Rechtskräftig Nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft (hier: eines in einem Amt für offene Vermögensfragen tätigen Rechtsanwaltes)
Leitsatz (amtlich)
1. Es bleibt für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft bei einer umfassenden Betrachtung der gesamten Umstände, unter denen das Dienstverhältnis gehandhabt worden ist.
2. Sofern sich daraus kein hinreichend klares Bild ergibt, kann ergänzend geprüft werden, ob bei einer unternehmerischen Tätigkeit ein ausgewogenes Verhältnis von Risiken und Chancen zu bejahen wäre.
3. Ebenfalls ergänzend kann der bei Vertragsabschluß übereinstimmend zum Ausdruck gebrachte Vertragswille herangezogen werden (im Anschluß an BAG E 25, 505). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beschäftigte – wie hier ein Rechtsanwalt – die sozialen und rechtlichen Folgen der Vertragsgestaltung zu überblicken voll imstande war und sich von daher keine besondere Schutzbedürftigkeit ergibt.
Normenkette
LPVG M-V § 68 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Aktenzeichen 2 Ca 542/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (2 Ca 542/94) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Zusammenhang mit vom Kläger geltend gemachten Honoraransprüchen streiten die Parteien um die Frage, ob eine Kündigung des Beklagten das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wirksam zum 31.7.1994 beenden konnte.
Der Kläger ist Rechtsanwalt in B..
Am 25.4.1994/9.5.1994 unterzeichneten die Parteien einen so benannten „Honorarvertrag”, demzufolge der Kläger in der Zeit vom 1.5.1994 bis zum 31.12.1994 beim Beklagten an der Erfüllung der Aufgaben nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen mitarbeiten sollte. Als Vergütung waren monatlich (einschließlich Umsatzsteuer) DM 9.500,00 hierfür vorgesehen. Hinzu kam eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von DM 675,00. Gemäß § 6 Absatz 3 des Vertragswerkes wurde eine beiderseitige ordentliche Kündigungsmöglichkeit (Frist: 1 Monat zum Monatsende) vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Honorarvertrages wird auf die bei den Akten befindliche Fotokopie (Blatt 10–12 d. A.) verwiesen. Das Formular hatte der Beklagte über das Bundesministerium der Justiz im Rahmen des sogenannten „Anwaltsprojektes II” bezogen.
Anfang Mai 1994 nahm der Kläger seine Tätigkeit für den Beklagten in dessen Amt für Vermögensfragen auf. Seine Rechtsanwaltskanzlei in B. betrieb der Kläger weiter, jedoch stellte er für die Vertragsdauer eine ihn vertretende Ersatzkraft ein. Auch seine Dozententätigkeit für Arbeitsrecht in B. behielt der Kläger bei.
Im Amt für Vermögensfragen erhielt der Kläger von der Amtsleitung Akten zur selbständigen Bearbeitung, wobei Fertigstellungstermine nicht gesetzt wurden. Etwa Ende Mai 1994 fand der Kläger – wie die im Amt beschäftigten Arbeitnehmer des Beklagten – auf seinem Schreibtisch eine Zeitnachweiskarte (sogenannte „Stempelkarte”) vor, die er für den Juni selbst handschriftlich ausfüllte (Fotokopie Blatt 9 d. A.). Ob ihm dafür eine entsprechende Weisung gegeben wurde, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Kläger war nicht in den Geschäftsverteilungsplan des Beklagten eingegliedert, auch wurde keine Personalakte für ihn geführt.
Unter dem 23.6.1994 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis fristgemäß zum 31.7.1994 (dem Kläger am 24.6.1994 per Fax übermittelt, vgl. Blatt 94 d. A.). Der Personalrat des Beklagten wurde bei dieser Kündigung nicht beteiligt.
Auf Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht Stralsund am 15. September 1994 Mahnbescheid über die für August 1994 für den Kläger vorgesehenen Bezüge erlassen. Nach Widerspruch des Beklagten hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.10.1994 seine Ansprüche im streitigen Verfahren weiter begründet und sich mit Schriftsatz vom 26.1.1995 dann auch gegen die ihm ausgesprochene Kündigung gewandt.
Der Kläger hat die Meinung vertreten, er sei Arbeitnehmer des Beklagten gewesen. Die ihm ausgesprochene Kündigung sei folglich schon wegen der unterbliebenen Beteiligung des Personalrates unwirksam. Darüber hinaus hätte in Anbetracht der Befristung eine zusätzliche Kündigungsmöglichkeit im Vertrag nicht wirksam vereinbart werden können. Gründe oder gar ein wichtiger Grund für eine Kündigung stünden dem Beklagten nicht zur Verfügung. Da er im Rahmen des also weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft angeboten habe, sei der Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zur Fortzahlung seiner Bezüge verpflichtet.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.175,00 DM brutto zuzüglich neun Prozent Zinsen seit dem 3.8.1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, mit dem Kläger kein Arbeits-, sondern ein freies Mitarbeiterverhältnis eingegangen zu sein. Der Kläger habe weiterhin Rechtsanwalt bleiben dürfen, die Auftragserledigung durch den Kläger sei nicht in einer für einen Arbeitnehmer typischen Art. und Weis...