Der Handlungsdruck in Krankenhäusern bzgl. der Arbeitszeitgestaltung ist seit 2003 aufgrund der Rechtsprechung des EuGH deutlich gestiegen.

Am 3. Oktober 2000 wurde nach Klage eines spanischen Arztes, der den von ihm geleisteten Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit bewertet haben wollte, das so genannte SIMAP-Urteil[1] publik, in dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) feststellte, dass Bereitschaftsdienst, den spanische Ärzte in Form persönlicher Anwesenheit in einem Gesundheitszentrum leisten, voll der Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitzeitrichtlinie zuzurechnen sei.

In der Diskussion war lange Zeit umstritten, ob die vom EuGH in der SIMAP-Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf das Arbeitszeitgesetz und den Bereitschaftsdienst in Deutschland zu übertragen seien oder nicht.

Die Gleichsetzung von Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst entsprach weder den gesetzlichen Regelungen noch den tarifvertraglichen Vereinbarungen in Deutschland, die nach Art. 2 der EU-Richtlinie maßgeblich für den Terminus der Arbeitszeit sind.

Nachdem zunächst das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Februar 2003 die Auffassung vertreten hatte, die SIMAP-Entscheidung sei auf Deutschland zu übertragen, stellte dies auch der EuGH selbst ausdrücklich klar, nämlich mit seinem Urteil vom 9. September 2003 (sog. "Jäger-Entscheidung").[2]

Es stand nun außer Frage, dass die Rechtsprechung des EuGH zu einer Modifizierung des deutschen Arbeitszeitgesetzes führen musste, da das deutsche Recht, nach welchem Bereitschaftsdienst als Ruhezeit eingestuft wurde und nur Zeiten tatsächlicher Inanspruchnahme während des Dienstes der Arbeitszeit zugeordnet wurden, mit der Gemeinschaftsrichtlinie nicht vereinbar war.

Dies geschah durch die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.[3]

Mit der Änderung des Arbeitszeitgesetzes wurden die auf europäischer und nationaler Ebene getroffenen gerichtlichen Entscheidungen zum Bereitschaftsdienst in deutsches Arbeitsrecht überführt. Die zentrale Änderung für öffentliche Krankenhäuser: Der bisher vom Ärzte- und Pflegepersonal geleistete Bereitschaftsdienst wird ab sofort arbeitszeitschutzrechtlich vollständig als Arbeitszeit gewertet. In der Folge standen

viele Krankenhäuser vor der Herausforderung, die Arbeitzeiten neu zu regeln, wobei zahlreiche Anforderungen zu berücksichtigen waren und sind: neue Modelle müssen die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellen. Dabei ist, neben fachlichen Anforderungen, ein zeitliches Zusammenspiel einer Vielzahl von Berufsgruppen zu gewährleisten. Neue Arbeitszeitmodelle müssen die Schnittstellen zwischen Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Beschäftigten aus dem medizinisch-technischen Dienst, dem Funktionsdienst, aber auch der Küche und der Verwaltung berücksichtigen.

Neben der Patientenversorgung und der Einhaltung von gesetzlichen Regelungen müssen Arbeitszeitmodelle auch den wirtschaftlichen Anforderungen der Häuser Rechnung tragen.

Um im zunehmenden Wettbewerb langfristig bestehen zu können, ist es deshalb unerlässlich, die wertvolle Ressource Arbeitszeit effizient einzusetzen. Betriebszeiten müssen optimiert, die Arbeitszeitorganisation grundlegend erneuert werden, sodass sowohl die Arbeitseffizienz wie auch die Auslastung des Krankenhausbetriebes verbessert werden.

Es gilt folglich, bestehende Strukturen und Abläufe zu analysieren, kritisch zu hinterfragen und schließlich einen Weg zu finden, der sowohl die Interessen des Krankenhauses und der Mitarbeiter, wie auch die Interessen der Patienten berücksichtigt.

Bei der Erarbeitung von Lösungswegen müssen die gesetzlichen und tariflichen Vorgaben Berücksichtigung finden. Hinsichtlich der tariflichen Regelungen für Ärztinnen/Ärzte wird verwiesen auf das Stichwort "Ärztinnen/Ärzte."

[1] C –303/98, SIMAP.
[3] ArbZG v. 6.6.1994 (BGBI I S. 1170), zuletzt geändert durch Art. 4b des Gesetzes v. 24.12.2003 (BGBI I S. 3002).

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