Die Haftungsbeschränkung kann nur dann eintreten, wenn es sich um dienstlich oder betrieblich veranlasste Tätigkeiten handelt, d. h. Arbeiten, die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen wurden oder die er im Interesse des Betriebs/der Dienststelle ausgeführt hat. Die Tätigkeit muss in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb/der Dienststelle und seinem betrieblichen/dienstlichen Wirkungskreis stehen.
2.3.1 Weite Auslegung des dienstlichen/betrieblichen Interesses
Eine dienstliche/betriebliche Tätigkeit liegt nicht nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer eine Aufgabe verrichtet, die unmittelbar zu der vertraglich vereinbarten bzw. ihm zugewiesenen Tätigkeit gehört. Der Begriff der dienstlichen/betrieblichen Tätigkeit ist vielmehr sehr weit auszulegen. Die Handlung des Arbeitnehmers muss nur in irgendeiner Weise betriebsbezogen sein.
Ein Auszubildender ohne entsprechenden Führerschein benutzt entgegen dem ausdrücklichen Verbot seines Arbeitgebers den Gabelstapler, um einen Lkw voller Fahrräder schneller entladen zu können, und beschädigt beim Fahren den Gabelstapler.
Die Art, wie die Tätigkeit ausgeführt wird (sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig), entscheidet nicht darüber, ob es sich um eine dienstliche/betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht.
Ein Lkw-Fahrer wirft seinem Kollegen vor, zu spät vom Tanken zurückgekommen zu sein, sodass sein Lkw nicht mehr rechtzeitig beladen werden kann. Im Laufe dieses Wortwechsels versetzt er dem Kollegen einen Stoß vor die Brust, worauf dieser einen Schritt rückwärts macht, über die dort stehende Schubkarre fällt und sich schwere Verletzungen an einer Stahlschiene zuzieht.
Der dienstliche/betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei der Ausführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn derartige Verhaltensverstöße nicht im Interesse des Arbeitgebers liegen. Es kommt dabei entscheidend darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war. Eine betriebliche Tätigkeit liegt immer schon dann vor, wenn der Schädiger bei objektiver Betrachtungsweise aus seiner Sicht im Betriebsinteresse handeln durfte, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch ist und keinen Exzess darstellt.
2.3.2 Private Veranlassung
Durch das Merkmal der betrieblichen Veranlassung soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers belastet wird. Unternimmt der Arbeitnehmer eine bloße "Spaßfahrt" mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers oder eines Kunden, dann haftet er ohne Einschränkung in vollem Umfang, auch wenn ihm nur leichteste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
- Ein Tankstellengehilfe unternimmt abends nach Dienstschluss eine Schwarzfahrt mit einem Kundenfahrzeug und verursacht beim Heranrollen an eine rote Ampel einen Auffahrunfall.
- Ein Auszubildender fährt zum Spaß mit einem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände umher und beschädigt beim Ausfahren aus der Halle das Lagertor.
- Bei einer Schlägerei unter Arbeitskollegen wegen Wettschulden wird einer der Männer schwer verletzt.
Ein lediglich räumlicher und zeitlicher Zusammenhang der Pflichtverletzung mit der Arbeit ist daher nicht ausreichend. Das heißt, dass es zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit nicht genügt, wenn es sich bei dem Schädiger oder dem Geschädigten bloß um einen Arbeitnehmer, der sich mehr oder weniger zufällig im Betrieb aufhält, handelt, ebenso wenig ist die bloße – missbräuchliche – Nutzung eines Betriebsmittels ausreichend. Tritt der Schaden nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb auf, ist er nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzuordnen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schaden aufgrund einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eingetreten ist und die schädigende Handlung erst gar nicht auf die Förderung der Betriebsinteressen ausgerichtet ist oder ihnen gar zuwiderläuft.
Keine betriebliche Veranlassung hat das BAG in einem Fall gesehen, bei dem ein Auszubildender, der an einer Wuchtmaschine arbeitete, ohne Vorwarnung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich warf und dadurch einen Kollegen verletzte. Das BAG hat keinen Haftungsausschluss nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 SGB VII angenommen (vgl. hierzu nachfolgend unter 2.5), sondern ist davon ausgegangen, der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen.