Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der unterbliebenen Zuleitung der Unterrichtung des Betriebsrats über anzeigepflichtige Entlassungen hinsichtlich der Wirksamkeit einer Kündigung
Leitsatz (amtlich)
§ 17 Abs. 3 S. 1 KSchG ist kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Die nicht gleichzeitige Zuleitung einer Abschrift des Schreibens an den Betriebsrat über die Unterrichtung über anzeigepflichtige Entlassungen (§ 17 Abs. 2 KSchG) führt daher für sich genommen nicht zur Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung.
Normenkette
KSchG § 17 Abs. 3 S. 1; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 06.05.2014; Aktenzeichen 1 Ca 840/13) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 06.05.2014 - 1 Ca840/13 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Der 1965 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.02.2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.000,00 € beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die Kopie Bl. 4 bis 6 d.A. Bezug genommen. De Kläger ist wegen eines Gehörschadens mit einem GdB von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt; der Einsatz im Rohstofflager erfolgte aufgrund einer Untersuchung im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements auf Empfehlung des Betriebsarztes (ärztliche Bescheinigung vom 22.03.2012, Bl. 149 d.A.).
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der Textilindustrie, das am Standort in T Nadelvlies produziert. Sie beschäftigte im Juni 2013 insgesamt 83 Arbeitnehmer; ein Betriebsrat ist gewählt.
Nachdem bereits zum 31.12.2012 der Bereich der sog. Garnspinnerei geschlossen worden ist, beabsichtigte die Beklagte Mitte des Jahres 2013, weitere 15 Arbeitsplätze abzubauen.
Mit Schreiben vom 13.06.2013 (Kopie. Bl. 147 d.A.) wandte die die Beklagte sich an den Betriebsrat. Unter demselben Datum schlossen die Betriebsparteien einenInteressenausgleich mit Namensliste ab (Bl. 57 bis 59 und Bl. 81 d.A.). Unter der laufenden Nummer 12 (Bl. 81 d.A.) findet sich der Name des Kläger in der Namensliste zum Interessenausgleich. Ausweislich der vorgelegten Fotokopie der Namensliste ist diese sowohl vom Geschäftsführer und Prokuristen der Beklagten als auch vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet. In § 3 des Interessenausgleichs (Bl. 58 d.A.) wird hinsichtlich der "Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten" auf eine Betriebsvereinbarung vom 22.10.2008 verwiesen, die wiederum dem Interessenausgleich als Anlage 2 beigefügt war. Diese "Betriebsvereinbarung Festlegung von Auswahlrichtlinien gemäß § 1 Abs. 4 KSchG" beschreibt im Einzelnen die Kriterien und Durchführung der Sozialauswahl sowie die Zuordnung von sog. Punkten. Hiernach werden Punkte wie folgt vergeben: Bis zum 10. Dienstjahr je Dienstjahr 1 Punkt; ab dem11. Dienstjahr je Dienstjahr 2 Punkte; Lebensalte 1 Punkt max. 55 Punkte; Unterhaltspflichten je unterhaltspflichtiges Kind 5 Punkte; Schwerbehinderteneigenschaft (bzw. Gleichstellung) 5 Punkte. Auf die Kopie Bl. 60 ff d.A. wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 18.06.2013 übersandte die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit in Meschede eine "Anzeige von Entlassungen gem. § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)", der u.a. das Unterrichtungsschreiben an den Betriebsrat vom 13.06.2013, der Interessenausgleich vom gleichen Tage nebst Anlagen sowie ein Sozialplan vom 13.06.2013 beigefügt waren. Wegen der Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige wird auf die Fotokopie Bl. 178 bis 200 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 20.06.2013 bestätigte die Bundesagentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige und bestimmte die sog. Freifrist für den Zeitraum vom 19.06.20134 bis 18.07.2013 (Bl. 201 d.A.).
Ebenfalls mit Schreiben vom 18.06.2013 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an (Bl. 64 bis 66 d.A.). Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung mit Schreiben vom 25.06.2013 (Bl. 67 d.A.).
Nachdem das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers mit Bescheid vom 23.07.2013 erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.07.2013 zum Ablauf des 30.09.2013. Wegen des Kündigungsschreibens wird auf die Kopie Bl. 7 d.A. Bezug genommen.
Gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur fristgerechten Kündigung hat der Kläger Widerspruch eingelegt, der durch Bescheid des Widerspruchausschusses beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe unter dem 22.08.2014 zurückgewiesen wurde.
Mit der vorliegenden, am 07.08.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 26.07.2013 und verlangt darüber hinaus mit Klageerweiterung vom 31.01.2014 die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Staplerfahrer.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Kündigung sei so...