 113 Abs 2 AFG nicht ab (vgl näher BSGE 52, 225, 232 = SozR 4100 § 113 Nr 2; BSG Urteil vom 21. April 1993 – 11 RAr 47/92 – DBlR Nr 4040 zu § 113 AFG). Er setzt voraus, dass zu Beginn des Kalenderjahres auf der Steuerkarte des einen Ehegatten die Steuerklasse III, IV oder V eingetragen ist und in der seines von ihm nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die entsprechende Klasse V, IV oder III. Da dies bei der Klägerin und ihrem Ehemann zu Jahresbeginn 1997 der Fall war, stellt die bei beiden gleichzeitig erfolgte Änderung der Lohnsteuerklassen zum 1. Mai 1997 in jeweils IV einen von § 113 Abs 2 AFG erfassten Lohnsteuerklassenwechsel unter Ehegatten dar. Das Bundessozialgericht hat auch mit Urteil vom 28. November 1985 bereits entschieden, dass eine dauernde Trennung der Ehegatten im Laufe eines Kalenderjahres hierauf keinen Einfluss hat (BSG SozR 4100 § 113 Nr 4).
An dem in dieser Entscheidung gewonnen Auslegungsergebnis hat sich entgegen der Auffassung des LSG auch durch die Neufassung der LStR zum 1. Januar 1996 nichts geändert. Denn durch die LStR 1996 vom 10. Dezember 1995 (BStBl I 1995, Sondernummer 3) ist die Nr 109 Abs 5 Satz 5 gegenüber den bis zum 31. Dezember 1995 geltenden LStR 1993 (vom 7. Oktober 1992, BStBl I 1992, Sondernummer 3) – worauf die Revision zutreffend hinweist – lediglich dahingehend geändert worden, dass die dauernde Trennung von Ehegatten von der Finanzverwaltung als zusätzlicher Grund für einen weiteren Steuerklassenwechsel anzuerkennen ist. Die dauernde Trennung von Ehegatten stellt damit eine (weitere) Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass in einem Kalenderjahr nur ein Steuerklassenwechsel beantragt werden kann (vgl insoweit Nr 109 Abs 5 Satz 4 LStR 1996). Aus der unverändert gebliebenen Nr 109 Abs 2 LStR 1996 folgt jedoch weiterhin, dass auch dann, wenn die Ehegatten die dauernde Trennung herbeigeführt haben, Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte nicht geändert werden dürfen, sondern ausschließlich ein Steuerklassenwechsel in Betracht kommt. Deshalb war es der Klägerin gerade nicht möglich, ihre Lohnsteuerkarte zum 1. Mai 1997 (einseitig) zu ändern bzw ändern zu lassen. Die LStR tragen also auch nach ihrer Änderung zum 1. Januar 1996 wie bisher dem Umstand Rechnung, dass Ehegatten, die sich erst im Laufe eines Kalenderjahres trennen, für das gesamte Kalenderjahr steuerrechtlich wie nicht getrennt lebende Ehegatten behandelt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus § 26 Abs 1 Satz 1 EStG. Denn nach dieser Vorschrift können Ehegatten zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen – Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben – zu irgend einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraums zeitgleich vorgelegen haben. Dies aber war bei der Klägerin und ihrem Ehemann bis zur Trennung im März 1997 der Fall.
Der nach alledem von der Klägerin und ihrem Ehemann zum 1. Mai 1997 vollzogene Steuerklassenwechsel ist für die Bemessung des streitigen Alg-Anspruchs der Klägerin unbeachtlich. Zwar gilt auch insoweit zunächst der Grundsatz, dass bei einem Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen für die Höhe des Alg von dem Tage an berücksichtigt werden, an dem die Änderung wirksam wird (§ 113 Abs 2 Satz 1 AFG). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen; in diesem Fall ist für die Zuordnung des Antragstellers zur Leistungsgruppe iS des § 111 Abs 2 AFG diejenige Steuerklasse zu Grunde zu legen, die (fiktiv) diesem Verhältnis entspricht (§ 113 Abs 2 Satz 2 AFG).
Die mit Wirkung vom 1. Mai 1997 eingetragene Lohnsteuerklassenkombination IV/IV entsprach nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten. Geänderte Lohnsteuerklassen entsprechen dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten zueinander nämlich nur dann, wenn der Steuerklassenwechsel objektiv geboten war, weil die bisherige Steuerklassenkombination bei den erzielten Arbeitslöhnen zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte (BSG SozR 4100 § 113 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1; vgl auch Begründung zu Art 20 Nr 27 des Entwurfs eines Haushaltsstrukturgesetzes in BT-Drucks 7/4127 S 53 sowie Begründung zu Art 10 des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1981 in BT-Drucks 8/3701 und 8/3901, jeweils S 77) oder – mit anderen Worten – wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge haben (BSG SozR 4100 § 113 Nr 7; BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1; BSG Urteil vom 21. September 1995 – 11 RAr 13/95 – DBlR Nr 4262 zu § 113 AFG). Das lässt sich am einfachsten anhand der jeweiligen Tabellen zur Steuerklassenwahl beurteilen, die der Bundesminister der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder herausgeben.
Nach der ab 1996 gültigen Tabelle zur Steuerklassenwahl (abgedruckt in Gagel, AFG, Stand: Januar 1998, § 113 RdNr 76) darf bei kinderlosen Ehepaaren – ausgehend davon, dass beide Eheleute rentenversicherungspflichtig sind – neben einem Arbeitslohn des Höherverdienenden von 4.000 DM der Arbeitslohn des anderen Ehegatten 3.195 DM für die Steuerklassenkombination III/V nicht überschreiten, wenn der geringste Lohnsteuerabzug erreicht werden soll. Übersteigt der monatliche Arbeitslohn des geringer verdienenden Ehegatten den Betrag von 3.195 DM, so führt die Steuerklassenkombination IV/IV für die Ehegatten zu einem günstigeren oder zumindest nicht höheren Lohnsteuerabzug als die Steuerklassenkombination III/V. Da die Klägerin in Anbetracht ihres monatlichen Einkommens von 2.030 DM den Grenzwert bei weitem nicht erreicht hatte, entsprach die Steuerklassenkombination IV/IV offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne, sodass die von der Klägerin mit Wirkung zum 1. Mai 1997 gewählte Steuerklasse der Alg-Gewährung nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Der Auffassung der Klägerin, § 113 Abs 2 AFG sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass unter Ehegatten iS dieser Vorschrift nur solche Ehegatten zu verstehen seien, die nicht dauernd getrennt leben, kann nicht gefolgt werden. Zwar kann angesichts des tatsächlichen Geschehensablaufs durchaus zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass der Steuerklassenwechsel nicht vorgenommen worden ist, um die Höhe des Alg zu manipulieren. § 113 Abs 2 AFG hatte allerdings – im Gegensatz zu § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III – vorrangig nicht den Zweck, Manipulationen zu verhindern, vielmehr war es Hauptzweck des § 113 Abs 2 AFG, die Alg-/Alhi-Berechnung nach der Steuerklasse zu ermöglichen, die dem Verhältnis der Arbeitsentgelte der Ehepartner zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels entspricht. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4. September 2001 nochmals ausdrücklich klargestellt (BSGE 88, 299, 303 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1; vgl auch BSG Urteil vom 21. April 1993 – 11 RAr 42/92 – DBlR Nr 4040 zu § 113 AFG). Nach § 113 Abs 2 AFG war die Bundesanstalt für Arbeit – ungeachtet des damit verbundenen Verwaltungsaufwands – immer verpflichtet, die materielle Richtigkeit der Steuerklassenwahl zu überprüfen und Alg nach der Steuerklassenkombination zu bewilligen, die den kleinsten gemeinsamen Steuerabzug bei den Ehegatten zur Folge hatte (BSG SozR 4100 § 113 Nr 11, S 65). Die Beklagte war daher trotz der besonderen Umstände des Einzelfalles verpflichtet, die materielle Richtigkeit des Steuerklassenwechsels zu überprüfen und das Alg nach dem Ergebnis dieser Prüfung zu berechnen.
Der Senat verkennt insofern nicht, dass die Konsequenzen des § 113 Abs 2 Satz 2 AFG im Falle der Klägerin zu gewissen Härten geführt haben, weil der Steuerklassenwechsel in Anbetracht des gegenüber ihrem Ehemann nicht realisierbaren Trennungsunterhaltes aus Sicht der Klägerin nicht nur zweckmäßig, sondern wirtschaftlich geradezu geboten war. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Regelung und im Interesse der damit verfolgten Absichten ist das Ergebnis jedoch nicht zu vermeiden. Auszugehen ist zunächst davon, dass der Gesetzgeber bei den hier leistungsrechtlich relevanten Tatbeständen der §§ 111, 113 AFG im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit an die steuerrechtlichen Vorschriften und damit auch an die steuerrechtliche Wirksamkeit von Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten typisierend und pauschalierend angeknüpft hat. Für die Beurteilung, ob ein Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten beachtlich ist, hat der Gesetzgeber allein das Kriterium des Verhältnisses der Arbeitslöhne beider Ehegatten für maßgeblich erklärt. Mit dem in § 113 Abs 2 AFG damit auch enthaltenen Gedanken der Verwaltungsvereinfachung (vgl BSG SozR 4100 § 113 Nr 10) wäre es nicht vereinbar, wenn die Beklagte zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit eines Lohnsteuerklassenwechsels außer der Überprüfung des Verhältnisses der Arbeitslöhne der Ehegatten weiter gehende Erhebungen und detaillierte Überlegungen anstellen müsste. Dadurch können zwar – wie im Falle der Klägerin – bei einzelnen Sachverhaltsvarianten Nachteile für betroffene Arbeitslose auftreten. Diese sind jedoch – worauf das SG zu Recht hingewiesen hat – als notwendige Begleitumstände von typisierenden gesetzlichen Regelungen hinzunehmen (BSG Urteil vom 21. April 1993 – 11 RAr 47/92 – DBlR Nr 4040 zu § 113 AFG).
Schließlich darf auch nicht außeracht gelassen werden, dass der Gesetzgeber für etwaige besondere Fälle keine Härteklausel in die Vorschrift aufgenommen, sondern für den Vergleich der Arbeitsentgelte und für den Zeitpunkt der Wirksamkeit von Steuerklassenänderungen offenbar die typisierende Regelung für ausreichend erachtet hat. Das entspricht der Anknüpfung an das Steuerrecht und ist auch sonst systemgerecht, denn eine typisierende Vorschrift kann nicht sämtliche denkbaren Sachverhaltsvarianten aller einschlägigen Fälle berücksichtigen. Insbesondere hat der Gesetzgeber auch die Änderungen der LStR nicht zum Anlass genommen, um in § 113 Abs 2 AFG den Fall der dauernden Trennung von Ehegatten explizit zu erfassen. Nach alledem kann von den bisher in der Rechtsprechung anerkannten Maßstäben für die Beurteilung von Steuerklassenwechseln nach § 113 Abs 2 AFG hier nicht abgewichen werden.
Eine andere Sichtweise ist schließlich auch nicht im Hinblick auf verfassungsrechtliche Vorgaben geboten. Denn weder aus Art 3 GG noch, worauf die Klägerin abstellt, aus Art 14 GG lässt sich ableiten, dass “durch Beiträge erkaufte Leistungen voll zu gewähren” sind. Zwar fällt der Anspruch auf Alg jedenfalls dann, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Bezug vorliegen, unter den Schutzbereich des Art 14 GG (BVerfGE 72, 9, 18 = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 90, 226, 236 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Da sich der Gesetzgeber aber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und im Hinblick auf eine zügige Feststellung der Leistungshöhe für eine Pauschalierung entscheiden kann (BVerfGE 63, 255, 262 = SozR 4100 § 111 Nr 6; vgl auch BSG SozR 4100 § 113 Nr 11 S 66) und das Bundesverfassungsgericht es demgemäß im Grundsatz gebilligt hat, dass die Lohnabzüge für die Berechnung des Nettolohnes im Rahmen von § 111 Abs 2 Satz 2 AFG nicht individuell ermittelt werden (BVerfGE 90, 226, 237 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6) geht der Senat davon aus, dass § 113 Abs 2 AFG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und auch keiner einschränkenden – verfassungskonformen – Auslegung bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz, wobei der Senat zugunsten der Klägerin berücksichtigt hat, dass sie durch die vergleichsweise Anhebung des Bemessungsentgelts hinsichtlich der begehrten Zahlung von höherem Alg teilweise obsiegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 884762 |
FamRB 2003, 108 |