Leitsatz (amtlich)
- Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) erstreckt sich auf die von Privaten betriebenen Telekommunikationsanlagen.
- Art. 10 Abs. 1 GG begründet ein Abwehrrecht gegen die Kenntnisnahme des Inhalts und der näheren Umstände der Telekommunikation durch den Staat und einen Auftrag an den Staat, Schutz auch insoweit vorzusehen, als private Dritte sich Zugriff auf die Kommunikation verschaffen.
- Die Gewährleistung des Rechts am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt vor der Nutzung einer Mithöreinrichtung, die ein Gesprächsteilnehmer einem nicht an dem Gespräch beteiligten Dritten bereitstellt. Art. 10 Abs. 1 GG umfasst diesen Schutz nicht.
- Auf das Recht am gesprochenen Wort kann sich auch eine juristische Person des Privatrechts berufen.
- Zur Verwertung von Zeugenaussagen im Zivilverfahren, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen.
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 24.03.1998; Aktenzeichen 15 U 37/97) |
LG Heilbronn (Urteil vom 28.06.1996; Aktenzeichen 5 S 543/95 Kno) |
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 28. Juni 1996 – 5 S 543/95 Kno – verletzt den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Heilbronn zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu 1 seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 1998 – 15 U 37/97 – verletzt die Beschwerdeführerin zu 2a in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin zu 2a ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
- Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2b wird verworfen.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage der zivilgerichtlichen Verwertung von Zeugenaussagen über den Inhalt von Telefongesprächen, die von den Zeugen über eine Mithörvorrichtung mit Wissen nur eines der Gesprächspartner mitverfolgt worden waren.
Verfahren 1 BvR 1611/96
- Der Beschwerdeführer hatte an den Kläger des Ausgangsverfahrens im Februar 1995 ein gebrauchtes Kraftfahrzeug zum Preis von 4.800 DM unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft und übergeben. Einen Tag nach Übergabe erhob der Kläger Mängelrügen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Telefonaten zwischen den Parteien, deren Inhalt im Einzelnen streitig war. Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht hatte erzielt werden können, erhob der Kläger vor dem Amtsgericht Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Er machte unter anderem geltend, der Vertrag sei bei einem Telefongespräch zwischen den Parteien am 18. Februar 1995 einverständlich wieder aufgehoben worden. Als Beweis hierfür bot er die Vernehmung seiner Mutter an. Sie habe das Telefonat mithören können, weil das Telefon laut gestellt gewesen sei.
- Das Amtsgericht vernahm die Mutter des Klägers zu dem Inhalt des Telefonats als Zeugin und wies die Klage ab. Es könne offen bleiben, ob die Aussage der Zeugin im Hinblick darauf, dass sie das Gespräch ohne Wissen des Beschwerdeführers mitgehört habe, verwertet werden dürfe, da sie jedenfalls nicht genügend glaubhaft sei.
- Auf die Berufung des Klägers vernahm das Landgericht die Mutter des Klägers erneut als Zeugin. Mit der angegriffenen Entscheidung änderte es das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte den Beschwerdeführer, an den Kläger den Kaufpreis nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges zurückzuzahlen. Die Kammer halte die Aussage der erneut vernommenen Mutter des Klägers für glaubwürdig; die Bedenken des Amtsgerichts gegen die Verwertung der Zeugenaussage würden nicht geteilt. Zur Entscheidung über die Verwertbarkeit einer mitgehörten Äußerung oder eines Telefongesprächs bedürfe es einer Güterabwägung. Dabei sei insbesondere darauf abzustellen, ob der Gesprächsinhalt vertraulichen Charakter gehabt oder der Anrufer erkennbar Wert auf die Vertraulichkeit gelegt habe. Davon könne vorliegend keine Rede sein, da sich die Parteien über Mängel an einem verkauften Gebrauchtwagen und daraus zu ziehende Konsequenzen unterhalten hätten. Der Beschwerdeführer habe auch damit rechnen müssen, dass das Gespräch mitgehört werde, weil er bei seinem Telefonanruf zunächst nicht den Kläger, sondern dessen Mutter erreicht habe. Daher sei es wahrscheinlich gewesen, dass diese bei dem mit dem Kläger weiter geführten Telefongespräch im Raum anwesend geblieben sei und es über einen, heute fast bei jedem Telefon vorhandenen, Lautsprecher habe mithören können. Es spreche auch nichts für ein arglistiges Verhalten des Klägers, weil das Gespräch von dem Beschwerdeführer ausgegangen sei und der Kläger nicht den Versuch gemacht habe, sich ein Beweismittel zu verschaffen.
- Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht am eigenen Wort schütze seine Befugnis, den Kreis der Adressaten seiner Worte selbst zu bestimmen. Es sei ihm gerade nicht gleichgültig gewesen, ob bei dem maßgeblichen Telefonat jemand zugehört habe. Es habe weder seine Zustimmung dazu vorgelegen, dass die Mutter seines Vertragspartners mithöre, noch habe er dies erkennen können. Er habe, nachdem sich zunächst die Mutter gemeldet habe, sofort deutlich gemacht, dass er den Kläger sprechen wolle.
Verfahren 1 BvR 805/98
- Die Beschwerdeführerin zu 2a – eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung – hatte von dem Kläger des Ausgangsverfahrens Geschäftsräume gemietet. Nach ihrem Auszug machte der Kläger gegen sie Forderungen im Zusammenhang mit Veränderungen geltend, die von der Beschwerdeführerin zu 2a an der Mietsache vorgenommen worden waren. Es kam zu Verhandlungen und – teils telefonischen – Gesprächen zwischen den Parteien, die auf Seiten der Beschwerdeführerin zu 2a durch einen ihrer Mitarbeiter, den Beschwerdeführer zu 2b, geführt wurden. Nach erfolglosen außergerichtlichen Einigungsbemühungen nahm der Kläger die Beschwerdeführerin zu 2a vor dem Landgericht auf Zahlung in Höhe von 34.500 DM nebst Zinsen in Anspruch. Hierbei berief er sich unter anderem auf ein Telefonat am 5. Oktober 1995, in dem Einvernehmen erzielt worden sei, dass die Beschwerdeführerin zu 2a einen entsprechenden Betrag zahlen werde. Als Beweis hierfür bot der Kläger die Vernehmung seiner Tochter an, die das Telefonat über die Freisprechanlage mitgehört hatte.
- Das Landgericht vernahm die Tochter des Klägers sowie den Beschwerdeführer zu 2b zu dem Inhalt des Telefonats als Zeugen und wies die Klage ab. Der Kläger habe den Nachweis der von ihm behaupteten Vereinbarung in dem Telefonat nicht erbracht. Für seinen Vortrag spreche zwar die Aussage der Tochter des Klägers. Dem widerspreche jedoch die Aussage des Beschwerdeführers zu 2b, der eine solche Zusage in Abrede gestellt habe.
- In dem von dem Kläger angestrengten Berufungsverfahren führte das Oberlandesgericht eine erneute Beweisaufnahme durch Vernehmung der Tochter des Klägers und des Beschwerdeführers zu 2b durch. Mit dem angegriffenen Urteil änderte es die erstinstanzliche Entscheidung ab und verurteilte die Beschwerdeführerin zu 2a antragsgemäß zur Zahlung. Nach dem Ergebnis der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Beschwerdeführerin zu 2a, vertreten durch den Beschwerdeführer zu 2b, bei dem am 5. Oktober 1995 mit dem Kläger geführten Telefonat verpflichtet habe, an diesen einen Betrag von 30.000 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Das Gericht stütze seine Feststellungen auf die Aussage der von dem Kläger benannten Zeugin. Der Verwertung ihrer Aussage stünden nicht deshalb Bedenken entgegen, weil sie nach eigenem Bekunden das zwischen dem Kläger und dem Beschwerdeführer zu 2b geführte Gespräch mitgehört habe, ohne dies Letzterem kenntlich zu machen. Im Geschäftsleben sei das Mithören von Telefongesprächen mittlerweile derart verbreitet, dass allgemeine Kenntnis hiervon in den beteiligten Kreisen zu unterstellen sei. Einem Gesprächsteilnehmer, der das Mithören geschäftlicher Gespräche durch Dritte nicht wünsche, könne deshalb zugemutet werden, diesen Wunsch gegenüber seinem Gesprächspartner ausdrücklich zu äußern. Geschehe dies nicht, sei von seiner stillschweigenden Billigung im Falle des Mithörens durch einen Dritten auszugehen. Dessen Zeugenaussage unterliege daher keinem Beweisverwertungsverbot.
Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung haben sowohl die Beschwerdeführerin zu 2a als auch der Beschwerdeführer zu 2b eingelegt. Sie rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 (allgemeines Persönlichkeitsrecht) und Art. 10 Abs. 1 GG, die Beschwerdeführerin zu 2a rügt darüber hinaus eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG (wirtschaftliche Betätigungsfreiheit).
Beide Beschwerdeführer würden in ihrem Recht am eigenen Wort verletzt. Dieses Grundrecht sei entsprechend Art. 19 Abs. 3 GG seinem Wesen nach auch auf die Beschwerdeführerin zu 2a anwendbar. Das Oberlandesgericht sehe das Mithören von Telefongesprächen als mittlerweile derart verbreitet an, dass eine allgemeine Kenntnis davon in den beteiligten Kreisen zu unterstellen sei. Hierbei verkenne es, dass umgekehrt erforderlich sei, dass der Betroffene von dem konkreten Mithörvorgang wisse und in ihn einwillige. Daher liege ein Eingriff vor. Ob dieser gerechtfertigt sei, richte sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die gerichtliche Verwertung der Aussage der Zeugin streitenden Persönlichkeitsrecht und etwaigen Interessen des Beweisführers. Eine solche Abwägung fehle hier. Die Kenntnis von der Möglichkeit der Gesprächsbeobachtung bedeute keine generelle Einwilligung, selbst beobachtet zu werden. Es sei vielmehr allgemeine Gepflogenheit, seinen Gesprächspartner darüber zu informieren, wenn die Freisprechanlage in Betrieb sei und andere Personen mithörten. Die Unbefangenheit der Kommunikation werde in erheblichem Maße gestört, wenn jeder mit dem Bewusstsein telefonieren müsse, dass sein Gespräch über Lautsprecher von einem oder zahlreichen Dritten mitgehört werden könne.
Die Beschwerdeführer seien zudem in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses verletzt. Dieses schütze die Vertraulichkeit aller mit technischen Mitteln des Fernmeldeverkehrs weitergegebenen Mitteilungen. Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG erfasse sämtliche Teilnehmer an der telefonischen Konversation. Wenn lediglich ein Teilnehmer einem Abhörvorgang zustimme, führe dies nicht dazu, dass auch die anderen Gesprächsteilnehmer einverstanden seien.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht geäußert, während die Justizministerien der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie die jeweiligen Gegner der Beschwerdeführer in den Ausgangsverfahren von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht haben.
Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Äußerungen verschiedener Zivilsenate übersandt, die auf ihre einschlägigen Entscheidungen hingewiesen haben. Die Vorsitzende des VIII. Zivilsenats nimmt Bezug auf die Urteile vom 17. Februar 1982 (NJW 1982, S. 1397) und vom 2. Oktober 1985 (WM 1985, S. 1481). Bereits in der erstgenannten Entscheidung habe der Senat betont, auf Grund der technischen Entwicklung müsse ein Fernsprechteilnehmer damit rechnen, dass auch bei privaten Telefonanschlüssen Mithörgeräte angeschlossen seien. In der zweitgenannten Entscheidung habe der Senat ausgeführt, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des nicht über die Benutzung der Mithöreinrichtung in Kenntnis gesetzten Fernsprechteilnehmers komme dann nicht in Betracht, wenn der Inhalt des Gesprächs keinen vertraulichen Charakter habe und der Gesprächspartner auch nicht ersichtlich Wert auf Vertraulichkeit lege.
Nach Mitteilung des Vorsitzenden des VI. Zivilsenats war dieser Senat bislang mit der Frage nach der Zulässigkeit der Beweisverwertung bei lediglich mitgehörten Telefongesprächen, deren Inhalte dann im Wege der Zeugenaussage in den Prozess eingeführt wurden, noch nicht unmittelbar befasst. Es gebe jedoch mehrere Entscheidungen, die sich – teilweise allerdings in einem anderem Zusammenhang – mit (schriftlich oder per Tonband) heimlich aufgezeichneten und somit aus der “Flüchtigkeit des Worts” herausgelösten Telefongesprächen sowie mit der Frage des Persönlichkeitsschutzes von juristischen Personen des Privatrechts befassten.
- Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Stellungnahme zunächst auf den Beschluss des Ersten Senats vom 30. August 1995 (BAGE 80, 366) verwiesen. Danach komme es für die Zulässigkeit des Eingriffs in das Recht des Arbeit-nehmers am gesprochenen Wort auf eine Abwägung der je nach Fallgestaltung betroffenen Interessen an. Der Vorsitzende des Fünften Senats verweist auf das Urteil vom 29. Oktober 1997 (BAGE 87, 31). Hiernach sei das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Allgemeinen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts unzulässig. Auf diese Weise erlangte Beweismittel unterlägen einem Beweisverwertungsverbot. Nach der Mitteilung des Vorsitzenden des Achten Senats folgt dieser der Rechtsprechung des Fünften Senats.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2b ist unzulässig. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene Entscheidung unmittelbar rechtlich betroffen ist (vgl. BVerfGE 15, 256 ≪262 f.≫; 96, 231 ≪237≫). Dies ist bei dem Beschwerdeführer zu 2b nicht der Fall, weil er nicht Partei des Ausgangsverfahrens war.
C.
Die Verfassungsbeschwerden des Beschwerdeführers zu 1 und der Beschwerdeführerin zu 2a sind zulässig und begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer zwar nicht in ihrem Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gemäß Art. 10 Abs. 1 GG. Die Gerichte haben jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer in Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort nicht in dem erforderlichen Umfang beachtet.
Die von den Zeugen in den Prozess eingebrachten Erkenntnisse sind nicht unter Verletzung des Fernmeldegeheimnisses erlangt worden. Sie unterliegen daher im Hinblick auf die Grundrechtsnorm des Art. 10 GG keinem Verbot der Beweiserhebung und Beweisverwertung bei Gericht.
Durch die Vernehmung der Zeugen und die Verwertung ihrer Aussagen haben die Gerichte das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführer verletzt.
Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG erfasste allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht schon Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Eine solche lückenschließende Gewährleistung ist insbesondere vor dem Hintergrund neuartiger Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung geboten, die in Begleitung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auftreten. Die Zuordnung eines konkreten Rechtsschutzbegehrens zu den verschiedenen Aspekten des Persönlichkeitsrechts muss daher vor allem im Hinblick auf die Persönlichkeitsgefährdung erfolgen, die den konkreten Umständen des Anlassfalls zu entnehmen ist (vgl. BVerfGE 101, 361 ≪380≫).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass das Grundgesetz neben dem Recht am eigenen Bild auch das Recht am gesprochenen Wort schützt (vgl. BVerfGE 34, 238 ≪246 f.≫; 54, 148 ≪154≫). Dieses gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪155≫). Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪155≫ unter Bezugnahme auf BGHZ 27, 284 ≪286≫; vgl. auch BAGE 41, 37 ≪42≫ sowie – unter Anschluss an diese Entscheidung – BGH, NJW 1991, S. 1180). Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich also auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen.
Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbständigt werden (vgl. grundlegend BVerfGE 34, 238 ≪246 f.≫; BGHZ 27, 284). Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte - eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung - bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes hohe Bedeutung beimisst, zeigt sich auch daran, dass bereits die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einem Tonträger gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Strafe bedroht ist.
Das Grundrecht schützt jedoch nicht nur vor einer solchen “Verdinglichung” des Wortes, sondern auch vor anderen Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts darüber, welcher Person der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Schutz besteht jedenfalls auch davor, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des anderen eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht oder die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den Dritten gestattet. Verhält ein Sprecher sich allerdings so, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühungen gehört werden können, hat er sich das Zuhören Dritter selbst zuzuschreiben. Er ist gegen deren Kommunikationsteilhabe nicht geschützt, wenn er etwa von ihm unerwünschte Hörer in seiner Nähe übersieht oder die Lautstärke seiner Äußerung falsch einschätzt. Entscheidend ist, ob der Sprecher auf Grund der Rahmenbedingungen begründetermaßen erwarten darf, nicht von Dritten gehört zu werden (vgl. - zum Schutz einer räumlichen Privatsphäre - BVerfGE 101, 361 ≪384 f.≫).
Das Recht am gesprochenen Wort ist nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre, der ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt (vgl. BVerfGE 101, 361 ≪382 f.≫). In thematischer Hinsicht hat der Sprecher im privaten Bereich gerade wegen des Inhalts des Gesprächs ein schutzwürdiges Interesse daran, dass Dritte hiervon keine Kenntnis erhalten. Entsprechende Äußerungen sind unabhängig davon geschützt, wie der Inhalt an einen Dritten gerät, also auch dann, wenn der Gesprächspartner entgegen einer Vertraulichkeitserwartung des Sprechers einem Dritten von dem Gesprächsinhalt berichtet. In räumlicher Hinsicht gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen einen Privatbereich, in dem er sich unbemerkt durch Dritte und damit ohne Rücksichtnahme auf sie verhalten darf (vgl. BVerfGE 101, 361 ≪382 ff.≫).
Demgegenüber ist der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort nicht auf bestimmte Inhalte und Örtlichkeiten begrenzt, sondern bezieht sich allein auf die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation, also etwa über die Herstellung einer Tonaufnahme oder die Kommunikationsteilhabe einer dritten Person. Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort hängt weder davon ab, ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar besonders persönlichkeitssensible Daten handelt, noch kommt es auf die Vereinbarung einer besonderen Vertraulichkeit der Gespräche an.
Vielfach lässt sich nicht vorhersehen, in welche Richtung ein Gespräch verläuft. So kann eine Unterhaltung, die sich zunächst auf nicht besonders geheimhaltungsbedürftige geschäftliche Dinge beschränkt, in ein persönliches Gespräch übergehen oder ein persönliches in ein geschäftliches mit sensiblen Inhalten. Dem Gespräch einen neuen Verlauf geben zu können, ohne die eigene Unbefangenheit in der Kommunikation verlieren zu müssen, ist vom Selbstbestimmungsrecht der Kommunikationsteilnehmer umfasst. Dieses Selbstbestimmungsrecht soll den Sprecher auch befähigen, sich auf mögliche Folgen der Kommunikation einzustellen. Wäre ihm etwa bewusst, dass ein Dritter zuhört, so dass bei einer anschließenden rechtlichen Auseinandersetzung ein Beweismittel zur Verfügung steht (vgl. BGH, NJW 1970, S. 1848; NJW 1991, S. 1180; BAGE 41, 37), könnte der Sprecher vor dem Hintergrund einer andernfalls bestehenden eigenen Beweislosigkeit entscheiden, jedwede Äußerung von rechtlicher Relevanz zu unterlassen. Er könnte sich auch um einen behutsameren Gebrauch solcher Formulierungen bemühen, die unter Umständen beweiserheblich werden. Oder er könnte seinerseits dafür sorgen, über ein eigenes Beweismittel zu verfügen. Solche Möglichkeiten, sich am jeweiligen Kommunikationspartner auszurichten und sich im Hinblick auf die eigenen Kommunikationsinteressen situationsangemessen zu verhalten, werden ihm genommen, wenn nicht in seiner Entscheidung steht, wer die Kommunikationsinhalte unmittelbar wahrnehmen kann.
Auf das Recht am gesprochenen Wort kann sich auch eine juristische Person des Privatrechts berufen. Um eine solche handelt es sich bei der Beschwerdeführerin zu 2a, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Die Frage der Anwendbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf juristische Personen des Privatrechts ist bislang verfassungsgerichtlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten (vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 2 Rn. 39 m.w.N.). In der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist demgegenüber im Grundsatz anerkannt, dass Persönlichkeitsschutz auch juristischen Personen zukommen kann (vgl. etwa BGH, NJW 1974, S. 1762; NJW 1975, S. 1882; BGHZ 78, 24; 98, 94; BGH, NJW 1994, S. 1281). Die vorliegende Verfassungsbeschwerde gibt keinen Anlass, umfassend und abschließend zu diesem Problem Stellung zu nehmen, da es hier nur um das Recht am gesprochenen Wort geht.
Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ist entscheidend, ob das Recht am gesprochenen Wort seinem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar ist. Die Erstreckung eines Grundrechts auf juristische Personen als bloße Zweckgebilde der Rechtsordnung scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dort aus, wo der Grundrechtsschutz an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen anknüpft, die nur natürlichen Personen wesenseigen sind (vgl. BVerfGE 95, 220 ≪242≫). Demgegenüber kommt ein Schutz für juristische Personen in Betracht, wenn das Grundrecht auch korporativ betätigt werden kann. So genießen beispielsweise Kommanditgesellschaften den Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), weil sie - ebenso wie Einzelpersonen – berechtigterweise Inhaberinnen von Wohnungen sein können (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219≫; siehe auch BVerfGE 44, 353 ≪371≫; 76, 83 ≪88≫ hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 1 GG auf einen Verein und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Dass Art. 13 Abs. 1 GG seinem Ursprung nach ein personales Individualrecht gewährleistet, das dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse seiner freien Entfaltung einen “elementaren Lebensraum” einräumt (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219≫), steht der Erstreckung des Schutzes auf juristische Personen nicht entgegen.
Gleiches gilt für das in Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis (vgl. BVerfGE 100, 313 ≪356 f.≫). Auch juristische Personen bedienen sich des Übertragungsmediums der Telekommunikationsanlage und befinden sich deshalb ebenso wie natürliche Personen in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Außerdem knüpft der Schutz des Fernmeldegeheimnisses, wie oben ausgeführt wurde, an die Verwendung eines bestimmten Übertragungsmediums an und erfordert keinen auf eine besondere persönliche Sphäre bezogenen Kommunikationsinhalt.
- Der Anwendung des Rechts am gesprochenen Wort auf juristische Personen steht nicht entgegen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinem Ursprung nach ein die freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistendes Individualrecht ist, das seine Grundlage insoweit auch in dem Schutz der Menschenwürde findet. Denn es geht vorliegend nur um das Recht am gesprochenen Wort als einer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Schutz dieses Rechts hängt nicht von einem besonderen personalen Kommunikationsinhalt ab. Es soll gesichert sein, dass sich die Beteiligten in der Kommunikation eigenbestimmt und situationsangemessen verhalten können. Insofern ist auch eine juristische Person, die durch natürliche Personen kommuniziert, einer grundrechtstypischen Gefährdungslage ausgesetzt. Seine verfassungsrechtliche Grundlage findet dieser grundrechtliche Schutz nicht in dem Menschenwürdegehalt des Art. 1 Abs. 1 GG, sondern allein in Art. 2 Abs. 1 GG.
Die Erhebung und Verwertung der Zeugenaussagen durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren stellen einen Eingriff in den Schutzbereich des Rechts am gesprochenen Wort dar.
Sowohl der Beschwerdeführer zu 1 als auch der Vertreter der Beschwerdeführerin zu 2a hatten ihr Selbstbestimmungsrecht über die Adressierung des Gesprächs ausgeübt. Ihre Kommunikation war nicht an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet. Vielmehr wollten sie mit den jeweiligen Vertragspartnern sprechen, um mit ihnen wesentliche Dinge hinsichtlich der Vertragsabwicklung zu klären, nämlich Mängelansprüche betreffend den Beschwerdeführer zu 1 und eine Abfindungsvereinbarung betreffend die Beschwerdeführerin zu 2a. Die Gesprächspartner haben das so ausgeübte Selbstbestimmungsrecht missachtet, als sie Dritte unerkannt mithören ließen.
- Die Schutzbedürftigkeit des Kommunikationsvorgangs hängt entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht davon ab, ob das Gespräch einen vertraulichen Inhalt oder ob der Anrufer erkennbar Wert auf Vertraulichkeit gelegt hatte (siehe oben C II 1). Auch ist unerheblich, ob eine Mithöreinrichtung als Abhörgerät im Sinne des § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB anzusehen ist. Zwar kann die Strafbarkeit ein Anhaltspunkt dafür sein, dass ein rechtlich besonders geschütztes Verhalten betroffen ist. Der verfassungsrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts richtet sich jedoch nicht danach, ob die Rechtsordnung einen zusätzlichen strafrechtlichen Schutz vorsieht. Das Selbstbestimmungsrecht des Gesprächsteilnehmers ist auch darüber hinaus geschützt.
Der Schutzbereich des Rechts am gesprochenen Wort wäre allerdings nicht beeinträchtigt, wenn die Beschwerdeführer in das Mithören der Zeugen eingewilligt hätten. Da die Auswahl der Gesprächsteilnehmer auf einer individuellen Entscheidung beruht, kann der Schutz der Vertraulichkeit auch durch Einwilligung aufgehoben werden. Das Erfordernis der Einwilligung ist Ausdruck des in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmungsrechts. Die Annahme der Gerichte, in den vorliegenden Fällen seien Einwilligungen entbehrlich gewesen oder konkludent aus den Umständen zu entnehmen, hält verfassungsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; stRspr). Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung solcher Entscheidungen führt, liegt vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der jeweils in Rede stehenden Vorschriften überhaupt Grundrechte zu beachten waren, wenn der Schutzbereich der zu beachtenden Grundrechte unrichtig oder unvollkommen bestimmt oder wenn ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫; 101, 361 ≪388≫).
Die Gerichte haben hier die Maßgeblichkeit des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes zwar nicht grundsätzlich verkannt. Das Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin zu 2a ist aber in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise vom Oberlandesgericht eingeengt worden, indem es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der tatsächlichen Verbreitung des Mithörens von Telefongesprächen eine stillschweigende Billigung des Mithörens angenommen hat. Ebenfalls verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist die Überlegung des Landgerichts, der Beschwerdeführer zu 1 habe mit dem Mithören der Mutter des Klägers rechnen müssen, weil diese zunächst das Telefonat entgegengenommen habe.
Eine Einwilligung in eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend erklärt werden. Eine konkludente Einwilligung darf nach Auffassung der Fachgerichte angenommen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten in einem solchen Maße üblich und geradezu selbstverständlich ist, dass entsprechend dem Grundgedanken des § 157 BGB nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte vernünftigerweise nur von einer Zustimmung des Betroffenen ausgegangen werden kann, sofern er dem Verhalten nicht widerspricht (vgl. die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner personalen Daten durch seinen Arzt, BGHZ 115, 123 ≪126 ff.≫; 116, 268 ≪273 ff.≫; BGH, NJW 1992, S. 2348 ≪2349≫).
Die Annahme einer stillschweigenden Einwilligung in das Mithören erfordert insoweit entsprechende Feststellungen der Gerichte, die sie unter hinreichender Berücksichtigung des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts der Gesprächsteilnehmer zu bewerten haben. Aus der tatsächlichen Verbreitung eines bestimmten Verhaltens in Verbindung mit dem Fehlen eines vorsorglichen Widerspruchs allein kann die konkludente Einwilligung des davon nachteilig Betroffenen nicht geschlossen werden (vgl. die Rechtsprechung zu der Problematik einer konkludenten Einwilligung in eine Telefonwerbung BGH, NJW 1989, S. 2820; JZ 1990, S. 251; OLG Köln, NJW-RR 1993, S. 753). Es hätte daher auch der Feststellung bedurft, dass in den jeweils beteiligten Kreisen das Unterbleiben eines Widerspruchs auf Grund einer Verkehrssitte als stillschweigende Einwilligung gedeutet wird.
Das bloße faktische Verbreitetsein von Mithöreinrichtungen rechtfertigt nicht einmal den Schluss auf deren allgemeine Nutzung zum Mithören durch Dritte. Die an den Telefongeräten angebrachten Mithöreinrichtungen (Lautsprecher oder Zweithörer) dienen unterschiedlichen Zwecken. So begründen sie eine technische Option für die Gesprächsteilnehmer, den Kreis der Kommunikationspartner zu erweitern. Daneben kann die Lautsprecherfunktion aber auch dazu genutzt werden, während des Telefonierens beide Hände frei zu haben, um sich Notizen zu machen oder in Unterlagen zu blättern, ohne das Gespräch unterbrechen zu müssen.
Ob dafür geeignete Einrichtungen üblicherweise zum Mithören Dritter ohne Kenntnis des Gesprächspartners eingesetzt werden, haben die Gerichte in den Ausgangsverfahren nicht festgestellt. Aber selbst wenn das heimliche Mithören in bestimmten Bereichen, beispielsweise im Geschäftsverkehr, faktisch häufig oder gar weitgehend üblich sein sollte, reichte dies nicht, um das Fehlen der Einwilligung in das Mithören deshalb als unerheblich anzusehen, weil der Gesprächspartner nicht widersprochen hat. Aus dem Umstand allein, dass jemand von einer Mithörmöglichkeit Kenntnis hat, folgt jedenfalls nicht notwendig, dass er mit einem tatsächlichen Mithören auch rechnet und zugleich stillschweigend einverstanden ist (vgl. auch BVerfGE 85, 386 ≪398≫ zu der vergleichbaren Problematik im Fernmeldeverkehr). Dies gilt auch, wenn ein Gespräch zunächst von einer anderen Person entgegengenommen und dann an den maßgebenden Gesprächspartner weitergereicht wird. In solchen Fällen ist schon zweifelhaft, ob es üblich ist, dass die zuerst eingeschaltete Person weiter mithört.
Für die Annahme einer konkludenten Einwilligung sind mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Selbstbestimmungsrechts Feststellungen darüber erforderlich, dass eine technisch mögliche Nutzung zum Mithören unter den gegebenen Bedingungen des sozialen, geschäftlichen oder privaten Kommunikationsverhaltens so verstanden wird, dass einem Dritten ohne Zustimmung sämtlicher Gesprächspartner das heimliche Zuhören des Gesprächs ermöglicht werden darf, sofern nicht vorsorglich von allen widersprochen wird. An solchen Feststellungen aber fehlt es.
Sie sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil infolge der großen Verbreitung von Mobilfunkanlagen und der Errichtung von öffentlichen Telefonzellen ohne räumliche Abtrennung eine Entwicklung stattgefunden hat, die Vertraulichkeitserwartungen vielfach entgegensteht. Auch insoweit bleibt der grundrechtliche Schutz bestehen. Kann der andere Telefonteilnehmer in solchen Situationen an der Geräuschkulisse oder anderweitig erkennen, dass sein Partner nicht in einem abgeschlossenen Raum telefoniert, vermag er selbst zu entscheiden, ob er das Gespräch fortsetzen oder sich inhaltlich auf die Mithörmöglichkeit Dritter einstellen will. So aber lag es in den hier zu beurteilenden Fällen nicht.
Da die Fachgerichte die Erteilung einer stillschweigenden Einwilligung verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet haben, ist nicht auszuschließen, dass das Mithören der Zeugen unter Missachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgte. In der Erhebung und Verwertung der Zeugenaussagen ohne rechtlich einwandfreie Feststellung einer Einwilligung in das Mithören liegt somit ein Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer am gesprochenen Wort.
Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in unmittelbarer Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (vgl. BVerfGE 52, 203 ≪207≫). Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregeln (vgl. BVerfGE 52, 131 ≪145≫). Auch aus den materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG können sich Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪122≫ m.w.N.). Im Rahmen einer Beweisaufnahme kann es um die Offenbarung und die Verwertung von Lebenssachverhalten gehen, die grundrechtlich vor der Kenntnisnahme durch Dritte geschützt sind. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit langem anerkannt. So hat ein Gericht, das im Rahmen einer Beweiserhebung und Beweisverwertung Tonbandprotokolle berücksichtigen möchte, die Vereinbarkeit einer solchen beweismäßigen Verwertung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Tonaufnahme Betroffenen zu prüfen. Hierbei spielt es für die Frage der Grundrechtsbindung keine Rolle, ob die Verwertung solcher grundrechtsrelevanten Informationen in einem Strafprozess (vgl. BVerfGE 34, 238; siehe auch BVerfGE 80, 367 ≪373≫ zu der Frage der Zulässigkeit der gerichtlichen Verwertung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen) oder – wie hier – in einem Zivilprozess erfolgen soll (vgl. - mit Bezug auf Art. 10 Abs. 1 GG - BVerfGE 85, 386 ≪399≫).
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird es unter anderem durch die verfassungsgemäße Ordnung beschränkt. Hierzu gehören auch die zivilprozessualen Vorschriften über die Vernehmung von Zeugen (§§ 373 ff. ZPO) sowie über die richterliche Beweiswürdigung (insbesondere § 286 ZPO). Diese Vorschriften liegen dem von den Beschwerdeführern gerügten Verhalten der Gerichte (Beweiserhebung und -verwertung) zu Grunde.
Ob der Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der einen und einem für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interesse auf der anderen Seite (vgl. BVerfGE 34, 238 ≪248≫; 80, 367 ≪373 ff.≫).
- Das Grundgesetz – insbesondere das unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip – misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung bei. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung und das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess besonders im Zusammenhang mit der wirksamen Aufklärung schwerer Straftaten betont (vgl. BVerfGE 34, 238 ≪248 f.≫ m.w.N.; 80, 367 ≪375≫). Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
Allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege reicht aber nicht, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Strafverfahren kann dies etwa die Aufklärung besonders schwerer Straftaten sein (vgl. BVerfGE 34, 238 ≪248 ff.≫; 80, 367 ≪380≫). Auch im Zivilprozess kann es Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung - über das stets bestehende “schlichte” Beweisinteresse hinaus – besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt.
In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird dies etwa in Fällen angenommen, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (vgl. BGHZ 27, 284 ≪289 f.≫). Ein Beispiel dafür ist die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers, der sich als eine andere Person ausgegeben hatte, um unter diesem Deckmantel Verleumdungen gefahrlos aussprechen zu können (vgl. BGH, NJW 1982, S. 277). Ein anderes Beispiel sind Maßnahmen zur Feststellung erpresserischer Drohungen (vgl. BGHZ 27, 284 ≪290≫). In der Rechtsprechung wird eine Rechtfertigung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch dann erwogen, wenn es dem Eingreifenden bei der Schaffung des Beweismittels darauf ankam, einem auf andere Weise nur schwer, möglicherweise überhaupt nicht abwehrbaren kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz zu begegnen (vgl. BGH, NJW 1994, S. 2289 ≪2292 f.≫ für einen Fall der Produktpiraterie). Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. etwa aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung BGHZ 27, 284 ≪290≫; BGH, NJW 1982, S. 277; NJW 1988, S. 1016 ≪1018≫; NJW 1998, S. 155).
In den angegriffenen Entscheidungen fehlt jede Feststellung zum Vorliegen einer derartigen besonderen Situation. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die Gesprächspartner der Beschwerdeführer in einer Notsituation befanden, die eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hätte rechtfertigen können. Vielmehr können sich die Gesprächspartner nach dem bisherigen Erkenntnisstand für ihr Vorgehen nur auf ihr allgemeines Beweisinteresse berufen, das aber auch nach der einhelligen Auffassung der Zivilgerichte als Rechtfertigungsgrund nicht genügt.
Durch die Unzulässigkeit der Vernehmung der Mithörzeugen und der Verwertung ihrer Aussagen werden die Gegner der Beschwerdeführer in den Ausgangsverfahren nicht völlig beweislos gestellt. Falls andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, bietet sich insbesondere eine Anhörung oder eine Parteivernehmung beider Gesprächspartner an. Im Übrigen hätten die Gegner in den Ausgangsverfahren versuchen können, eine spätere Verwertung der Zeugenaussage dadurch zu sichern, dass sie das Mithören offen gelegt hätten. Schließlich hätten sie in rechtlich einwandfreier Weise für weitere Beweismittel sorgen können, etwa durch schriftliche Bestätigung der Abreden.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte bei hinreichender Beachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu anderen, für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnissen gekommen wären, beruhen die Entscheidungen auf dem Verfassungsverstoß und sind deshalb gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben.
Die Auslagenentscheidung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Papier, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 857110 |
NJW 2002, 3619 |
FamRZ 2003, 21 |
NVwZ 2003, 70 |
FA 2003, 25 |
ZAP 2002, 1265 |
AP, 0 |
AuA 2003, 55 |
DSB 2002, 13 |
JuS 2003, 392 |
DVBl. 2003, 131 |
NPA 2003, 0 |
KammerForum 2003, 64 |