Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung der unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers gemachten Videoaufzeichnungen im Kündigungsschutzverfahren zur Begründung der Kündigung und zu Beweiszwecken ist unzulässig.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 18.08.2000; Aktenzeichen 2 Ca 284/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.08.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegen wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien, zwischen denen seit dem 04.01.1995 auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.12.1998 ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung der Klägerin als Abteilungshilfe gegen ein monatliches Gehalt von zuletzt 1.946,00 DM brutto besteht, streiten um die soziale Rechtfertigung einer der Klägerin gegenüber mit Schreiben der Beklagten vom 07.02.2000 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise zum 31.05.2000 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung der Beklagten, der Weiterbeschäftigung der Klägerin sowie um den Lohn für die Monate Februar bis Mai 2000 in Höhe von 7.275,05 DM brutto abzüglich 632,78 DM netto seitens des Arbeitsamtes gezahlten Arbeitslosengeldes.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO Abstand und auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des am 18.08.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Siegen Bezug genommen.
Im übrigen wird wegen einiger Verdeutlichungen, Ergänzungen und Bekräftigungen des beiderseitigen Parteivorbringens sowie des Setzens anderer Akzente gegenüber dem Vortrag in erster Instanz auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien und wegen der von ihnen gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2001 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg und führt zur Zurückweisung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 07.02.2000 erklärte außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung noch durch die gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten mit Wirkung zum 31.05.2000 aufgelöst worden.
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam und die ordentliche Kündigung erweist sich als sozial nicht gerechtfertigt.
Ein kündigungsrelevanter Sachverhalt im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 1 Abs. 2 KSchG konnte nicht festgestellt werden.
Ob der von der Beklagten vorgetragene Kündigungssachverhalt die Kündigung rechtfertigt, kann ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Ihr diesbezüglicher Vortrag zur Begründung ihrer Kündigung darf bei der Entscheidung mit der Folge, dass ein Kündigungsgrund nicht feststellbar ist, nicht berücksichtigt werden. Die Verwertung des Vortrags der Beklagten ist entsprechend der zu den Beweisverwertungsverboten entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH in NJW 1982, 277; BGH in NJW 1988, 1016; BGH in NJW 1991, 1180) nicht zulässig, weil die Klägerin damit in ihrem durch Artikel 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt werden würde (BAG in AP Nr. 3 zu § 284 ZPO; LAG Berlin in IZ 1982, 258; Stein-Jonas-Leipold, ZPO § 284 Rz. 54).
Artikel 2 Abs. 1 GG verbrieft jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte Anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Dieses Grundrecht schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am gesprochenen Wort, das Recht am eigenen Bild (BVertG in AP Nr. 20 zu Art. 2 GG). Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer von ihm Videoaufzeichnungen vornehmen darf. Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit wird erheblich geschmälert, dürften andere ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen über die Videoaufnahmen nach Belieben verfügen. Dazu zählt auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der des Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und zwar auch ohne Verbreitungsabsicht (BAG in AP Nr. 25 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht).
Das durch Artikel 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt nicht nur gegenüber dem Staat und seinen Institutionen, sondern ist auch im Privatrechtsverkehr und damit auch im beruflichen Bereich zu beachten (BAG in AP Nr. 8 und 27 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht).
Derartige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht können auch nicht durch Zustimmung des Betriebsrats für den betrieblichen Bereich legitimiert werden (BAG in AP Nr. 23 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Die Regelungsbefugnis...