RECHTSBESCHWERDE / ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußverfahren. Gewerkschaft. Antragsbefugnis. Betriebsvereinbarung. Tarifvorbehalt. Beteiligtenfähigkeit. Tariföffnungsklausel. Arbeitszeitflexibilisierung. Außenseiterschutz. tarifvertragliche Bestimmungsklausel. Betriebsmittelnutzungszeit. individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. freie Tage. Zeitausgleich. 2-Monats-Grenze
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens ist die antragstellende Gewerkschaft auch dann antragsbefugt, wenn sie die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen einer Überschreitung der tariflichen Öffnungsklausel (§ 77 Abs. 3 BetrVG) rügt.
2. Die tarifvertraglichen Flexibilisierungsklauseln, die die Festlegung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit durch die Betriebsvereinbarungsparteien gestatten, verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
3. Bei der Festlegung der freien Tage als Zeitausgleich zur Erreichung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sind die Betriebsvereinbarungsparteien nicht an einen Zeitraum von 2 Monaten gebunden.
Normenkette
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 80 ff.; BetrVG § 77 Abs. 3, § 88; BGB § 317 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11. März 1986 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit der bei der Antragsgegnerin geltenden Betriebsvereinbarung, soweit diese einen Zeitausgleich zur Erreichung der individuellen Arbeitszeit durch Freischichten regelt.
Die Bezirksleitung Hamburg der antragstellenden Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland schloß am 11. Juli 1984 mit dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie Hamburg – Schleswig-Holstein e. V. den „Manteltarifvertrag Teil 2 für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Hamburg und Umgebung” und den „Manteltarifvertrag Teil 2 für die Angestellten in der Metallindustrie Hamburg und Umgebung”. Diese Tarifverträge regeln insbesondere die Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für die Beschäftigten.
Beide Tarifverträge sind in dem Betrieb der Antragsgegnerin wegen Tarifgebundenheit anzuwenden. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsgegnerin gewählte Betriebsrat.
In § 2 Abschnitt A bei der Tarifverträge sind auszugsweise folgende Regelungen enthalten:
„1. Regelmäßige Arbeitszeit
(Abs. 1) Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 38,5 Stunden.
(Abs. 2) Die Arbeitszeit wird im Rahmen des Volumens, das sich aus der für den Betrieb festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden im Durchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten ergibt, durch Betriebsvereinbarung geregelt. (…)
(Abs. 3) Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann zwischen 37 und 40 Stunden (Vollzeitbeschäftigte) betragen.
(…)
(Abs. 8) Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf 5 Werktage in der Woche verteilt werden. Eine davon abweichende Verteilung kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Die wöchentliche Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 2 Monaten erreicht werden.
(…)
3. Auslastung der betrieblichen Anlagen
Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer kann der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen. (…) Bei der Festlegung der freien Tage sind die Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
(…)”
Daraufhin schlossen die Antragsgegnerin und die Beteiligte zu 3) am 29. April 1985 eine Betriebsvereinbarung ab, die auszugsweise wie folgt lautet:
„(…)
§ 2 Die Dauer der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt für alle Arbeitnehmer 38,5 Stunden.
§ 3 Verteilung der Arbeitszeit
a) (…)
In den Monaten November bis März beträgt die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer |
38,5 Stunden, |
nämlich von Montag bis Donnerstag |
8,0 Stunden |
am Freitag |
6,5 Stunden. |
(…)
b) Die tatsächliche Arbeitszeit beträgt ab 1. Mai 1985 bis 31. Oktober 1985 und für die Folgejahre ab 1. April eines Jahres bis 31. Oktober des Jahres für alle Arbeitnehmer 40,0 Stunden.
§ 4 Der Ausgleich zur Erreichung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit erfolgt durch Freischichten.
Deren/Lage ist einvernehmlich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber festzulegen.
Die Betriebspartner sind sich darüber einig, daß die Freischichten grundsätzlich im Zeitraum zwischen November und März des Folgejahres liegen.
(…)
Die Freischichten sollen gleichmäßig auf die Monate des Ausgleichszeitraumes verteilt werden.”
Die Antragstellerin war vor dem Gericht des ersten Rechtszuges der Auffassung:
Sie sei berechtigt, die bei der Antragsgegnerin geltende Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitverkürz...