Fallen in die Arbeitszeit eines Beschäftigten sog. "Bereitschaftszeiten" (§ 9 TV-L) – z. B. bei Hausmeistern, Rettungssanitätern –, so werden für diese Zeiten keine zusätzlichen Pauschalen oder sonstigen Entgelte gezahlt, wie dies z. B. für Zeiten der Rufbereitschaft/des Bereitschaftsdienstes vorgesehen ist. Die Bereitschaftszeiten werden – auch im Falle einer Verlängerung der Arbeitszeit über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus – mit dem tariflichen Monatstabellenentgelt abgegolten.
Allerdings ist für jede geleistete Arbeitsstunde mindestens der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Zur mit Mindestlohn vergütungspflichtigen Arbeit rechnen auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – innerhalb oder außerhalb des Betriebs – bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Der Mindestlohn nach MiLoG beträgt seit 1.1.2019 9,19 EUR und ab 1.1.2020 9,35 EUR pro Stunde.
Der Beschäftigte arbeitet als Rettungsassistent in einer 4-Tage-Woche in 12-Stunden-Schichten, durchschnittlich 48 Stunden pro Woche. Er bezog – zum Zeitpunkt des Rechtsstreits – ein Bruttomonatsgehalt i. H. v. 2.680,31 EUR sowie Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit.
Der Beschäftigte machte geltend, der Arbeitgeber vergüte Bereitschaftszeit nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Er begehrte weitere Vergütung für die Bereitschaftszeiten mit Verweis darauf, dass sein Tabellenentgelt nach TVöD nur die bis 39 Stunden pro Woche geleistete Vollarbeitszeit einschließlich der faktorisierten Bereitschaftszeiten vergüte. Die darüber hinausgehenden Bereitschaftszeiten von 9 Stunden pro Woche würden nicht vergütet.
Das BAG entschied:
Der Anspruch des Beschäftigten auf gesetzlichen Mindestlohn ist mit Zahlung des tariflichen Entgelts erfüllt. Bei maximal 228 Arbeitsstunden, die der Kläger mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten in einem Monat tatsächlich leisten kann, erreicht das gezahlte Monatstabellenentgelt (zum Zeitpunkt des Rechtsstreits: 2.680,31 EUR) den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zum Mindestlohn im Zeitpunkt des Rechtsstreits 8,50 EUR = 1.938,00 EUR brutto monatlich) nicht nur, sondern übersteigt den Mindestlohn. Ein Anspruch auf weitere Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB besteht deshalb nicht. Die tarifliche Entgeltregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.
Für die betriebliche Praxis empfehlen sich folgende Kontrollrechnungen:
- Monatliches Tabellenentgelt dividiert durch den Mindestlohn pro Stunde (seit 1.1.2019: 9,19 EUR, ab 1.1.2020: 9,35 EUR) = maximale Stundenzahl pro Kalendermonat.
Oder:
- Ergibt die Formel "Monatliches Tabellenentgelt dividiert durch die im jeweiligen Kalendermonat im Rahmen der verlängerten Wochenarbeitszeit geleisteten Stunden" weniger als den gesetzlichen Mindestlohn (seit 1.1.2019: 9,19 EUR, ab 1.1.2020: 9,35 EUR), so besteht Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.
Erbringt der Beschäftigte seine Arbeits- und Bereitschaftszeiten an Wochenenden, Feiertagen oder nachts, so stehen ihm Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 zu. Zeitzuschläge sind auch für die Bereitschaftszeiten zu zahlen. Wird wegen Vorliegens von Bereitschaftszeiten die durchschnittlich zu leistende Wochenarbeitszeit über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus verlängert, so stehen Zeitzuschläge auch für die verlängerte Arbeitszeit zu.