Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung. Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei der betrieblichen Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag zur Absicherung eines 13. Monatseinkommens der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12.12.1996 (TR 5/10-300a 101) handelt es sich um eine stichtagbezogene Einmalzahlung und kein aufgespartes Arbeitsentgelt für einzelne Abrechnungsperioden. Dies führt zur Qualifizierung als Masseverbindlichkeit gem. § 56 Abs. 1 Ziffer 2 InsO, soweit der Stichtag (Auszahlungstag) nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung liegt.
Normenkette
BGB § 611; InsO §§ 38, 55
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 04.06.2009; Aktenzeichen 1 Ca 26/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 04.06.2009, Az.: 1 Ca 26/09, abgeändert.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 948,74 (in Worten: Euro neunhundertachtundvierzig 74/100) brutto zu bezahlen und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2008.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung einer restlichen Sonderzahlung für das Jahr 2008.
Der Kläger ist seit dem 25.09.1989 bei der Firma A. Au. & I. C. GmbH gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt EUR 2.012,21,– brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Metallindustrie in Bayern kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung.
Am 01.09.2008 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Hinsichtlich des Anspruchs auf eine jährliche Sonderzahlung ist im Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens (TR 5/10-300a 101) u.a. geregelt, dass einen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung je Kalenderjahr nur die Arbeitnehmer haben, „die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben”.
Es werden die Arbeitnehmer ausgenommen, „die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben” und diejenigen, „deren Arbeitsverhältnis wegen einer vor diesem Zeitpunkt erfolgten verhaltensbedingten Kündigung enden wird”.
Keine Leistung erhalten ferner die Arbeitnehmer, „deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr Kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht”; ruht das Arbeitsverhältnis nur teilweise, „so erhalten sie eine anteilige Leistung”. Eine anteilige Leistung erhalten ferner die Arbeitnehmer, „die im Laufe des Kalenderjahres wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichnis der Altergrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden”.
In dem Tarifvertrag wird ferner geregelt, dass die Leistungen „als einmalige Zahlungen i.S. der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften” gelten.
Als Auszahlungstag wird, soweit nicht durch Betriebsvereinbarung abweichend geregelt, der 01. Dezember festgelegt.
In einer Protokollnotiz haben die Tarifparteien klargestellt, „dass Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, und erkrankte Arbeitnehmer nicht von der Ruhensregelung erfasst werden.
Der Kläger errechnete ausgehend von einem Durchschnittsverdienst in den Monaten August bis Oktober 2008 von EUR 2.563,21 brutto einen Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von EUR 1.409,76 brutto. Hierauf brachte der Beklagte nur einen Teilbetrag von EUR 461,03 zur Auszahlung und stellte hierbei auf den Zeitanteil nach der Insolvenzeröffnung am 01.09.2008 ab.
Der Kläger begehrt mit seiner am 08.01.2009 beim Arbeitsgericht Würzburg eingereichten Klage vom 02.01.2009 die Auszahlung des Rechtsbetrages in Höhe von EUR 948,74 brutto.
Der Kläger begründet sein Zahlungsbegehren damit, bei der tariflichen Sonderzahlung handle es sich um eine stichtagsbezogene Zusatzvergütung, mit der auch die bereits erbrachte und zukünftige Betriebstreue honoriert werden solle. Sie stelle deshalb eine Masseverbindlichkeit dar.
Der Beklagte dagegen hält die Forderung für eine einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO, soweit sie für die Monate gefordert werde, die vor der Insolvenzeröffnung lagen. Dies deshalb, da es sich schon nach der Bezeichnung im Tarifvertrag um ein 13. Monatseinkommen handle, das zeitanteilig für die geleistete Arbeit geschuldet werde.
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Endurteil vom 04.06.2009 die Klage abgewiesen.
Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der streitgegenständlichen Sonderzahlung um eine solche mit „Mischcharakter” handle, die nicht als Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sondern Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu qualifizieren sei.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers...