Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Die Anforderung, dass Schülerinnen von Sportlehrerinnen im Sport unterrichtet werden, ist eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Absatz 1 AGG.
Normenkette
AGG §§ 7, 8 Abs. 1; RL 2000/78/EU Art. 4 Abs. 1; AGG §§ 1, 3 Abs. 1, § 15 Abs. 2; BayEUG Art. 45 Abs. 1-3, Art. 90 S. 2, Art. 92 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 01.02.2018; Aktenzeichen 16 Ca 3627/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 01.02.2018 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus dem AGG.
Der Beklagte betreibt u.a. eine Schule mit den Klassenstufen 1 bis 13.
Der Beklagte gab unter dem 13.06.2017 ein Stellenangebot ab. Darin suchte er
• Klassenlehrer/in (m/w)
• Fachlehrer/in Mathe/Physik (m/w) (volles Deputat und Teildeputat)
• Fachlehrer/in Englisch (Ober- und Unterstufe) (m/w) (Teildeputat)
• Fachlehrer/in Biologie/Chemie/Geographie (m/w) (Teildeputat)
• Fachlehrerin Sport (w)
•Fachlehrer/in Technologie 11. Klasse (m/w) (4 Stunden)
• Fachlehrer/in Eurythmie (m/w) (6-9 Stunden).
Der Kläger bewarb sich am 13.06.2017 auf die Stelle der Sportlehrerin.
Unter dem 19.06.2017 teilte der Beklagte dem Kläger Folgendes mit:
...
leider suchen wir eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen der Oberstufe.
Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2017 Ansprüche des Klägers auf Entschädigung wegen Diskriminierung zurückgewiesen hatte, erhob der Kläger am 04.07.2017 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg, mit der er geltend macht, er sei wegen seines Geschlechts benachteiligt worden, und eine Entschädigung in Höhe von 13.500,00 € forderte.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Endurteil vom 01.02.2018 ab. Das Erstgericht begründete dies u.a. damit, dass der Kläger nach den Bestimmungen des bayerischen Kultusministeriums für Sportunterricht die Aufgaben eines Sportlehrers in den Klassen 5 und 6 nur mit einer Ausnahmegenehmigung, in den Klassen 7 bis 10 im Basissportunterricht gar nicht und in der Kollegstufe in den Fächern Basketball, Fußball, Handball und Geräteturnen nur mit Ausnahmegenehmigung wahrnehmen könnte.
Das Urteil wurde dem Kläger am 08.03.2018 zugestellt.
Der Kläger legte gegen das Urteil am 15.03.2018 Berufung ein und begründete sie am 27.03.2018.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG verstoßen. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts sei nicht gemäß § 8 AGG gerechtfertigt. Die Rechtsansicht des Bayerischen Kultusministeriums laufe dem AGG zuwider. Derartige Vorgaben könnten keinen Rechtfertigungsgrund nach § 8 AGG bilden. Außerdem sie die Stelle nicht jahrgangsbezogen ausgeschrieben worden.
Der Kläger macht geltend, die Tätigkeit eines Sportlehrers sei geschlechtsneutral. So sei auch die Hilfestellung beim Sport nicht ausgeschlossen. Es gebe auch männliche Bademeister, die im Rahmen ihrer Tätigkeit weibliche Badegäste zu retten hätten. Es sei geschlechtsneutral, wer im Rahmen einer Hilfestellung einen Schüler berühre. Derartige Berührungen erfolgten auch nicht im Intimbereich, sondern im Schulter-/Armbereich. Ein mögliches Unbehagen könne sowohl bei einem Schüler als auch bei einer Schülerin auftreten, das Geschlecht der Schüler und der Lehrer spiele keine Rolle. So wäre es auch möglich, dass männliche Schüler nicht von einem männlichen Lehrer berührt werden wollten, da sie die Empfindung hätten, dass sie heterosexuell und nicht homosexuell seien. Auch der Umstand, dass ein Lehrer die Umkleideräume betreten können müsse, stelle keine Anforderung im Sinne des § 8 AGG dar. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine Sportlehrerin kein Schamgefühl auslösen sollte, wenn sie den Umkleideraum betrete. Dies hänge unabhängig vom Geschlecht des Lehrers mit dem jeweiligen Befinden des Schülers zusammen. Dazu komme, dass es sich bei der Frage des Betretens der Umkleideräume um eine theoretische Möglichkeit handle, die in der Praxis nicht vorkomme.
Folgte man der Ansicht des Beklagten, dürfe es keinen männlichen Frauenarzt, keinen männlichen Masseur usw. geben.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg zum Geschäftszeichen 16 Ca 3627/17 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.500,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Der Beklagte beantragt:
I. Die Berufung des Kläger...