Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Verfalls von überzahltem Lohn gem. § 37 Abs. 1 TV-L
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ausschlussfrist gem. § 37 Abs. 1 S. 1 TV-L erfasst auch den Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung.
2. Der Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Entgelts entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Überzahlung und wird sofort fällig, wenn der Arbeitgeber die Vergütung fehlerhaft berechnet, obwohl ihm die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Sind dem Arbeitgeber die Grundlagen der Berechnung bekannt, so fallen Fehler bei der Berechnung grundsätzlich in seine Sphäre, weil sie von ihm eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als von dem Empfänger der Leistung.
3. Etwas anderes gilt dann, wenn der Arbeitgeber die Überzahlung nicht erkennen kann, weil die Fehler bei der Berechnung in die Sphäre des Arbeitnehmers fallen, etwa weil dieser Änderungen seiner persönlichen Verhältnisse, die sich auf die Höhe der Vergütung auswirken, dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt hat. In einem solchen Fall wird der Anspruch auf Rückzahlung erst dann fällig, wenn dieser von den rechtsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
4. Beruht die Überzahlung von Entgelt darauf, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt im Hinblick auf eine Fortsetzungserkrankung ein Krankengeldanspruch, nicht aber ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand, so trägt der Arbeitgeber im Rahmen des § 3 Abs. 1 EntgeldfortzahlungsG die Beweislast. Zumindest muss er sich zeitnah vergewissern, dass es sich bei einer ihm angezeigten Arbeitsunfähigkeit um eine Fortsetzungserkrankung handelt.
Normenkette
BGB § 611; TV-L § 37 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 13.06.2019; Aktenzeichen 1 Ca 401/19) |
Tenor
Die Berufung des klagenden Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.06.2019 - 1 Ca 401/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das klagende Land.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung einer überzahlten Vergütung.
Sie war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 02.12./03.12.2013 (Bl. 54 bis 57 d. A.) ab dem 06.12.2013 als Fachkraft für Schulsozialarbeit in Vollzeitbeschäftigung an einer Hauptschule in S beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet. Mit Vertrag vom 26.01.2016/01.02.2016 (Bl. 58, 59 d. A.) wurde es entfristet. Gem. § 2 des Arbeitsvertrages galt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).
Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.12.2017 aufgrund eines Aufhebungsvertrages.
Die Beklagte war vom 20.12.2016 bis zum 06.01.2017, sodann vom 11.01.2017 bis zum 20.01.2017 arbeitsunfähig krank. Sie erkrankte erneut am 20.02.2017 und legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 24.03.2017 vor. Aufgrund einer Erstbescheinigung war sie erneut vom 10.04.2017 bis zum 21.04.2017, anschließend aufgrund von Folgebescheinigungen vom 25.04.2019 bis zum 12.05.2017 arbeitsunfähig krank. Für die Zeit vom 24.03.2017 bis zum 07.04.2017 lag keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Klägerin galt jedoch in der Einsatzschule als dienstunfähig.
Lehrkräfte haben bei Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei ihrer Einsatzschule einzureichen. Auch im Fall der Beklagten gingen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in der Schule in S ein. Die Einsatzschule übersandte ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Bezirksregierung Detmold, die ihre Personalakten führte. Dort wird die Arbeitsunfähigkeit in dem dafür vorgehaltenen Lehrerpersonalsystem erfasst.
Bezügeauszahlende Stelle ist das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV), das Änderungen in der Zahlung der Vergütung aufgrund von Änderungsmitteilungen der die Personalakten führenden Stelle vornimmt.
Das klagende Land zahlte an die Beklagte Entgelt für den gesamten Arbeitsunfähigkeitszeitraum.
Mit Schreiben vom 12.10.2018 (Bl. 64 d. A.), am 23.10.2018 der Einsatzschule der Beklagten, am 03.11.2018 dem LBV zugegangen, teilte ihre Krankenkasse C mit, das Entgeltfortzahlungsende sei aufgrund der Anrechnung von Vorerkrankungszeiten auf den 09.04.2017 festzusetzen, sie werde vom 10.04.2018 bis zum 12.05.2018 Krankengeld leisten.
Mit Schreiben vom 23.10.2018 (Bl. 60 d. A.), beim LBV am 24.10.2018 eingegangen, forderte die C das klagende Land auf, eine Verdienstbescheinigung für die Beklagte zu erteilen. Mit E-Mail vom 26.10.2018 (Bl. 62 d. A.) wies das LBV die Krankenkasse darauf hin, dass die Personalakten von der Bezirksregierung Detmold geführt würden und es nur das Lohnbüro des klagenden Landes sei. Mit E-Mail vom 14.11.2018 forderte es die Bezirksregierung Detmold auf, eine Änderungsmitteilung im Hinblick auf die Vorerkrankungszeiten der Beklagten vorzulegen. Mit E-Mail vom 21.11.2018 (Bl. 72 d. A.) legte die Bezirksregierung Detmold dem LBV eine Änderungsmitteilung (Bl. 74 d. A.) vor.
Mit Schreiben vom 07.12.2018 (Bl...